1985 erschien das Textadventure Beatle Quest, über das es auf dieser Webseite bereits einen Artikel gibt. So viel vorab: Es ist ein seltsam‘ Ding. Im gleichen Jahr schoben die Firma Concept Software und der Publisher Mind Games aber auch ein Spiel zum Album zum Film Give My Regards to Broad Street von Paul McCartney hinterher, das in einem anderen Genre beheimatet war. Mal sehen, was uns erwartet.

Den ersten Schritt hin zu dieser Versoftung brachte McCartney 1983 hinter sich, als er den gleichnamigen Film abdrehte. Die – in Ermangelung eines besseren Wortes bleiben wir bei – Story dreht sich um einen ganz normalen Tag im Leben des Musikers. Die Masterbänder des gerade fertig gestellten neuen Albums sind verschwunden, doch Paul hat wegen hunderter Termine keine Chance, sie selbst zu suchen. Bis Mitternacht muss das Material aber wieder auftauchen, weil sonst ein finsterer Finanzmagnat die Plattenfirma einsackt, die übel bei ihm in der Kreide steht.
A Day in the Life
Während also theoretisch im Hintergrund das Drama um die Firmenpleite immer schlimmer wird, können wir McCartney und seiner Band an den unterschiedlichsten Orten beim Musizieren zusehen. Sein Label und sein Manager hatten ihn davon überzeugt, dass die Kinogänger nicht allein wegen neuer Musik ins Kino gehen würden. Also gibt er unter anderem auf der Leinwand auch Klassiker aus Beatles- und frühen Solo-Tagen wieder. Fans der Fab Four können sich neben Stücken wie Eleanor Rigby und Yesterday auch auf Auftritte von Ringo Starr, seiner Frau Barbara Bach (einem der besten Bond-Girls der Kino-Geschichte), Produzent George Martin und Toningenieur Geoff Emerick freuen. Sehr viel mehr Gutes lässt sich leider nicht am Film finden. Die Schnitzeljagd nach den Masterbändern ist nichts anderes als die Begründung für immer wieder neue Hintergründe, vor denen McCartney singen kann. Hinzu kommt die Wendung, dass am Ende alles nur ein Tagtraum des Musikers war. Natürlich ist alles in Ordnung und die Bänder liegen da, wo sie sein sollten. Die Besprechungen des Films waren entsprechend desaströs, aber immerhin konnte McCartney für den Song No more lonely nights einige Nominierungen einheimsen.

Das gleichnamige Album, das im Oktober 1984 erschien, war erfolgreicher als der Film. In Großbritannien erreichte die LP Platz 1 (samt Platin-Auszeichnung), in Deutschland reichte es immerhin zu Platz 25. Die Neuaufnahmen der alten Klassiker heben sich größtenteils nicht genug von den Vorlagen ab, die neuen Stücke sind gut, aber nicht herausragend. Ich empfehle andere McCartney-Solo-Alben, aber zu denen gibt es halt kein Computerspiel. In den Liner Notes zu einer Wiederveröffentlichung heißt es so schön:
Es war das abschließende Album eines Trios, für die Paul mit George Martin zusammenarbeitete. Beide waren froh, die Zusammenarbeit zu beenden. George erklärte, dass er Pauls Perfektionismus satt habe und Paul meinte, dass er für diese Kosten ein eigenes Studio hätte bauen können – was er dann auch tat: Hog Hill Mill.
Give My Regards to Broad Street Ultimate Album Collection Liner Notes
Drive My Car
Die äußerst kurzlebige Softwarefirma Concept Software Limited brachte es zwischen 1984 und 1986 auf fünf Spiele und schaffte es dabei, Golf, Aliens, mittelalterliches England und Polizeiarbeit abzudecken. Neben diesen vier größtenteils vergessenen Games brachten sie auch die C64- und Spectrum-Fortsetzung der Film-„Handlung“ auf den Markt: Denn die Masterbänder, um die sich der Film dreht, sind nicht vollständig! Es fehlt ein wichtiger Track: Natürlich ausgerechnet das Stück, das die erste Single werden sollte! Deshalb steigt Paul in sein schickes Auto, einen Ford Prefect, und klappert die sieben Mitglieder der Aufnahme-Session ab. Denn nach guter alter Spiele-Manier hat jeder Beteiligte ein Stück des Songs bei sich. Dummerweise ist heute auch noch Samstag. Natürlich sind die anderen Menschen also in London unterwegs, um ihr Leben zu leben.

Logische Konsequenz: McCartney muss die Leute suchen und finden. Dazu braust er in Von-Oben-Ansicht durch London. Startpunkt ist das berühmte Studio in der Abbey Road. Während in der oberen Bildschirmhälfte das Auto und die Straßen zu sehen sind, teilt sich der Rest der Anzeige in drei Fenster auf. Auf der rechten Seite werden die gesuchten Personen angezeigt. Immer, wenn sie eine U-Bahn-Station betreten oder verlassen, taucht ihr Portrait und die entsprechenden Angaben auf. Rechts zu sehen ist die aktuelle Uhrzeit und (neben dem Punktestand) die nächstgelegene U-Bahn-Station. Das mittlere Feld zeigt einen etwas größeren Kartenausschnitt, um die Orientierung zu erleichtern.

Schafft McCartney es, zur rechten Zeit an der rechten Station zu sein, kann er die andere Person erwischen. Der Bildschirm schaltet um und zeigt, dass der C64 im Jahre 1985 noch nicht an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit getrieben worden ist. Zwei grob gepixelte Figuren, ein grob gepixeltes Auto (das mich mehr an einen Käfer als an einen Ford erinnert) und ein bisschen Drumherum. Immerhin: Auf diese Weise sackt der Bandleader ein paar Noten ein und schwingt sich dann wieder auf die Straße. Die Zeit ist knapp: Wie auch im Film ist im Spiel um Mitternacht alles vorbei. Eile ist also geboten.
Um überhaupt eine Chance zu haben, die anderen Personen abzupassen, benötigt McCartney zwingend das Handbuch – oder eine gut lesbare Kopie davon. Denn um zum Beispiel Ringo abzupassen, müssten wir ja schon vorher wissen, wo er hin möchte…
Das ist ganz einfach, wenn Sie den Lebensstil der jeweiligen Person wirklich verstehen. Studieren Sie diese Gewohnheiten, um sich über die Standorte der Wochenend-Stammlokale und die entsprechenden U-Bahn-Stationen zu informieren. Alle Faktoren sind zu berücksichtigen: Tageszeit, wo die U-Bahn genommen wurde, wo ihre Freunde wohnen, welche Freizeitbeschäftigungen sie haben usw.
„deutsches“ Handbuch zum Spiel
Um mal beim Drummer-Beispiel zu bleiben: Unter dem Begriff „Stammlokale“ werden sieben Örtlichkeiten (neben Bars auch das Tonstudio) samt der passenden Bahn-Stationen aufgeführt. Taucht Ringo unten links im Fenster auf, erfährt der Spieler, in welcher Station er gerade eingestiegen ist. Ein wenig später gibt es dann die Info, an welcher Station er wieder ausgestiegen ist. Nun gilt es, mit dem Auto die nächste oder übernächste Station anzufahren, um Ringo passend zu erwischen. Sind wir zu früh da, schleppt die Polizei das Auto ab. So läuft es eben im Leben eines berühmten Popstars. Außerdem gibt es ein paar Rüpel, die mit ihren Autos den schicken Ford von der Straße schubsen wollen. Schrotten sie unser Auto, werden wir zurück zum Tonstudio verfrachtet und fahren mit einem neuen Auto weiter.

Um die Orientierung zu erleichtern, liegt der Packung ein hübscher Stadtplan von London bei, auf dem die gesuchten Personen samt ihrer Start-Aufenthaltsorte eingezeichnet sind. Außerdem gibt es noch einen U-Bahn-Plan mit allen Stationen für Menschen wie mich, die ständig die Pause-Taste drücken müssen, um sich dort zu orientieren. Im Gegensatz zur Spielgrafik kommt mit diesen Beigaben tatsächlich das Gefühl auf, sich in London zu tummeln.
Die Mischung macht’s
Hat Paul McCartney alle Teile des Songs wieder beisammen, muss er ihn in den Abbey Road Studios noch neu mischen. Das Handbuch ist hierbei eine wichtige Hilfe:
Sobald Sie alle Teile des Songs gesammelt haben, fahren Sie direkt zum Studio. Um zu gewinnen, müssen Sie das Stück durch das sich dort befindliche Mischpult füttern. Um Ihnen noch einen üblen Streich zu spielen, werden wir Ihnen auch nicht sagen, wie das Mischpult zu bedienen ist! Es reicht wohl, wenn wir sagen, daß durch etwas Experimentieren mit dem Steuerknüppel Kontrolle ausgeübt werden kann
„deutsches“ Handbuch zum Spiel

Um ehrlich zu sein: Diese abschließende Herausforderung macht das Spiel auch nicht besser. Ich schalte die drei Regler durch und spiele daran herum. Dadurch werden manche Felder plötzlich rot, andere gelb. Warum? Weshalb? Ich weiß es nicht. Und da dies die letzte Herausforderung des Spiels ist, bin ich auch nicht motiviert genug, daran ewig herumzuprobieren.
Give my Regards to Broad Street bleibt in seiner ganzen Ausführung den anderen beiden Titel-Inkarnationen treu: Es ist ein Spiel, das nichts so richtig falsch macht – allerdings auch überhaupt gar nichts auf der „Interessant!“-Skala zu bieten hat. Paul McCartney und Ringo Starr wurden daher erst Jahrzehnte später mit The Beatles: Rock Band ausreichend auf den Videospiel-Bildschirmen gewürdigt.
Davon habe ich wirklich noch nie gehört, selbst das Album und der Film sind mir nie untergekommen. Was Spiele zu Bands oder Musikern in der 1980ern angeht, habe ich wohl nur eine frühe Kindheitserinnerung an das seltsame Franke Goes To Hollywood-Spiel auf dem C64.
Auf jeden Fall vielen Dank für den Bericht, war interessant zu lesen.
Es gibt noch Spiele zu Journey. Die schaue ich mir auf jeden Fall mal an.