Buchvorstellung: Die Erschaffung von Prince of Persia

Interview mit Stephan Freundorfer

Hallo Stephan! Danke, dass Du Dir Zeit für ein paar Fragen nimmst. Kannst Du uns schildern, wie Du an das Projekt der Mechner-Tagebücher geraten bist?

Ich kenne die Karateka- und Prince of Persia-Tagebücher schon seit gut 10 Jahren, und hatte sie bei einem Familienurlaub auf den Kanaren verschlungen. So nah dran an der Spieleentwicklung der 1980er war ich vorher nämlich noch nie, zudem war dieses Auf und Ab im Leben eines kreativen jungen Menschen, der sich selbst noch finden muss, voller mitreißender Dramatik. Und ich dachte mir damals: Das sollten mehr Leute lesen, eben nicht nur Gaming-Nerds wie ich, sondern auch das ganz normale deutsche Buchpublikum. Ich versuchte, Jordan via Facebook zu erreichen, er meldete sich aber nicht, das Projekt blieb aber irgendwo in meinem Hinterkopf. Ende 2017 besuchte ich dann durch einen glücklichen Zufall („Stephan, bei uns hat keiner Zeit und Lust, magst Du das machen?“) für ein Spielemagazin das Fun&Serious-Spielefestival im spanischen Bilbao, wo Jordan als Ehrengast anwesend war. Er verweigerte sich zwar Presseterminen und ging lieber in die Stadt, um in Cafés zu sitzen und zu zeichnen, aber bei einem Galadiner kam er mir nicht mehr aus. Ich erzählte ihm von meiner damaligen Idee und fragte ihn, ob er Lust drauf hätte – und das hatte er. Er paar weitere E-Mails später war das Projekt wieder gestorben, weil ich es wegen meiner Arbeit nicht auf die Reihe bekam. Aber ich bekam es nun wirklich nicht mehr aus dem Kopf, und nach einigem Hadern sagte ich mir, dass ich mal (wieder) was Besonderes, Bedeutsames, Dauerhaftes erschaffen wollte und nicht nur Gebrauchstexte. Also recherchierte ich ein bisschen und überlegte, wie das Ganze aussehen könnte, und schrieb ihm vor beinahe genau zwei Jahren eine Mail, die den endgültigen Anstoß für das Projekt gab. Ich schloss einen Lizenzvertrag mit Jordan (eine halbe E-Mail-Seite, von der Jordan meinte, „Das ist der kürzeste Vertrag, den ich jemals unterschrieben habe“) und war dann natürlich festgenagelt: Jetzt musste ich das Buch auch machen.

Du hast auf Twitter im Juli 2022 einen kleinen Ausschnitt einer Mail an Jordan Mechner veröffentlicht. Dort schreibst Du, dass Du Weihnachten 2022 als Erscheinungstermin angepeilt hast. Wo lagen im Nachhinein die Hürden?

Mir war von vornherein klar, dass das Buch eher für den „Fame“ und die persönliche kreative Befriedigung gut wäre, und nicht, um meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen. Ich arbeitete also ganz normal weiter die Jobs ab, die Geld brachten, und irgendwie kamen in den letzten zwei Jahren sehr viel davon rein – redaktionelle Arbeit ist dabei nur noch ein kleiner Teil, das Gros meiner Zeit verbringe ich mit der Übersetzung von Spielen und ihrer Korrektur. Am Buch konnte ich eigentlich nur arbeiten, wenn ich gerade nichts anderes zu tun hatte, und dann ist das natürlich auch ein gewisser Kraftaufwand, einen ausnahmsweise mal freien Tag darauf zu verwenden und nicht einfach frei zu nehmen. Daher war Ende 2022 total utopisch, es kam dann auch noch hinzu, dass das Buch erst als simple Übersetzung mit ein bisschen von mir geschriebenem Text und beigefügtem Bildmaterial angelegt war, und sich dann dank großzügiger Materiallieferungen von Jordan (Bilder, Skizzen, Designdokumente, Verträge etc.) zu einem „definitivem“, großem Werk auswuchs.

Hättest Du im Vorfeld gewusst, dass die deutsche Ausgabe so lange dauert: Hättest Du es trotzdem gemacht?

Ich habe mich zwischendurch mehr als einmal verflucht, warum ich mir den ganzen Stress antue. Ich hätte das Projekt wohl abgebrochen, wenn ich nicht bei Jordan im Wort gestanden hätte. Ich fühlte mich ihm und seinem Vertrauen gegenüber verpflichtet, ich musste liefern. Dieser Druck sorgte auch dafür, dass das Buch jetzt schon erhältlich ist und nicht erst in ein paar Jahren…

Zu Beginn des Buchs ist eine Originalseite des Tagebuchs abgedruckt. Dabei fällt auf, dass einige Dinge nicht im Buch sind. Natürlich, weil sie nichts mit der Entstehung von PoP zu tun haben. Diese Auswahl hatte vermutlich schon Mechner für seine Original-Ausgabe getroffen? Oder hast Du teilweise zusätzliche Änderungen vorgenommen?

Die Auslassungen stammen von Jordan selbst. Ich nehme an, dass in seinen Originalbüchern auch viele persönliche Informationen stehen, die keinen was angehen – manchmal ledert er ja trotzdem noch für uns Leser ab oder lässt sehr tief in seine Seele blicken, wenn er der Meinung ist, dass das für die Gesamtgeschichte relevant ist. Ich habe aus dem englischen Originaltext, wie er auf Jordans Website und in den englischsprachigen Ausgaben der Tagebücher zu finden ist, keine Silbe gestrichen, allerdings eine Handvoll kleine Änderungen vorgenommen; es gab ein paar kleinere faktische Fehler, die mir aufgefallen waren, und die habe ich dann im Dialog mit Jordan geradegerückt.

Du erwähnst, dass Mechner seine Unterlagen aufbewahrt, digitalisiert und für dieses Buch zur Verfügung gestellt hat. Hast Du selbst die Auswahl getroffen? Oder dich am Original orientiert?

Das originale Original hatte überhaupt kein Zusatz- oder Bildmaterial, in der Version des englischen Stripe-Verlags kamen schon zahlreiche dieser Assets vor, allerdings in Briefmarkengröße und teilweise nicht richtig in die Bilderrahmen eingepasst. Sie waren also eher Verzierung als von echtem Nutzwert. Jordan hat mir irgendwann (und beinahe unverhofft) einen Link zu all diesen Materialien geschickt, den ich begierig herunterlud, und ich war als spielehistorisch interessierter Mensch hin und weg von all diesen Dingen. Und dann wusste ich: Die müssen vernünftig aufbereitet und präsentiert werden. Ich habe allerdings nicht alle verwendet, um Redundanzen und ein gestalterisches Ungleichgewicht zu vermeiden, sondern eine redaktionelle Wahl getroffen. Auf jeden Fall haben sie sowohl Umfang als auch Zeitinvestition enorm gesteigert. Im Nachhinein bin ich aber natürlich superglücklich darüber und Jordan für sein Vertrauen dankbar.

Ich bin dir sehr dankbar für die teilweise recht langen Endnoten (statt Fußnoten) am Ende der jeweiligen Abschnitte. Hat Jordan Mechner die selbst im Original geliefert? Teilweise klingen sie danach, als habest Du sie eingefügt.

Danke sehr! Der originale Text ist nur das Tagebuch. Sämtliche Bildunterschriften, der Spieleanhang und auch alle Endnoten stammen von mir. Allerdings hat Jordan in dem Stripe-Buch Karikaturen und Randnotizen zu seinen Tagebüchern hinzugefügt, die es mir leichter gemacht haben, bestimmte Dinge zu klären und zu recherchieren. Ich habe das gemacht, weil ich denke (und den Anspruch habe), dass das Buch auch guter Lesestoff für Nicht-Nerds ist, für Leute, die nicht so tief in der Retro-Sache drinstecken (oder andere Spezialgebiete haben). Und für die wollte ich einen Kontext schaffen, damit Dinge klarer und verständlicher werden. Und für Endnoten habe ich mich entschieden, weil ich ein zu starkes Aufbrechen des Tagebuchstils durch Fußnoten befürchtete.

Dieses Buch ist im Original die Fortsetzung von “The Making of Karateka”. Existieren Pläne oder Überlegungen, auch dieses Buch zu übersetzen? Und hat Mechner eventuell angedeutet, ob er auch die Tagebuch-Einträge zu The Last Express herausgeben möchte?

Ich habe auch die Lizenz für die deutsche Ausgabe der Karateka-Tagebücher, und lange Zeit sollte das deutsche Buch beide umfassen. Und die Karateka-Tagebücher wären es auf jeden Fall wert, auf dieselbe Weise behandelt zu werden. Und ich könnte einen tollen Schuber dazu anbieten, wo dann beide Bücher unterkommen … Ob ich aber „Die Erschaffung von Karateka“ wirklich mache, weiß ich noch nicht. Das hängt von einer Menge Faktoren ab, nicht zuletzt, ob die Leute überhaupt Bock auf dieses Buch hier haben. Bezüglich „The Last Express“: Ich könnte mir vorstellen, dass Jordan die Veröffentlichung dieser Tagebücher in Betracht zieht. Aber auch bei ihm scheint mir alles eine Zeitfrage zu sein, und er ist aktuell sehr mit anderen Projekten umtriebig.

Du bist ja berüchtigt dafür, sehr viele Spiele zu besitzen. Wie viele Ausgaben des Prinzen lagern bei Dir?

Die größte Peinlichkeit: Ich habe nur eine PoP1/2-Collection für PC und sonst kein Original-Prince of Persia, also für Apple 2, PC oder Amiga. Da bin ich noch auf der Suche, weil sich das eigentlich nicht gehört. Ich habe einige Konsolenversionen, aber die zählen nicht.

Vielen Dank an Stephan Freundorfer, der die Fragen in Rekordzeit und aller Ausführlichkeit beantwortet hat. Und natürlich auch danke an die Leserschaft, die bis hier unten dran geblieben ist.

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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7 Comments on “Buchvorstellung: Die Erschaffung von Prince of Persia”

  1. Das Spiel hat mich damals (TM) fasziniert und lange beschäftigt. Solche flüssigen Bewegungsabläufe hat man selten in einem Spiel gesehen. Irgendwann wurde mir das mit den ganzen Fallen etc. zu fies, nichtsdestotrotz ist das Spiel ein großer Klassiker! Das Buch würde mich daher auch interessieren, aber momentan nimmt mich eine andere recht interessante Lektüre eines gewissen J. H. aus H.-G. mit dem Titel „L.E.:T.,B.,E.“ (eine Anspiel an den großen Beatles-Klassiker?) in Beschlag, die ich gerade mit Genuss lese.

  2. Total spannend, vielen Dank. Habe jetzt durchaus Lust auf das Buch, also die aufgebohrte deutsche Version. Prince of Persia habe ich damals auf dem 486er mit Tastatur gespielt, wunderhübsch, aber auch bockschwer.

    Endnoten mag ich persönlich übrigens nicht so sehr, weil ich die Zusatzinfo, bei Interesse, dann nicht problemlos und direkt im Kontext erfassen kann. Ich lese gerade das (sehr gute!) Buch Schlachtfeld Fulda Gap, quasi eine Aufsatzsammlung, das arbeitet leider auch mit Endnoten. Nervt mich total 😀

    1. Ich bin auch kein Fan davon. Nur sind sie teilweise so umfangreich, dass sie eine Drittel Seite einnehmen. Klar, oft auch nur eine Zeile, aber wo ziehst du dann die Grenze?

      1. Schwierig. Wenn es extrem lang ist, würde ich eher hinterfragen, ob es wirklich nur eine Fuß/Endnote ist oder nicht doch in den Text gehört. Wenn es doch in eine xnote soll, würde ich glaube ich die Grenze so ziehen, dass es zumindest 1, 2 Zeilen normalen Text gibt.

        1. In den Text würde ich bei einem Tagebuch-Auszug wie hier nicht eingreifen. Ansonsten hat du natürlich recht.
          Am Ende war es eine Entscheidung, mit der ich gut leben kann. Es sind nur zwei Sammel-Endnoten-Abschnitte – und das Buch hat das Lesebändchen. Hat für mich gut funktioniert.

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