Tony and Friends in Kellogg’s Land (1994)
Kaum ein anderes Spiel verbinde ich so sehr mit meiner frühen PC-Zeit wie Tony & Friends in Kellogg’s Land! Entwickelt von der deutschen Edelschmiede Factor 5, bot das Abenteuer mit den Kellogg’s-Maskottchen alles, was das Genre-Herz begehrt: farbenfrohe Grafik, einen ohrwurmverdächtigen Soundtrack und 20 riesige, non-lineare Level, die zum Erkunden einluden. Jeder der Charaktere spielt sich anders: Tony der Tiger kann sprinten und weit springen, Smacks der Frosch kann schwimmen, Coco der Affe kann sich an Lianen entlang hangeln und Sam der Tukan kann durch die Lüfte fliegen. An einigen Türen können die Helden jederzeit ausgetauscht werden, ansonsten gilt es in jedem Level, Schlüssel für verschlossene Türen zu finden, zahlreichen Gegnern auf den Kopf zu springen und in jedem Level hunderte von Cornflakes einzusammeln. Keine Frage: Wie in den Turrican-Spielen gibt es auch in Tony & Friends in jedem Level aberwitzig viele Geheimnisse und optionale Räume zu entdecken.
Einige Levels des Spiels wurden von einem damals jungen Spieledesigner namens Thomas Pottkämper entworfen. Und während Tony & Friends für Factor 5 das einzige Werbespiel in der Firmen-Ludografie blieb, folgten von Thomas Pottkämper noch einige weitere.
Vor Anno, Blue Byte und Ubisoft – die frühen Werbespiele des Thomas Pottkämper (1994 – 1996)
Moment, Thomas Pottkämper? Der Name sagt euch was, oder? Bevor ihr jetzt googelt, hier die Auflösung: Thomas Pottkämper war bis vor wenigen Jahren Studioleiter von Ubisoft Mainz und produziert bis heute die Spiele des Studios mit. Aber von vorne: 1995 gründete Pottkämper zusammen mit Burkhard Ratheiser, Thomas Stein und Jens Vielhaben das Studio Related Designs. Anfangs unter anderem auf Werbespiele spezialisiert, entstanden ab Ende der 90er Jahre Echtzeitstrategiespiele wie America, No Man’s Land und Castle Strike. 2006 folgte Anno 1701 und seitdem ist das Studio für die Aufbaustrategieserie verantwortlich. 2007 kaufte Ubisoft 30% der Firmenanteile, 2013 folgte die vollständige Übernahme und Related Designs wurde in Blue Byte integriert. Interessant ist, dass drei der vier Gründungsväter immer noch in leitender Position sind. Das ist für die Spielebranche eine Ewigkeit!
Doch bevor sich Pottkämper 1995 selbstständig machte, legte er ein Jahr zuvor noch einen Zwischenstopp beim damaligen Darmstädter Spielestudio Argon Software ein. Dort war er verantwortlich für das Leveldesign der beiden Werbespiele Eddy & Co. für Eismann (Ihr wisst doch noch? Das waren damals diese Verkaufswagen, die mit einer Glocke durch die Straßen fuhren.) und Tricky Quiky Games für Nestlé.
Eddy & Co. ist vom Konzept her Tony & Friends sehr ähnlich. Auch hier gibt es vier Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die auf Gegner hüpfend allerlei Süßigkeiten einsammeln. Einziger Unterschied zu den Kellogg’s-Tieren ist das Terrain: Die non-linearen Levels spielen ausnahmslos in winterlichen Eislandschaften. Und die Musik stammt von der Spielmusik-Legende Chris Hülsbeck!
Tricky Quiky Games war dann schon linearer und weniger weitläufig. Mit dem Nesquik-Hasen werden verschiedene Biotope nach deb Geheimrezepten der Nesquik-Produkte, die von einem Bösewicht gestohlen wurden, durchsucht.
1995 wurde, wie bereits erwähnt, Related Designs gegründet. Bis es zur Produktion kommerzieller Spiele kam, wurde auch hier das notwendige Kapital durch die Entwicklung von Werbespielen erarbeitet. Zwei Beispiele sind Aro & Elmi und Fantasy Forest aus den Jahren 1995 und 1996.
Ersteres war ein Jump’n’Run-Spiel, das für die Zahnpflegeprodukte Aronal und Elmex warb. Zu 90er-Jahre-Techno-Musik bewegte man sich mit zwei Zahnpastatuben durch eine Mundhöhle, sammelte Essensreste ein und bekämpfte böse Bakterien. Aus heutiger Sicht wirkt die ganze Kombination ziemlich surreal und geradezu seltsam. Fantasy Forrest hingegen ging wieder traditionellere Wege, auch in der Kulisse, die in einem tiefen Wald spielte. Hier sammelt der Held Toffifee-Pralinen.
Wenn man sich heute all diese Jump’n’Runs anschaut, dann merkt man, dass das zwar ganz okaye Spiele waren, die aber natürlich bei weitem nicht mit den Konsolenspielen von Nintendo oder Sega mithalten konnten. Aber als Kind hat man diese Spiele trotzdem gerne gespielt, vor allem als Genre-Fan. Denn außer den älteren Genre-Vertretern von Apogee und Epic Megagames hatten wir ja auf dem PC nichts!

Mein erstes Werbespiel war tatsächlich auch „Das Erbe“ am guten alten Amiga 500 und das fand ich recht ok, besser war aber der offizielle Nachfolger „Das schmutzige Erbe“ mit einer schmissigen Intro-Musik von Rudi Stember! 😉 (https://youtu.be/GtXF_rhptXQ?si=wGE7YjUhQNip93tS)
Tatsächlich würde ich das ja gerne mal spielen. Aber Amiga-Emulation und ich stehen ein wenig auf Kriegsfuß. Mir konnte bis heute noch niemand ohne Fachchinesisch erklären, wie ich nen Amiga Emulator so konfiguriere, dass ich bspw. ne virtuelle Festplatte anlege und dann da Spiele drauf kopieren / installieren kann, u.ä.
Vielen Dank für diese „kleine“ Übersicht. Diese (nahezu) ausgestorbene Art einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. „Victor Loomes“ war nicht mur mein erstes Werbespiel, sondern auch eines der ersten Adventures überhaupt. Und mittlerweile bin ich so alt, dass ich mich nur noch an die schicke Optik, aber nicht mehr an die Rätsel erinnern kann. 😉
Vielen Dank für Deinen Kommentar, Anke. Ja, das mit dem Alter kenne ich. 🙂
@Nischenliebhaber (sorry, sollte eigentlich ein Antwortpost auf deinen Kommentar werden, das hab ich aber irgendwie verbockt… grrrr.. 🙂
Der WinUA ist eigentlich ganz einfach zu bedienen wenn man sich vorher ein Erklärvideo ansieht. 😀 Aber pssssst, das Game ist so kurz, schau dir doch einfach das LP an, man hat das Game auch ohne Lösung in maximal einer halben Stunde durch. 😉
Das ist wirklich ein sehr liebevoll geschilderter und sorgsam recherchierter Rückblick auf eine bedeutsame Zeit. Natürlich konnte dabei nicht alles abgedeckt werden, aber es wurde dennoch sehr schön die Entwicklung aufgezeigt und die ganz wesentlichen Titel benannt. Super! 🙂 Die besten Werbeadventures bleiben für mich einfach „BiFi-Roll: Action in Hollywood“ sowie die ersten beiden Teile von „Dunkle Schatten“.
Trotzdem hätte ich mich noch über die Erwähnung von Titeln wie „Leas Reise durch die Zeit“, „Knorrli – Abenteuer Atlantis“, „Courage!“ und natürlich „Hariboy’s Quest“ gefreut. Letzteres war immerhin ein sehr umfangreiches, hochwertig produziertes und zudem kommerziell vertriebenes Werbeadventure, das tatsächlich mit einem (bei meinem Exemplar eher alt und unappetitlich anmutenden) Haribo-Päckchen ausgeliefert wurde.
„Der Name des Bruders“ ist ebenfalls ein ganz besonderes Spielerlebnis aus der Werbespiel-Branche, das zu Unrecht sehr unbekannt ist. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Adventure und Simulation, wunderbar düster gestaltet, und das Spielziel besteht darin, aus dem Untergrund heraus eine fiktive Diktatur zu stürzen. Pädagogisch äußerst wertvoll! (Was übrigens auch auf das Science-Fiction-Comicadventure „Courage!“ zutrifft.
Auch „Die goldene Mähne des Samson“ wurde nicht genannt – ein durchaus „denkwürdiges“ 1st-person-Adventure im Indiana-Jones-Stil, wenngleich es mir persönlich zu anstrengend gewesen ist.
Natürlich sind im Zuge des Trends auch ein paar äußerst saure Gurken entstanden. Unter den Werbeadventures sind besonders „Das Telekommando“, „Enrica Corsarella“, „Rail on“, „Auf der Suche nach Dr. Gara“ oder auch „Dunkle Schatten 3: Tod in der Südkurve“ mit Vorsicht zu genießen. 😀
Wie dem auch sei: Gute Arbeit! 🙂
Edit: Leider werden meine Leerzeilen regelmäßig ignoriert und entfernt, egal wie oft ich den Kommentar editiere. 🙁
Danke für deinen ausführlichen Kommentar! Da es dein erster war, musste ich ihn noch freigeben. Vielleicht kam daher das Problem mit den Leerzeilen? Jedenfalls sieht er jetzt sehr ordentlich formatiert aus. 🙂
Jetzt sieht es auf jeden Fall gut aus, danke! 🙂
Schön Dich hier zu lesen. Hatten ja damals häufiger mal Kontakt, als ich das Werbespiel Archiv aufgebaut hatte. Das muss so die Zeit gewesen sein, als Du Deinen Blog zu First Person Adventures hattest? Daher kenn ich die aufgeführten Titel natürlich alle. 😉
Mein Ziel war es jedoch, den Trend als solches mal zusammenzufassen und nicht nur Adventures in den Mittelpunkt zu stellen. Auch für Leute, die den Trend so gar nicht mitbekommen hatten. 😀
Ach, DU bist das. 😀 Gut, dass du mich mal darauf aufmerksam gemacht hast. Im Nachhinein kommt mir der unter „Autoren“ angegebene Realname dann doch auch sehr bekannt vor. 🙂 Schön, dich hier wiederzusehen! Macht aber Sinn, dass der Artikel von dir stammt, da du ja nur wirklich ein ausgewiesener Experte bist, wenn es um Werbespiele geht.
Und ja, ich weiß, dass sich der Artikel nicht ausnahmslos um Adventurespiele dreht. Das macht ihn ja auch noch interessanter. Ich persönlich kenne mich aber besser mit den Adventure-Titeln aus. Natürlich habe ich auch „Tony and Friends“ gespielt, wer kennt es nicht?
Mal meinen Comment von Gamersglobal rüberretten:
Meinen ersten eigenen PC bekam ich erst im Jahr 1995, als die Zeit der großen Abenteuerspiele eigentlich schon vorbei war. Trotzdem hat mich „Bifi2“ fasziniert, weil es zunächst echt gut aussah und dazu noch kostenlos war. Aber irgendwie hat die Qualität dann in der zweiten Hälfte des Spiels nachgelassen, da wurden man wohl von den Hollywood-Inside-Gags geblendet.
Und dann war da noch „CaWaDo“, das auf unseren alten Schulrechnern sogar im Jahr 1998 noch das absolute Highlight war. Erst 1999 gab es wieder Geld für neue Computer. Ich hab „CaWaDo“ das erste Mal 1994 an einem Tag der offenen Tür gespielt und das Spiel war definitiv das Highlight damals :D. Es war ein ordentliches Adventure. Ich konnte es aber erst ein paar Jahre später durchspielen, weil ich erst ab 1999 überhaupt Zugang zum Computerraum hatte.
Das Jump-and-Run-Spiel von Kellogg’s hab ich auf einer Shareware-CD entdeckt und war echt überrascht von der Qualität und dem Umfang des Spiels. Es war so gut gemacht, dass es sich nicht hinter den Jump-&-Run-Spielen auf Konsolen verstecken musste. Als ich dann später erfuhr, dass das von Factor 5 kam, wurde mir einiges klar.
Und dann kam „Dunkle Schatten“. Ich bin irgendwie an „Dunkle Schatten 2“ gekommen, weiß aber nicht mehr wie genau. Das Spiel war echt gut gemacht, hatte gute Grafik und interessante Rätsel. Auch die Geschichte war echt gut gemacht. Ich hab dann auch „Dunkle Schatten 1“ nachgeholt, aber bis auf die Story war es nicht ganz so überzeugend. Aber das war auch nach Monkey Island 3 usw für mich.
Ich hab mich total auf „Dunkle Schatten 3“ gefreut. Aber was für ’ne Enttäuschung! Ein mieser Abklatsch von „Gabriel Knight 2“, einfach viel zu spät erschienen. Insgesamt einfach ein richtig schlechtes Spiel!
An Tony and Friends kann ich mich noch gut erinnern, das spiele ich heute noch manchmal … Da gab es noch ein PomBär-Werbespiel, das auch ganz gut gewesen ist. Eine meiner ersten Spieleerinnerungen ist ein Plattformer-Werbespiel der Handelskammer Austria (heute Wirtschaftskammer Österreich) gewesen. Darüber finde ich aber leider nichts mehr, vielleicht hast du mehr Glück.
Das würde mich interessieren, das Spiel von der Handelskammer Austria. Leider waren hier in Deutschland Werbespiele aus Österreich nicht sooo verbreitet. :-/