Tutorial: Der 86box-Emulator

86Box ist ein komplexer PC-Emulator, mit dem ihr MS-DOS und Windows-Systeme der 80er und 90er auf moderner Hardware emulieren könnt. 

Einige von euch werden das Gefühl kennen: Da findet man alte Disketten oder CD-ROMs und möchte die Spiele oder Programme noch einmal ausprobieren. Alte DOS- und Windows-Programme laufen bekanntlich nicht mehr nativ auf den heutigen Rechnern. Da kommen Emulatoren gerade recht. Und hier haben sich in den letzten Jahrzehnten verschiedene Ansätze entwickelt. DosBox bzw. die neueren Derivate DosBox-X und DosBox Staging haben den Ansatz, das MS-DOS-Betriebssystem zu emulieren. Und während das für viele Spiele ausreicht, stößt man bei Windows oder diversen Programmen schnell an seine Grenzen. Bei der DosBox geht es – wie der Name schon sagt – in erster Linie um Spiele unter DOS. Was auch legitim ist.

Ende der 2000er Jahre wurde der Emulator PCem vorgestellt. Dessen Ansatz: Es soll nicht nur ein Betriebssystem emuliert werden, sondern eine ganze PC-Architektur, um größtmögliche Kompatibilität zu ermöglichen. In den letzten Jahren ist die Entwicklung etwas eingeschlafen und die ursprüngliche Entwicklerin Sarah Walker hat das Projekt 2021 aufgegeben. Im Jahr 2016 begann eine Gruppe von Entwicklern PCem zu forken, also auf ihre eigene Art weiterzuentwickeln, und so entstand der Emulator 86Box. Ziel des Emulators ist es, jeden gängigen PC aus den Jahren 1981 bis 1999 abzubilden und exakt zu emulieren. Wie bei PCem wird dies erreicht, indem die einzelnen Komponenten eines PCs emuliert werden: Chipsatz, Motherboard, Grafikkarte, Soundkarte und so weiter.

Dieser Ansatz garantiert eine viel breitere Kompatibilität von Spielen, Programmen und Betriebssystemen. In diesem Artikel möchte ich einen Überblick über diesen Emulator geben. Es ist ausdrücklich keine vollständige Anleitung. Aber ich hoffe, der Einblick ist gut genug, um Berührungsängste abzubauen. Denn tatsächlich lässt sich mit 86Box viel komfortabler arbeiten als mit DosBox.

Mit WinBox könnt ihr verschiedene Systemprofile verwalten.

Vorbereitungen

Bevor wir anfangen, müsst ihr natürlich das Programm selbst runterladen:
Am besten entpackt ihr alles in ein eigenes Verzeichnis, zum Beispiel D:\86box. Der Emulator ist das Hauptprogramm, mit dem ihr aber ohne das ROM-Set nichts anfangen könnt. Das ROM-Set enthält keine Spiele oder Betriebssysteme, sondern die Dateien, die die einzelnen Komponenten emulieren. Diese entpackt ihr in den Ordner D:\86box\roms. Und mit dem Manager könnt ihr verschiedene Konfigurationsprofile erstellen. Alternativ zum Manager kann auch WinBox for 86Box (https://github.com/86Box/WinBox-for-86Box) verwendet werden, das unter anderem eine schönere Oberfläche und automatische Updates für 86Box bietet. Anschließend solltet ihr im Manager die Settings aufrufen und die Pfade auf D:\86box stellen, so bleibt alles in diesem Ordner. Dasselbe gilt auch für WinBox.

Bevor wir auf der nächsten Seite anfangen, uns einen virtuellen PC zusammenzuklicken, noch ein paar Worte darüber, was 86Box nicht kann.

  • Aufgrund der komplexen Emulation gibt es keine Savestate Features wie in DosBox.
  • Aktuell gibt es keinen nativen Support für Xinput Controller. Da aber insbesondere zu DOS-Zeiten viele Spiele sowieso keinen nativen Controller-Support hatten, lohnt es sich generell eine Mapping Software wie beispielsweise Xpadder (https://xpadder.com) zu nutzen.
  • Auch erkennt 86Box keine physischen Laufwerke eures Host-Systems. Also DVD-Laufwerk oder Disketten-Laufwerk. Ihr müsst daher Images eurer Datenträger erstellen. 86Box unterstützt ISO- und CUE/BIN-Dateien für CD-ROM / DVD und IMG sowie IMA für Disketten. Um Disketten-Images zu erstellen, nutzt am besten WinImage (https://www.winimage.com/). Für CD/DVD-Images nutze ich persönlich PowerISO (https://www.poweriso.com).
“Callahan’s Crosstime Saloon” von Legend Entertainment unter MS-DOS.

Erstellen wir einen 486er mit MS-DOS

Für die Einführung in die Funktionsweise habe ich mich für einen 486er PC mit MS-DOS 6.22 entschieden. Zur Installation benötigt man natürlich die deutschen Disketten-Images von MS-DOS 6.22. Hier empfehle ich eine Google-Suche. Außerdem habe ich eine kleine Treibersammlung zusammengestellt, die ich persönlich für meine Builds verwende. Der Download befindet sich auf der ersten Seite.
Bevor wir den Emulator starten, müssen wir zunächst das PC-System zusammenstellen. Dazu geht ihr im Manager auf Add und gebt als Namen „486 System“ oder ähnliches ein. Nun ist das Profil erstellt. Klickt nun auf Configure. Danach erscheint das Settings-Fenster (siehe oben). Hier werden sämtliche Komponenten des virtuellen PC ausgesucht. Solltet ihr an dieser Stelle keine Einträge sehen, habt ihr die ROMs aus dem Set nicht richtig in den „roms“ Ordner entpackt. Gehen wir mal alles durch.
 
Settings-Fenster: Hier werden die Komponenten ausgewählt.

Machine
Hier werden CPU, Mainboard, Hersteller und Arbeitsspeicher ausgesucht. Die Bandbreite reicht vom 8088er aus dem Jahr 1981 bis zu Slot 2 aus dem Jahr 1998. Wir wählen für unser Beispiel den i486 (Socket 3). Dazu wählen wir den ASUS PVI-486SP3C. Als CPU nehmen wir den i486DX2 mit einer Taktfrequenz von 66Mhz. Als Arbeitsspeicher stellen wir 16MB ein. Das wäre für einen 486er damals schon High End gewesen – und deswegen macht es ja auch Spaß mit 86box zu arbeiten.

Display
Unter Video wählen wir die Grafikkarte. In diesem Fall eine S3 Vision 964 (Diamond Stealth64 VRAM). War damals eine sehr gute Karte für VGA und SVGA Spiele.

Input Devices
Hier wählen wir Microsoft Serial Mouse. Ab Windows 95 sollte man eine Standard PS/2 Mouse wählen, unter DOS funktioniert erstere jedoch besser. Wer einen Controller oder Joystick mit DInput Support hat, könnte an dieser Stelle auch Gamepad und Joystick konfigurieren.

Sound
Für unser System wählen wir SoundBlaster 16 und setzen ein Häkchen unter Use Float 32 Sound. Unter Configure könnt ihr IRQ und DMA Channels einstellen. Lassen wir so wie es ist. Bei Midi Out nehmen wir System Midi. Und ihr seht richtig: 86Box kommt mit Roland MT-32 Emulation! Was vor allem für LucasArts- und Sierra-Adventures interessant ist, da beide Firmen das Synthesizer Modul sehr umfangreich unterstützt haben. Wer also mag, der könnte dies hier ebenfalls einstellen (ein Häkchen bei Standalone MPU-401 nicht vergessen)!

Network
Hier könnte man eine Netzwerkkarte einstellen. Interessant für Leute, die mit alten Windows-Versionen ins Internet möchten.

Ports
Hier kann man externe Geräte auswählen. Disney Sound Source und Covox Speech Thing sind externe Audio Geräte aus den späten 80ern, welche die Soundqualität der Spiele jener Zeit stark verbessern. Ihr könntet aber auch einen Drucker (Generic ESC/P Dot-Matrix) auswählen. Dabei werden die gedruckten Sachen als PNG-Datei im „Printer“ Ordner ausgegeben.

Storage Controller
Hier wählen wir die Steuereinrichtung für die virtuelle Festplatte (HD Controller). In unserem Fall nehmen wir PC/AT IDE Controller. Den Eintrag unter FD (Floppy Disk) Controller belassen wir auf Internal Controller.

Hard Disk
Hier erstellen wir unsere virtuelle Festplatte. Wir klicken auf „New“ und geben der Datei den Namen „Festplatte“. Bei der Größe geben wir 509MB ein. Für Windows 95 könntet ihr bis zu 2GB eingeben, für Windows 98 auch noch mehr. PCs bis circa 1994 konnten größere Festplatten jedoch nur mit Zusatzprogramme erkennen (die wertvollen konventionellen Speicher fressen, dazu mehr auf der nächsten Seite).

Bei Image Format wählen wir Dynamic-size VHD, bei Channel 0:0. Ihr könntet unter Speed auch die Schreibgeschwindigkeit einstellen. Meiner Erfahrung nach gibt es keine Probleme, wenn ihr diesen Eintrag auf MAX lasst. Es sei an dieser Stelle aber darauf hingewiesen, dass diese Möglichkeit besteht.

Floppy & CD-ROM Drives
Hier könnt ihr bis zu jeweils vier Floppy Laufwerke und vier CD-ROM / DVD Laufwerke einbinden. Für die Floppy-Laufwerke kann man zwischen 5,25 Zoll- und 3,5 Zoll-Formaten wählen. Wir wählen das Standardformat: 3,5 Zoll mit 1,44MB. Für das CD-ROM wählen wir ATAPI und den Channel 0:1. Was die Geschwindigkeit betrifft, könnt ihr frei wählen. 16x reicht meiner Ansicht nach völlig aus. Wer natürlich die nostalgische Originalerfahrung aus dem Jahr 1994 haben möchte (inklusive Ladezeiten bei CD-ROM-Spielen), kann entsprechend niedriger gehen.

Other Removable Devices
Lange bevor SD-Karten als wechselbare Datenträger Standard wurden, gab es Magneto Optical Disks sowie ZIP Laufwerke. Ist für uns Otto-Normal-User eher uninteressant. Aber hübsch, dass diese exotischen Formate ebenfalls unterstützt werden.

Other Peripherals
Hier finden wir Module für Real Time Clock sowie ISA Speichererweiterungen. Das ist für uns jetzt nicht interessant. Für Leute die beispielsweise einen 286er emulieren wollen jedoch sehr wichtig, da bei den PCs der 80er Jahre das Speichermanagement etwas anders funktionierte als bei den PCs der 90er Jahre.

Das war es im Wesentlichen. Klickt auf OK und nun können wir die Emulation endlich starten.

“Die total verrückte Rallye” unter Windows 95.
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Über Nischenliebhaber

Ostdeutsches Videothekenkind der 90er Jahre. Liebt Spiele- und Retrokultur ebenso wie subkulturelle Musik aus aller Herren Länder und lange Spaziergänge durch dunkle Wälder des Erzgebirges.

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One Comment on “Tutorial: Der 86box-Emulator”

  1. Mit diesem Emulator muss ich mich dringend mal beschäftigen. Sieht kompliziert aus, aber die Ergebnisse scheinen ja für sich zu sprechen.

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