Die „Adventure-Schatzkiste“ ist eine Kolumne unseres Gast-Autoren André Savetier, der uns eine neue Perspektive auf übersehene und/oder unterschätzte Adventure-Spiele aus der weitreichenden Vergangenheit des Genres bieten möchte.

Synnergist ist ein FMV-Cyberpunk-Point-and-Click-Adventure, das 1996 von Vicarious Visions für DOS veröffentlicht wurde. Die Entwicklung von Synnergist begann als Idee während des Jahres 1991, als die Brüder Karthik und Guha Bala beschlossen, ihre eigene Spieleschmiede zu gründen. Nach Jahren des Selbststudiums und harter Arbeit gelang es ihnen 1994, eine Finanzierung zu sichern. Mit Unterstützung von 21st Century Entertainment wurde das Spiel schließlich veröffentlicht, jedoch nur in Europa. Trotz der veralteten Technik erhielt es anständige Kritiken, während die Entwickler nie die Möglichkeit hatten, es in den Geschäften ihrer Heimat USA zu sehen.
Diese frühe Erfahrung in der Spieleentwicklung legte den Grundstein für die spätere Erfolgsgeschichte des Studios Vicarious Visions, das später von Activision und danach von Blizzard einverleibt wurde.
Eine gar düstere Kulisse

In einer dystopischen Zukunft des Jahres 2010 spielt das Spiel in der von Verbrechen und Korruption geplagten Stadt New Arhus, wo der frustrierte junge Reporter Tim Machin für die Boulevardzeitung New Arhus Chronicle arbeitet. Die Geschichte beginnt, als Tim stark von seinem Chef kritisiert wird, weil er nicht genug Enthusiasmus für seine Arbeit zeigt.

Um seinen Job zu behalten, muss Tim innerhalb von zwei Tagen zwei Artikel schreiben: einen über den philanthropischen Unternehmer Victor Ambrose und einen Restaurantbericht, für den er keine Reservierung hat. Doch schon bald wird er in eine Reihe von Morden und eine Verschwörung verwickelt, die die Stadt erschüttert und die dunklen Geheimnisse dieser dystopischen Gesellschaft ans Licht bringt.
Die Erzählweise des Spiels, die durch die gedanklichen Reflexionen des Protagonisten ergänzt wird, vor allem, wenn er in der U-Bahn von einem Ort zum anderen fährt, bietet wertvolle Einblicke in die düstere Welt, die er erkundet. Die Charaktere, darunter der altruistische Victor Ambrose und die Liebe zur Prostituierten Jessica, tragen zur bunten Mischung bei, auch wenn sie nicht immer tiefgründig charakterisiert sind. Die Dialoge sind von einem eigenartigen und amüsanten Humor geprägt und bieten einen Einblick in die Absurditäten des Lebens in New Arhus.

2010, aus der Sicht von 1996
Das Gameplay ist typisch für das Genre und verwendet ein einfaches Zwei-Klick-System. Links wird zur Bewegung und zum Anschauen verwendet, während man mit Rechtsklick mit Objekten und Menschen interagieren kann. Das Inventar befindet sich am oberen Bildschirmrand. Die Rätsel sind logisch und relativ einfach gestaltet. Manchmal kann das Spiel aber frustrierend sein, da man leicht etwas übersehen kann, das dann etwas triggert und die Story vorantreibt. Oft hilft dann nur ein Blick in eine Komplettlösung, um voranzukommen.

Unser Protagonist bewegt sich sehr langsam, was etwas nervig ist. Zum Glück kann man mittels U-Bahn-Plan leicht von einem Ort zum anderen reisen. Es gibt auch einige Minigames, die jedoch nicht sehr schwierig zu lösen sind.
Als Soundtrack zu Synnergist dienen Synthwave-Tracks, die dieser unangenehmen, düsteren Welt wie angegossen passen. Das ganze Spiel ist durchwegs auf Englisch synchronisiert, die Sprecher sind exzellent. Es gibt auch eine Erzählerfigur, die alles kommentiert, was Tim macht. Wenn euch das stört, könnt ihr diesen Kommentator in den Einstellung auf stumm schalten.

Die Grafik ist Full Motion Video, sie wurde also mit realen Schauspielern abgefilmt, wie etwa in Gabriel Knight 2 oder in Das Geheimnis der tätowierten Rose. Im Gegensatz zu diesen Adventures ist die Qualität der Charaktere jedoch nicht so gut – im Gegenteil, sie ist sogar sehr verpixelt. Als Retro-Gamer stört mich das aber nicht. Lustig sind die Dialoge, bei denen ein Porträtbild des Sprechers/der Sprecherin aufpoppt.
FMV gehört nicht zu meinen Lieblingsstilen, wenn die Story aber passt, wie im vorliegenden Fall, dann lass ich mich gerne darauf ein.




Die Legende lebt
Besonders interessant ist, dass Synnergist einige versteckte Eastereggs bereithält, die vorab angekündigt wurden, was dem Spiel ein legendäres Image verlieh. Coming Soon Magazine schrieb damals:
Die Geschichte von Synnergist ist viel tiefgründiger, als es den Anschein hat. Es gibt einige versteckte Eastereggs im Spiel, die das Geheimnis des Spiels lüften sollen, wenn sie entdeckt werden. Das Coming Soon Magazine hat diese Information von einer zuverlässigen Quelle bei VV erhalten, die sagt, dass sogar 21st Century und die meisten Entwickler bei VV nicht einmal wissen, dass sie existieren. Die versteckten Bereiche sollen neue Videosequenzen, Räume, Rätsel usw. enthalten.
Von diesen Geheimnissen ist eines erst vor ein paar Jahren, 2021, viele Jahre nach Erscheinen des Spieles, von Gamern entdeckt worden. Es geht dabei darum, an gewissen Stellen im Spiel eine gewisse Handlung auszuführen, woraufhin dann eine gewisse Person auftaucht. Belohnt wird man daraufhin mit einem Interview mit dem Entwickler Guha Bala. Die Tatsache, dass es eine engagierte Fangemeinde gibt, die sich so lange mit dem Spiel beschäftigt, spricht für die anhaltende Anziehungskraft und den Charme, den es ausstrahlt.

Fazit
Trotz seiner Mängel bietet Synnergist ein immersives Erlebnis, das den Spieler in eine übertriebene Welt eines B-Movies eintauchen lässt. Die Synthesizer-Musik untermalt die dystopische Atmosphäre, während die detailreichen Hintergründe das futuristische Setting lebendig werden lassen.
Die grafische Gestaltung verleiht der Welt von New Arhus eine einzigartige Identität, die sowohl abstoßend (in diesem Sinne etwas Gutes) als auch nostalgisch ist. Es ist auch teilweise sehr grafisch bis grauslich: Wenn ihr schwache Nerven habt, rate ich euch daher vom Spielen ab.
Synnergist ist ein faszinierendes Abenteuer, das Fans von Dystopien in seinen Bann ziehen kann. Die Kombination aus einer tiefgründigen Geschichte und einem engagierten Design macht es zu einem versteckten Juwel der 90er Jahre, das es wert ist, entdeckt zu werden. Nicht umsonst hat sich um das Spiel eine kultartige Gemeinde gebildet.
Definitiv underrated… Die Grafik schreckt viele ab, aber die Story ist wirklich gut.
Für Interessierte hier noch ein Link zu dem Forum, in dem der Weg, wie man zu den Geheimnissen kommt, nach und nach gelöst wurden:
https://rpgcodex.net/forums/threads/help-me-discover-hidden-secrets-in-synnergist-1996-dos.93770/
Ich fand Synnergist ein durchaus gelungenes Adventure auf seine Art. Ich finde auch die Grafik ganz gelungen.
Der Vergleich mit dem zweiten Lost Files of Sherlock Holmes oder dem zweiten Gabriel Knight ist zwar zeitlich gesehen durchaus nachvollziehbar (kamen ja alle 95/96), aber Synnergist verwendete die (ur-)alte Engine von Access, die diese zum Beispiel in Martian Memorandum und Countdown verwendet haben. FMV bei 320×200 mit 256 Farben wirkte natürlich nicht mehr zeitgemäß. 🙂
Trotzdem finde ich, dass Synnergist schon einen coolen Art-Style hat. Es war ein Indie-Adventure, bei dem vielleicht nicht immer alles so glänzt, wie es sich die Macher gewünscht hätten.
Aber ich stimme dir voll zu: Es ist – auf seine Art – tatsächlich ein kleines, verstecktes Juwel.