Zeitreise: Werbespiele der 90er Jahre

Energie-Manager (1993)

Neben Adventures und Platformern gibt es noch weitere Genres auf dem Werbespielmarkt. Und da wir uns in diesem Artikel auf deutsche Werbespiele konzentrieren, darf ein Genre natürlich nicht fehlen: Wirtschaftssimulationen! Heute kann man sich kaum noch vorstellen, welch großen Erfolg WiSims in Deutschland vor allem in der ersten Hälfte der 90er Jahre hatten.

Jedenfalls ist Energie-Manager, 1993 von Rauser Advertainment im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft veröffentlicht, eine simple WiSim mit dem Ziel, eine besonders umweltfreundliche Restaurantkette aufzubauen. Dazu wählen wir verschiedene Einrichtungsgegenstände mit ihren energetischen Vor- und Nachteilen aus, stellen Personal ein und schalten Werbung. Und natürlich behalten wir das Gleichgewicht zwischen Ausgaben und Einnahmen im Auge.

Dabei agieren wir nicht alleine, sondern haben noch drei gegnerische Mitspieler. Wer als erstes fünf Energiepreise in fünf verschiedene Städte gewonnen hat, der hat das Spiel gewonnen. Was innerhalb von ein bis zwei Stunden der Fall ist. Es ist kein sonderlich umfangreiches Spiel, jedoch mit hübschen VGA-Grafiken gestaltet.

Die Aufgabe im Energie-Manager ist es, eine besonders umweltfreundliche Restaurant-Kette aufzubauen.

Das Netz (1994)

Ein weiteres Spiel von Rauser Advertainment, diesmal für das Bundesministerium für Verkehr. Bevor jemand fragt: Ja, damals hat ausnahmslos jedes Bundesministerium mindestens ein Computerspiel in Auftrag gegeben. Oft sogar mehrere. Jedenfalls ist dieses Planspiel in den neuen Bundesländern angesiedelt und die Aufgabe besteht darin, die Infrastruktur – also Straßen, Schienen und Wasserwege – neu aufzubauen. Als Bauunternehmer bekommen wir verschiedene Aufträge, für die wir jeweils eine begrenzte Menge an Rohstoffen und Geld zur Verfügung haben. Nun gilt es, die Aufträge termingerecht abzuarbeiten. Das ist nicht immer ganz einfach, zum Beispiel wenn die Anwohner mal wieder demonstrieren.

Ein hübsches kleines Spiel mit netter Comicgrafik (für ein frühes Windows-Spiel), jedoch nicht sonderlich komplex. Durch das Setting aber ein schönes Zeitdokument.

„Das Netz“ ist ein Planspiel, in dem wir die Infrastruktur der neuen Bundesländer erneuern.

Mr. Clean (1996)

Mr. Clean ist eine weitere Wirtschaftssimulation, die von The Art Department im Auftrag der Industrie- und Handelskammer in Essen entwickelt wurde. Es gab also nicht nur Spiele, die für das gesamte Bundesgebiet bestimmt waren, sondern auch Spiele, die für lokale Verbände und Unternehmen entwickelt wurden und dementsprechend Lokalkolorit aufwiesen. Das sind dann auch die Spiele, die heute am schwierigsten nachzurecherchieren sind.

In Mr. Clean haben wir die Aufgabe, als selbstständige Fensterputzer eine Firma zu gründen. Das Spiel beginnt damit, dass wir uns Aufträge in Wohnhäusern suchen und selbst Hand anlegen. Mit dem verdienten Geld kaufen wir neue Geräte, um anspruchsvollere Aufträge an Land zu ziehen. Schließlich stellen wir die ersten Mitarbeiter ein und kümmern uns von nun an um das Management. Natürlich spielt das Ganze in Essen und es gibt etliche Fotos zu sehen.

Eine nette Berufssimulation, die zwar nicht so komplex ist wie die alten Planer-Spiele desselben Entwicklers, dennoch vergehen einige Stunden, bis man sein eigenes Fensterputzimperium aufgebaut hat.

Vom einfachen Fensterputzer zum Millionär lautet die Devise in „Mr. Clean“.

Space Job (1993)

Erinnert sich noch jemand an die Zeit, als Karstadt die größte Kaufhauskette in Deutschland war? Da brauchte es natürlich auch ein eigenes Computerspiel. Space Job erschien 1993 und gehört tatsächlich zu den besten Vertretern des Genres.

Die Lebenssimulation spielt im 24. Jahrhundert und der Spieler schlüpft in die Rolle eines Auszubildenden. Zu Beginn leben wir in einer Bruchbude und auch der Raumgleiter hat schon bessere Tage gesehen. Unsere Aufgabe ist es nun, uns in der futuristischen Karstadt-Filiale hochzuarbeiten. Vom Azubi zum Angestellten bis hin zum Abteilungsleiter. Dabei gilt es, die richtige Balance zwischen Arbeit, Weiterbildung und Freizeit zu finden, denn jede Aktivität verbraucht Energie, die durch Schlafen und Essen wieder regeneriert werden kann. Wenn wir regelmäßig ins Fitnessstudio gehen, verbrauchen wir weniger Energie. In der Volkshochschule bilden wir uns weiter, im Spielcasino verzocken wir unser sauer verdientes Geld und in der Disco lernen wir unseren Love Interest kennen.

In „Space Job“ arbeiten wir uns in einer Karstadt-Filiale der Zukunft zum Abteilungsleiter. In unserer Realität gibt es Karstadt seit ein paar Jahren nicht mehr und auch Galeria Kaufhof hat zum wiederholten Male Insolvenz angemeldet.

Die Arbeit selbst wird durch zahlreiche Minispiele dargestellt. So wird in einem Sokoban-Level das Lager aufgeräumt, natürlich führen wir auch Kundengespräche und preisen die Ware aus. Mit dem verdienten Geld können wir dann irgendwann in eine bessere Wohnung ziehen oder uns einen schnelleren Raumgleiter leisten. Das ultimative Ziel ist es, Abteilungsleiter zu werden, die beste Wohnung zu bekommen und einen Lebenspartner zu finden.

Das Spielkonzept war 1993 seiner Zeit voraus. Zumindest fällt mir keine andere Lebenssimulation aus dieser Zeit ein, die so viel Wert auf Zeitmanagement legt wie etwa bei den späteren Sims-Spielen. Auch grafisch ist das Spiel für 1993 schön illustriert und die vielen Minispiele sorgen für Abwechslung.

Im „Informationsteil“ besuchen wir eine zeitgenössische Karstadt-Filiale aus den 90er Jahren. Wer hätte damals gedacht, dass die Zeit der Warenhäuser nur 30 Jahre später zu Ende gehen würde?

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Über Nischenliebhaber

Ostdeutsches Videothekenkind der 90er Jahre. Liebt Spiele- und Retrokultur ebenso wie subkulturelle Musik aus aller Herren Länder und lange Spaziergänge durch dunkle Wälder des Erzgebirges.

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14 Comments on “Zeitreise: Werbespiele der 90er Jahre”

    1. Tatsächlich würde ich das ja gerne mal spielen. Aber Amiga-Emulation und ich stehen ein wenig auf Kriegsfuß. Mir konnte bis heute noch niemand ohne Fachchinesisch erklären, wie ich nen Amiga Emulator so konfiguriere, dass ich bspw. ne virtuelle Festplatte anlege und dann da Spiele drauf kopieren / installieren kann, u.ä.

  1. Vielen Dank für diese „kleine“ Übersicht. Diese (nahezu) ausgestorbene Art einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. „Victor Loomes“ war nicht mur mein erstes Werbespiel, sondern auch eines der ersten Adventures überhaupt. Und mittlerweile bin ich so alt, dass ich mich nur noch an die schicke Optik, aber nicht mehr an die Rätsel erinnern kann. 😉

  2. @Nischenliebhaber (sorry, sollte eigentlich ein Antwortpost auf deinen Kommentar werden, das hab ich aber irgendwie verbockt… grrrr.. 🙂

    Der WinUA ist eigentlich ganz einfach zu bedienen wenn man sich vorher ein Erklärvideo ansieht. 😀 Aber pssssst, das Game ist so kurz, schau dir doch einfach das LP an, man hat das Game auch ohne Lösung in maximal einer halben Stunde durch. 😉

  3. Das ist wirklich ein sehr liebevoll geschilderter und sorgsam recherchierter Rückblick auf eine bedeutsame Zeit. Natürlich konnte dabei nicht alles abgedeckt werden, aber es wurde dennoch sehr schön die Entwicklung aufgezeigt und die ganz wesentlichen Titel benannt. Super! 🙂 Die besten Werbeadventures bleiben für mich einfach „BiFi-Roll: Action in Hollywood“ sowie die ersten beiden Teile von „Dunkle Schatten“.

    Trotzdem hätte ich mich noch über die Erwähnung von Titeln wie „Leas Reise durch die Zeit“, „Knorrli – Abenteuer Atlantis“, „Courage!“ und natürlich „Hariboy’s Quest“ gefreut. Letzteres war immerhin ein sehr umfangreiches, hochwertig produziertes und zudem kommerziell vertriebenes Werbeadventure, das tatsächlich mit einem (bei meinem Exemplar eher alt und unappetitlich anmutenden) Haribo-Päckchen ausgeliefert wurde.

    „Der Name des Bruders“ ist ebenfalls ein ganz besonderes Spielerlebnis aus der Werbespiel-Branche, das zu Unrecht sehr unbekannt ist. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Adventure und Simulation, wunderbar düster gestaltet, und das Spielziel besteht darin, aus dem Untergrund heraus eine fiktive Diktatur zu stürzen. Pädagogisch äußerst wertvoll! (Was übrigens auch auf das Science-Fiction-Comicadventure „Courage!“ zutrifft.

    Auch „Die goldene Mähne des Samson“ wurde nicht genannt – ein durchaus „denkwürdiges“ 1st-person-Adventure im Indiana-Jones-Stil, wenngleich es mir persönlich zu anstrengend gewesen ist.

    Natürlich sind im Zuge des Trends auch ein paar äußerst saure Gurken entstanden. Unter den Werbeadventures sind besonders „Das Telekommando“, „Enrica Corsarella“, „Rail on“, „Auf der Suche nach Dr. Gara“ oder auch „Dunkle Schatten 3: Tod in der Südkurve“ mit Vorsicht zu genießen. 😀

    Wie dem auch sei: Gute Arbeit! 🙂

    Edit: Leider werden meine Leerzeilen regelmäßig ignoriert und entfernt, egal wie oft ich den Kommentar editiere. 🙁

    1. Danke für deinen ausführlichen Kommentar! Da es dein erster war, musste ich ihn noch freigeben. Vielleicht kam daher das Problem mit den Leerzeilen? Jedenfalls sieht er jetzt sehr ordentlich formatiert aus. 🙂

    2. Schön Dich hier zu lesen. Hatten ja damals häufiger mal Kontakt, als ich das Werbespiel Archiv aufgebaut hatte. Das muss so die Zeit gewesen sein, als Du Deinen Blog zu First Person Adventures hattest? Daher kenn ich die aufgeführten Titel natürlich alle. 😉

      Mein Ziel war es jedoch, den Trend als solches mal zusammenzufassen und nicht nur Adventures in den Mittelpunkt zu stellen. Auch für Leute, die den Trend so gar nicht mitbekommen hatten. 😀

      1. Ach, DU bist das. 😀 Gut, dass du mich mal darauf aufmerksam gemacht hast. Im Nachhinein kommt mir der unter „Autoren“ angegebene Realname dann doch auch sehr bekannt vor. 🙂 Schön, dich hier wiederzusehen! Macht aber Sinn, dass der Artikel von dir stammt, da du ja nur wirklich ein ausgewiesener Experte bist, wenn es um Werbespiele geht.

        Und ja, ich weiß, dass sich der Artikel nicht ausnahmslos um Adventurespiele dreht. Das macht ihn ja auch noch interessanter. Ich persönlich kenne mich aber besser mit den Adventure-Titeln aus. Natürlich habe ich auch „Tony and Friends“ gespielt, wer kennt es nicht?

  4. Mal meinen Comment von Gamersglobal rüberretten:

    Meinen ersten eigenen PC bekam ich erst im Jahr 1995, als die Zeit der großen Abenteuerspiele eigentlich schon vorbei war. Trotzdem hat mich „Bifi2“ fasziniert, weil es zunächst echt gut aussah und dazu noch kostenlos war. Aber irgendwie hat die Qualität dann in der zweiten Hälfte des Spiels nachgelassen, da wurden man wohl von den Hollywood-Inside-Gags geblendet.

    Und dann war da noch „CaWaDo“, das auf unseren alten Schulrechnern sogar im Jahr 1998 noch das absolute Highlight war. Erst 1999 gab es wieder Geld für neue Computer. Ich hab „CaWaDo“ das erste Mal 1994 an einem Tag der offenen Tür gespielt und das Spiel war definitiv das Highlight damals :D. Es war ein ordentliches Adventure. Ich konnte es aber erst ein paar Jahre später durchspielen, weil ich erst ab 1999 überhaupt Zugang zum Computerraum hatte.

    Das Jump-and-Run-Spiel von Kellogg’s hab ich auf einer Shareware-CD entdeckt und war echt überrascht von der Qualität und dem Umfang des Spiels. Es war so gut gemacht, dass es sich nicht hinter den Jump-&-Run-Spielen auf Konsolen verstecken musste. Als ich dann später erfuhr, dass das von Factor 5 kam, wurde mir einiges klar.

    Und dann kam „Dunkle Schatten“. Ich bin irgendwie an „Dunkle Schatten 2“ gekommen, weiß aber nicht mehr wie genau. Das Spiel war echt gut gemacht, hatte gute Grafik und interessante Rätsel. Auch die Geschichte war echt gut gemacht. Ich hab dann auch „Dunkle Schatten 1“ nachgeholt, aber bis auf die Story war es nicht ganz so überzeugend. Aber das war auch nach Monkey Island 3 usw für mich.
    Ich hab mich total auf „Dunkle Schatten 3“ gefreut. Aber was für ’ne Enttäuschung! Ein mieser Abklatsch von „Gabriel Knight 2“, einfach viel zu spät erschienen. Insgesamt einfach ein richtig schlechtes Spiel!

  5. An Tony and Friends kann ich mich noch gut erinnern, das spiele ich heute noch manchmal … Da gab es noch ein PomBär-Werbespiel, das auch ganz gut gewesen ist. Eine meiner ersten Spieleerinnerungen ist ein Plattformer-Werbespiel der Handelskammer Austria (heute Wirtschaftskammer Österreich) gewesen. Darüber finde ich aber leider nichts mehr, vielleicht hast du mehr Glück.

    1. Das würde mich interessieren, das Spiel von der Handelskammer Austria. Leider waren hier in Deutschland Werbespiele aus Österreich nicht sooo verbreitet. :-/

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