Die „Adventure-Schatzkiste“ ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.
Nostalgie ohne Ende

Der Schatz im Silbersee ist ein Point-and-Click-Adventure, das von Linel entwickelt und 1993 von Software 2000 veröffentlicht wurde (siehe auch Jürgens Artikel über Artventures von Software 2000). Obwohl es eine Demoversion für den Amiga gab, wurde das Spiel aus unbekannten Gründen nur für den PC (DOS) vertrieben. Ich kann mich noch gut an die kultige Bigbox erinnern, von denen Software 2000 mitunter wohl die schönsten Designs gehabt hat. Der Schatz im Silbersee wurde auf drei Disketten ausgeliefert. Von dem Adventure-Spiel existiert ausschließlich eine deutschsprachige Ausgabe, was auch der Grund ist, weshalb ich auf meinem (englischsprachigen) YouTube-Kanal nie darüber gesprochen habe.
Der Schatz im Silbersee hat einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen, es ist nämlich eines der ersten Computerspiele (neben Monkey Island 2 – LeChuck’s Revenge und dem ersten Civilization, die beide 1991 erschienen sind), an das ich mich lebhaft erinnern kann. Mein um fünf Jahre älterer Cousin aus Wien spielte es regelmäßig und ich durfte ihm dabei zuschauen (selber spielen ließ er mich jedoch nie).
Vor ein paar Jahren fiel mir dieses Spiel dann wieder ein, also grub ich es irgendwo aus und startete es via DosBox. Sogleich folgte die große Enttäuschung: Nach nur drei Minuten Gameplay hängt es, gerade als es spannend wird. Zwei Jahre später: Neuer Versuch, dieses Mal scheitert das Spiel nach 15 Minuten. „Na, dann werde ich das Ende dieser Geschichte wohl nie erfahren“, dachte ich resignierend und gab auf. Heute, reifer und um zehn Jahre Spiele-Emulations-Erfahrung unter Linux reicher, habe ich es wieder versucht und – siehe da – es hat funktioniert! Zwischen der Hoffnung auf ein ungetrübtes Spielerlebnis und der Angst vor einem hinterhältigen Absturz habe ich es in einem Zug durchgespielt – und kann euch nun endlich darüber berichten.
Auf den Spuren von Karl May

Der Schatz im Silbersee ist nach dem gleichnamigen Winnetou-Roman von Karl May (1890) gemodelt. Der Karl-May-Verlag hat auf ein Mitspracherecht bestanden und sehr darauf geachtet, dass die Adaption möglichst nahe am Roman ist. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Old Firehand, einem guten Freund von Winnetou. Die Handlung ist thematisch in vier Kapitel gegliedert. Sie beginnt auf einem Dampfer, auf dem unser Held sogleich in Konflikt mit einer Bande von Schurken gerät. Zum Glück kommt ihm ein bekannter Westernheld, der aufgrund seiner Kleidung und seiner hohen Stimme Tante Droll genannt wird, zu Hilfe. Gemeinsam wollen sie den Schurken auf die Schliche kommen und geraten dabei von einem Abenteuer in das nächste. Jedes der vier Kapitel spielt sich an einem anderen Ort ab. Wird es unseren Helden gelingen, die Bande zu stoppen und den legendären Schatz im Silbersee zu finden?
Ein Genre in den Kinderschuhen

1993 erschienen, ist Der Schatz im Silbersee eines der ersten deutschen Grafikadventures überhaupt. Optisch macht es dabei schon etwas her: Die Pixelgrafik ist wunderschön gestaltet und entspricht ziemlich genau dem Stil, den heute wieder viele Indie-Spielemacher für sich entdecken. Software 2000 war sehr stolz darauf, dass in dem Spiel mehr als 32 Farben gleichzeitig auf dem Bildschirm angezeigt wurden. Die Hintergründe, von denen es etwa 50 im ganzen Spiel gibt, sind sehr schön gestaltet. Die Charakter-Animationen sind ebenfalls ganz nett anzusehen.
Der Soundtrack besteht aus verschiedenen Midi-Melodien, von denen die meisten eigentlich ganz gut ins Ohr gehen, in brenzligen Situationen wird aber auch die Musik nervöser, und zwar so, dass man sie oft leiser drehen muss.
Die Steuerung ist an die von alten Sierra-Adventures angelehnt. Durch Rechtsklick öffnet sich das Menü, in dem man die einzelnen Aktionen auswählen kann. Das Ganze ist leider etwas umständlich, vor allem, wenn man das Inventar benutzen muss, aber das finde ich bei Sierra ehrlich gesagt genauso schlimm. Zum Glück gewöhnt man sich relativ schnell daran.

Die Hotspots werden beim Hovern nicht hervorgehoben, wodurch es öfter zu einem Pixelhunt kommt (wie es halt zu jener Zeit durchaus üblich war). Durch die schön gezeichneten Hintergründe lässt sich aber schnell herausfinden, mit welchen Objekten man interagieren kann.
Was Komplexität und Logik von Schatz im Silbersee betrifft, so versichert uns das Handbuch, das übrigens sehr umfangreich ist und auch eine mehrseitige Vorgeschichte zur Handlung bietet:
„Sicher gibt es einige Handlungen im Spiel, die Ihnen ein Spielende bescheren, doch diese sind gezählt. Seien Sie aber beruhigt, wir haben keine Sackgassen eingebaut, die sich erst nach einiger Zeit bemerkbar machen und in die man gerät, weil eine falsche Handlung durchgeführt wurde. Alle Situationen, und seien sie auch noch so komplex, sind überwindbar. Wir haben uns auch bemüht, die Puzzles logisch aufzubauen. Sie müssen also nicht mit einem Käfer sprechen, der dann durch das Schlüsselloch kriecht und Ihnen von innen die Türe öffnet.“
Tatsächlich bin ich in keine einzige Sackgasse geraten, die meisten Rätsel können durch Logik gelöst werden, doch gibt es auch einige Szenen, die der „Moon Logic“ von Sierra das Wasser reichen können.
Fazit
Alles in allem habe ich es sehr genossen, den Schatz im Silbersee endlich (nach über 30 Jahren!) durchzuspielen. Es hat nur ein paar Stunden gedauert, aber es hat sich durchaus ausgezahlt. Die Puzzles sind mit ein paar Ausnahmen weitgehend gut, nicht zu schwierig, nicht zu leicht. Viel hin- und herrennen muss man zum Glück nicht, denn Old Firehand ist nicht gerade der Schnellste… Auf jeden Fall war es ein schöner Ausflug in die frühen Neunzigerjahre.






Der Schatz im Silbersee hätte laut Handbuch eigentlich lediglich der erste Teil in einer Serie von Winnetou-Spielen werden sollen:
„Der Schatz im Silbersee soll nicht das einzige Computerspiel zu der erfolgreichen Buchreihe bleiben. Im Gegenteil, es wird der Auftakt einer Anzahl von Spielen sein. Das nächste Abenteuer ist bereits in Arbeit und soll allen die Möglichkeit geben, die vielen Abenteuer, die uns Karl May hinterlassen hat und die wir aus seinen Büchern kennen, auch selbst zu erleben“.
Aus der Fortsetzung Durch die Wüste ist aber aufgrund der geringen Verkaufszahlen vom Silbersee leider nichts geworden. Ach, wie gerne hätte ich das gespielt! Das einzige, was ich dazu gefunden habe, ist dieser Teaser im ASM-Magazin Ausgabe 6/94:

Am Schluss gibt uns Der Schatz im Silbersee noch einige Fragen mit auf den Weg:
- Warum gab es eine Demoversion für den Amiga, obwohl das Spiel nur für den PC veröffentlicht wurde?
- Der Amiga-Joker vom März 1994 hat die Amiga-Version rezensiert und mit 74 % bewertet. Gab es also doch das komplette Spiel für den Amiga?
- Von den angekündigten 80 Fullscreenbildern und über 2000 Sprites sind es dann doch nur rund 50 im Spiel geworden. Wäre das Spiel eigentlich viel länger geworden?
- Gibt es irgendwo ein Demo zum Sequel Durch die Wüste?
Falls ihr die eine oder andere Frage beantworten könnt, schreibt dies gerne in die Kommentare, ich würde mich auf eine Diskussion mit euch freuen.
Soweit ich mich erinnern kann wollte Linel ursprünglich ein Adventure zu Never Ending Story II machen, dann haben die aber die Rechte dafür [Edit] NICHT bekommen. Es gab schon Bilder davon in einigen Zeitschriften, einen Scan davon gibt’s hier: https://www.kultboy.com/index.php?site=t&id=17082
Dann wurde eiligst eine andere Franchise gesucht und man ist dann bei Karl May gelandet. Somit wurde das Gerüst von der Unendlichen Geschichte auf den Schatz im Silbersee umgestrickt. Das Projekt begann ja Mitte 1991 und da war der Amiga immer noch hoch im Kurs, Linel war fleißiger Amiga Entwickler damals. Somit dürfte der Titel zeitgleich auch noch für den Amiga entwickelt worden sein. 1993 zum Release war der PC aber doch schon so sehr verbreitet das es sich einfach nicht mehr gelohnt haben wird das ganze noch für den Amiga in den Laden zu stellen. Vermutlich hätte es auch irgendwie 15 Disketten gebraucht oder gar eine Festplatte, das steht dann ja auch nicht mehr unter einem guten Stern.
Danke für den schönen Bericht lieber Andre! 🙂
Danke für deinen netten Kommentar! Ich kann mich noch gut an die Amiga-Zeit erinnern, hatte aber selber keinen zu Hause. Ich werde mich einmal eingehender damit beschäftigen. Irgendwelche vergessenen Adventure-Klassiker-Empfehlungen? 🙂
Klassiker für Amiga oder PC? 🙂
Grundsätzlich beides, aber eher Amiga, weil ich mich da nicht so auskenne 😉
Da müsste ich mal drüber nachdenken ob es eigentlich gute Amiga Only Adventures gibt, da meist ja auch eine (bessere) PC Version parallel existiert. Ich werd es mir mal durch den Kopf gehen lassen ob mir da was einfällt… 😉
Hmmm… Amiga-Only-Adventures? Wirklich viel fällt mir da spontan im Point-&-Click-Segment nicht ein.
Fatal Heritage, Alien Drug Lords, Final Command (glaube ich) oder die beiden Chrono Quests (wobei die gab es, glaube ich, auch für den ST), Time und Final Battle (gab es aber auch für ST, wenn ich mich nicht irre). Sixth Sense Investigations ist, glaube ich, nur für den Amiga erschienen.
Bei den Text-/Grafikadventures wären es sicher mehr.
Es gibt sicher mehr Adventures, die am Amiga am schönsten waren. Kult, zum Beispiel, oder Personal Nightmare, das erste Elvira oder so beinahe-Adventures wie It Came From the Desert oder Lords of Doom.
Aber der Amiga war halt schon eher Nische. Da würde meist ein 1:1 Port der EGA-DOS- oder ST-Grafik gemacht und feddich.
Interessant: Maupiti Island hatte auf dem Amiga komplett andere Grafiken als am PC. Schwierig zu sagen, welche ich besser finde.
Aber, ja, advfreak hat schon recht: Gerade im PnC-Bereich existierten die meisten Adventures auch auf dem PC und leider recht schnell dann in besseren Varianten.
Wow, Pat, das ist ja schon eine richtig lange Liste. Da muss ich mich mal durchkämpfen. Von Sixth Sense Investigations habe ich schon gehört. War der Amiga wirklich eine Nische, mir kommt vor, Anfang der 90er hat niemand von was anderem gesprochen.
Ich hatte vor Ewigkeiten mal vor, Amiga-only Adventures zu recherchieren. Dabei bin ich auf die Tools G.R.A.C. und GRAAL gestoßen. Damit wurden einige Adventures programmiert. Wenn du Interesse hast, kannst du mal in diese Richtung recherchieren.
Ja, du hast schon recht: Bei uns war der Amiga – zumindest bis so um 1993 auch die Nummer 1. Aber international war er eher Nische.
Was TheLastToKnow meint: Nach der Hochzeit des Amigas gab es da noch eine nette Adventure-Szene bis weit in die 2000er hinein.
Vieles kam aus dem Osten und wurde leider nicht auf Deutsch oder mindestens Englisch übersetzt.
Da kamen dann so Sachen von unterschiedlicher Qualität wie „Lord of Alcandria“ oder die drei Stingons-Spiele („Starbase 13“, „Epsilon 9“ und „The Experiment“) oder „Züri“, das Spiel zur Stadt Zürich (war, glaube ich, auch Amiga-only) oder die beiden „World of Magic“-Adventures.
Interessant, mit der Geschichte von Linel hatte ich mich noch nicht beschäftigt.
*Hüstel* Man lese in den verlinkten Artikel von mir rein. Da steht: „Den technischen Unterbau lieferte das Modular Adventure Control System, das Arndt Hasch ursprünglich für ein Adventure zu dem Film „Die unendliche Geschichte 2“ programmiert hatte. Dieses Abenteuer ist aber nie erschienen. Anscheinend zogen sich die Verhandlungen zu dessen Entwicklung zu lange hin. Mehr als eine überschwängliche Preview in der PC Joker 6/91 ist nicht übrig geblieben.“
Stimmt, das hatte ich von dir geklaut die Info! Sorry dafür, aber immerhin hat die sich in mein Hirn eingebrannt! 😀
Geklaut? Absorbiert 🙂
Spannender Artikel, vielen Dank dafür. Den Nachfolger „Durch die Wüste“ habe ich auch immer gesucht, auch wenn ich „Der Schatz im Silbersee“ als eines der schlechteren Adventures im Gedächtnis habe.
Ich konnte es nie beenden, da es direkt am Ende immer abgestürzt ist, auf mehreren PC’s und auch unter verschiedenen Emulatoren…
Falls irgendwer die Demo hat, oder auch die Demo zu Die Unendliche Geschichte 2, ich würde beide gerne mal sehen.
Es ist eigentlich gar nicht so schlecht. Hast du es mit DosBox unter Linux versucht? Meiner Erfahrung nach ist es viel einfacher, alte Spiele auf Linux zum Laufen zu bringen als auf Windows.
Mobygames schreibt folgendes:
„An Amiga version was developed, but never released. However, there exists a demo version and at least one review by German gaming magazine Amiga Joker (74%).“
Ob es wohl auch eine Amiga 1200 Version gab… :/
Das ist so ein Spiel, an das meine Erinnerung recht nett war. Gerade vom Kapitel mit dem Anwesen hatte ich warme Erinnerungen. Dann habe ich es vor etwa 10 Jahren wieder gespielt und war irgendwie total ernüchtert. Das geht mir eigentlich selten so.
Trotzdem hätte ich Durch die Wüste echt gerne gespielt.