Wir schrieben das Jahr 2009, als ich an der Chemnitzer Abendschule mit dem iOS-Fieber infiziert wurde. Meine damalige Schulkameradin Kristin aus der Parallelklasse saß eines Tages mit einem iPod Touch der dritten Generation auf dem Schulflur, hörte Musik und tippte auf dem Gerät herum. Sie spielte Mystery Mania, ein kreatives Rätselspiel von Electronic Arts.
Kristin war wie ich ein großer Fan von Puzzle- und Casual Games und im Gegensatz zu mir ein begeisterter Early Adopter, wenn es um neue technische Geräte ging. Ich hatte zwar schon vom iPhone und dem iOS-System gehört, es aber noch nie in Aktion gesehen. Wir trafen uns dann in den folgenden Tagen vor dem Unterricht und ich konnte mir das handliche Gerät genauer anschauen. Schnell war ich von der Designphilosophie des Betriebssystems begeistert. Alles war übersichtlich, die Navigation ging rasend schnell und es faszinierte mich, mit dem Ding Musik zu hören, im Internet zu surfen oder zu spielen. Schnell stand fest: So einen iPod Touch muss den Weg in den Haushalt finden!
Vom Zauber alter Mobile Games

Beim iPod Touch ist es natürlich nicht geblieben. In den nächsten Monaten wurde mein altes Nokia-Handy durch ein formschönes iPhone ersetzt und 2011 kam auch noch das iPad 2 dazu. Gehörte ich also zu den Hipstern, die die Dinger nur als Statussymbol nutzen, um anzugeben? Nein, natürlich nicht. Neben den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und der tollen Bedienung der Geräte war es vor allem der lebendige und abwechslungsreiche Spielemarkt, der mich zum Fan machte.
Von Strategiespielen über klassische Arcade- und Shoot-em-Up-Games bis hin zu meinen geliebten Puzzlespielen war der App Store prall gefüllt mit kreativen und zum Teil sehr einzigartigen Spielerfahrungen. Das spätere Free to Play-Modell, wie es durch Candy Crush Saga populär wurde, war noch nicht verbreitet. Vielmehr kosteten viele Spiele zwischen 3 und 10 Euro. Einige konnten auch kostenlos heruntergeladen werden, boten aber erst nach einem einmaligen In-App-Kauf Zugang zum vollständigen Spiel.
Und so verging kein Monat, in dem ich nicht immer wieder neue kleine oder auch skurrile Schätze im App Store fand. Von Indie-Studios gab es zum Teil herrliche Experimente, von bekannteren Publishern Titel, die sonst kaum auf dem Spielemarkt zu finden waren – neben Puzzlespielen zum Beispiel auch Umsetzungen von Brettspielen.
Eine Spielekultur vergleichbar mit versunkenen Städten
Nach einigen Jahren wurde der Mobile Markt jedoch immer schlimmer. Ab etwa 2012 überschwemmten immer mehr Free-to-Play-Spiele den Markt. Richtige Bezahlspiele wurden in der Folge immer seltener. Gleichzeitig sorgten die jährlichen iOS-Updates dafür, dass ältere Spiele-Apps inkompatibel wurden. Der erste große Einschnitt war der Wechsel auf iOS 7 im Jahr 2013. Das System bekam nicht nur ein neues Design, auch unter der Haube gab es gravierende Änderungen, so dass viele ältere Apps nicht mehr starteten oder fehlerhaft liefen.
Die klassische Spieleentwicklung folgt dem Prinzip, dass die Entwickler nach Abschluss eines Projekts zum nächsten übergehen. Selbst wenn EA, THQ & Co. also gewollt hätten, konnten sie die alten Spiele oft nicht auf das neue System updaten, da die Daten aus der Entwicklung nicht mehr vorhanden waren. Also wurden diese alten Spiele aus dem Store genommen. Auch für kleinere Indie-Entwickler war die ständige Anpassung der Spiele an die jährlichen neuen System-Updates nicht mehr leistbar und so verschwanden immer mehr Spiele aus dem Store. Hinzu kam, dass ein Entwickler jährlich 100 Dollar für das Entwicklerkonto an Apple zahlen musste, wenn die App im Store bleiben sollte.

Während also schon in den ersten Jahren tausende Spiele aus dem Store verschwanden, wurde 2017 mit iOS 11 der Support für 32-Bit-Geräte eingestellt. In der Folge wurden Apps und Spiele, die kein 64-Bit-Update erhalten hatten, von Apple aus dem Store entfernt – selbst wenn man diesen mit einem 32-Bit-Gerät öffnete.
So verschwanden über die Jahre Millionen Spiele und Apps von kleinen und großen Entwicklern. Betroffen waren Klassiker und Bestseller, Geheimtipps und leidenschaftliche Hobbyprojekte. Nur die Spiele, die ohnehin durch ihr Servicemodell ständig aktualisiert wurden – also die Free to Play-Spiele – überlebten die „App-ocalypse“. Man kann sich das wirklich als eine große digitale Naturkatastrophe vorstellen, die eine ganze Kultur unter sich begraben hat.
Sind diese Spiele für immer verloren?
iOS Gaming war schon immer ein Nischen-Hobby. Auch wenn nach einigen Jahren viele Menschen ein iPhone oder ein iPad besaßen, haben nur wenige ernsthaft damit gespielt. Zudem hatte die traditionelle Spielepresse für Mobile Games oft nur Spott übrig – was den Ruf ebenfalls nicht zuträglich war. Anders als bei den Konsolen gab es also keinen faktischen Markt mit 40, 50 oder mehr Millionen Spielern.
Daher wurde nie ernsthaft ein Emulator entwickelt. Es gab zwar im Internet zahlreiche gecrackte Apps für iOS-Geräte mit Jailbreak, doch wurden diese von der Szene auf One-Click-Hoster wie Turbobit, Uploaded oder Megaupload geteilt – nicht gerade sehr nachhaltig. Es gab – anders als beispielsweise bei Nintendo-Konsolen oder Projekten wie Flashpoint – auch nie eine organisierte Szene, welche das Ziel hatte, jedes noch so kleine Spiel nachhaltig zu archivieren. Erst in den letzten Jahren fing eine kleine Szene auf Archive.org an, ipa-Dateien von alten Spielen zu sammeln und zugänglich zu machen. Doch die meisten Spiele aus den Anfangsjahren dürften wohl für immer verloren sein.
Und selbst wenn man die ipa-Datei seines Lieblingsspiels aus den frühen Jahren findet: Man braucht schon ein altes iPhone oder iPad mit einem möglichst niedrigen Betriebssystem, am besten iOS 5 oder iOS 6. Und selbst diese Geräte werden irgendwann kaputt gehen.
Also ja, sehr viele Spiele sind bereits verloren. Nicht nur auf legalem, sondern auch auf illegalem Wege. Das unterscheidet die kleine Fan-Szene alter iOS-Spiele von Fans anderer alter Konsolen und Spielen. Selbst alte Java-Handy-Spiele sind durch Emulatoren leichter zugänglich als iOS-Spiele.
Eine Warnung an Fans anderer Spieleplattformen
Mit der Bildergalerie auf den folgenden Seiten möchte ich eine Warnung an die Fans anderer Spieleplattformen verbinden: Seid euch bewusst, dass auch eure Spiele irgendwann im digitalen Nirwana verschwinden könnten. Nintendo hat die digitalen Shops für Wii, DSi, Wii U und 3DS bereits geschlossen – viele Exklusivspiele dieser Plattformen sind auf legalem Wege nicht mehr zugänglich (durch Emulation und Präservierung der Spiele jedoch noch auf illegalem Wege). Und was würde passieren, wenn eines Tages Steam schließen würde?
Für mich sind Spiele Kunst – und zur Kunst gehört es, sie zu erhalten. Im iOS-Bereich ist das ohne viel Zeit und Geduld nur sehr schwer möglich. Ich besitze selbst noch alte iOS-Geräte und gebe auf den folgenden Seiten einen kleinen Einblick in die iOS-Spielelandschaft der ersten fünf Jahre – alle Bilder sind eigene Screenshots. Dabei möchte ich Spiele und Firmen hervorheben, die verdeutlichen, welche Art von Spielekultur durch die Firmenpolitik von Apple für immer verloren gegangen ist. Nur selten werde ich mal auf einzelne Spiele näher eingehen – viel mehr ist es mein Ziel euch ein Gefühl für eine untergegangene, niemals wiederkehrende Spielekultur zu vermitteln.
epic game list
danke dir! 🙂
Vielen Dank für diesen Rundumschlag! Gerade die Infocom-Software schmerzt mich immer noch sehr. Das Programm war so liebevoll zusammengestellt und funktionierte auf dem iPad hervorragend. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Ding auf den aktuelleren Geräten wegen 64 Bit Ärger machen würde. Finde die App auch noch schön in meinem Verlauf. Gekauft am 20.02.2013. Und ganz viele andere tolle Spiele, die einfach funktioniert haben, nachdem ich sie für ein paar Euro gekauft hatte. Alles weg.
Nach der damaligen Umstellung hab ich kein einziges Spiel mehr gekauft auf dem Ding. Und keinen Cent bei einem Free-to-Play-Spiel ausgegeben.
Einige der von dir genannten Titel sagten mir sogar etwas, aber von den meisten hatte ich noch nie etwas gehört. Es ist wirklich schade. Hergestellte Spiele sind auch nur Wegwerfware und irgendwann kräht kein Hahn mehr danach, wie bei einer dunkelbraunen Banane, die einfach in den Müll geschmissen wird.
Danke für den Überblick, ich werde mal versuchen meine alten iPhones wieder startklar zu kriegen und zum 4. mal Peggle durchspielen. 🙂
Wow, was für eine Mühe da wieder reingeflossen sein muss. Danke für den kleinen Einblick in eine fremde Welt.
Leider ist der Name Programm, also zwei Besserwissereien:
„Selbst wenn EA, THQ & Co. also gewollt hätten, konnten sie die alten Spiele oft nicht auf das neue System updaten, da die Daten aus der Entwicklung nicht mehr vorhanden waren“
Halte ich zu der Zeit schon für unwahrscheinlich, gerade größere Unternehmen hatten im Normalfall schon Coderepositories um die Releases zu pflegen. Das dürfte eher für kleinere Betriebe gegolten haben und selbst da dürften die auf irgend einer Backup-Platte in der hinteren Ecke eines Schrankes gelegen haben. Es wird sich schlichtweg einfach nicht gelohnt haben oder es hätte nochmal Verhandlungen bedurft falls es sich um ein lizenzbehaftetes Produkt gehandelt hat.
„Seid euch bewusst, dass auch eure Spiele irgendwann im digitalen Nirwana verschwinden könnten…Und was würde passieren, wenn eines Tages Steam schließen würde?“
Warum, statt diese Frage stellen, nicht lieber einen Aufruf machen und die Leute auffordern DRM-frei zu kaufen ?
Ein Großteil meiner Spiele wird dieses Schicksal nicht teilen (zumindest nicht bis ich es selbst Teile und meine Nachkommen den alten Schrott in die Tonne hauen) weil ich auf dem PC (Konsolenspieler gucken mehr oder weniger in die ehemalige Röhre) meine Spiele bei GOG und itch.io kaufe.
Ich wäre da nicht so optimistisch, dass der Code dieser alten Spiele noch vorhanden ist. Gerade bei großen Studius. Wie reden hier über die Zeit vor 2013. Zwar gab es da schon Git und Github gab es da schon mehrere Jahre. Egal ob bei einem Anbieter oder selbst gehostet, viele Sachen wie GitLab, GitTea, BitBucket… waren da noch nicht am Start und/oder wurden aufgekauft. Von daher kann davon ausgegangen werden, dass Studios von einem Service auf den anderen gesprungen sind. Und bei großen Publishern wie EA, THQ & Co. kommt auch noch hinzu, dass Studios fusionieren, schließen, umstrukturieren. Hinzu kommt einfach die Größe und dass es viele Studios gibt, die unter Umständen komplett unabhängig voneinander arbeiten. Bei der Größe, über so viele Jahre und so viele teilweise komplett unabhängigen Abteilungen, kann man davon ausgehen, dass es bei Riesen wie THQ oder EA viele dutzende Repos gibt und gab und wenn man z. B. von Github zu GitLab wechselt, wird dann oft nicht alle Repos migriert, genauso wenn Studios schließen und fusionieren.
Vor allem aber wollte ich auf den DRM-freien Kauf eingehen: Wenn man sich die Artikel hier durchliest, sieht man, dass doch dauernd of GOG oder itch.io hingewiesen wird. Eine kurze Suche auf der Seite bestätigt das auch. Aber es geht hier nicht, um die persönliche Spielebibliothek und den Zugang der Einzelperson auf die selbst gekauften Spiele. Es geht darum zu kritisieren und darauf aufmerksam zu machen, dass gesamtgesellschafltich der Zugang zu extrem vielen Spielen verloren geht, wo es diese Option gar nicht erst gibt. Und wenn ich darauf aufmerksam mache, dass ganze Teile der Videospielkultur verloren gegangen sind bzw. verloren gehen, dann hilft es nicht zu sagen, dass andere davor geschützt sind, weil es dort DRM-freie Käufe gibt.
DRM-frei ist super wichtig und auch sehr unterstützenswert. Weswegen ich wann immer möglich auch bei itch und GOG kaufe. Aber durch den Konsumverhalten wird das Individuum nicht erwirken können, dass nicht DRM-freie Segmente des digitalen Spielemarkts DRM-frei werden. Das ist ne Illusion. Und wenn man akzeptiert, dass man in nem Wirtschaftssystem lebt, in welchem die Spiele nicht als Ganzes von den Konzernen preserviert werden, sondern nur das was wirtschaftlich ist und auch nur in der Form, wie es für die Konzerne möglichst rentabel ist und man gleichzeitig nicht möchte, dass so viele kulturelle Güter verloren gehen, dann gibt es da in meinen Augen nur eine Lösung. Das wären nämlich öffentliche Archive und Bibliotheken sowie Gesetze, dass Publisher ihre Spiele ohne DRM dort einreichen müssen, wenn sie diese z. B. in der EU verkaufen wollen. Gerne auch mit ner Kulanzzeit, wie z. B. 5 – 10 Jahre nach Release.
Danke für den tollen Kommentar.
Und in diesem speziellen Fall geht es ja noch nicht mal um DRM persé. Hinzu kommt, dass ein unfähiger Konzern es nicht geschafft hat, die Kompatibilität von iOS-Versionen untereinander sicherzustellen. Das ist in dieser krassen Auswirkung schon ziemlich einmalig. Stell Dir vor, irgendein OS-Update der Switch hätte negative Auswirkungen auf die Kompatibilität von alten Spielen von vor 5-7 Jahren. Da wäre aber zurecht was los. Apple konnte sich das aus irgendeinen Grund erlauben und bis auf eine verschwindend kleine Blase der iOS-Gamer hat das niemanden gestört. Bis hin dazu, dass ein Plattformbetreiber eigenmächtig zehntausende Apps aus dem Store schmeißt.
Da helfen Verweise auf GOG auch nicht weiter. Zudem ja auf GOG nur ein Bruchteil der Spiele erscheint.
Natürlich wäre Apple dazu technisch in der Lage gewesen eine Kompatibilitätslayer zu bauen, aber warum hätten Sie das tun sollen? Apple hat gemacht was Microsoft (mit Win8/10) auch gerne gemacht hätte: alte Zöpfe abschneiden die am Ende nur Geld kosten. Microsoft konnte es nicht, weil es den Markt nicht komplett kontrolliert, Apple macht das schon. Und an der Reaktion auf die Einstufung als Gatekeeper kann man auch deutlich sehen das Apple sich mit Zähnen und Klauen gegen jedweden Kontrollverlust verteidigen wird > bin mal gespannt wieviel alternative „Appstores“ sich in einer Niesche halten können, richtig groß wird davon sicher keiner. Dafür hat Apple gesorgt und wird auch weiter sehr kreativ damit sein Beanstandungen der EU möglichst lange auf die Bank zu schieben und im zweifel an einer anderen Stelle hürden aufbauen.
Klar hilft ein Verweis auf GOG, denn warum erscheint dort nur ein Bruchteil der Spiele? Weil gog keine große Marktrelevanz hat. Die kann es nur erreichen wenn es auch in den Köpfen der Leute präsent ist.
Ich sehe das in beiden Fällen anders:
Vor GitHub & Co gab es schon Visual Source Safe von Microsoft und andere Produkte von kleineren Anbietern. Als ich 2005 ins Berufsleben der Softwareentwicklung gestartet bin war damals schon eine oft gehörte Frage, wie es denn um Kenntnisse der Quellcodeverwaltung und Archivierung bestellt ist. Das galt für Großkonzerne wie Siemens wie für kleine „Hidden Champions“ in der Wallachai. Dort aber gerne mal mit kreativen Auslegungen von Lizenzbestimmungen oder es waren zwar primitive, aber funktionale, Eigentwicklungen. Wenn Quellcodeverwaltung im provinziellen, deutschen Mittelstand angekommen war, dann sicher auch schon in der IT-Welt der USA. Das war auch nicht mehr die Wildwestzeit der 90er Jahre, in den fortschreitenden 00er und 10er Jahren hat sich die Branche schon stark professionalisiert.
Mein Kommentar bezog sich auch auf den großen „Massenexodus“ beim Wechsel auf iOS7, nicht darum das die Spiele über +10Jahre weitergepflegt werden. Das ist im Groß mit Sicherheit eine rein finanzielle und/oder lizenzrechtliche Entscheidung gewesen. Besonders in einem auch schon damals stark von Aufmerksamkeit getriebenen Markt wie iOS, bringt die lange Pflege von Produkten selten große Einnahmen (GaaS ausgenommen, aber da wird DRM-frei ja soweiso ein Problem). Da müssen neue Produkte her, die auf einer großen Welle der Aufmerksamkeit reiten können.
Ja natürlich geht es bei der DRM-Freiheit um das große Ganze. Aber ich halte die Einstellung das man einfach die Hände in den Schoß legt und auf die Gnade des Gesetzgebers wartet für illusorisch und bequem: Politisches Handel wird, wenn es um wirtschaftspolitische Entscheidungen geht, von zwei Polen getrieben: Druck aus der Öffentlichkeit oder Druck aus der Wirtschaft. Druck aus der Öffentlichkeit ist in deinem Argumentationsmodell nicht vorhanden. Bleibt Druck aus der Wirtschaft. Der ist zwar z.T. da (siehe Regulierung von Gatekeepern in der EU) orientiert sich aber nicht an der Interessenlage der Kunden sonder rein aus der Interessenlage anderer Marktteilnehmer. Die dürften beim Thema DRM-Freiheit eher negativ bis neutral sein > cui bono?
Wie immer hinkt auch dieser Vergleich, aber ich hab um die Uhrzeit nix besseres: Warum wurde das Einleiten von Abwasser in Flüsse stark reglementiert? Weil alle beim Familienfest ein bisschen vor sich hin gejammert haben und der Staat irgendwann auf die Idee kam entsprechend Auflagen zu erlassen? Oder weil es eine breite gesellschaftliche Bewegung gab die sich gegen die starke Verschmutzung der Gewässer ausssprach ? Schönes Beispiel ist hier auch die DDR, die lange vor der BRD bereits Gesetze zum Schutz der Umwelt auf den Weg gebracht hatte. Umgesetzt wurde diese aber erst in den 1980er Jahren, weil sich auch dort eine breite Öffentlichkeit formierte.
Womit wir wieder beim Einzelen sind. Natürlich hilft es langfristig, wenn Einzelne DRM freien Zugriff auf Spiele haben, weil Sie diese später auch der Allgemeinheit zuführen können. Schönes Beispiel ist hShop, ein illegaler Nachfolger des eshop für den 3DS, dessen Inhalt sicher nicht Gigabyte-Weise vom Himmel gefallen ist, sondern weil Einzelne diese zusammengetragen haben. Das konnte aber nur passieren weil sie das Werkzeug hatten die Spiele vom DRM befreien. „Electricity“ als illegitiemer Nachfolger von Steam könnte sich wesentlich leichter (zumindest mit den Katalogen von itch.io und gog) befüllen lassen, da es keine technische Hürde gibt (rechtliches mal außen vor).
Womit wir auch bei der Verantwortung des Einzelnen und meinem Vergleich sind: es gab auch damals in Ost und West keine große Organisation namens Unweltbewegung in die man eingetreten ist und irgendwann gings dann los. Das war damals die Arbeit Einzelner die auch gegen gesellschaftlicher Widerstände sich durchsetzen mussten, erst nach und nach wurde daraus eine Massenbewegung.
Genauso ist es auch hier: Natürlich ist es einem Publisher erstmal egal ob ich ein Spiel bei gog kaufe oder bei Steam. Aber je mehr es tun um so interessanter wird gog für den Publisher. Spätestens wenn sich eine wirtschaftlich relevante Gruppe dafür entscheidet das Spiel nicht zu kaufen und die Gründe dafür auch noch öffentlich macht ist ein Publisher gezwungen auch auf gog zu veröffentlichen. An dieser Stelle löse ich mich dann auch von meinem Vergleich, denn eine Öffentlichkeit für ein Anliegen zu schaffen ist heute wesentlich leichter als Damals und im Gegensatz zu Damals muss sich niemand zunächst in die Mühlen eines politischen Diskurses begeben sondern kann direkt mit seinem Geldbeutel die Entscheidung setzen.
Ja das ist natürlich eine Wette, aber sie ist wesentlich aussichtsreicher als dein Warten auf einen Akteur der keine Motivation hat hier etwas zu tun. GOG mag es nicht gutgehen, aber sie sind noch immer da und kriegen sogar ab und zu ein paar Brocken von den Großen ab (wer hätte gedacht das God of War da noch landet)? Warum ist gog da wo es ist? Es bietet weniger Funktionalität und weniger Komfort bei oftmals höheren Preisen. Schreib jetzt bitte nicht wegen den alten Spielen.
Aus dem Nähkästchen: …, und manchmal sterben Leute auch.
Montagsmusik: Do Re Mi Fa Drug, Headache Pill / Cameltry (Arcade)