Das friedliche Dorf Festeron und ein einfacher Bursche, der sich als Botenjunge sein Brot verdient. Was kann da schon schiefgehen? Natürlich Vieles. Im Jahre 1985 zeigt Wishbringer, dass sich mit wichtigen Nachrichten so ziemlich alles verändern kann – und das nicht zum Guten.
Unser namenloser Protagonist schreckt zu Spielbeginn aus einem Tagtraum hoch. Dabei war er kurz davor, einen bösen Drachen zu erschlagen. Stattdessen soll er nun für Mr. Crisp, den unhöflichen Chef der örtlichen Poststelle, einen Brief zustellen. Eile ist geboten, da der Magick Shoppe bereits in zwei Stunden schließt. Jeder Zug im Spiel verbraucht eine Minute, also wird der Umschlag in der Tasche verstaut und wacker losmarschiert.

Ganz so friedvoll wie auf den ersten Blick scheint die Umgebung nun doch nicht zu sein. Im Osten versperrt ein bissiger Pudel den Weg, im Westen wartet direkt der Friedhof. Die Ortschaft wirkt sehr kompakt und Rätsellösungen sind anfangs nur wenige Bildschirme weit entfernt. Nur das Ziel unseres Boten liegt am Ende eines langen, verschlungenen Pfades weit oben auf einer Klippe. Er übergibt den Brief der ältlichen Ladenbesitzerin. Der Umschlag sah schon nicht vertrauenerweckend aus und tatsächlich: das Schreiben entpuppt sich als Erpressung: Eine böse Gegenspielerin, die sich nur The Evil One nennt, hat die Katze der netten Ladenbesitzerin entführt und verlangt als Lösegeld einen magischen Stein.

Dies alleine wäre noch kein großes Problem für unser Alter Ego. Doch als er den Laden verlässt, hat sich die Umgebung völlig verändert. Statt des Postamts ragt nun ein Turm empor, dichter Nebel hat sich über das Land gelegt und seltsame Gestalten durchstreifen die Gegend. Wir sind auf uns allein gestellt – und auf die alten Legenden, die sich um den geheimnisvollen magischen Stein ranken.
Das neue Umfeld bringt in einigen Dorfbewohnern ihre ganze Schlechtigkeit hervor. Durch das Umfeld streift nun die Stiefel-Patrouille, die unser Held tunlichst meiden sollte – es sei denn, er möchte im Gefängnis von Sergeant MacGuffin landen. Der Gesetzeshüter war schon in Festeron ständig schlecht gelaunt. Im verwandelten Witchville kann er seine Neigungen voll ausleben. Glücklicherweise gibt es auch gutmütige Lebewesen, die die Postboten-Queste nach Kräften unterstützen. In dieser neuen, magischen Welt sind auch sprechende Schnabeltier-Völker nicht fehl am Platze. Und der Inhaber des magischen Steins hat einige Asse im Ärmel. Noch ist nichts verloren.

Wishbringer ist das Ergebnis zweier Überlegungen: Erstens wollte Infocom explizit einen Einsteiger-Titel mit niedrigerem Schwierigkeitsgrad. Seastalker, der erste Versuch mit dieser Tendenz, richtete sich ausdrücklich an Jugendliche, doch nach anfänglichen Verkaufserfolgen dümpelten die Schachteln auf der weiten See der Marktregale vor sich hin. Dieses Spiel hier war für ein erwachsenes Publikum konzipiert – und für den zusätzlichen Verkaufsanreiz in der beliebten Zork-Welt angesiedelt.

Zweitens baute der Designer Brian Moriarty die Geschichte um den namensgebenden Stein herum. Seine ersten Gedanken kreisten um einen magischen Ring, doch solch ein Schmuckstück war nicht außergewöhnlich genug. Außerdem würde ein Plastikring – mehr wäre aus Kostengründen nicht drin – nicht besonders beeindruckend in der Box aussehen. Stattdessen erdachte sich Moriarty einen in der Dunkelheit leuchtenden (Plastik-Stein), der dann die Grundlage für die Geschichte bildete. Der Wishbringer blieb bis zum Firmenende das einzige Feelie, das vor dem Spiel da war. Außerdem dürfte er eine der Beilagen sein, die im Laufe der Jahre am häufigsten verloren gegangen sind. Vollständige Boxen tauchen nur selten auf den einschlägigen Plattformen auf. Häufiger erhalten ist immerhin das schön gestaltete Heftchen „The Legend of Wishbringer“, das eine leicht verschlungene Geschichte über das Bauernmädchen Morning-Star und die moralisch fragwürdige Königin Alexis erzählt – Eine Geschichte, die zum magischen Stein und seinen möglichen Wünschen führt.
Wishbringer ist neben Seastalker, Moonmist und The Witness eines der leichtesten Infocom-Adventures. Die Rätsel sind im Vergleich zu anderen Titeln deutlich einfacher und kürzer gestaltet. Außerdem gibt das Spiel nach einigen fruchtlosen Eingaben Tipps für das weitere Vorgehen. Wer lange genug versucht, den Pudel zu streicheln, einzustecken oder ähnliche Dinge ausprobiert, bekommt den Hinweis “Look around. You might find something the poodle would like”. Weniger gelungen sind Punktabzüge, nur weil der Spieler Dinge untersucht. Wer dies ignorieren oder oft genug speichern kann, bekommt ein leichtfüßiges und spaßiges Abenteuer an die Hand. Vor allem kann der Spieler dem Boten helfen, ein Held zu werden. Und das wollen wir ja schließlich alle sein.

1989 veröffentlichte der Autor Craig Shaw Gardner als Nachklapp einen Roman zum Spiel. Er stattete die Hauptfigur mit einem Namen – Simon – und einer Vorgeschichte aus. Das Buch orientiert sich zwar an der Spiel-Geschichte, erweitert allerdings einige Handlungsstränge und erfindet andere. Alles in allem ein humorvolles Vergnügen ohne größeren Tiefgang. Als besonders nervig empfand ich das magische Radio, das immer wieder in die Geschichte reinplärrt, aber das kann ja anderen Lesern besser gefallen als mir. Das Buch ist derzeit allerdings weder auf Englisch noch auf Deutsch im Handel erhältlich. Wer es lesen will, muss auf antiquarische Suche gehen, dürfte dabei jedoch keine Probleme haben.
Ein Titel, der mir so ziemlichst nichts sagt, aber kein Wunder wir reden hier von nem Titel von 1985 und viele der Titel vor meiner Geburt, bleiben im Schatten, des Unbekannten lleider stecken.
Die Bildauszüge hingegen, sehen nach was interessantem und kurzweiligen aus, laut deiner Beschreibung.
Macht wieder spaß das zu lesen 😀
Gruß der Yuki-Fan erster Stunde :’D
Ich schätze, für heutige Einsteiger ist das schwere Kost. Wobei: Christoph, unser Findet-Schatz-Küken hat vor unserem Podcast auch nie ein Textadventure gespielt und ist mittlerweile Feuer und Flamme für das Genre. Also im Podcast – öfters fasst er die Sachen nicht an 🙂
Mir gefällt die theoretische Freiheit. Wenn der Designer Muße und Speicherplatz hat und obskure Eingaben mit einem guten Text belohnt, ist das Gold wert.
Wishbringer ist in der Tat eines der einfachsten Abenteuer von Infocom. Noch einfacher als Moonmist, da einem das Spiel ganz schön hilft.
Und, ja, auch ich empfinde die Punktabzüge etwas unschön; Ist doch gerade das Probieren und Entdecken etwas vom Schönsten bei den Textadventures.
Ich finde, man sollte die Punkte einfach ignorieren.
Reine Textadventures haben natürlich eine etwas höhere Einstiegshürde, sind aber – genau so wie ein gutes Buch – zeitlos, wenn man sich mit ihnen einlässt.
Ich empfehle allerdings den Augen zuliebe einen modernen Interpreter zu verwenden, um die Infocom (und andere) Klassiker heutzutage zu geniessen.
Beliebt ist da Windows Frotz (https://davidkinder.co.uk/frotz.html) oder der von mir favorisierte Gargoyle (https://ccxvii.net/gargoyle/).
Und dann, finde ich, ist Wishbringer durchaus ein toll geeignetes Einsteiger-Textadventure.
Derzeit beschäftige ich mich neben Conquests of the Longbow auch viel mit den Infocom-Dingern. Sie sind einfach faszinierend. Und natürlich verzweifle ich mit meinem Schulenglisch immer mal wieder – aber immerhin kann ich heutzutage schneller übersetzen (lassen) als früher mit dem Wörterbuch auf dem Schoß 🙂