Die Geschichten von der Scheibenwelt gehören wohl zu den bekanntesten Werken des britischen Fantasy-Schriftstellers Terry Pratchett. In diesem Artikel stelle ich euch alle Computerspielumsetzungen vor.
Der erste Scheibenwelt1-Roman The Colour of Magic von Terry Pratchett (1948-2015) erblickte im Jahr 1983 das Licht der Welt. Zwei Jahre später erschien die erste deutsche Ausgabe des Buchs unter dem Namen Die Farben der Fantasie. Erst 1992 gab es dann eine deutsche Übersetzung, die sich mit Die Farben der Magie enger am Originaltitel hielt. Zum 40jährigen Jubiläum dieses Meilensteins der Fantasy-Literatur möchte ich euch zum Thema Scheibenwelt “alle Versoftungen im Überblick” präsentieren. Mittlerweile sind bereits über 40 Romane erschienen – aber wie sieht es mit den Computerspielumsetzungen aus?
- Was ist die Scheibenwelt?
Grob zusammengefasst ist die Scheibenwelt Pratchetts Fantasy-Universum, in dem er seine abstrusen Persiflagen auf das Genre erzählen konnte. Allein die Mythologie der Welt liest sich äußerst bizarr: Die Scheibenwelt besteht aus einer riesigen flachen Scheibe, die auf vier gigantischen Elefanten thront, welche wiederum von einer noch riesigeren Schildkröte durch das All getragen wird.
Ihre Bewohner sind auf den ersten Blick typische Fantasy-Charaktere wie Zauberer, Hexen, Trolle und Zwerge, bei näherem Hinsehen sind die wichtigsten Figuren aber auf eine besondere Art “anders”. Die Geschichten, die Pratchett in seiner Welt erzählte, sprühten vor Wortwitz (der leider in der deutschen Übersetzung manchmal verloren geht), einfallsreichen Ideen und spannenden Handlungsbögen voller Humor. ↩︎
The Colour of Magic
Das erste Buch der Scheibenwelt-Reihe war zugleich auch die Vorlage für die erste Umsetzung als Spiel. Wie für das Jahr 1986 nicht unüblich, erschien The Colour of Magic als Textadventure für die damals gängigen 8-Bit-Computer Amstrad CPC, Commodore 64 und ZX Spectrum. Erstellt wurde es mit dem “Adventure Writing System” The Quill, mit dessen Hilfe in den 1980ern hunderte von Textadventures entstanden. Dazu gehörte unter anderem auch die Der Herr der Ringe-Parodie Bored of the Rings (basierend auf dem gleichnamigen Buch von 1969, das in Deutschland als Herr der Augenringe erschien) von Delta 4 Software aus dem Jahr 1985.
Delta 4 Software wiederum wurde ein Jahr zuvor vom damals 15jährigen Fergus McNeill in seinem Jugendzimmer gegründet. Noch während seiner Schulzeit begann er gemeinsam mit Schulfreunden und Hilfe von The Quill, eigene Adventures zu erstellen und zu vertreiben. Zunächst erstellten die Freunde eine Textadventure-Trilogie namens Dragonstar und danach Adventure-Parodien wie das oben genannte Bored of the Rings oder auch Robin of Sherlock.
Darauf wurde auch das Label Piranha Software aufmerksam, das 1985 vom bekannten Verlag Macmillan Publishers als Versuch, in das Computerspielegeschäft einzusteigen, gegründet wurde. Der Ansatz von Piranha Software war es, mit lizenzierten Buchumsetzungen Geld zu verdienen. Sie einigten sich mit Fergus McNeill, dass Delta 4 die Spiele entwickeln sollten und überliessen ihm die Entscheidung, welches Buch er als erstes umsetzen wollte. Die Wahl fiel auf The Colour of Magic, und anders als Mike Woodroffe gelang es ihnen, an die Rechte für die Umsetzung des ersten Scheibenwelt-Romans zu gelangen.
Delta 4 bemühte sich, den Wortwitz von Pratchett möglichst beizubehalten, dementsprechend schwer war es für Nicht-Muttersprachler, die raffinierten Texte vollständig zu verstehen. Das Spiel bot einfache Grafiken als Illustration, die im oberen Bildschirmdrittel angezeigt wurden. Die Navigation durch das Spiel findet nicht über die bekannten Himmelsrichtungen statt, sondern verwendet die von Pratchett erfundenen Richtungen (Hubward, Rimward, Turnwise, Widdershins). Sonst spielt es sich größtenteils so, wie ihr es von einem Textadventure aus dieser Zeit erwarten würdet.
Entsprechend der Vorlage befindet ihr euch in der Stadt Ankh-Morpork und spielt den Magier Rincewind, der durch einen “Unfall” mit einem mächtigen Buch nur einen einzigen Zauberspruch in seinem Geist aufnehmen konnte, und seitdem versucht, eben diesen unter Verschluss zu halten. Immerhin seid ihr als der schnellste Magier bekannt, denn sobald nur ein Hauch von Gefahr abzusehen ist, rennt Rincewind um sein Leben. Im Laufe des in vier Kapiteln aufgeteilten Spiels trefft ihr aus der Vorlage bekannte Gestalten wie Zweiblum (Twoflower), den Touristen, Truhe (Luggage), die Truhe oder den personifizierten Tod.
Das fertige Spiel hat Pratchett zwar gefallen, mit dem Marketing war er aber überhaupt nicht zufrieden. Genaue Verkaufszahlen wurden nach der Veröffentlichung nicht bekannt, aber sie blieben definitiv hinter Terry Pratchetts Erwartungen zurück.
Pressespiegel: The Colour of Magic (1986)
“Mein Urteil: Wer wirklich einen ‘dicken Brocken’ sucht, an dem man sich die Zähne ausbeißen kann (und das nicht nur der ‘fremden Sprache’ wegen), dem sei The Colour of Magic wärmstens empfohlen.”
Martina Strack in der ASM 01/1987 (via archive.org) (Wertung: 9 von 12)
Discworld MUD
Bei Discworld MUD handelt es sich nicht um ein kommerzielles Spiel, in dem ihr euch im Schlamm der Scheibenwelt wälzt, sondern um ein Fan-Projekt für Discworld-Fans auf der ganzen Welt, das 1991 gegründet wurde. Dabei steht MUD für Multi-User-Dungeon, manchmal auch für -Domain oder -Dimension. Dies wiederum kommt vom 1978er MUD1, aus dem später über den Ableger AberMUD eine Engine für Adventure Soft entstand…
Stellt euch das Ganze wie eine Art textbasiertes Second Life vor, in dem ihr die Rolle eines Scheibenwelt-Bewohners übernehmt und mit anderen Spielern online interagiert. Das Online-Spiel hat sich mehrere Jahre immer weiter entwickelt und erlangte zumindest so große Bekanntheit, dass Pratchetts Anwälte darauf aufmerksam wurden. Doch nachdem ihnen klar wurde, dass das Projekt nicht-kommerziell von Fans betrieben wird, wurden die Unterlassungsschreiben zurückgezogen.
Wenn ihr möchtet, könnt ihr Discworld MUD sogar heute noch spielen. Eure Anlaufstelle dafür ist: http://discworld.starturtle.net/lpc/
Dies soll als kleine Randbemerkung erst einmal reichen, auf Seite 2 kommen wir nun endlich zum ersten Grafik-Adventure der Scheibenwelt.