Hand aufs Herz: Wie viele Finger nutzt ihr, wenn ihr einen längeren Kommentar im Netz tippt? Und wie sicher huschen die Finger über die Tasten?
Ich für meinen Teil habe meine Schreibmaschinenfähigkeiten auf einer alten mechanischen Maschine bei der Bundeswehr erworben, auf der ich die Dienstpläne für die Kompanie tippen durfte. Da brauchte der kleine Finger noch Kraft, um ein „ä“ zu Papier zu bringen! Und ein Fehler bedeutete, mit einem Radierstift ganz vorsichtig zu rubbeln, damit die ganze Arbeit nicht umsonst gewesen ist. Irgendwann war ich davon überzeugt, dass meine Fähigkeiten nahezu ausgelevelt waren. Tja, und dann entdeckte ich diese Spiele, die einem das Maschinenschreiben beibringen sollten. Leider war meine selbst antrainierte Technik schon so eingebrannt, dass sie nichts mehr retten konnten. Aber trotzdem hatte ich meinen Spaß damit. Ein paar der etwas seltsameren Vertreter dieser Zunft möchte ich euch hier vorstellen.
Der erfolgreichste Film des Jahres 1980 in den USA war Das Imperium schlägt zurück. Den kennt vermutlich jeder Leser dieses Artikels. Der zweiterfolgreichste Film im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hieß 9 to 5. Falls es hier nicht direkt klingelt, hilft euch bestimmt der deutsche Verleihtitel auf die Sprünge: Warum eigentlich… bringen wir den Chef nicht um? Nein? Nun, seid getröstet: Mir sagte der Film auch nichts. Kurz zusammengefasst geht es um drei Frauen, die unter ihrem despotischen Chef leiden. Entgegen des Filmtitels bringen sie ihn nicht um. Aber sie entführen ihn – und sorgen in der Firma mit den Veränderungen, die sie einführen, für verbesserte Leistungen aller Mitarbeiter. Das ruft den Oberboss auf den Plan, der diese Verdienste dem besagten Despoten-Chef ans Revers heftet. Aber Ende gut, alles gut: der Bösewicht darf als Belohnung ein neues Projekt in Brasilien betreuen und mit Violet rückt eine der drei Damen auf seine Stelle.
Was aber hat das alles mit einem Tippspiel zu tun? Nun, in dieser Firma wird natürlich viel auf Schreibmaschinen getippt. Wie in hunderttausend anderen Filmen auch, aber um die geht es hier ja nicht. Übrigens ist im gleichnamigen Titelstück von Dolly Parton, die auch eine der Hauptrollen übernahm, eine Schreibmaschine zu hören. Und das kommt gar nicht mal so oft vor. Jedenfalls baut dieses Spiel für den C64 auf der Grundidee des Films auf und reiht ein paar Szenen mehr oder weniger passend aneinander. Zum Beispiel versucht in einem Level eine Frau, den Boss per Lasso einzufangen. Tippt sie schnell und fehlerfrei genug, fängt sie ihn. Wenn nicht, entkommt er. Im Film ist die Szene zwar lustiger, aber im Kino kann man ja leider nicht tippen. In einer anderen Szene rennt eine Frau einen Gang entlang, immer auf der Flucht vor einem älteren Lüstling. Auch hier liegt ihr Schicksal in euren magischen zehn Fingern. Auch schön die Szene, in der der Boss mit einer Schrotflinte beschossen wird, sich irgendwann den Hintern hält und in Luft auflöst. Mit heutigen Augen kann ich mir das übrigens – Pixel hin oder her – kaum noch anschauen. Die Achtziger scherten sich um so etwas wie sexuelle Belästigung wohl noch nicht und machen sich hier einen Spaß aus genau dem Verhalten, das im Film abgestraft wird. Die drei beschriebenen Szenen sind übrigens fast das ganze Spiel. Mehr kommt da nicht mehr. Aber immerhin könnt ihr eigene Texte eingeben, die dann in diesen Sequenzen abgefragt werden. Abgerundet wird das Spielchen noch durch ein paar Übungen, die euch die korrekte Handhaltung auf der Tastatur nahebringen wollen.
Ist es also ein gutes Spiel? Nein. Ist es ein kurioses Spiel: Aber so was von! Ein kleines Kuriosum noch zum Ende: Das Spiel erschien erst 1984, also satte vier Jahre nach dem Film. Warum das so war und nicht gleich ein Ghostbusters-Spielchen entwickelt wurde, weiß anscheinend niemand. Lustig auch der Werbespruch „9 to 5 typing. Because not all typing games have to be shooting down spaceships“. Dass man stattdessen seinen Boss erschießt, erwähnt die Anzeige nicht.
Typing of the Dead
Auch in diesem Vertreter seiner Zunft spielen wir den Arbeitsalltag unserer Protagonisten James und Gary nach. Statt mit einer Schreibmaschine ist er mit einem Keyboard unterwegs, das mich wegen seiner Position vor dem Bauch immer ein wenig an das Keyboard von Thomas Anders bei Modern Talking erinnert. Nur, dass wir es hier nicht mit Dieter Bohlen, sondern mit Zombies zu tun haben. Glück gehabt!
Ich habe The Typing of the Dead auf dem PC kennengelernt. Aber ursprünglich erschienen ist es als Automat in den japanischen Spielhallen. Basierend auf The House of the Dead 2 aus dem Jahr 1998 wurden die Lichtpistolen gegen zwei Keyboards eingetauscht und die Geschichte etwas humoriger getrimmt. Aber immer noch geht es um eine Zombie-Invasion in Venedig, die wir mit unseren AMS-Agenten aufhalten müssen. Praktischerweise haben unsere Gegner eine Schwachstelle: Vor ihren Körpern schwebt immer ein kleines Schild mit dem Buchstaben, dem Wort oder dem Satz, auf den sie allergisch reagieren. Wenn wir diese rechtzeitig eingeben, besiegen wir die Gegner mit einer Wertung zwischen A und F und kommen in dem Rail-Tipper weiter voran.
Sind die kleineren Wörter oder gar einzelne Buchstaben und Zeichen am Anfang kein Problem, geht euch spätestens bei den eingeschobenen Boss-Fights, in denen ihr längere Texte möglichst fehlerfrei eintippen solltet, ganz schön die Pumpe. Ich weiß noch, wie ich mir von meinem Kumpel bei einem dieser Bosse die Texte habe vorlesen lassen, damit ich die Augen nicht von der Tastatur nehmen musste, weil der Gegner auf dem Bildschirm in einem Affenzahn hinter mir her war.
Größter Kritikpunkt bei Erscheinen des Spiels war die veraltete Grafik, die sich seit House of the Dead 2 nicht verbessert hatte. Dafür punktet Typing of the Dead mit seiner absurden Grundidee und immer wieder eingestreuten Gags. Zum Beispiel tragen einige eurer Agenten auf dem Rücken eine Dreamcast, die mit einer großen Batterie betrieben wird. Natürlich wurden sie für die Playstation-2-Version, die unter dem Namen The Typing of the Dead: Zombie Panic in die Läden kam, durch entsprechende Konsolen ersetzt.
The Textorcist – The Story of Ray Bibbia
Haben die anderen beiden Spiele wenigstens noch ein klein wenig den Anschein vermittelt, tatsächlich das Zehn-Finger-System vermitteln zu wollen, begräbt schon der Spielansatz von The Textorcist – The Story of Ray Bibbia diese Idee ganz tief. Denn hier ruht die rechte Hand normalerweise ständig auf den Cursor-Tasten, während die linke Hand die Tipperei erledigt. Und das ist auch gut so.
Wir sind im Rom der 1990er Jahre. Der Klerus hat sich die Stadt untertan gemacht. Das führte aber nicht dazu, dass hier nun das Paradies auf Erden entstanden wäre. Nein: Auf den Straßen und unter den Dächern tummelt sich noch immer menschlicher Abschaum; aber auch dämonische Kräfte treiben hier ihr Unwesen. Genug Arbeit für Ray Bibbia, den freiberuflichen Exorzisten, den wir verkörpern. Das tun wir, indem wir seine Figur in recht gelungener Pixel-Optik durch die linearen Level steuern und bei Gegnern wie auch schon bei Typing of the Dead hektisch die auf dem Bildschirm erscheinenden Worte einhämmern.
Zwei Dinge erschweren dieses Unterfangen aber: Zum einen verwandeln unsere Gegner den Bildschirm gerne mal in eine regelrechte Bullet-Hell, durch die wir unseren tapferen Ray manövrieren müssen, damit er nicht seine Bibel oder sein Leben verliert. Zum zweiten müssen wir auch immer nah genug am Gegner bleiben, weil unsere Hollets (Kurzform für Holy Bullets) sonst nicht treffen. Ist unser Gegner übernatürlichen Ursprungs, spuckt er auch gerne mal den halben Fußboden voller Dämonenschleim, der für einige Sekunden unsere zu tippenden Worte verdeckt. Das alles führt zu obiger Verhaltensweise: Mit der rechten Hand steuern, mit der linken Hand tippen. Wobei ich auch gerne versucht bin, bei Beschusspausen mit beiden Händen loszutippen und dann den Einsatz zu verpassen und wieder mal erwischt zu werden. Die Bibel, die ich dann verliere, fungiert als Stichwortgeber. Ohne sie habe ich schlicht nichts zu tippen. Sie landet irgendwo im Kampfareal und ich muss sie erst einmal zurückholen, bevor ich weitermachen konnte.
Optisch reißt das Spiel keine Bäume aus, aber es macht das Beste aus seiner Pixel-Optik. Schräg von oben folge ich Ray durch die Abgründe der Ewigen Stadt. Immer getrieben von Gottes Wort und den treibenden Beats, die aus dem Lautsprecher dröhnen. Oder sind sie nur in meinem Kopf? Ein wenig durchgeknallt sind auch einige der Ideen, die sich ins Spiel verirrt haben. Die Hollets habe ich ja schon erwähnt. Dass das Betriebssystem auf Rays Rechner MS-DEUS und die von ihm benutzte Suchmaschine Godle heißt, passt da ins Bild. Und selbstverständlich sind die englischen Begriffe gegen spätere Gegner nicht mehr stark genug. Da muss schon Latein aufgefahren werden!
Das war ein kleiner Ausschnitt aus den vielen, vielen seltsamen Spielen, die da draußen auf euch warten. Ein Großteil davon ist eher kindgerecht aufgemacht und auf jeden Fall kürzer, aber spaßiger dürften die von mir ausgewählten Titel sein. Ebenfalls erwähnt werden muss an dieser Stelle natürlich noch Epistory, das ich schon einmal in einem kurzen Podcast besprochen habe. Wie sieht es mit euch aus? Habt ihr auch mit solchen Spielen Erfahrungen gemacht?
(Dieser Artikel erschien zuerst am 21. März 2021 auf GamersGlobal)
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Über Jürgen
Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.
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Na toll. Jetzt hab ich einen Ohrwurm…
„…und I brauch net vui Geld…“
Da haben wir wohl unterschiedliche Ohrwürmer. An das bayerische Cowgirl hatte ich nicht gedacht.
Was ist denn deiner? 🙂
https://www.youtube.com/watch?v=UbxUSsFXYo4