Buchvorstellung: Die Erschaffung von Prince of Persia

Der Schöpfer der Klassiker Karateka und Prince of Persia lässt geschichtsinteressierte Leser in seinen Kopf schauen. Wie unordentlich es dort teilweise zugeht, wird euch überraschen. (CLICKBAIT! JAWOLL!)

Jordan Mechner schuf mit einigen seiner frühen Spiele zeitlose Klassiker. Neben den beiden erwähnten Titeln sei auf jeden Fall noch The Last Express mit in diese Liste aufgenommen. Doch während es zu Letzterem bis heute keine offizielle Dokumentation gibt, hat es Karateka zu einer Art spielbares Ausstellungsstück geschafft. Und dank Mechners Angewohnheit, schon früh Tagebuch zu führen, können wir die Entstehungsgeschichte dieses Spiels auch in Buchform nachvollziehen – in The Making of Karateka (Journals 1982 – 1985). Dies allerdings leider nur in Englisch.

Auch das Nachfolgebuch The Making of Prince of Persia blieb 13 Jahre lang Freunden des britischen Zungenschlags vorbehalten. Bis der Autor und Journalist Stephan Freundorfer dieses Elend nicht mehr ertragen konnte und das Buch in den letzten zwei Jahren übersetzte. Nun kann der Leser anhand von Mechners Tagebuch-Einträgen der Jahre 1985 – 1993 die Entstehung des Spiels nachvollziehen.

Vom Buch zum Spiel zum Buch

Vorweg: Mechners Tagebuch-Einträge beschäftigen sich nicht nur mit der Spiele-Entwicklung. Zwar hat er für die Veröffentlichung schon irrelevante und zu persönliche Abschnitte ausgelassen, dennoch geht es auch viel um seine persönliche Entwicklung. Nach Karateka begann er ernsthaft, an einer Karriere als Drehbuchautor zu arbeiten. Daher wechseln sich intensive Arbeitsphasen am Spiel mit grüblerischen Überlegungen ab. Ist das hier wirklich das, was er machen will? Beschränkt er seine künstlerische Zukunft nicht mit diesem seltsamen Lebensstil? Zwei Einträge später ist er wieder voll im Programmier-Modus und sich sicher, dass dieses Spiel das derzeit beste Programm auf dem Markt werden wird. Ebenso schwankt er zwischen Ost- und Westküste, zwischen Einsiedler-Leben und Partys. Wie sich das Leben eben so anfühlt für einen jungen Menschen, vor dem viele Möglichkeiten ausgebreitet liegen.

Die deutsche Fassung bietet dank der Arbeit, die Stephan Freundorfer in das Buch gesteckt hat, ergänzende Informationen. Jeweils am Ende eines längeren Abschnitts ergänzt er Namen, Positionen oder Entwicklungen. Zuerst hatte ich mir Fußnoten auf den jeweiligen Seiten gewünscht, doch teilweise sind die Informationen so ausführlich, dass sie den Lesefluss empfindlich unterbrochen hätten. Ein weiterer Anhang beschäftigt sich mit Bild und kurzem Text mit den Spielen, die im Buch erwähnt werden.

Neben den textlichen Einblicken glänzt das Buch durch die reichhaltige Bebilderung. Mechner scheint alles Material aufgehoben zu haben, das mit dem Spiel zu tun hat. Hier finden sich frühe Skizzen, die verschiedenen Phasen der Animationen, Level-Designs und weitere Einblicke hinter die Kulissen. Faxe, Verträge, Arbeitspläne… Wer möchte, kann auf vielen Farbseiten tief in die Entwicklung eintauchen. Wer dagegen einfach nur schöne Bilder sehen möchte, kommt ebenfalls auf seine Kosten.

Um ehrlich zu sein: Ich konnte mir nicht recht vorstellen, was mich in diesem Buch erwartet. Wie sollten Tagebuch-Einträge die Spielentwicklung nachzeichnen können? Nun weiß ich es. Die Dynamiken innerhalb einer Firma wie Brøderbund werden ebenso klar wie die frustrierenden Monate der Warterei, ob das eigene Spiel ein Hit wird. Die ermüdenden Diskussionen mit der Marketing-Abteilung, Feilschereien um Tantiemen, verschleppte Umsetzungen auf andere Systeme. Es ist alles da. Natürlich aufgrund der Tagebuch-Vorlage nur aus Mechners Sicht – allerdings dürfte diese Sicht die relevanteste für die meisten Leser sein.

Und wer wie ich das Ende des Buchs erreicht, wünscht sich eigentlich nur eines: Eine Fortsetzung, die sich mit The Last Express beschäftigt. Mechner selbst schreibt, dass die Tagebücher existieren und er die Idee in seinem Herzen bewegt. Bis er neben seinen vielen Projekten Zeit allerdings Zeit für eine Buchausgabe findet, trösten wir uns mit der Online-Ausgabe der Jahre 1993 und 1994, die auf seiner Webseite zu finden sind.

Die Erschaffung von Prince of Persia ist im Netz an den einschlägigen Stellen bestellbar. Zum Beispiel im wunderbar aufgeräumten Shop des Gameplan-Verlags. Dort findet Ihr auf der Bestellseite auch einige Probeseiten des Buchs. Fest gebundene 368 Seiten samt Lesebändchen kosten 34,80 Euro plus Versandkosten.

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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7 Comments on “Buchvorstellung: Die Erschaffung von Prince of Persia”

  1. Das Spiel hat mich damals (TM) fasziniert und lange beschäftigt. Solche flüssigen Bewegungsabläufe hat man selten in einem Spiel gesehen. Irgendwann wurde mir das mit den ganzen Fallen etc. zu fies, nichtsdestotrotz ist das Spiel ein großer Klassiker! Das Buch würde mich daher auch interessieren, aber momentan nimmt mich eine andere recht interessante Lektüre eines gewissen J. H. aus H.-G. mit dem Titel „L.E.:T.,B.,E.“ (eine Anspiel an den großen Beatles-Klassiker?) in Beschlag, die ich gerade mit Genuss lese.

  2. Total spannend, vielen Dank. Habe jetzt durchaus Lust auf das Buch, also die aufgebohrte deutsche Version. Prince of Persia habe ich damals auf dem 486er mit Tastatur gespielt, wunderhübsch, aber auch bockschwer.

    Endnoten mag ich persönlich übrigens nicht so sehr, weil ich die Zusatzinfo, bei Interesse, dann nicht problemlos und direkt im Kontext erfassen kann. Ich lese gerade das (sehr gute!) Buch Schlachtfeld Fulda Gap, quasi eine Aufsatzsammlung, das arbeitet leider auch mit Endnoten. Nervt mich total 😀

    1. Ich bin auch kein Fan davon. Nur sind sie teilweise so umfangreich, dass sie eine Drittel Seite einnehmen. Klar, oft auch nur eine Zeile, aber wo ziehst du dann die Grenze?

      1. Schwierig. Wenn es extrem lang ist, würde ich eher hinterfragen, ob es wirklich nur eine Fuß/Endnote ist oder nicht doch in den Text gehört. Wenn es doch in eine xnote soll, würde ich glaube ich die Grenze so ziehen, dass es zumindest 1, 2 Zeilen normalen Text gibt.

        1. In den Text würde ich bei einem Tagebuch-Auszug wie hier nicht eingreifen. Ansonsten hat du natürlich recht.
          Am Ende war es eine Entscheidung, mit der ich gut leben kann. Es sind nur zwei Sammel-Endnoten-Abschnitte – und das Buch hat das Lesebändchen. Hat für mich gut funktioniert.

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