Vier Adventures von Angelsoft

Die Geschichte der Textadventures ist lang und voller seltsamer Abzweigungen. Heute sehen wir uns ein Pferd im Nebel an, das auf ein Voodoo-Schloss zugaloppiert.

Dass nicht alle Spiele-Firmen das Glück haben, jahrzehntelang erfolgreich im Geschäft zu bleiben, ist eine traurige Tatsache. Dass eine Firma namens Angelsoft allerdings innerhalb von fünf Jahren 14 Spiele auf den Markt wirft, dabei mit Namen wie Stephen King, James Bond und Dick Francis jongliert und dann wieder verschwindet, ist aber ein Fall für sich. Genau genommen sogar zwei Fälle, denn ich habe die vier Spiele, die auf Filmen oder Filmfiguren basieren, bereits in einen eigenen Artikel ausgelagert. Die sechs Lernspiele unter dem Sammel-Namen Tink!Tonk! sind selbst mir zu nischig. Bleiben also noch vier Spiele, die ich euch gerne vorstellen möchte. Zwei davon sind komplette Eigenproduktionen, aber die beiden anderen basieren auf Buchlizenzen. Und mit einem dieser beiden Lizenz-Spiele startete Angelsoft ihre Adventure-Reihe.

Cujo

Dass Angelsoft gleich mit einer bekannten Lizenz beginnen konnte, lag an Stephen Kings Schreibgewohnheiten. In seinen Geschichten wimmelt es von bekannten Namen – seien es Markenprodukte oder Fernseh-Stars. Eventuell ist dies ein Stilmittel, um seine Geschichten mehr in der realen Welt zu verankern und damit glaubhafter zu machen. Jedenfalls taucht in seinem 1981 (in Deutschland erst 1986) erschienenen Hunde-Horror-Roman „Cujo“ auch Mercer Mayer auf: Während Donna mit ihrem Sohn im glühend heißen Auto sitzt und von dem tollwütigen Hund belauert wird, stellt sie sich vor, dass Tad wieder zuhause im Bett liegen könnte und eins seiner Bücher von Mercer Mayer anschaut. Wir reden von Kinderbüchern wie „Da liegt ein Krokodil unter meinem Bett“. Eben süß gezeichnete Bücher über kleine (tierische) Kinder, die ins Bett oder zum Zähneputzen müssen.

Bei der Gründung von Angelsoft rief Mercer Stephen King an und kam nach ein wenig Smalltalk zur Sache: Gibt es eine Lizenz, die Angelsoft nutzen könnte? King wiederum rief seine eigenen Leute an und es stellte sich heraus, dass die einzige nicht vergebene Lizenz “The Mist” aus der Sammlung “Skeleton Crew” (in Deutschland “Im Morgengrauen”) war. Alle anderen Bücher hatten sich bereits Filmstudios gesichert.

Dieser Ende 1984 abgeschlossene Deal sorgte für gespitzte Ohren und verschaffte Angelsoft die Möglichkeit, an weitere Lizenzen heranzukommen. So verschafften sie sich direkt noch die Rechte am nächsten Bondfilm, dem 1985 erscheinenden “A view to a kill”. Vorlagen waren also nun da. Was fehlte, war die Software. Die Firma heuerte ein paar externe Programmierer an, die den technischen Rahmen zimmerten und sie fand in Raymond Benson einen professionellen Autor, der sich auch für Computerspiele interessierte. Er wurde für beide Spiele als Designer und Schreiber engagiert und arbeitete in einem flotten Tempo. Im Interview mit commanderbond.net erinnert er sich:

Ich bekam den Job und begann im Februar 1985 für Angelsoft zu arbeiten. Ich habe mich zuerst an “The Mist” gemacht. Ehrlich gesagt ist es das erfolgreichste der drei Spiele, die ich für sie geschrieben habe. Im Frühjahr ging ich zu “A View to a Kill” über. Im Spätfrühling konnte ich mir einen Rohschnitt des Films ansehen, das war für mich die erste dieser Gelegenheiten überhaupt. Angelsoft war mit meiner Arbeit zufrieden und engagierte mich daher, im Laufe des Sommers “Goldfinger” zu schreiben. Im September war ich mit den Spielen fertig. Ich glaube, “The Mist” und “A View to a Kill” kamen im Oktober heraus. Goldfinger wurde im Frühjahr 1986 veröffentlicht.

Die Zivilisations-Tünche ist schnell abgewaschen.

The Mist

Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum

Benson kontaktierte Stephen King, um seine Möglichkeiten abzuklopfen. Retro Gamer erzählte er: “Ich habe ihn gefragt, ob es für ihn in Ordnung wäre, wenn ich Dinge erfände, die nicht in seiner Geschichte vorkamen. Oder wenn ich Dinge rauswarf. Und ich fragte ihn nach seiner Meinung zu einigen Ideen. Er sagte im Grunde: “Mach, was du willst.” Genau das hat Benson zwar nicht getan, aber natürlich die Story, wo nötig, dem Adventure angepasst.

Das Spiel geht gleich in medias res: Ich stehe in einer sich nur langsam vorwärts bewegenden Supermarkt-Schlange. Die Klimaanlage arbeitet wegen des gestrigen Sturms nicht mehr und die übliche Sommer-Touristen-Meute sorgt dafür, dass ich langsam ungeduldig werde. Da stürzt ein schreiender Teenager in den Laden: “Der Nebel! Der Nebel hat Mark!” Und tatsächlich: Draußen zieht eine weiße Wand in meine Richtung, deren Ränder wie von einem Lineal gezogen aussehen und ich muss mit ansehen, wie ein Mann schreiend hineingezogen wird. Mein einziger Gedanke: Ich muss zu meinem Sohn Billy. Einige andere Käufer scheinen ähnliche Gedanken zu haben, denn sie stürzen nach draußen in den Nebel – aber sie kommen nicht weit. Ich höre nur ihre gequälten Schreie, bevor sie verstummen.

Mit mir im Supermarkt gefangen sind noch einige weitere Personen: Da ist zum Beispiel Ollie Weeks, ein Mit-Vierziger, der den Supermarkt managt. Oder Mrs. Carmody, die ihre Vorahnungen vom Weltuntergang gerade bestätigt sieht – und das auch alle anderen mit jedem einzelnen Satz wissen lässt. Wenn ich nicht schnell genug aus dem Supermarkt rauskomme, helfen Mrs. Carmody und einige andere (recht schnell verblendete) Kunden nach und werfen mich als Blutopfer in den Nebel. Auch der Rest der Stadt scheint direkt mit den ersten Nebelschwaden den Verstand verloren zu haben. Ob die Menschen wirklich so schnell “Jeder ist sich selbst der Nächste” rufen und sich gegenseitig umbringen, sei mal dahingestellt und soll wahrscheinlich einfach nur für Stimmung sorgen. Jedenfalls kann das Spiel jederzeit sehr schnell zu Ende sein – und das wird euch bei euren ersten Versuchen auch oft genug passieren.

Die Monster im Spiel bewegen sich in begrenztem Rahmen durch die Spielwelt. Diese Zufälle können unserer Spielfigur gemeinsam mit einem zweiten solchen Element jederzeit problemlos das Genick brechen: Unsere Schüsse treffen nicht immer. Und das leider nicht aus dramaturgischen Gründen, sondern weil der Zufallsgenerator im Hintergrund so entscheidet. Sind unsere Kugeln erst einmal weg: Game Over. Das lässt sich natürlich mit “save early – save often” umgehen, aber sinnvoll ist diese Funktion nicht. Insgesamt finden sich im gesamten Spiel gerade mal sechs Kugeln – für eine amerikanische Kleinstadt doch recht ungewöhnlich. Ein paar der Monster können auch durch klassische Mittel wie Salz oder Insektenspray getötet werden, aber die Pistole bleibt häufig das beste Argument.

Die Texte des Spiels sind gut geschrieben und vermitteln eine wohlige Horror-Atmosphäre. Inhaltlich dürft ihr allerdings nicht zu viel erwarten:

A strange rasping sound on the other side of the loading door distracts you a moment. Norm, the bag-boy, is standing near the half-open door. Tendrils of mist as white and fine as floating lace are eddying through it; so is a huge, rubbery tentacle. It gropes toward Norm. Before you can warn him, it grabs him around the calf and attaches itself with thick, fleshy suckers.

Norm screams: Get it off me! Help! Oh God, get it off me!

Before you can do anything, the tentacle bulges as if flexing its muscles and begins pulling Norm into the fog. A second tentacle appears and wraps itself around Norm’s upper body. The slimy things pull him into the dense, eerie whiteness, until his screams are suddenly cut off.

Natürlich bleibt es nicht einfach nur bei Nebel, Monstern und Menschen. Später im Spiel dringen wir noch in ein Militärgelände ein, weil so etwas einfach zu einer guten Horrorgeschichte gehört. Wer weiß, was er tut (und wem der Kugel-Zufallsgenerator gewogen ist), kann sehr schnell durch das Spiel durch sein – aber das ist ohne eine Komplettlösung nicht zu erwarten.

Dank meiner früheren Erfahrungen mit Angelsoft-Adventures kannte ich bereits einige Fallstricke. Allerdings macht sie das nicht besser und gehören deshalb auch hier aufgeführt: Das Inventar ist winzig. Mehr als vier Gegenstände gleichzeitig können wir nicht tragen. Das ist bei The Mist umso tragischer, als dass wir im ganzen Spiel nur sechs Kugeln für die Pistole finden. Drei samt “old clip” und drei im “polished clip”. Ich habe keine Möglichkeit gefunden, die Kugeln aus einem Clip in den anderen Clip zu packen. Also ist bei Platzmangel die Frage, ob ich eventuell eine Kugel zurücklassen muss, wenn ich andere wichtige Gegenstände finde. Überhaupt die Pistole: Die hat Ollie Weeks, der Supermarkt-Manager. Wusste ich aber nicht, bis ich in eine Lösung geschaut habe. Alle weiteren Versuche, ihm das Ding abzuschwatzen, waren wiederum erfolglos, bis ich die Zauberworte “Relax, Ollie” eintippte. Ob ich selber drauf gekommen bin? I wish. Dass manche Gegenstände nur gefunden werden können, wenn ihr Gegenstände genauer untersucht, ist da nur noch eine Lappalie. Statt zum Beispiel “examine clock” müsst ihr schon “examine clock carefully” eingeben, sonst wird das nichts.

Zeitgleich mit The Mist erschien die erste Bond-Versoftung von Angelsoft namens “A view to a kill”, die ich in meinem ersten Artikel bereits vorgestellt habe. Im gleichen Jahr 1985 brachte die Firma noch drei weitere Spiele auf den Markt. Neben “Rambo: First blood part II” sind dies die beiden einzigen Adventures, für die keine Vorlage existierte: Voodoo Island und Forbidden Castle.

Voodoo Island

Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum

Nach den Lizenz-Titeln legte Angelsoft erstmals einen eigenen Titel vor, der von M. J. Sayer geschrieben wurde. Sucht erst gar nicht lange nach dem Namen, denn auf Moby Games ist dies der einzige Eintrag zur Person. Auch eine Google-Suche brachte mich nicht weiter. Eventuell ist es ein Pseudonym, das aus den Namen der beiden Firmengründer John. R. Salvatore und Mercer Mayer zusammengesetzt wurde. Stellt euch an dieser Stelle eine Tafel vor, auf der die beiden Anfangsbuchstaben der Vornamen und die passenden Teile der Nachnamen anfangen, sich zu lösen, herumzuwirbeln und sich dann zu M.J. Sayer fügen. Wie dem auch sei: Der Anfang des Spiels lässt schon mal auf Spannung hoffen…

Nach einem Sturm samt Schiffbruch wachen wir am Strand einer Insel auf. Auf der Habenseite steht, dass wir überlebt haben. Gruselig nur, dass um uns herum Fußspuren zu sehen sind. Anscheinend machte sich niemand die Mühe, uns zu helfen, als wir ohnmächtig am Strand lagen. Aber es hilft alles nichts: Mit nichts als unserer Kleidung bewaffnet machen wir uns daran, die Insel zu erkundigen. Schon die ersten Schritte machen klar, dass die Bewohner nicht wie in der Bacardi-Werbung in den Tag hinein leben: sauber getrimmte Rasenflächen, mit Stacheldraht abgezäunte Bereiche, ein erloschener Vulkan mit einer steinernen Zitadelle. Und das Beste daran: Dies ist eines der Angelsoft-Adventures, bei dem ich direkt zu Beginn in drei unterschiedliche Richtungen gehen kann, ohne direkt zu sterben.

Welcome to the hotel Voodoo Island…

Das Spiel bietet gleich zwei raffinierte Fortbewegungs-Methoden: An einigen Stellen des Spiels treibt regelmäßig ein Floß vorbei, das wir besteigen können. Neben einem Punkt westlich unseres Starts können wir so noch eine Schottergrube im Norden der Insel und einen kleinen Park im Westen erreichen. Auf diese Weise können wir also einen, problemlosen Kurztrip rundherum machen. Der Esel dagegen steht auf einem anderen Blatt. Er funktioniert grundsätzlich nach dem gleichen Prinzip: Er läuft stur über die Insel und bringt uns auch an Stellen, die wir alleine nicht erreichen können. Nur weigert er sich standhaft, uns aufsitzen zu lassen. Oder sonst irgendwie mit ihm zu interagieren. Gute Adventure-Spieler schieben die Schuld in solchen Fällen erst einmal dem Parser zu. Dann eventuell sich selbst, weil sie eine naheliegende Lösung nicht finden. Hier aber liegt ein klassischer Fall von “nicht gut kommuniziert” vor. Denn an einer Stelle des Spiels können wir eine Karte mit dem Aufdruck “The Island Taxi” finden. Um das kurz zu verdeutlichen: So liest sich das auf dem Bildschirm.

The bedroom is less elegant than the living room. The blue wallpaper has faded to grey. To the east is the living room. You see the card on the floor.

In elegant script are the words: THE ISLAND TAXI.

Kein Bild eines Esels, kein sonstiger Hinweis im Spiel. Und da unser Inventar wie üblich sehr begrenzt ist – wobei wir in Voodoo Island eine Tasche mit uns führen, die als Inventar-Erweiterung dient – wäre es schon ein Wunder, wenn wir diese Karte einstecken. Aber nur mit diesem Stück Papier lässt uns der Esel wundersamerweise auf seinen Rücken. Das beiliegende Handbuch gibt keine Hilfestellungen, sondern geht nur auf die möglichen technischen Hindernisse einer Installation ein und erklärt auch, wie man das Spiel beenden kann. Ein Impuls, der nachvollziehbar ist…

Sieht man aber von solchen Design-Schnitzern ab, ist Voodoo Island ein recht zugängliches Textadventure. Für Angelsoft-Verhältnisse verzeiht es sehr viel beziehungsweise gibt es wenige unfaire Todesstellen. Wer zu Beginn des Spiels meint, trotz der vier Finnen im Wasser wieder ins Meer zu müssen, hat eben Pech gehabt. Ansonsten gilt: Menschen sind gefährlich – und von Teddybären sollte man die Finger lassen.

Forbidden Castle

Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum

Für das nächste Spiel griff dann ganz offiziell der Firmengründer Mercer Mayer in die Tasten. Entgegen seines Kinderbuch-Images entstand allerdings ein sehr düsteres Fantasy-Spiel – was immerhin schon auf dem Cover deutlich wurde.

Forbidden Castle startet im London unserer Zeit. Bei einem Besuch in der Stadt landen wir in einem Trödelladen, dessen Besitzer uns frei herumstromern lässt. Auf dem Tresen entdecken wir ein altes Buch, auf dem das Wort METHWYR zu lesen ist. Ein Glück für die Fantasy, dass es den Buchstaben “Y” gibt. Überrascht stellen wir fest, dass die fremde Sprache auf den vergilbten Seiten für uns lesbar wird – und schon werden wir Hals über Kopf in eine andere Welt gezogen. Als wir wieder zu uns kommen, liegen wir auf einer hübschen Lichtung, auf die gerade ein Oger stapft. Könnte spannend werden hier.

Schon die ersten Schritte machen klar, dass das hier ein gefährlicher Ort ist. Da ist von einem schrecklichen Heulen im Wald die Rede, von geisterhaftem Gelächter und dem Rascheln der Blätter. Und natürlich lauert der Tod in einer solchen Umgebung an jeder Ecke. Selbst mit einer Komplettlösung sorgen die beliebten Zufalls-Ereignisse dafür, dass sich ständig andere Widrigkeiten in den Weg stellen. Schnappen wir uns zum Beispiel nicht schnell genug eine Vase, die ein paar Bildschirme vom Ausgangspunkt entfernt liegt, hat die blaue Fee diese Vase eingesackt. Diese müssen wir dann von ihr erhandeln – was aber auch nur funktioniert, wenn sie gute Laune hat. Schaut sie uns nur finster an, müssen wir ihr mit den Worten “beautiful fairie” erst schmeicheln. Und wie üblich gilt: Nichts von diesen Sachen wird in der Spielwelt oder im Handbuch angedeutet. Oder das Männlein im Walde, dessen Namen wir erraten sollen. Fragt besser nicht.

Was der Insel der Esel, ist dem Castle sein Drache. Und sein Pegasus. Denn auch in Forbidden Castle gibt es wieder zwei selbstständig agierende Fortbewegungsmittel, die festen Wegen folgen. Allerdings bringt uns der Drache erst dann zu einem bestimmten Punkt in der Spielwelt, wenn wir uns als würdig genug erwiesen haben. Und das ist ein ganz schönes Stück Arbeit. Wie üblich ist das Inventar mit gerade mal vier Gegenständen nicht besonders groß, wobei (wie auch in anderen Angelsoft-Titeln) angezogene Gegenstände (zum Beispiel eine Rüstung) nicht dazu zählen. Dazu gibt es wieder einen Beutel, der direkt zum Spieleinstieg vor unserer Nase liegt und unsere Lagermöglichkeiten erweitert. Wieso das Inventar derart seltsam verschachtelt wird, habe ich nach all den Angelsoft-Titeln immer noch nicht verstanden. Dinge, die wir im Beutel rumtragen, sind übrigens nicht im benutzbaren Inventar. Wenn wir also von dort einen Gegenstand möchten, müssen wir ihn erst aus dem Beutel nehmen, um in einsetzen zu können.

Was das Spiel wieder hervorragend schafft: Mit wenigen Zeilen zaubert es Landschaften vor das geistige Auge, die zur Erkundung einladen. Schade nur, dass der eingeschränkte Parser, die gnadenlose Spielwelt und einige Ungereimtheiten sich schreiend und wimmernd in den Weg werfen.

Die blaue Fee hat sich ganz schön verändert.

High Stakes

Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum

Das Jahr 1986 war nach den fünf Spielen des Vorjahres geradezu ruhig: Mit “Goldfinger” und “High Stakes” kamen gerade einmal zwei Spiele auf den Markt. Und beide beruhten wieder auf Vorlagen aus dem Film- beziehungsweise aus dem Buch-Markt. Da das Bond-Spiel schon im ersten Artikel vorgestellt wurde, reden wir hier direkt über High Stakes.

Autor von High Stakes war der ehemalige Jockey Dick Francis, der mit seinen Romanen rund um den Pferdesport jahrzehntelang auf dem Buchmarkt sehr präsent war. Auf deutsch erschien die Geschichte erst unter dem Titel “Roßtausch”, bis er den weniger verräterischen Titel “Versteck” bekam. Allerdings scheinen Buch und Spiel bis auf den Titel und einige Figuren nicht besonders viel gemeinsam zu haben. Geht es auf den gedruckten Seiten um Wettbetrug und (Überraschung) vertauschte Pferde, fällt der erste Teil im Spiel praktisch komplett unter den Tisch.

Hier starten wir damit, in Gestalt des Pferdebesitzers Steven Scott unsere bisherige Mitarbeiterin Jody rauszuwerfen. Ihre Reaktion spricht Bände: “Es war mir ein Vergnügen, Ihnen jeden Cent abzunehmen, den ich bekommen konnte.” Allerdings scheint sie noch nicht genug bekommen zu haben, denn sie lädt einfach Scotts Pferd in ihren Anhänger und will abhauen. Hier übernehmen wir.

Im weiteren Verlauf geht es natürlich auch um die vertauschten Pferde. Denn die extrem schwankenden Leistungen unseres Gauls müssen eine Ursache haben. Ich würde gerne berichten, dass sich hier eine interessante Geschichte entspinnt, in der Scott Hinweisen folgt, aber es fühlt sich mehr so an, als würde er ab und zu zufällig über einen wichtigen Gegenstand stolpern. Eventuell baut das Spiel auch stark auf den Schauplätzen des Buchs auf, aber das habe ich nicht gelesen – und grundsätzlich sollte ein Produkt auch eigenständig funktionieren.

Aber auch dieses Spiel bietet wieder einige hervorragend gelungene Textstellen. Zum Beispiel landen wir recht früh im Spiel auf einer eingezäunten Wiese. Kein Problem… wenn da nicht der Bulle wäre. Alle trickreichen Versuche führten zum Tode, also habe ich mal “wait” ausprobiert. Wer das mehrmals hintereinander macht, bekommt solche Textzeilen:

The bull butts you with his head.
The bull pulls your shirt with his teeth.
The bull sticks his wet nose in your face.

Erst, wenn er sich wegdreht, klappt es mit dem Abhauen. Sehr schöne Idee. Später gibt es dann noch einen alternativen Weg, um das Tier abzulenken. Aber das dauert ein Weilchen. Leider ist der Rest des Spiels relativ unspektakulär. Einen großen Teil der Zeit verbringt Steven im Auto und fährt von A nach B. Oder bringt ein Pferd mit einem Pferdetransporter von C nach D. Immerhin gibt es auch einige Gelegenheiten, bei denen er mit anderen Personen sprechen und sogar zusammenarbeiten muss, aber das reißt es nur für Pferdefans raus, fürchte ich.

Wieder gibt es das lustige Inventar-Verschiebe-Spielchen, dass ich einen Schlüssel erst aus der Tasche nehmen muss, um ihn in der Hand zu tragen und um ihn dann benutzen zu können. Und jeder Fetzen Papier darf nur “closely” gelesen werden, um den Inhalt zu erfassen. Aber wer diesen Artikel bis hierhin gelesen hat, lässt sich auch davon nicht abschrecken.

Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit

Und das war er dann, der zweite und letzte Ausflug in die eigenwillige Adventure-Welt von Angelsoft. Während der Recherche fand ich auch eine Komplettlösung des Spiels Forbidden Castle, bei der der Ersteller Andrew Schulz von seinen Nöten berichtete. Ich finde, er fasst damit die Faszination und den Schrecken dieser Spiele wunderbar zusammen. Deshalb möchte ich mit diesem Zitat schließen:

Während man auf viele visuelle Hinweise angewiesen ist, um das Spiel zu beenden, verursacht der Angelsoft-Parser manchmal peinliche Momente. Die Komplexität des Spiels überfordert ihn ein wenig. Das ist schade, denn die Beschreibungen deuten viele Dinge vorher an und das Spiel folgt einer innerer Logik, obwohl es den Spieler damit quält, sie zu finden.

Das Spiel hatte tolle Orte, schien aber sehr schwer zu sein. Schon bald suchte ich nach einem Walkthrough, aber wie es aussah, steckten alle anderen genauso fest wie ich. Irgendwann gab ich den Versuch auf, das Spiel wie vorgesehen zu lösen, sondern schaute mir die einzelnen Files an.

Ein einfaches Programm untersuchte alle möglichen Byteverschiebungen und gab mir das Script. Trotzdem brauchte ich danach noch ein wenig Hilfe. Aber ich denke, dass die gleiche Methode auch für alle anderen ungelösten AngelSoft-Spiele funktionieren könnte.

Der Unterschied zwischen “examine” (oben) und “examine carefully” (darunter)

(Dieser Artikel erschien zuerst am 21. Oktober 2023 auf GamersGlobal)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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