The Rise of the Golden Idol

Der Goldene Götze ist zurück! Kann der zweite Teil der Reihe dem Vorgänger das Wasser reichen? Das erfahrt ihr in diesem Artikel.

Als das Detektivspiel The Case of the Golden Idol vor zwei Jahren erschien, wusste ich zunächst nicht, was mich da erwartet – doch in kürzester Zeit konnte es mein Herz erobern. Später folgten zwei DLCs mit weiteren Fällen, die die Geschichte rund um das Golden Idol erweiterten. Kurz vor der Veröffentlichung des Nachfolgers wurde dem Original noch eine Generalüberholung mit neuem Benutzer-Interface, Hilfesystem und sogar einer deutschen Übersetzung gegönnt. Doch die Geschichte des Goldenen Götzen war noch lange nicht auserzählt! Vorhang auf für The Rise of the Golden Idol, das 200 Jahre nach den Ereignissen aus dem Vorgänger einsetzt.

Die wilden Siebziger

Während The Case of the Golden Idol noch im 18. Jahrhundert spielte, werdet ihr in The Rise of the Golden Idol in die 1970er Jahre versetzt. Dies ist durchaus an bestimmten Dingen wie der Kleidung der handelnden Personen oder dem damaligen technologischen Stand erkennbar, spielt aber im weiteren Spielverlauf nur eine eher ungeordnete Rolle. Der Fokus liegt natürlich wieder auf den seltsamen Geschehnissen, die durch das Streben nach der Macht des Golden Idol ausgelöst wurden. Wie schon im ersten Teil führt diese Machtbesessenheit häufig zu unvorhergesehenen Tragödien.

Die Geschichte wird in fünf Kapiteln erzählt, die jeweils einen Teilaspekt eines größeren Ganzen beleuchten und in sich noch weitere Abschnitte enthalten. Insgesamt dürft ihr euch durch 20 obskure Fälle knobeln, die wieder einmal äußerst geschickt miteinander verwoben wurden und zum Gesamtmysterium beitragen. Zum einen spielen die Kräfte des Goldenen Götzen eine große Rolle; aber auch die Menschen, die auf unterschiedliche Arten versuchen, diese Kräfte für ihre Zwecke auszunutzen, werden genau beleuchtet. Manche Personen nähern sich dem Thema wissenschaftlich, manche esoterisch und wiederum andere versuchen, möglichst viel Geld dabei herauszuschlagen.

Beim ersten Blick auf The Rise of the Golden Idol fällt im Vergleich zum Vorgänger zunächst die Abkehr vom Pixellook ins Auge. Der stimmungsvolle, hübsch-hässliche Stil bleibt aber auch bei den neuen, hochauflösenden Zeichnungen und Animationen erhalten. Die Musik fügt sich da wunderbar ein und verbreitet eine unterschwellige, bedrohliche Atmosphäre.

Mut zur Lücke

Die Grundidee des Vorgängers wurde beibehalten: Ihr seid ein stiller Beobachter von bestimmten Spielszenen, die in der Zeit eingefroren zu sein scheinen. Eure Aufgabe ist es, diese Szenen zu untersuchen, Stichworte zu sammeln, Schlussfolgerungen zu ziehen und Lückentexte auszufüllen. Bei näherer Betrachtung befinden sich im Nachfolger erfreulicherweise viele Detailverbesserungen, die euch das Knobeln noch angenehmer machen sollen. So musstet ihr beispielsweise im „Case“ noch jedes relevante Wort in gefundenen Texten einzeln anklicken; bei „Rise“ wandern beim Erkunden eines Hotspots automatisch alle relevanten Begriffe in euer „Phrasen-Inventar“. Die Schaltfläche, mit denen ihr im „Case“ zwischen „Exploring“ und „Thinking“ wechseln konntet, entfällt bei „Rise“. Stattdessen blendet ihr auf Wunsch die frei verschiebbaren Fenster mit den Phrasen und Lückentexten einfach auf dem gerade untersuchten Bildschirm ein, was euch eure Detektivarbeit noch einmal erleichtert.

Neu ist auch, dass ihr oft nicht nur die Namen der Personen sowie die Ereignisse nachvollziehen, sondern auch spezielle, nur auf die Szene passende Zuordnungen ausfüllen müsst. So bekommt ihr beispielsweise in einer Gefängnisszene die Aufgabe, mit Hilfe der gefundenen Hinweise die Häftlinge ihren Zellen zuzuordnen.

Das Spiel zeigt euch immer transparent an, ob eure Lösungen richtig oder falsch sind. Sollten nur noch ein oder zwei Stichpunkte falsch platziert sein, erhaltet ihr dazu ebenfalls einen Hinweis. So könnt ihr euch auch dann an die Lösung herantasten, wenn ihr das Gesamtbild noch nicht vollständig erfasst habt. Die gesammelten Phrasen sind farblich codiert und unterscheiden zwischen Namen, Objekten und Verben. Das hilft beim Ausfüllen der Lückentexte, wahlweise auf deutsch, englisch oder in einer der anderen zehn enthaltenen Sprachversionen. An einigen Stellen können anhand der Grammatik der jeweiligen Sprache bestimmte Phrasen für manche Lücken ausgeschlossen werden.

Sei im Jetzt

Nach dem Lösen eines Falls erhaltet ihr eine kurze Zusammenfassung, die letzte Unklarheiten beseitigen sollte und gibt euch dann die Möglichkeit, den nächsten Fall zu beginnen. Ihr befindet euch dann in einem Raum, der verschiedene Monitore anzeigt, auf denen sich die einzelnen Fälle des Kapitels, in dem ihr euch gerade befindet, abspielen. Ihr könnt auch zurück gehen und die schon gelösten Kapitel, die als Motiv einer Fernsehzeitschrift dargestellt werden, anwählen. Da es manchmal hilfreich sein kann, Hinweise aus früheren Fälle noch einmal zu betrachten, dürft ihr sogar sehr komfortabel per Auswahlmenü von einem Fall zu anderen springen, ohne dafür in die Kapitel- oder Missionsauswahl wechseln zu müssen.

Um ein Kapitel erfolgreich zu beenden, müsst ihr noch ein Abschlussrätsel lösen, das die darin enthaltenen Fälle miteinander verknüpft und dazu dient, wieder etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Es wird euch nicht überraschen, dass die Fälle mit zunehmender Spieldauer immer komplexer werden. Wie schon im Vorgänger gipfelt alles in einem fulminanten Abschlussrätsel, in dem alle Fäden wieder zusammenlaufen. Zum Glück werdet ihr mit eurer Aufgabe nicht komplett eingelassen. Das eingebaute dreistufige Hilfesystem steht euch jederzeit zur Verfügung, sowohl in den einzelnen Fällen als auch bei den Kapitel-Rätseln. Alles war ihr dazu tun müsst, ist „zu Atmen“ und „im Jetzt zu sein“. So sagt euch das Spiel, dass ihr vor dem Lesen der Lösungshilfen noch einmal in euch gehen und überlegen sollt, ob ihr das Problem nicht doch selbst lösen könnt.

The Rise of the Golden Idol schafft es erneut, eine ganz besondere Stimmung zu transportieren, die neugierig macht und motiviert, die Fälle zu lösen. Das geht am besten mit der Maus, aber auch an eine Controller-Steuerung wurde gedacht. Diese ist allerdings weit weniger intuitiv als die Point-and-Click-Variante.

Fazit

Meine hohen Erwartungen an The Rise of the Golden Idol wurden nicht enttäuscht. Color Gray Games haben glücklicherweise genau erkannt, welche Stärken ihren Indie-Hit aus dem Jahr 2022 ausgemacht haben und im Nachfolger die richtigen Stellschrauben gedreht, um ein noch besseres Spielerlebnis daraus zu generieren. Die Geschichte hat mich gefesselt und bis zum Schluss gut unterhalten. Je nach individueller Spielweise dürften euch gut und gerne 15 bis 20 Stunden Spielzeit erwarten. Ich habe es in Ruhe und mit Genuss gespielt und immer wieder kleinere Pausen eingelegt, vor allem zwischen den Fällen.

Wenn ihr diese Art von Spielen mögt und euch gerne einmal wieder mit Pfeife und Deerstalker-Hut in eurem Ohrensessel zurücklehnen möchtet, um knackige Fälle zu lösen, dann ist The Rise of the Golden Idol euer Spiel. Selbst wenn ihr kein Meisterdetektiv seid, solltet ihr einen Blick riskieren. Für mich ist „Rise“ das Detektivspiel des Jahres!

Ihr könnt The Rise of the Golden Idol ab sofort auf Steam und den jeweiligen Konsolen-Stores für unter 20 Euro erwerben. Als Netflix-Abonnent könnt ihr die Android- und iOS-Versionen ohne Zusatzkosten spielen.

Avatar-Foto

Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

Alle Beiträge anzeigen von TheLastToKnow

2 Comments on “The Rise of the Golden Idol”

  1. Hier lese ich eine wirklich gute Analyse zu einem Adventure,
    dass ich seit dem ersten Teil (samt DLCs) .. *lieben* gelernt habe.
    („Schätzen“ wäre zu wenig. Ich freue mich, darüber dass so etwas gemacht wird.)

    Bis auf „Obra Dinn“ und teilweise „Duck Detective“ gibt es hier –
    verwunderlicherweise – noch keine großen Mitstreiter bei den Entwicklern.

    Dabei erfreut (immer subjektiv hier, im Internetschnack) mich gerade
    das „belohnende“ Gefühl beim Lösen von (auch: Teil-) Rätseln.
    Kombiniert mit der – bin noch nicht so weit – bislang minimalistischen,
    doch auch in Kapitel 2 prima passenden Musik – bin ich erstmal einfach zufrieden bis happy.

    Es war für mich ein „Instant-Kauf“, da ich alle bisherigen „The Case of the golden idol“ teile
    ebenfalls liebe/schätzte – dass es nun per S***m wird, liegt (leider erneut) daran,
    dass andere Anbieter da nicht fixer agieren.

    DLCs sollen hier kommen – ich freue mich auf *alle*

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert