Broken Arrow (Angespielt)

Am 16. Juni war es soweit: Das Echtzeittaktikspiel Broken Arrow von Steel Balalaika und Slitherine konnte im Advanced Access gespielt werden. Der „normale“ Release erfolgte am 19. Juni. Ich habe reingespielt um euch einen ersten Eindruck zu vermitteln. Ein ausführlicher Test folgt im Juli.

Nach offenen und geschlossenen Playtests, die ich unter anderem auch in einem First Look und einem First Look Part Two vertextete, bin ich mit dem Advanced Access und dann der Release-Version durchgestartet, um euch einen ersten Eindruck zu vermitteln.

Broken Arrow: Singleplayer

Broken Arrow ist kein Spiel zum Film. Im Militärsprech ist ein Broken Arrow ein zufälliges Ereignis mit Atomwaffen, Sprengköpfen oder Komponenten, das kein Risiko eines Atomkriegs darstellt. So läuft es auch in „Krieg im Baltikum“. Die erste Kampagnenmission „Showtime“ ist ein (überspringbares) Tutorial, in dem ihr die Macht der US-Waffen zur Schau stellt. Leider kommt es dabei zum Broken Arrow, als ihr ein Drohne abschießt, die nicht zur Übung gehörte. Überhaupt scheint es sehr riskant zu sein, dass große NATO und russische Truppenverbände gleichzeitig im litauischen Grenzgebiet üben. So schnell kann es gehen und der Konflikt bricht los.

Die Kampagne mit ihren 19 Missionen ist cineastisch inszeniert, sowohl vor als auch während der Missionen. Die KI macht zumindest einen passablen Ersteindruck, kann sich aber wenig überraschend nicht mit der Innovationskraft menschlicher Gegner messen. Neben Hauptzielen gibt es auch immer wieder optionale Ziele. Im Laufe der Kampagne spielt ihr sowohl auf Seiten der USA als auch Russlands. Die erste Mission meines Playthroughs habe ich euch unter diesem Artikel als Video eingebunden.

Selbst wenn ihr mit Multiplayer nichts am Hut habt: Solange ihr Echtzeittaktik mögt, wird euch Broken Arrow bereits mit dem Singleplayer abholen. Es wird auch nicht zu hektisch, denn ihr könnt jederzeit pausieren und neue Befehle geben. Insofern eignet sich der Singleplayer natürlich auch, um ein Gespür für die Mechaniken und Einheiten zu entwickeln und sich so auf den Multiplayer vorzubereiten. Ein Wermutstropfen, gerade auch für Familienväter, ist die fehlende Speicherfunktion.

Mein erster Versuch im Early Access ein US-Deck zu bauen.

Broken Arrow: Deckbuilding und Multiplayer

Während ihr euch in der cineastisch inszenierten Singleplayer-Kampagne austoben könnt, dürfte der Multiplayer zum langfristigen Dauerbrenner werden. Derzeit „nur“ im 5v5. Auf 1v1-Duelle wie in WARNO (zur Review des aktuellen DLC Nemesis #3 – Homefront) müsst ihr erstmal verzichten. Das liegt auch daran, dass es dafür noch keine geeigneten Karten gibt. Die acht Kartensind schlicht zu groß!

Um am Multiplayer teilnehmen zu können, braucht ihr erstmal eine Armee. Es gibt sowohl für USA als auch Russland, die beiden Fraktionen zum Early-Access-Start, ein vorgefertigtes Deck. Noch spaßiger ist natürlich der Eigenbau im umfangreichen Army Builder. Die Armee ist in die Kategorien Aufklärung (vom Scharfschützen bis zur Drohne), Infanterie, Fahrzeuge (hier verbergen sich unter anderem Panzer), Unterstützung (hier finden sich unter anderem LKW und Luftabwehr und Artillerie), Helikopter und Luft (vom Jäger bis zum atomwaffenfähigen strategischen Bomber).

Eine Besonderheit ist, dass ihr euren Infanteristen mit Fahrzeugen ausstatten könnt. In der Schlacht könnt ihr sie aber in jedem eurer Fahrzeuge oder Helikopter in die Schlacht schicken oder auf dem Feld transportieren. Einzige Voraussetzung: Das Fahrzeug hat genug Sitzplätze. So passen auch mehrere Einheiten in größere Fahrzeuge. Alle Einheiten könnt ihr, teilweise sehr umfangreich, mit den Waffen und Rüstungs- oder auch Motoroptionen eurer Wahl ausstatten. Allerdings jeweils nur eine Variante. Ihr könnt also nicht ein HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) mit ATACMS (Army TACtical Missile System) und ein HIMARS mit Cluster-Sprengköpfen mitnehmen. Bei aller Vielfalt schränkt das eure Möglichkeiten auch wieder ein – ob aus Balancing-Gründen gewollt wird die weitere Entwicklung zeigen.

Natürlich kosten alle der über 300 Einheiten und gegebenenfalls die Upgrades Punkte. Das ist ein wenig vergleichbar mit einer Tabletop-Armee oder dem Multiplayer der Total Warhammer-Reihe. Insgesamt bekommt ihr 10.000 Punkte. Wie sich diese jedoch auf die sechs Kategorien verteilen, hängt von den beiden von euch gewählten Spezialisierungen ab. Bei den USA sind das derzeit USMC (US Marine Corps), Armored Brigade, Airborne Infantry, Stryker Cavalry Regiment und Special Operation Forces. Bei den Russen stehen euch die Spezialisierungen Mechanized Infantry, Guard Tank Brigade, Motorized Infantry, Coastal Troops und VDV Brigade zur Verfügung. Die Wahl beeinflusst nicht nur, wie sich die Punkte auf die Kategorien verteilen, sondern auch welche Einheiten ihr überhaupt wählen könnt. Die Green Beret gibt es zum Beispiel nur bei den Special Operation Forces. Ihr wollt mit T-90s lostuckern? Dann wählt die Guard Tank Brigade. Übrigens: Ihr levelt nicht nur euren Account hoch, sondern auch die Fraktion und die jeweiligen Spezialisationen und Kombinationen, etwa um Skins (alternatives Camouflage) freizuschalten.

Ihr ahnt es sicher: Einheitenzahl, Individualisierung der Einheiten und die Spezialisierungen führen zu einer Unmenge an unterschiedlichen Taktiken, die ihr entwickeln könnt. Und mit denen ihr umgehen müsst! Im Quickplay geht das schon ganz gut, zumal ihr vor der Partie Eintragungen auf einer Karte machen könnt (zum Beispiel wo ihr angreifen wollt oder dass ihr mit Flugzeugen startet). Noch viel besser klappt das aber natürlich im organisierten Multiplayer, wenn ihr eure Armeen aufeinander abstimmt und koordiniert über Sprachchat vorgeht.

Ziel ist es, Sektoren zu besetzen, wobei ihr in drei verschiedenen Phasen Punkte für gehaltene Sektoren bekommt. Hintenraus aber immer mehr. Wenn ihr alle Sektoren erobert, gewinnt ihr vor Ablauf des Zeitlimits. Ihr gewinnt stets ein Einkommen, mit dem ihr Einheiten kaufen könnt. Je mehr Einheiten ihr auf dem Feld habt, desto langsamer verdient ihr Punkte. Wenn ihr Einheiten wieder nach Hause schickt, etwa Transport-LKW oder Flugzeuge nach dem Einsatz, bekommt ihr die Punkte erstattet – abzüglich etwaiger Schäden oder verbrauchter Munition. Wenn ihr eine Einheit verliert, seid ihr dieser nicht dauerhaft verlustig. Sie bekommt einen Cooldown. Ist der abgelaufen, lässt sie sich wieder rufen. An dieser Stelle möchte ich auch nochmal betonen, dass die Karten wirklich riesig sind. Eine Frontlinie wie in Steel Division 2 bildet sich eher nicht. Unentdeckte Einheitenbewegungen sind sogar mit noch größerer Wahrscheinlichkeit als in WARNO möglich.

Technisch hatte ich direkt zum Start ein paar kleinere Probleme: Anfangs hatte ich einige Disconnects. Allerdings immer sehr früh im Spiel oder sogar vor Beginn der Partie und das hat sich mittlerweile spürbar gebessert. In zig Stunden hatte ich gestern Abend keinen einzigen Disconnect mehr. Es sind auch Cheater unterwegs (ich habe selbst noch keinen bemerkt), meines Erachtens aber deutlich weniger als in den Open Betas. Ihr solltet sie bei Sichtung unbedingt direkt ingame oder auch im offiziellen Discord melden. Auch Teamkiller sind mir noch nicht untergekommen. Ich denke, es macht eben doch einen Unterschied, ob man sich „für Umme“ wie die Sau benimmt oder mit einem gekauften Spiel einen Bann riskiert.

VOD meines ersten Streams mit Multiplayer-Schlachten und einem weiteren Deckbuilding-Versuch.

Skirmish, Präsentation und Sonstiges

Neben dem Singleplayer und 5v5 Multiplayer gibt es noch den Skirmish. In dem könnt ihr euch mit der KI oder Freunden messen. Zunächst nur mit zwei, drei oder vier weiteren Mitspielern gegen die KI. Auf Spielerwunsch wurde, trotz der unpassenden Karten, auch das 1vsAI und 2vsAI aktiviert. Der Skirmish dient vor allem dem Test von Einheiten in einer entspannten Umgebung. Auch die Karten könnt ihr so in Ruhe erkunden. Auf der Habenseite steht außerdem noch ein Missions-Editor. Damit könnt ihr Szenarios erstellen. Ein paar Szenarios, die ihr mit bis zu drei Mitspielern gegen die KI bestreitet, gibt es auch.

Die Präsentation von Broken Arrow mit den photorealistischen Umgebungen möchte ich ausdrücklich loben. Sowohl rausgezoomt, etwa wenn ihr den Flug einer ballistischen Rakete verfolgt, als auch reingezoomt bis ins letzte Detail, etwa wenn ein Soldat eine Mörsergranate in den Mörser gleiten lässt, macht Broken Arrow eine hervorragende Figur. Die auf der Realität basierenden Einheiten sind ebenfalls bis ins kleinste Detail modelliert. Der Soundtrack sorgt für die richtige Stimmung und die brachialen Soundeffekte fürs Übrige. Broken Arrow kann übrigens ganz schön ins Micro gehen: Fahrtmanöver um in Deckung zu kommen, Nebelwände, händische Counter-Battery und entsprechendes Bewegen der eigenen Unterstützungseinheiten wie Artillerie und Luftabwehr um dem Feindfeuer zu entgehen. Waffen einer Einheit lassen sich auch einzeln ausschalten. Mit Lasern können manche Einheiten den Weg für den sicheren Einschlag von Präzisionsbomben ebenen und vieles mehr.

Auch wenn es der Full Release ist, fallen schnell einige fehlende Elemente auf. Zumindest solche, die ich vermisse oder die ihr vermissen könnet. Eine Speicherfunktion im Singleplayer gibt es nicht. Auch fehlt derzeit eine Replay-Funktion, was Casts unmöglich macht. Die sind aber wegen des fehlenden 1v1 (und der hierfür fehlenden, passenden Karten) für die Release-Version scheinbar nicht priorisiert. Zugegeben: Das kompetitive 1v1 im Genre der Echtzeittaktik ist zwar sehr präsent auf Youtube und kann ein Zugpferd sein, es ist aber auch eine spitze Zielgruppe. Broken Arrow setzt aktuell voll auf den stets populären Singleplayer und die populären Mehrspielergefechte, im Fall von Broken Arrow mit zehn Spielern. Weiterhin vermisse ich die Möglichkeit, Einheiten bereits beim Kauf den Befehl zum Entladen zu geben. So muss ich beispielsweise die Infanterie stets noch in einem zweiten Schritt manuell absitzen lassen. Sehr nervig im Multiplayer sind Dropouts, denn sie werden nicht einmal durch die KI aufgefangen. Ihr bekommt aber wohl mehr Einkommen. Das muss man aber auch erstmal sinnvoll nutzen können. Verliert ihr zu Beginn einer vom Skill mehr oder minder ausgeglichenen Partie einen Spieler, war es das eigentlich. Schade finde ich auch, dass das per ALT aktivierbare LOS-Tool (Line of Sight) keine Distanzen anzeigt. Habt ihr Einheiten ausgewählt, seht ihr aber die Feuerreichweite der jeweiligen Waffen.

Vorläufiges Fazit

Eines der am heißesten gehandelten Strategiespiele legt einen insgesamt guten Start hin. Egal ob ihr am Single- oder Multiplayer interessiert seid, ihr könnt zuschlagen. Klar ist allerdings auch, dass gerade der Multiplayer ein lebendiges Produkt ist. Mit einer jetzt sehr großen und kreativen Spielerschaft wird das richtige Balancing sicher eine Herausforderung werden. Perspektivisch wird es wahrscheinlich weitere Karten und Spielmodi geben. Auch Fraktionen (Bundeswehr!) und Kampagnen sind sicher geplant. Broken Arrow soll zumindest über viele Jahre unterstützt und weiterentwickelt werden. Hierzu gehören dann hoffentlich auch Speicherfunktion und Replay. Wieviel Spaß ein 5v5 macht hängt natürlich auch ein wenig von euren Mitspielern ab. Das beste Erlebnis habt ihr sicher mit Freunden. Aber auch mit Randoms macht es meistens sehr viel Spaß. Frühe Dropouts trüben hingegen den Spielspaß.

Im Markt der Echtzeittaktik tummeln sich mit beispielsweise Regiments, Armoured Brigade II und WARNO weitere Konkurrenten. Regiments ist ein Singleplayer-orientiertes, sehr gutes Indiespiel. Armoured Brigade II, auch aus dem Hause Slitherine, ist gewissermaßen die Brücke zur Combat Mission-Reihe und setzt auf noch mehr Realismus, etwa mit Befehlsreichweiten. WARNO hingegen hat nicht nur völlig andere Spielmechaniken (Einheiten werden vernichtet, Divisions- statt Fraktions-Baukästen), spielt auf einer anderen Zeitachse, bietet kompetitiven 1v1 und 2v2 nebst Replays und lässt euch die Kampagnen im PvP und Koop spielen.

Die genannten Titel konkurrieren dennoch um eine Ressource: Eure Zeit. Wo ihr sie am besten investiert, hängt von euren persönlichen Vorlieben ab. Wenn ihr Lust auf cineastisch inszenierten Singleplayer und/oder epische Großgefechte im Multiplayer in einem sehr modernen Setting habt, ist Broken Arrow auf jeden Fall eure Zeit wert.

Der Start meines Playthroughs der Kampagne.
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Über Vampiro

Variety Gamer seit Crystal Castle auf dem Atari 2600 Junior. Mein Herz schlägt besonders für Strategie, Taktik, Wargames und Aufbau nebst allen Untergenres (wie Taktik-RPGs ;-) ).

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