Der Beitrag „Spiele-Check: The Plague Doctor of Wippra – Deutsche Mittelalter-Mär“ erschien zuerst am 07.03.2024 auf GamersGlobal als User-Inhalt unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0 DE DEED.
Der Publisher Application Systems Heidelberg hat sich mittlerweile einen Namen in der Indie-Adventure-Szene gemacht und bereits Titel wie Lamplight City oder Unforeseen Incidents herausgebracht. In absehbarer Zeit kommen unter anderem noch der Lamplight-City-Nachfolger Rosewater und Prim dazu. Am letztgenannten Adventure ist auch Alexander Leps als Entwickler beteiligt, der nun unter dem Label Electrocosmos sein Solo-Projekt The Plague Doctor of Wippra veröffentlicht hat. Dabei handelt es sich um die Ausarbeitung seines Beitrags zum $105 Adventure Game Challenge Jam aus dem letzten Jahr.
Früher war alles besser?
In dieser grobpixeligen Geschichtsstunde dürft ihr in der Rolle des jungen Mediziners Oswald Keller in den Berufsalltag eines Pest-Arztes im mittelalterlichen Wippra (einer kleinen Ortschaft im Südharz) hineinschnuppern. Zunächst seid ihr nur mit eurem Medizinbuch und einer scharfen Klinge ausgestattet und macht einen Hausbesuch bei einer von der Pest gebeutelten Familie. Später sammelt ihr weitere Utensilien wie Blutegel, Heilkräuter oder Handbohrer, die euch bei der Behandlung eurer Patienten weiterhelfen sollen. Bei der Diagnose der Krankheiten könnt ihr entweder eurem eigenen Medizinverständnis vertrauen oder euch von eurem schlauen Buch helfen lassen. Spätestens wenn ihr uralte Methoden wie den berühmten Aderlass, bei dem Patienten eine größere Menge Blut abgezapft wird, anwenden müsst, seid ihr vermutlich genauso froh wie ich, zur heutigen Zeit zu leben.
Retro-Optik mit moderner Steuerung
Die Low-Res-Pixel-Grafik hat bei mir einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Die Hintergründe sind zwar im Breitbild-Format, durch das Inventar am unteren Bildschirmrand entstehen allerdings am Rand noch schwarze Balken. Positiv ausgedrückt trägt dies zur Retro-Optik bei. Der Stil mit den groben Pixeln und gesichtslosen Figuren erinnerte mich an The Last Door und das kommende The Phantom Fellows. Größtenteils gibt es in Szenen Überblenden statt richtiger Animationen, hier hätte ich mir etwas mehr Aufwand gewünscht. Auf der akustischen Seite hat das Spiel passende Hintergrundmusik zu bieten, die allerdings auch nicht immer durchgängig erklingt, sowie Soundeffekte wie Tiergeräusche oder Babygeschrei. Auf eine Sprachausgabe wurde komplett verzichtet, aber immerhin könnt ihr neben deutschen Texten aus noch fünf weiteren Sprachen wählen. Die Maus-Steuerung ist gelungen, da sie sich an moderne Konventionen hält. Mit einem Linksklick könnt ihr Laufen oder Dinge benutzen, mit einem Rechtsklick Dinge anschauen und per Doppelklick zum Ausgang des Raums teleportieren. Eine Hotspot-Anzeige ist ebenfalls vorhanden, diese müsst ihr allerdings über die Optionen einschalten. Eine Art Questlog fehlt vollständig und es gibt nur einen einzigen Spielstand-Speicherplatz.
Ein kurzes Vergnügen mit leichtem Wiederspielwert
Die zuletzt genannten Mängel fallen aber nicht besonders ins Gewicht, denn das Adventure ist sehr kurz. In ungefähr zwei Stunden Spielzeit werdet ihr vor so manche moralische Entscheidung gestellt. Verratet ihr dem Wächter, dass ihr soeben einen Pest-Patienten untersucht habt, damit er die Tür dem Gesetz entsprechend vernageln kann? Oder lasst ihr euch etwas einfallen, um der betroffenen Familie dieses Schicksal zu ersparen? Diese Entscheidungen, die auch Konsequenzen nach sich ziehen, sorgen für einen gewissen Wiederspielwert, auch wenn sich die grundlegende Geschichte dadurch nicht großartig ändert. Neben eurer medizinischen Tätigkeit müsst ihr euch außerdem auch noch mit abergläubischen Mobs und der Kirche auseinandersetzen und euch gut überlegen, mit wem ihr euch in diesen dunklen Zeiten anlegen möchtet. Der Ton des Spiels bleibt durchgehend ernst, unangebrachte Witze werdet ihr hier also nicht finden.
Interessantes Rätseldesign mit manchen Schwächen
Durch das Setting ergeben sich einige interessante Medizin-Rätsel, die ich so noch nicht in einem Adventure gesehen habe. Dabei startet es recht konventionell: Eine der ersten Aufgaben im Spiel ist die Herstellung einer Lampe, um genug Licht für die Untersuchung eines Patienten zu haben. Später mische ich Salben oder improvisiere Werkzeuge für die nötigen Behandlungen. Leider erschienen mir die Rätsel nicht immer logisch und ich hätte mir zumindest manchmal eine alternative Lösungsmöglichkeit gewünscht. So muss ich etwa eine gewisse Flüssigkeit unbedingt mit einem bestimmten Gegenstand verstreichen, und darf dafür nicht meinen Finger oder andere Dinge verwenden. Ebenso begegnete mir das „Runaway-Syndrom“, so dass ich manche Gegenstände erst dann mitnehmen konnte, wenn es meine Spielfigur für sinnvoll hielt. Insgesamt werden die eher leichten Rätsel geübte Adventure-Spieler nicht lange aufhalten, der Fokus liegt aber auch mehr auf der Geschichte.
Fazit
Ich gebe zu, dass ich mir etwas mehr von diesem Mittelalter-Abenteuer versprochen hatte. Die zwei Stunden Spielzeit waren mir persönlich zu kurz, allerdings wurde ich währenddessen gut unterhalten. Das Spiel erzeugt eine spannende Atmosphäre und erzählt eine unverbrauchte Geschichte. Da es sich an historischen Begebenheiten orientiert, könnt ihr als Nebeneffekt auch noch etwas über den Umgang mit der Pest im Mittelalter lernen. Leider ist das Rätsel-Design nicht ganz auf der Höhe, und auch die fehlenden Animationen fand ich etwas enttäuschend. Ihr könnt The Plague Doctor of Wippra ab sofort auf GOG oder Steam erwerben.
- Point-and-Click-Adventure mit Low-Res-Pixel-Grafik
- Einzelspieler
- Für Einsteiger bis Profis
- Preis: 9,99 Euro
- In einem Satz: Interessantes Mittelalter-Abenteuer mit Schwächen in der Präsentation und im Rätseldesign