Westwood-Adventures #2: Alles hat ein Ende (1994-1997)

Alte Bekannte und neue Freunde

In der Mitte der 1990er Jahre war es angesagt, Spiele direkt auf einer CD-ROM zu veröffentlichen – am besten mit Sprachausgabe. Dementsprechend erschien Kyrandia 3 auch direkt auf CD. Bei der Veröffentlichung der ersten beiden Teile tickten die Uhren noch etwas anders. Sie erschienen zunächst auf Diskette und wurden erst nachträglich mit englischer Sprache versehen und auf der damals so beliebten Silberscheibe veröffentlicht. Als die Sprachaufnahmen für Kyrandia 1 für die CD-Version stattfanden, stellte Westwood einen gewissen Herrn namens Joseph D. Kucan ein und gaben ihm die Sprecherrolle für die Hauptfigur Brandon. Bei den darauffolgenden Teilen übernahm er die Aufgaben des Audio Directors und sprach zudem den Erzähler (Hand of Fate) sowie erneut die Rolle von Brandon (Malcolm’s Revenge) ein. Eine viel größere Bekanntheit wurde ihm aber im Jahr 1995 zuteil – für seine Rolle als Bösewicht Kane (diesmal auch in Video-Form) aus dem oben erwähnten Strategieklassiker, womit sich der Kreis zunächst wieder schließt.

Command & Conquer schlug 1995 ein wie eine Bombe. Es folgte der Ableger Command & Conquer: Red Alert im Jahr 1996, der ebenfalls sehr beliebt war. Bis 1997 sah es so aus, als hätte Westwood das Interesse an Adventures verloren. Doch dann erschien ein weiteres bahnbrechendes Abenteuer – zu einem Zeitpunkt, an dem viele nicht mehr damit gerechnet hätten. Bevor wir allerdings dazu kommen, betrachten wir ein Comic-Adventure, das bereits ein Jahr zuvor erschien und heute definitiv als Teil der Westwood-Adventure-Historie betrachtet werden sollte.

Um dies zu untermauern, müssen wir zunächst ins Jahr 1993 zurückblicken: Multimedia war DAS Schlagwort und viele Firmen versuchten, daraus Kapital zu schlagen. Auch Virgin Interactive, die zu diesem Zeitpunkt bereits Publisher von Westwood waren, wollten da mitmischen. Mit The 7th Guest von Trilobyte übertrafen sie alle Erwartungen; das Horror-Puzzle-Ego-Adventure wurde zu einem der Hauptgründe für die Anschaffung eines CD-ROM-Laufwerks. Die Produktionskosten überstiegen damals zwar über eine Million US-Dollar, das Spiel verkaufte sich im Anschluss aber auch über zwei Millionen mal.

Das Risiko lohnte sich offenbar, also wollte Virgin noch einen draufsetzen. In diesem Zuge stellte der erfahrene Gamedesigner David Bishop, der auch schon beratend an The 7th Guest beteiligt war, seine Idee vor: Er wollte ein Spiel erschaffen, das in einer Zeichentrick-Welt spielt, in die ein „echter Mensch“ hineinversetzt wird. Es sollte Trouble in Toonland heißen und von einem Jungen handeln, der die bunte Cartoonwelt vor den bösen Schwarz-Weiß-Figuren retten muss.

Nach dem Erfolg von The 7th Guest verabschiedete sich Trilobyte allerdings von Virgin in Richtung des Publishers Media Vision. Es musste also ein anderer Entwickler her, der Bishops Idee umsetzen konnte. Dies war die Geburtsstunde der Burst Studios mit Sitz in Irvine, Kalifornien – etwa 450 km weiter südwestlich von den Westwood Studios.

Zeitsprung ins Jahr 1997: Westwood-Gründer Brett Sperry hatte neben seine Tätigkeit als Westwood-Geschäftsführer mittlerweile den Posten des „President of Worldwide Development“ bei Virgin übernommen und somit auch ein Auge auf die Burst Studios. Nur ein Jahr später übernahm Electronic Arts den Nordamerika-Bereich von Virgin Interactive, zusammen mit Westwood und Burst, für 122,5 Millionen US-Dollar. Und aus den Burst Studios wurde… Westwood Pacific.

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Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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8 Comments on “Westwood-Adventures #2: Alles hat ein Ende (1994-1997)”

  1. Toonstruck und Blade Runner habe ich beide geliebt. Die Filmumsetzung hat es tatsächlich geschafft, die Atmosphäre von der Leinwand auf den Monitor zu transportieren. Nur hat mein damaliger Rechner bei einigen Lichteffekten Atemprobleme bekommen und ich hätte mir locker jedes einzelne Bild abmalen können, wenn diese „Lichtschwerter“ von hinten in den Raum eindrangen.

    Kyrandia 3 habe ich zwar bei GoG in der Sammlung, aber mehr als das Intro und die ersten paar Räume habe ich noch nie gesehen. Mir hat sich das Konzept einfach nicht erschlossen.

    Danke für diesen ausführlichen Artikel samt Nebenstraßen. Von hier aus kannst Du jetzt hervorragend die einzelnen C&C-Teile würdigen.

      1. C&C strunzdumme Sammler..
        „Ihr Sammler wird angegriffen.“ Dann fahr halt nicht in die gegnerische Basis.
        Was hab ich bei den Spielen vor mich hingeflucht..
        Aber ich liebe sie trotzdem

  2. Tststs, C&C Tiberian Sun wurde von den Fans nicht gescholten, das waren die gehypten Casuals! Das Spiel ist immer noch gut, auch wenn das Gameplay von Alarmstufe Rot 2 einfach nochmal runder funktioniert.
    Und Generals, das ja nur dem Namen nach Command & Conquer ist ja nicht das letzte RTS von den Leuten von EA Pacific, die haben ja danach noch Schlacht um Mittelerde gemacht.

    Für Blade Runner gibts einiges bei ScummVM zu lesen, kann leider den ursprünglichen Text nicht mehr finden, der sehr detailiert war. Aber hier bekommt man das wichtigste:
    https://forums.scummvm.org/viewtopic.php?p=94442#p94442
    https://www.vice.com/en/article/dedicated-fans-spent-8-years-making-the-1997-blade-runner-game-run-on-a-modern-pc/

    Angeblich soll es noch eine erweiterte Mod für Blade Runner neben der ScummVM Restored Content Fassung geben, an der aktuell aktiv gearbeitet wird. Falls die kommt, wirds echt nochmal echt spannend um das Spiel.

    Rick Parks verstarb ja leider während der Entwicklung von Lands of Lore 2 (Throne of Chaos kam ja zur gleichen Zeit wie Kyrandia 2 , das war also kein Hinderungsgrund für ihn, an Kyrandia 3 mitzuarbeiten. Er bekam noch ein verstecktes Tributsvideo in LOL2: https://www.youtube.com/watch?v=AdEOiwN2P-E

    1. Auf deinen Kommentar habe ich sehnsüchtig gewartet! 🙂

      EA Pacific wurde ja noch ein paar Mal umbenannt. 2003 wurde EA Pacific dicht gemacht, 2004 kam Schlacht um Mittelerde unter dem Label „EA Los Angeles“. Ich wollte aber keine EA-History machen. 😉

      Die Links zu den ScummVM-Infos finde ich sehr interessant und schaue ich mir noch genauer an.

      Das Video für Rick Parks war wirklich rührend. Und ich hätte es so ausdrücken können, dass Parks noch einen kleinen Anteil an Kyrandia 3 hatte, laut Credits arbeitete er an der „Introduction Art“. Leider war er nicht mehr Lead Artist wie in den ersten beiden Teilen.

      Danke für deine Ergänzungen! 🙂

      War denn wenigstens etwas Neues für dich dabei?

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