Die Quiz-Spiele von Glamus (1991-2002)
Das Bonner Unternehmen Glamus wurde Ende der 80er Jahre gegründet und ist heute erfolgreich in den Bereichen Website-Programmierung, Datenbanken und Umsetzung digitaler Konzepte. So programmieren die Bonner den Wahl-O-Maten der Bundeszentrale für politische Bildung und zahlreiche Verbände lassen ihre Websites und Apps bei Glamus erstellen.
Im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens hatte sich die Firma allerdings auf Werbespiele spezialisiert, und ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass diese Spiele auf Schulcomputern häufiger installiert waren als auf den PCs in den Kinderzimmern der Republik. Nicht, dass die Quiz-Spiele keine Verbreitung gehabt hätten – sie waren auf jeder CD-ROM zu finden, die irgendwann mal Werbespiele zum Thema hatte. Es waren schlicht sehr trockene Spiele – nicht gerade attraktiv für Kinder und Jugendliche.
Rechts: Auf dem Weg nach Europa (1991)
Los ging es mit den beiden Spielen Außenpolitik zum Anfassen und Auf dem Weg nach Europa für das Auswärtige Amt. Hier standen Quizfragen zu den ersten EU-Ländern im Mittelpunkt und es gab leidlich unterhaltsame Minispiele wie das Lotsen einer Delegation zum Auswärtigen Amt. Grausame und nicht abschaltbare Musik aus dem PC-Speaker haben zudem für echtes Ohrenbluten gesorgt.
Die Spiele hatten fast immer das Thema Reise als Metaspiel. Bei Auf dem Weg nach Europa und dem direkten Nachfolger Dinoropa ging es darum, durch das richtige Beantworten von Fragen und das erfolgreiche Lösen von Minispielen Geld zu verdienen, um alle Länder einmal besuchen zu können. Hatte der Spieler auf halber Strecke kein Geld für die Weiterreise mehr, war das Spiel beendet.
Rechts: Dinoropa (1994)
Ein ähnliches Konzept verfolgte Kennste Deutschland?, ein Werbespiel für die CDU zur Bundestagswahl 1994: Hier wählten die Spieler ein Bundesland als Startpunkt und sammelten durch die Beantwortung verschiedener Fragen Geld für die Reise zu einem Ziel in einem anderen Bundesland. Von allen frühen Quizspielen ist Kennste Deutschland? mit Abstand das beste und abwechslungsreichste, auch weil die Fragen weniger politisch und mehr allgemeinbildender Natur waren.
Spiele für den Bundestag, z.B. zum Gesetzgebungsprozess, sowie ein weiteres Quizspiel für das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Thema Extremismus folgten in den nächsten Jahren ebenso wie Werbespiele für die Privatwirtschaft. 1999 wurde mit Euro Tour das Konzept der frühen Quizspiele wie Dinoropa aufgegriffen und modernisiert. Nun gab es hochauflösende Bilder, abwechslungsreichere Minispiele und bessere Fragen. 2002 folgte mit Euro Tour 2 eine gelungene Fortsetzung und damit das letzte Werbespiel von Glamus.
Abenteuer Europa (1994)
Die Spieleschmiede Egosoft aus Würselen ist euch sicherlich durch die Weltraumsimulationsserie X bekannt, schließlich hat sich das Studio von Bernd Lehahn damit in den letzten 25 Jahren eine schöne Nische geschaffen. Das Studio selbst wurde bereits 1988 gegründet und ist wohl die dienstältesten Spielefirma in der deutschen Branche. Neben heute eher unbekannten, jedoch wunderschönen Adventures wie Flies – Attack on Earth oder Imperium Romanum (was habe ich letzteres Spiel als Kind geliebt!), haben die Würselener auch zahlreiche Werbespiele programmiert. Zwischen 1990 bis 1993 auf dem Amiga, anschließend noch drei weitere Jahre auf dem PC.
Abenteuer Europa ist das bekannteste Werbespiel von Egosoft – es wurde für die SPD im Rahmen des Bundestagswahlkampfes 1994 veröffentlicht. Darin begleiten wir den erfolglosen Journalisten Fred Beck quer durch Europa auf der Jagd nach einer Verbrecherbande. Wie die Spiele von Art Department nimmt sich auch das Werbe-Adventure von Egosoft zu keinem Zeitpunkt ernst und ist vollgepackt mit schrulligen Charakteren, lockeren Dialogen und auch die politischen Botschaften der damaligen SPD wurden recht nett und teilweise auch subtil verpackt.
Besonders die schöne VGA-Grafik hat für mich Charme und so kann Abenteuer Europa auch heute noch während eines verregneten Sonntagnachmittags unterhalten.
Captain Gysi und das Raumschiff Bonn (1997)
Keine Frage: Heute gehört Gregor Gysi quer durch alle gesellschaftlichen Schichten zu den geschätztesten Politikern, auch wenn der 76-Jährige inzwischen eher als Moderator, Autor und Podcaster in Erscheinung tritt. In den 90er Jahren hingegen hatte Gysi zum Teil harte Kämpfe auszufechten, um sich und seiner Partei in der neuen Bundesrepublik Gehör und Anerkennung zu verschaffen.
Um bei der Jugend bekannt zu werden, hat die damalige PDS auch ein Werbespiel in Auftrag gegeben. Und das Ding übt in seiner kruden Machart eine echte Faszination auf mich aus. Handwerklich ist das Adventure bestenfalls unterdurchschnittlich – allein das viele Pixel Hunting und die extrem unlogischen Rätsel machen das Spiel ohne Lösung zur Qual. Auf der anderen Seite gefällt mir die grafische Gestaltung und dann ist da noch dieser 90er-Jahre-Humor, der alles andere als subtil daherkommt und sich respektlos über alle politischen Themen und Figuren dieser Zeit lustig macht – inklusive Gysi selbst. Man muss diesen Wahnsinn definitiv mit eigenen Augen gesehen haben.
Wir befinden uns im Weltraum und Kommander Kohl hat das Raumschiff Bonn auf einem braunen Gesteinsplaneten zwischengeparkt. Denn ein schwarzes Loch hat sich aufgetan und verhindert, dass Kohl auf seiner bisherigen Route weiterfliegen kann. Eigentlich müsste er nur die Route ändern – aber das ist mit Kohl nicht zu machen. Lieber friert er sich und seine Crew für 100 Jahre ein, dann ist das schwarze Loch bestimmt von selbst verschwunden. Captain Gysi macht da nicht mit und steuert das Raumschiff auf eigene Faust in die Galaxie Futura…
Das Spiel war wohl recht erfolgreich, denn nur ein Jahr später erschien mit Captain Gysi – Galaxis Futura ein direkter Nachfolger. In diesem Spiel ist das Raumschiff schon fast in Futura angekommen, doch Gysi wird auf einem kargen Planeten ausgesetzt, wo er auf Politiker-Karikaturen trifft, die ebenfalls ausrangiert wurden. In diesem Spiel hat Gysi den Spaß mitgemacht und sich selbst synchronisiert.

Mein erstes Werbespiel war tatsächlich auch „Das Erbe“ am guten alten Amiga 500 und das fand ich recht ok, besser war aber der offizielle Nachfolger „Das schmutzige Erbe“ mit einer schmissigen Intro-Musik von Rudi Stember! 😉 (https://youtu.be/GtXF_rhptXQ?si=wGE7YjUhQNip93tS)
Tatsächlich würde ich das ja gerne mal spielen. Aber Amiga-Emulation und ich stehen ein wenig auf Kriegsfuß. Mir konnte bis heute noch niemand ohne Fachchinesisch erklären, wie ich nen Amiga Emulator so konfiguriere, dass ich bspw. ne virtuelle Festplatte anlege und dann da Spiele drauf kopieren / installieren kann, u.ä.
Vielen Dank für diese „kleine“ Übersicht. Diese (nahezu) ausgestorbene Art einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. „Victor Loomes“ war nicht mur mein erstes Werbespiel, sondern auch eines der ersten Adventures überhaupt. Und mittlerweile bin ich so alt, dass ich mich nur noch an die schicke Optik, aber nicht mehr an die Rätsel erinnern kann. 😉
Vielen Dank für Deinen Kommentar, Anke. Ja, das mit dem Alter kenne ich. 🙂
@Nischenliebhaber (sorry, sollte eigentlich ein Antwortpost auf deinen Kommentar werden, das hab ich aber irgendwie verbockt… grrrr.. 🙂
Der WinUA ist eigentlich ganz einfach zu bedienen wenn man sich vorher ein Erklärvideo ansieht. 😀 Aber pssssst, das Game ist so kurz, schau dir doch einfach das LP an, man hat das Game auch ohne Lösung in maximal einer halben Stunde durch. 😉
Das ist wirklich ein sehr liebevoll geschilderter und sorgsam recherchierter Rückblick auf eine bedeutsame Zeit. Natürlich konnte dabei nicht alles abgedeckt werden, aber es wurde dennoch sehr schön die Entwicklung aufgezeigt und die ganz wesentlichen Titel benannt. Super! 🙂 Die besten Werbeadventures bleiben für mich einfach „BiFi-Roll: Action in Hollywood“ sowie die ersten beiden Teile von „Dunkle Schatten“.
Trotzdem hätte ich mich noch über die Erwähnung von Titeln wie „Leas Reise durch die Zeit“, „Knorrli – Abenteuer Atlantis“, „Courage!“ und natürlich „Hariboy’s Quest“ gefreut. Letzteres war immerhin ein sehr umfangreiches, hochwertig produziertes und zudem kommerziell vertriebenes Werbeadventure, das tatsächlich mit einem (bei meinem Exemplar eher alt und unappetitlich anmutenden) Haribo-Päckchen ausgeliefert wurde.
„Der Name des Bruders“ ist ebenfalls ein ganz besonderes Spielerlebnis aus der Werbespiel-Branche, das zu Unrecht sehr unbekannt ist. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Adventure und Simulation, wunderbar düster gestaltet, und das Spielziel besteht darin, aus dem Untergrund heraus eine fiktive Diktatur zu stürzen. Pädagogisch äußerst wertvoll! (Was übrigens auch auf das Science-Fiction-Comicadventure „Courage!“ zutrifft.
Auch „Die goldene Mähne des Samson“ wurde nicht genannt – ein durchaus „denkwürdiges“ 1st-person-Adventure im Indiana-Jones-Stil, wenngleich es mir persönlich zu anstrengend gewesen ist.
Natürlich sind im Zuge des Trends auch ein paar äußerst saure Gurken entstanden. Unter den Werbeadventures sind besonders „Das Telekommando“, „Enrica Corsarella“, „Rail on“, „Auf der Suche nach Dr. Gara“ oder auch „Dunkle Schatten 3: Tod in der Südkurve“ mit Vorsicht zu genießen. 😀
Wie dem auch sei: Gute Arbeit! 🙂
Edit: Leider werden meine Leerzeilen regelmäßig ignoriert und entfernt, egal wie oft ich den Kommentar editiere. 🙁
Danke für deinen ausführlichen Kommentar! Da es dein erster war, musste ich ihn noch freigeben. Vielleicht kam daher das Problem mit den Leerzeilen? Jedenfalls sieht er jetzt sehr ordentlich formatiert aus. 🙂
Jetzt sieht es auf jeden Fall gut aus, danke! 🙂
Schön Dich hier zu lesen. Hatten ja damals häufiger mal Kontakt, als ich das Werbespiel Archiv aufgebaut hatte. Das muss so die Zeit gewesen sein, als Du Deinen Blog zu First Person Adventures hattest? Daher kenn ich die aufgeführten Titel natürlich alle. 😉
Mein Ziel war es jedoch, den Trend als solches mal zusammenzufassen und nicht nur Adventures in den Mittelpunkt zu stellen. Auch für Leute, die den Trend so gar nicht mitbekommen hatten. 😀
Ach, DU bist das. 😀 Gut, dass du mich mal darauf aufmerksam gemacht hast. Im Nachhinein kommt mir der unter „Autoren“ angegebene Realname dann doch auch sehr bekannt vor. 🙂 Schön, dich hier wiederzusehen! Macht aber Sinn, dass der Artikel von dir stammt, da du ja nur wirklich ein ausgewiesener Experte bist, wenn es um Werbespiele geht.
Und ja, ich weiß, dass sich der Artikel nicht ausnahmslos um Adventurespiele dreht. Das macht ihn ja auch noch interessanter. Ich persönlich kenne mich aber besser mit den Adventure-Titeln aus. Natürlich habe ich auch „Tony and Friends“ gespielt, wer kennt es nicht?
Mal meinen Comment von Gamersglobal rüberretten:
Meinen ersten eigenen PC bekam ich erst im Jahr 1995, als die Zeit der großen Abenteuerspiele eigentlich schon vorbei war. Trotzdem hat mich „Bifi2“ fasziniert, weil es zunächst echt gut aussah und dazu noch kostenlos war. Aber irgendwie hat die Qualität dann in der zweiten Hälfte des Spiels nachgelassen, da wurden man wohl von den Hollywood-Inside-Gags geblendet.
Und dann war da noch „CaWaDo“, das auf unseren alten Schulrechnern sogar im Jahr 1998 noch das absolute Highlight war. Erst 1999 gab es wieder Geld für neue Computer. Ich hab „CaWaDo“ das erste Mal 1994 an einem Tag der offenen Tür gespielt und das Spiel war definitiv das Highlight damals :D. Es war ein ordentliches Adventure. Ich konnte es aber erst ein paar Jahre später durchspielen, weil ich erst ab 1999 überhaupt Zugang zum Computerraum hatte.
Das Jump-and-Run-Spiel von Kellogg’s hab ich auf einer Shareware-CD entdeckt und war echt überrascht von der Qualität und dem Umfang des Spiels. Es war so gut gemacht, dass es sich nicht hinter den Jump-&-Run-Spielen auf Konsolen verstecken musste. Als ich dann später erfuhr, dass das von Factor 5 kam, wurde mir einiges klar.
Und dann kam „Dunkle Schatten“. Ich bin irgendwie an „Dunkle Schatten 2“ gekommen, weiß aber nicht mehr wie genau. Das Spiel war echt gut gemacht, hatte gute Grafik und interessante Rätsel. Auch die Geschichte war echt gut gemacht. Ich hab dann auch „Dunkle Schatten 1“ nachgeholt, aber bis auf die Story war es nicht ganz so überzeugend. Aber das war auch nach Monkey Island 3 usw für mich.
Ich hab mich total auf „Dunkle Schatten 3“ gefreut. Aber was für ’ne Enttäuschung! Ein mieser Abklatsch von „Gabriel Knight 2“, einfach viel zu spät erschienen. Insgesamt einfach ein richtig schlechtes Spiel!
An Tony and Friends kann ich mich noch gut erinnern, das spiele ich heute noch manchmal … Da gab es noch ein PomBär-Werbespiel, das auch ganz gut gewesen ist. Eine meiner ersten Spieleerinnerungen ist ein Plattformer-Werbespiel der Handelskammer Austria (heute Wirtschaftskammer Österreich) gewesen. Darüber finde ich aber leider nichts mehr, vielleicht hast du mehr Glück.
Das würde mich interessieren, das Spiel von der Handelskammer Austria. Leider waren hier in Deutschland Werbespiele aus Österreich nicht sooo verbreitet. :-/