Zeitreise: Disney-Spiele in den 90er Jahren

Mein Artikel über Disney / Capcom hat mich auf den Geschmack gebracht: Ich grabe tiefer in der Spiele- und Softwarekiste und schaue mir die digitale Entwicklung des Mauskonzerns in den 90er Jahren an. Dabei konzentriere ich mich für diesen Artikel nicht nur auf die Konsolen; auch der Heimcomputer kommt nicht zu kurz. Für beide Bereiche verfolgte Disney eine unterschiedliche Strategie: Während auf den Konsolen actionreiche Spiele die älteren Kinder ansprechen sollten, zielte man bei den Heimcomputern mit Lernspielen und interaktiven Geschichtsbüchern auf die jüngere Zielgruppe ab.

Dabei arbeitete Disney mit verschiedenen Studios und Publishern zusammen. Zum einen konnten Entwickler eigene Ideen an Disney pitchen, zum anderen trat der Mäusekonzern auch vereinzelt selbst an Hersteller heran. So wurden zwischen 1990 und 1999 über 180 Spiele und Programme mit Disney-Lizenz veröffentlicht. Ich kann hier natürlich nicht alle diese Spiele vorstellen – aber ich habe versucht, die unterhaltsamen und nostalgischen Titel zusammenzustellen. Dabei gehe ich möglichst chronologisch vor: Wir beginnen in den frühen 90er Jahren und enden im Jahr 1999. Viel Spaß also bei diesem hoffentlich unterhaltsamen Einblick.

Die „I Love“-Trilogie von Emiko Yamamoto (1990 – 1992)

Dass das Disney-Label auch im Konsolenbereich funktioniert, bewies 1989 das Spiel DuckTales, das zu den meistverkauften NES-Spielen zählte. Mit diesem Bestseller im Rücken wurden auch andere Spielefirmen auf die Disney-Lizenz aufmerksam. Sega hatte zu diesem Zeitpunkt zwar schon seine 16-Bit-Konsole Mega Drive herausgebracht, aber noch keinen wirklichen Systemseller. Spiele wie Revenge of Shinobi oder Truxton erhielten gute Kritiken, erreichten jedoch nicht den Mainstream. Noch bevor man sich mit Sonic und einer frechen Werbekampagne ein dezidiert jugendliches Image verpasste, wollte man mit der Disney-Marke auch Familien ansprechen. Also schloss Sega einen entsprechenden Lizenzvertrag mit Disney ab.

Das erste Spiel dieser Kooperation war Castle of Illusion, das zum Weihnachtsgeschäft 1990 sowohl im Westen als auch in Japan erschien. Darin wird Minnie Maus von der bösen Hexe Mizrabel in ein Schloss voller Illusionen entführt. Natürlich eilt Mickey zur Rettung und hüpft durch lineare Level, die in verschiedene Szenarien unterteilt sind.

Das Spiel überzeugt durch zahlreiche Animationen, bunte Comic-Grafik und einen ansprechenden Soundtrack. Der Titel sieht aus, als wäre ein alter Mickey-Cartoon zum Leben erwacht. Der Game-Designerin Emiko Yamamoto ist es gelungen, Levels zu entwerfen, die den Zauber der Vorlage perfekt einfangen. Unterstützt wurde sie dabei von Pixel Artist Takashi Yuda und Yoshio Yoshida, der ihr beim Leveldesign half.

Castle of Illusion war nicht nur ein herausragender Kritikerliebling. Das Spiel wurde schätzungsweise über eine Million mal verkauft und gilt als erster Systemseller des Mega Drives. So war dann auch Winnie Forster in der Video Games 1/91 ganz angetan: „Überraschungen für lange Abende vor dem Monitor gibt‘s reichlich: In jedem Level werden andere Anforderungen an den Mäuserich gestellt. Mal wird Mickey im trüben Kaffeesatz von bösen Zuckerstücken verfolgt, mal durchschlittert er einen ganzen Level. Unfaire Stellen gibt’s jedoch nicht. Entdeckungfreudige Naturen werden zudem durch geheime Bonushöhlen und viele versteckte Extras entlohnt. Mario-Fans, die sich versehentlich ein Mega Drive zugelegt haben, werden mit Castle of Illusion entschädigt.“

Der Erfolg war so groß, dass Sega natürlich mehrere Nachfolger in Produktion gab. Für das Master System erschien ein eigenes Spiel Castle of Illusion sowie das systemexklusive Land of Illusion. Auf diese und weitere Disney-Spiele bin ich bereits in meinem Master System-Ranking eingegangen.

Neben weiteren Spielen mit der Disney-Marke (siehe weiter unten) folgte 1991 der zweite Teil der „I Love“-Trilogie. Diesmal „I Love Donald“ – im Westen unter dem Namen Quackshot veröffentlicht. Emiko Yamamoto arbeitete bei diesem Teil wieder mit dem bewährten Team zusammen, um die Abenteuer des tollpatschigen Erpels aus Entenhausen nun auch digital zum Leben zu erwecken. Donald schlüpft quasi in die Rolle von Indiana Jones, denn er hat in einem alten Buch von Dagobert Duck die Karte zu einem noch älteren Schatz gefunden. Als Gegenspieler fungiert die Bande von Kater Karlo, der diese Kostbarkeiten nur zu gerne selbst in die Finger bekommen würde. Wie in DuckTales reist Donald um die Welt, von Entenhausen bis nach Ägypten, um nicht nur Schätze, sondern auch neue Waffen und Fähigkeiten zu finden. Zu Beginn hat er nämlich nichts weiter als einem gelben Pömpel. Damit kann er seine Gegner immerhin kurzfristig außer Gefecht setzen. Später findet Donald einen roten Pömpel, mit dem er hohe Wände erklimmen kann, und eine Pistole, mit der er Maiskolben und Wasserblasen verschießen kann.

Die Action-Adventure-Elemente heben Quackshot deutlich von seinem Vorgänger ab. Außerdem wurde in noch bessere Animationen und einen abwechslungsreicheren Soundtrack investiert. Der Lohn waren hohe Wertungen in der Fachpresse und auch bei den Spielern kam das erste 16-Bit-Spiel mit Donald Duck sehr gut an. Martin Gaksch bilanzierte in der Video Games 1/92: „Wie überzeuge ich einen Videospielegegner vom hohen Unterhaltungswert einer Konsole? Ich setze ihn ans Mega Drive und schiebe Quackshot in den Modulschacht. Dieses Vorzeigespiel (Niedlichkeitsfaktor 100) hat ganz klar die beste Grafik, die ich je auf Segas 16-Bit-System gesehen habe. Hintergrundbilder, Gags, Animationen: Weltklasse! Allein wegen der optischen Kulisse muß sich jeder Spielefreak an Quakshot versuchen – trotz des Wissens, daß Profis das Modul in einem Tag durchhaben. Wenn Sega noch etwas mehr Umfang und Extras eingebracht hätte, dann dürfte sich Mario langsam auf einen harten Kampf gefaßt machen.“

Nach „I Love Mickey“ und „I Love Donald“ kann es nur eins geben: „I Love Mickey & Donald“! Der Abschluss der Trilogie erschien im Westen unter dem Titel World of Illusion, in dem Mickey und Donald sich als Zauberer versuchen, als Letzterer den Zugang zu einer magischen Welt entdeckt. Dort werden sie von einem Bösewicht herausgefordert, herausragende Zauberer zu werden, um in ihre Welt zurückkehren zu können.

Im Vergleich zum Vorgänger spielt sich dieses Spiel wieder traditioneller – es gibt eine Reihe von linearen Levels, die in einer festen Reihenfolge gespielt werden. Dabei agieren Mickey und Donald – ihr habt die Wahl, welche Figur ihr spielen möchtet – etwas träger, was etwas gewöhnungsbedürftig ist. Mit einem magischen Tuch wird Zauberstaub verschossen, der Gegner in friedliche Wesen verwandelt. In jedem Level lernen die beiden Figuren neue Zaubersprüche, so dass sie auch auf einem magischen Teppich über den Wolken oder in einer Wasserblase eingehüllt durch tiefe Gewässer schwimmen können.

Neu ist der Co-Op-Modus, der es zwei Spielern ermöglicht, das Abenteuer gleichzeitig zu erleben. Dabei müssen beide Spieler zusammenarbeiten. Es ist zudem möglich, dass ein Spieler eine knifflige Sprungpassage meistert und dann den anderen Spieler an die aktuelle Position bringt. So können auch Spieler mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammen spielen.

Es war das letzte Spiel, für das Emiko Yamamoto als Game Designerin bei Sega verantwortlich war. Kurz darauf verließ sie den Publisher und landete für kurze Zeit bei Capcom, wo sie an Magical Quest 3 mitarbeitete, bevor sie zu Hudson Soft wechselte. Seit Ende der 90er Jahre arbeitet sie als Produzentin für die japanische Niederlassung von Disney Interactive. In dieser Funktion war sie in den letzten Jahren unter anderem maßgeblich an der Produktion der Kingdom Hearts-Spiele von Square Enix beteiligt.

Segas Flopspiele

Während die soeben vorgestellte Trilogie zweifellos zu den besten Spielen der Mega Drive-Bibliothek gehört, gab es auch einige Sega-Spiele, die man mit Fug und Recht als Flops bezeichnen kann – sowohl in finanzieller als auch in künstlerischer Hinsicht. Die Entwicklung von Fantasia aus dem Jahr 1991 ging an die französische Firma Infogrames und enttäuschte durch unfaire Kollisionsabfragen, schlechte Animationen und einen unverhältnismäßig hohen Schwierigkeitsgrad. Ähnlich einfallslos waren die Spiele um Käpt’n Balu und seine tollkühne Crew sowie Arielle, die Meerjungfrau. Während letztere durch langweilig gestaltete Unterwasserlabyrinthe geschickt wird, hüpft Balu uninspiriert durch einen Dschungel.

Diese Spiele fielen in den damaligen Tests reihenweise durch und erhielten bestenfalls Wertungen im 50er-Bereich. Hier versuchte Sega offensichtlich, mit lieblos hingeklatschten Spielen schnelles Geld zu verdienen.

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Über Nischenliebhaber

Ostdeutsches Videothekenkind der 90er Jahre. Liebt Spiele- und Retrokultur ebenso wie subkulturelle Musik aus aller Herren Länder und lange Spaziergänge durch dunkle Wälder des Erzgebirges.

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4 Comments on “Zeitreise: Disney-Spiele in den 90er Jahren”

  1. Wow, das ist ja fast schon ein Buch geworden, werde ich mir in einem ruhigen Moment im Detail durchlesen.

    Ich habe auf dem Gameboy Ducktales und Lionking gespielt, auf dem SNES Alladin (war aber glaube ich nur geliehen). Obwohl ich früher (!) gerne Disneysachen geschaut habe, das LTB gelesen, die wöchentliche Zeitschrift und so. Da ging ja echt einiges an mir vorbei. Schade, dass es nicht wirklich nachholbar ist 🙁

  2. Schöner Artikel! Ich muss zugeben, dass ich tatsächlich das meiste davon gespielt habe.
    Ja, ich war enormer Disney-Fan … wenn ich auch zugeben muss, dass es mir heute nicht immer leicht fällt, Disney-Fan zu bleiben.

    Was natürlich nicht Teil dieses Artikels ist (und, glaube ich, im anderen Artikel erwähnt war), ich als Sierra-Fanboy aber dennoch gerne hier nochmals erwähnen will: Vor den 90ern war ja quasi Sierra die Disney-Software-Schmiede. Wenn ich auch heutzutage eigentlich nur noch The Black Cauldron aus diesem Line-Up spielen kann.

  3. Ich war vor ein paar Jahren verblüfft, als ich neben den bekannteren Sachen wie Aladdin und dem König der Löwen noch andere Plattformer entdeckt habe. Ja, sie sind nicht so gut – aber wie das Biest an den Vorhängen mit seinen Krallen runterrutscht, hat schon was.
    Danke für deine Einblicke in eine mir immer noch sehr wichtige Welt. Speziell die Multimedia-CDs sind echte Entdeckungen!

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