Space Bermuda (1996)
Ein weiteres Spielestudio, das zu dieser Zeit eine herausragende Stellung auf dem Werbespielmarkt einnahm, war zweifellos Westka Interactive. Während die in diesem Beitrag bisher vorgestellten Werbespiele oft minimale Systemvoraussetzungen hatten, um von möglichst vielen Menschen gespielt werden zu können, waren die Spiele von Westka technisch aufwendiger gestaltet.
Space Bermuda wurde für Vobis entwickelt, eine damals sehr große Handelskette für PC-Hardware. Als eines der wenigen First-Person-Adventures unter den Werbespielen wurde Space Bermuda 1996 auf CD-ROM veröffentlicht, wobei das gewählte Medium Vor- und Nachteile hatte. Der Vorteil war natürlich, dass das Adventure eine wesentlich aufwendigere Grafik sowie eine durchgängige Sprachausgabe besaß. Der Nachteil war, dass das Spiel aufgrund seiner Größe weder auf Shareware- oder Freeware-CDs noch auf Heft-CDs von Spielezeitschriften erscheinen konnte. Das Spiel wurde lediglich direkt über Vobis vertrieben. Dies allerdings mit einigem Erfolg, denn ein Jahr später folgte eine Fortsetzung.
Inhaltlich geht es um einen Commander – prominent gesprochen von Tom Sellecks Stammstimme Norbert Langer -, der die unbemannte Raumstation Capella nach verschwundenen Mikrocomputern durchsuchen soll, auf denen das Wissen der Menschheit gespeichert ist. Da die feindlichen Söldner in letzter Zeit nicht mehr in dem Sektor gesichtet wurden, muss etwas anderes passiert sein. Was wohl hinter dem Verschwinden steckt? Spielerisch ist es ein sehr netter Klon von Myst, bei dem eher technische Rätsel und Minispiele im Vordergrund stehen als Inventarrätsel.
Das Blaufies-Komplott (1996)
Auch der Norddeutsche Rundfunk veröffentlichte in Zusammenarbeit mit Rauser Advertainment ein eigenes Werbespiel: Ein gewiefter Hacker hat mehrere hunderttausend Mark Gebührengelder gestohlen und bringt den NDR damit in arge Bedrängnis. Hier kommt der Spieler ins Spiel: Als Chef vom Dienst des Regionalmagazins DAS! ist es seine Aufgabe, den Täter zu finden, weitere Themen zu recherchieren und Beiträge für die Sendung zu produzieren. Dafür hat man ein Budget von 30.000 DM und bezahlt davon zum Beispiel Kamerateams, die zu Außendrehs geschickt werden. Ansonsten besteht der Redaktionsalltag darin, mit Leuten zu telefonieren, im Internet zu recherchieren oder den Nachrichtenticker im Auge zu behalten. Dabei kommen auch sehr zeitgeistige Themen auf, etwa die Entwicklung des Internet. Auf dem Vorschlag doch mal über Radioempfang per Internet zu berichten, bekommt man beispielsweise Ablehnung seitens der weiteren NDR-Mitarbeiter, weil es ein Ding der Unmöglichkeit wäre. So waren, sie die mittleren 90er…
Aus heutiger Sicht ist Das Blaufies-Komplott ein unfreiwillig unterhaltsames Spiel, einfach weil es die 90er Jahre in ihrer technischen Naivität so wunderbar widerspiegelt. Das Gameplay selbst ist nicht so gut – dass man sich jedoch bei der Recherche verrennen und den größten Mist produzieren kann, ist dann doch irgendwie cool. Aber ich glaube, so richtig greifbar wird das Spiel erst, wenn man es selbst gespielt hat.
Abenteuer Landtag 2 (2000)
Nach der Veröffentlichung des Moorhuhns wurden die aufwändigeren Werbespiele schlagartig seltener – mehr dazu auf der nächsten Seite. Vereinzelt gab es sie dennoch, wie dieses Adventure des Niedersächsischen Landtags. Entwickelt wurde Abenteuer Landtag 2, wie schon sein Vorgänger aus dem Jahr 1997, von Studenten der damaligen Fachhochschule Hannover.
Heute würde man Ratten, die als Haustiere gehalten werden, nicht mehr ohne weiteres im Pullover durch die Weltgeschichte tragen, schlicht da es Tierquälerei ist. Damals war das aber durchaus ein Trend unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Und das ist auch der Ausgangspunkt dieses Spiels: Nach einer langweiligen Führung mit der Schulklasse durch das Leineschloss stellt der Protagonist des Spiels fest, dass seine Ratte Fluffi verschwunden ist. Sie muss noch irgendwo im Landtag sein. Doch es ist schon dunkel und der Landtag hat eine etwas unheimliche Atmosphäre bekommen.
Wir durchqueren also die dunklen Gänge, lösen Rätsel und erfahren so einiges über die Geschichte des Gebäudes und spielen hervorragend designte Minispiele. Abenteuer Landtag 2 ist eine mit viel Liebe produzierte Mischung aus First-Person-Adventure und Lernspiel. Die Rätsel sind durchaus knackiger, jedoch nie unfair. Und es macht Spaß sich durch die Panoramen zu klicken und einiges über die Geschichte des Gebäudes zu erfahren.

Mein erstes Werbespiel war tatsächlich auch „Das Erbe“ am guten alten Amiga 500 und das fand ich recht ok, besser war aber der offizielle Nachfolger „Das schmutzige Erbe“ mit einer schmissigen Intro-Musik von Rudi Stember! 😉 (https://youtu.be/GtXF_rhptXQ?si=wGE7YjUhQNip93tS)
Tatsächlich würde ich das ja gerne mal spielen. Aber Amiga-Emulation und ich stehen ein wenig auf Kriegsfuß. Mir konnte bis heute noch niemand ohne Fachchinesisch erklären, wie ich nen Amiga Emulator so konfiguriere, dass ich bspw. ne virtuelle Festplatte anlege und dann da Spiele drauf kopieren / installieren kann, u.ä.
Vielen Dank für diese „kleine“ Übersicht. Diese (nahezu) ausgestorbene Art einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. „Victor Loomes“ war nicht mur mein erstes Werbespiel, sondern auch eines der ersten Adventures überhaupt. Und mittlerweile bin ich so alt, dass ich mich nur noch an die schicke Optik, aber nicht mehr an die Rätsel erinnern kann. 😉
Vielen Dank für Deinen Kommentar, Anke. Ja, das mit dem Alter kenne ich. 🙂
@Nischenliebhaber (sorry, sollte eigentlich ein Antwortpost auf deinen Kommentar werden, das hab ich aber irgendwie verbockt… grrrr.. 🙂
Der WinUA ist eigentlich ganz einfach zu bedienen wenn man sich vorher ein Erklärvideo ansieht. 😀 Aber pssssst, das Game ist so kurz, schau dir doch einfach das LP an, man hat das Game auch ohne Lösung in maximal einer halben Stunde durch. 😉
Das ist wirklich ein sehr liebevoll geschilderter und sorgsam recherchierter Rückblick auf eine bedeutsame Zeit. Natürlich konnte dabei nicht alles abgedeckt werden, aber es wurde dennoch sehr schön die Entwicklung aufgezeigt und die ganz wesentlichen Titel benannt. Super! 🙂 Die besten Werbeadventures bleiben für mich einfach „BiFi-Roll: Action in Hollywood“ sowie die ersten beiden Teile von „Dunkle Schatten“.
Trotzdem hätte ich mich noch über die Erwähnung von Titeln wie „Leas Reise durch die Zeit“, „Knorrli – Abenteuer Atlantis“, „Courage!“ und natürlich „Hariboy’s Quest“ gefreut. Letzteres war immerhin ein sehr umfangreiches, hochwertig produziertes und zudem kommerziell vertriebenes Werbeadventure, das tatsächlich mit einem (bei meinem Exemplar eher alt und unappetitlich anmutenden) Haribo-Päckchen ausgeliefert wurde.
„Der Name des Bruders“ ist ebenfalls ein ganz besonderes Spielerlebnis aus der Werbespiel-Branche, das zu Unrecht sehr unbekannt ist. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Adventure und Simulation, wunderbar düster gestaltet, und das Spielziel besteht darin, aus dem Untergrund heraus eine fiktive Diktatur zu stürzen. Pädagogisch äußerst wertvoll! (Was übrigens auch auf das Science-Fiction-Comicadventure „Courage!“ zutrifft.
Auch „Die goldene Mähne des Samson“ wurde nicht genannt – ein durchaus „denkwürdiges“ 1st-person-Adventure im Indiana-Jones-Stil, wenngleich es mir persönlich zu anstrengend gewesen ist.
Natürlich sind im Zuge des Trends auch ein paar äußerst saure Gurken entstanden. Unter den Werbeadventures sind besonders „Das Telekommando“, „Enrica Corsarella“, „Rail on“, „Auf der Suche nach Dr. Gara“ oder auch „Dunkle Schatten 3: Tod in der Südkurve“ mit Vorsicht zu genießen. 😀
Wie dem auch sei: Gute Arbeit! 🙂
Edit: Leider werden meine Leerzeilen regelmäßig ignoriert und entfernt, egal wie oft ich den Kommentar editiere. 🙁
Danke für deinen ausführlichen Kommentar! Da es dein erster war, musste ich ihn noch freigeben. Vielleicht kam daher das Problem mit den Leerzeilen? Jedenfalls sieht er jetzt sehr ordentlich formatiert aus. 🙂
Jetzt sieht es auf jeden Fall gut aus, danke! 🙂
Schön Dich hier zu lesen. Hatten ja damals häufiger mal Kontakt, als ich das Werbespiel Archiv aufgebaut hatte. Das muss so die Zeit gewesen sein, als Du Deinen Blog zu First Person Adventures hattest? Daher kenn ich die aufgeführten Titel natürlich alle. 😉
Mein Ziel war es jedoch, den Trend als solches mal zusammenzufassen und nicht nur Adventures in den Mittelpunkt zu stellen. Auch für Leute, die den Trend so gar nicht mitbekommen hatten. 😀
Ach, DU bist das. 😀 Gut, dass du mich mal darauf aufmerksam gemacht hast. Im Nachhinein kommt mir der unter „Autoren“ angegebene Realname dann doch auch sehr bekannt vor. 🙂 Schön, dich hier wiederzusehen! Macht aber Sinn, dass der Artikel von dir stammt, da du ja nur wirklich ein ausgewiesener Experte bist, wenn es um Werbespiele geht.
Und ja, ich weiß, dass sich der Artikel nicht ausnahmslos um Adventurespiele dreht. Das macht ihn ja auch noch interessanter. Ich persönlich kenne mich aber besser mit den Adventure-Titeln aus. Natürlich habe ich auch „Tony and Friends“ gespielt, wer kennt es nicht?
Mal meinen Comment von Gamersglobal rüberretten:
Meinen ersten eigenen PC bekam ich erst im Jahr 1995, als die Zeit der großen Abenteuerspiele eigentlich schon vorbei war. Trotzdem hat mich „Bifi2“ fasziniert, weil es zunächst echt gut aussah und dazu noch kostenlos war. Aber irgendwie hat die Qualität dann in der zweiten Hälfte des Spiels nachgelassen, da wurden man wohl von den Hollywood-Inside-Gags geblendet.
Und dann war da noch „CaWaDo“, das auf unseren alten Schulrechnern sogar im Jahr 1998 noch das absolute Highlight war. Erst 1999 gab es wieder Geld für neue Computer. Ich hab „CaWaDo“ das erste Mal 1994 an einem Tag der offenen Tür gespielt und das Spiel war definitiv das Highlight damals :D. Es war ein ordentliches Adventure. Ich konnte es aber erst ein paar Jahre später durchspielen, weil ich erst ab 1999 überhaupt Zugang zum Computerraum hatte.
Das Jump-and-Run-Spiel von Kellogg’s hab ich auf einer Shareware-CD entdeckt und war echt überrascht von der Qualität und dem Umfang des Spiels. Es war so gut gemacht, dass es sich nicht hinter den Jump-&-Run-Spielen auf Konsolen verstecken musste. Als ich dann später erfuhr, dass das von Factor 5 kam, wurde mir einiges klar.
Und dann kam „Dunkle Schatten“. Ich bin irgendwie an „Dunkle Schatten 2“ gekommen, weiß aber nicht mehr wie genau. Das Spiel war echt gut gemacht, hatte gute Grafik und interessante Rätsel. Auch die Geschichte war echt gut gemacht. Ich hab dann auch „Dunkle Schatten 1“ nachgeholt, aber bis auf die Story war es nicht ganz so überzeugend. Aber das war auch nach Monkey Island 3 usw für mich.
Ich hab mich total auf „Dunkle Schatten 3“ gefreut. Aber was für ’ne Enttäuschung! Ein mieser Abklatsch von „Gabriel Knight 2“, einfach viel zu spät erschienen. Insgesamt einfach ein richtig schlechtes Spiel!
An Tony and Friends kann ich mich noch gut erinnern, das spiele ich heute noch manchmal … Da gab es noch ein PomBär-Werbespiel, das auch ganz gut gewesen ist. Eine meiner ersten Spieleerinnerungen ist ein Plattformer-Werbespiel der Handelskammer Austria (heute Wirtschaftskammer Österreich) gewesen. Darüber finde ich aber leider nichts mehr, vielleicht hast du mehr Glück.
Das würde mich interessieren, das Spiel von der Handelskammer Austria. Leider waren hier in Deutschland Werbespiele aus Österreich nicht sooo verbreitet. :-/