Steve Whitton, Autor

Steve Whitton? Keine Sorge, mir sagte der Name auch nichts. Aber das schmale Werk des Autors ist dennoch einen Blick oder zwei wert.

Romane zu Computerspielen sind keine ganz neue Erfindung. Wobei es zuerst in die andere Richtung ging und viele Videospiele die literarischen Vorlagen auf die Bildschirme übertrugen. Die Vorteile lagen auf der Hand: Bei der früher vorherrschenden Speicherplatz-Knappheit konnte mit einer Buchvorlage viel Wissen vorausgesetzt werden oder auch mal als Beigabe in der Packung mitgeliefert werden. The Hobbit von Melbourne House ist so ein frühes Beispiel – oder auch Legend Entertainment war dafür bekannt, ihren Spielen Bücher beizulegen. Dort gab es auch den Fall, dass das Spiel Mission Critical 1996 durch einen Roman fortgesetzt wurde. Der umgekehrte Weg kam erst später in Mode, als Computerspiele den Massenmarkt erreichten und damit für weitere Merchandising-Produkte interessant wurden. Wer heute in einschlägige Verlags-Vorschauen blickt, wird von Romanen rund um seine Lieblings-Spiele-Welt fast überrollt.

Die Anfänge allerdings waren zart: Zu Beginn der 1990er Jahre brachte Nintendo mit der Reihe Worlds of Power acht Romane raus, die einzelne Spiele in den Mittelpunkt stellten und zusätzlich noch Daddel-Tipps am Ende der einzelnen Kapitel verrieten. Auf der Seite des Video Game Museums könnt ihr euch als Beispiel das Cover von Castlevania 2 anschauen. Ein Spezialfall ist noch der Roman zum Textadventure Die Kathedrale, den der Autor des Spiels, Harald Evers, selbst verfasste (und die Geschichte teilweise umschrieb). Eine Praxis, die auch Jane Jensen bei ihren Büchern zu den ersten beiden Gabriel Knight-Spielen verfolgte. Die frühesten mir bekannten Beispiele sind die Zork-Romane aus der Feder von Steve Meretzky, die ab 1983 erschienen und die gleichzeitig in die Kategorie Choose your own adventure fielen. Das Internet Archive bietet euch die Gelegenheit, zum Beispiel durch den schön illustrierten ersten Band, The Forces of Krill, zu blättern.

Doch trotz dieser Beispiele: Bis vor einigen Jahren waren Computerspiel-Bücher ein vergleichsweise seltenes Phänomen. Umso schöner war es für mich, einen Roman zu einer meiner Lieblings-Reihen zu finden: Leisure Suit Larry. Der dünne Band machte mich neugierig und bald fand ich heraus, dass das Werk des Autors Steve Whitton doch sehr beschränkt war. Einerseits natürlich schade, andererseits aber perfekt geeignet für einen Artikel.

Spielspaß-Messung früher

Die verrückten Abenteuer des Larry Laffer

Die Covergestaltung legt Wert auf Details.

1998 veröffentlichte Whitton bei Bastei Lübbe besagten Band zu Leisure Suit Larry. Das Buch ist eine humorvoll geschriebene Komplettlösung zu dem 1996 erschienenen Spiel Leisure Suit Larry – Yacht nach Liebe, das bis heute das Ende der klassischen, von Al Lowe entworfenen Reihe markiert. Die Kurzfassung: Nach einer enttäuschenden Liebesnacht macht Larry eine Kreuzfahrt, um auf andere Gedanken zu kommen. Captain Thygh, die auf dem Buchcover sehr präsent in Szene gesetzt wird, veranstaltet auf dem Schiff einen Wettbewerb, dessen Gewinner eine weitere Kreuzfahrtwoche in ihrer Kabine gewinnt. Klar, dass Larry gewinnen möchte – und ebenso klar, dass er die einzelnen Disziplinen niemals regulär für sich entscheiden könnte.

Die 255 Seiten lesen sich flott und erzählen die Geschichte des Spiels mit ein paar Ausschmückungen genau nach. Wer sich an Larrys Handlungen im Buch hält, sollte kein Problem damit haben, das Spiel zu lösen. Zwar erhält man als Autor für diese Art Geschichte keinen Literatur-Nobelpreis, aber der Klappentext lügt nicht, wenn er folgendes behauptet:

Steve Whitton hat zu einem besonders amüsanten und deftigen Larry-Laffer-Abenteuer einen kongenialen, witzsprühenden Roman geschrieben, der kein Auge trocken lässt.

Gekauft hatte ich mir das Buch, weil ich bei meiner Recherche rund um die Entstehungsgeschichte des Spiels irgendwo in den Weiten des Internets gelesen hatte, dass es im Anhang noch einen schönen Artikel über die Hintergründe des Spiels zu lesen gäbe. Und siehe da: Das stimmt. Dazu gibt es noch eine Zusammenfassung der bisherigen Larry-Teile (sowohl inhaltlich als auch technisch) und einen kurzen Artikel über Al Lowe und seinen Werdegang. Und dann natürlich die Danksagung, die Steve Whitton mit der Ortsangabe Hidden Place, Connecticut schließt. Hm.

“Ob das mit den abgefilmten Schauspielern eine so gute Idee ist?”

Phantasmagoria

Der Umschlag stellt schon klar, dass Phantasmagoria kein Ponyhof-Buch ist.

Im gleichen Jahr legte Whitton mit einer weiteren Sierra-Franchise nach, wechselte allerdings die Stimmung. Denn mit Phantasmagoria vertextete er ein Horror-Adventure aus der Feder von Roberta Williams.

Adrienne Delaney und Don Gordon haben sich einen Traum erfüllt: Sie ziehen in ihr neu erworbenes altes Herrenhaus ein. Das gute Stück stand die letzten 100 Jahre leer und während Adrienne ihr neues Heim erkundet, wird auch langsam klar, warum das der Fall war. Einer der Vorbesitzer, der Magier Zoltan Carnovash, scheint seine Tochter und im Laufe der Jahre diverse Ehefrauen umgebracht zu haben. Und die neue Hausherrin setzt versehentlich einen Dämon frei, der ihren Mann Don in Besitz nimmt. Aus einem liebevollen Partner wird Stück für Stück ein unberechenbarer Psychopath, der Adrienne jagt…

Das Spiel war damals Sierras Sprung ins Full Motion Video-Fach und hatte ein Budget von vier Millionen Dollar. Doch Aufwand und Kosten hatten sich gelohnt: Der Titel, der auf sieben CDs ausgeliefert wurde, galt bei der Ankündigung des Nachfolgers als das bestverkaufte Sierra-Spiel. Nach Phantasmagoria 2 – Labor des Grauens und The Beast within waren die Zeiten der abgefilmten Schauspieler in Sierra-eigenen Produktionen aber wieder vorbei.

Auch dieses Buch bietet neben der Nacherzählung der Geschichte wieder umfangreiches Zusatzmaterial. Das Interview mit Roberta Williams über die Entstehungsgeschichte des Spiels ist auch für heutige Verhältnisse noch ziemlich lang und bietet viele Informationen, die man 1998 anderweitig wohl nicht zu lesen bekam. Eine kurze Ludographie und noch ein kleiner Werkstattbericht runden das Buch ab, bei dem der Klappentext ein ganz klein wenig reißerisch meint: 

Der meisterhafte Erzähler fordert Sie heraus, den ultimativen interaktiven Alptraum zu erleben.

Der Zwerg bleibt mein Lieblings-Charakter bei Sacred

Sacred – Die Chroniken von Ancaria 1: Engelsblut

Ein Lebenszeichen nach acht langen Jahren Pause.

Nach dem Doppelschlag 1998 blieb es sieben Jahre lang still an der Whitton-Roman-Front, bis er sich wieder mit zwei Büchern in einem einzigen Jahr zurückmeldete. Auch dieses Mal schrieb er in einem neuen Genre und setzte die Fantasy-Welt des Diablo-Konkurrenten Sacred aus dem Hause Ascaron um.

Im Mittelpunkt steht die Halb-Vampirin Zara, die sich lange Zeit vor den Menschen versteckt hatte und nun Sehnsucht nach so etwas wie Gesellschaft hat. Hätte sie geahnt, dass direkt ihr erster Besuch in Hohenmut zu einem Kampf mit Wirtshausschlägern führen würde, wäre sie wohl weiter verborgen geblieben. Und hätte sie gewusst, dass sich ihr der Kartenbetrüger Falk anschließt und damit große Ereignisse ins Rollen kommen, dann hätte sie sich vermutlich eingemauert.

Engelsblut breitet eine große Fantasy-Welt vor uns aus, die sich allerdings nicht groß von anderen Welten unterscheidet. Das kann man dem Buch natürlich nicht ankreiden, da die Welt durch das Computerspiel bereits vorgegeben ist. Die erzählte Geschichte allerdings ist ebenfalls ein Sammelsurium an Versatzstücken, die geneigte Genre-Leser bereits ein paarmal irgendwo gelesen haben. Dazu kommen Begriffe wie Karma oder Samariter, die ich in einer solchen Umgebung nicht erwartet hätte. Aber: Das Buch macht einfach Spaß. Vielleicht war ich gerade auch nur in der richtigen Stimmung für genau diese Art von Roman – jedenfalls wurde ich bestens unterhalten.

Lustig übrigens, dass der Verlag auf seiner Webseite das bisherige Werk des Autors unterschlägt und Engelsblut folgendermaßen anpreist:

Dass die hintergründige Story des Spiels sich auch bestens für spannende Fantasy-Romane eignet, stellt Steve Whitton in seinem Erstlingswerk eindrucksvoll unter Beweis!

Sacred – Die Chroniken von Ancaria 2: Sternental

Engelsblut 1.2

Dieses zweite Buch setzt die Geschichte aus Engelsblut nahtlos fort. Kein Wunder, da Whitton hier das Schicksal Tolkiens ereilte: Das Buch war dem Verlag zu lang, weshalb er es geteilt auf den Markt warf.

Die Gruppe rund um Zara und Falk reisen über viele, viele Seiten zur Burg Sternental, um dort das Oberhaupt des Sakkara-Kults zu bekämpfen. Dass das nicht einfach so klappt, dürfte schon vorab klar sein. Ebenso, dass der Kult bereits tief in die Gesellschaft eingedrungen ist und Zara und Falk damit noch mehr in Bedrängnis bringt.

Seien wir ehrlich: Die beiden Sacred-Romane sind Fantasy-Standardkost. Weder die Geschichte noch die Ausarbeitung der Welt heben sie aus der Masse heraus. Manche Leser werden sich über Zitate aus Filmen und Büchern freuen (“Ist es nicht gerade die größte Stärke des Bösen? Uns glauben zu machen, dass es das Böse gar nicht gibt?”), andere werden davon genervt sein. Was bleibt, sind zwei solide geschriebene Romane, die gute Urlaubslektüre liefern.

Der Handlungsstrang der Chroniken von Ancaria war zwar abgeschlossen, aber das hielt den Verlag nicht davon ab, noch drei weitere Bände rauszubringen. Autoren der Bände sind Michael Peinkofer unter seinem Pseudonym Michael J. Parrish und die beiden abschließenden Bücher stammen von A. D. Portland, was aber vermutlich ebenfalls ein Pseudonym ist. Wie ich darauf komme? Nun…

Larry-Spiele sind bekannt für ihre geschmackvolle Inneneinrichtung

Where in the world is Steve Whitton?

Als feststand, dass ich über dieses schmale, aber vielfältige Werk einen Artikel schreiben möchte, wollte ich natürlich auch den Autoren vorstellen. Aber die Suche nach Steve Whitton lief immer wieder ins Leere. Zwar gibt es einen britischen Fußballspieler dieses Namens, aber in dessen Vita stand nichts, das auf eine zweite Karriere als Schriftsteller schließen lies. In den Büchern ist jeweils die Rede davon, dass sie von Andreas Kasprzak aus dem Englischen übersetzt wurden, aber ein Original-Verlag ist nie angegeben. In meiner Verzweiflung fragte ich versierte Schreiber-Kollegen, ob sie noch Recherche-Ideen hätten – und nur 20 Minuten später schrieb mir Vampiro, dass Steve Whitton schlicht das Pseudonym des deutschen Schriftstellers sei, dessen Namen ich schon ständig gelesen habe: Andreas Kasprzak. Dazu noch zwei Links mit weiteren Infos. Ich muss das nochmal betonen: 20 Minuten brauchte der Mann, um meine bisherigen Versuche zu überflügeln!

Von wegen “schmales Werk”

Mit dem richtigen Namen erschließt sich sofort ein Sammelsurium an unterschiedlichsten Büchern, die Andreas Kasprzak in den letzten Jahrzehnten geschrieben hat. Die Seiten Perrypedia hat eine erkleckliche Zahl an Büchern gesammelt, die er unter unterschiedlichen Namen herausgebracht hat. Allerdings endet die dortige Aufzählung im Jahre 2009. Darunter finden sich Sachbücher über Stephen King und die Serie Akte X, Hefte aus der Dark-Fantasy-Reihe Professor Zamorra oder unter weiblichem Pseudonym “Wenn die Geister zu dir sprechen”. In den letzten Jahren kam noch eine neue Kategorie hinzu: Kochbücher. So stammen aus seiner Feder “Das ultimative inoffizielle Kochbuch für Minecrafter” und “Das innofizielle Harry Potter Backbuch”. Letztes Jahr erschien auch noch ein Kochbuch für Fans der Serie Stranger Things.

Einen großen Teil seiner Zeit scheint Herr Kasprzak mittlerweile der Übersetzungs-Tätigkeit zu widmen. Auf der Seite des Random House Verlags sind seine dortigen Bücher aufgeführt. Wer Star Wars liest, liest scheinbar sicher Kasprzak-Übersetzungen. Wer sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild des Autors machen möchte, kann sich diesen kurzen Artikel des Westfalen-Blatts durchlesen, der auch noch auf zukünftige Projekte eingeht.

Ganz schön fesselnder Artikel (Phantasmagoria)

Interview

Andreas Kasprzak war so freundlich, in einem wahnsinnigen Tempo und noch dazu sehr ausführlich auf meine Fragen zu antworten. Herzlichen Dank an dieser Stelle!

Soweit ich Ihre Bibliographie vollständig gesehen habe, veröffentlichen Sie die meisten Ihrer Bücher unter Pseudonym. Wie entscheiden Sie, was unter welchem Namen veröffentlicht wird?

Früher, in den 1990er Jahren, als ich in diesem Business anfing, waren vor allem us-amerikanische Autoren populär (was nicht zuletzt daran lag, dass die deutschen Verlage deutschen Autoren nicht zutrauten, solide Verkaufszahlen zu generieren). Darum wollten die Verlage, dass man sich als deutscher Autor einen möglichst »internationalen« Namen gibt, den man allerdings meist frei auswählen konnte. Meine Pseudonyme waren eigentlich immer eine Hommage an Autoren oder Künstler, die ich besonders schätzte, z. B. Carter Jackson, mein Pseudonym bei den X-Akten, einer Bastei-Heftserie, das Chris Carter (dem Schöpfer von Akte X) und meinem Lieblingsregisseur Peter Jackson (Braindead, The Frighteners, Der Herr der Ringe) Tribut zollt. Meinen eigenen Namen verwende ich grundsätzlich nur für Übersetzungen bzw. wenn ich »hinter den Kulissen« tätig bin, da »Andreas Kasprzak« zugegebenermaßen nicht besonders verkaufsfördernd ist.

Wie entstehen bzw. entstanden Ihre Pseudonyme? Wann wählen Sie einen Männer-, wann einen Frauennamen?

Je nach Zielpublikum, jedenfalls bei Romanen. Ist das Publikum eher männlich, ist ein Männername sinnvoll. Sind die Leserinnen dagegen eher weiblich, kann ein feminines Pseudonym nicht schaden. Zumindest war das früher so. Heutzutage, denke ich, spielt das Geschlecht des Pseudonyms keine große Rolle mehr.

Die beiden Sierra-Bücher sind als Komplettlösung der Spiele in Romanform konzipiert. Wie kann ich mir das vorstellen: Bekamen Sie die schriftliche Lösung und haben ein wenig in die Spiele reingespielt, um die Stimmung einzufangen?

Ich war schon immer ein großer Fan von Computer- und Videospielen und hatte in den 1990er Jahren einen ausgezeichneten Draht zur Spielefirma Sierra (später Vivendi-Universal, heute Activision Blizzard). Außerdem habe ich seinerzeit für den Verlag Prima Games zahlreiche Lösungsbücher geschrieben. Ich war also voll in der Materie, und durch meine guten Kontakte zu Sierra (und hier speziell zum PR-Chef Leo Jackstädt) war es kein Problem, einen Deal für die Romanadaptionen zu bekommen, die wir bei Lübbe rausgebracht haben. Im Wesentlichen habe ich die Spiele dabei einfach von A bis Z durchgespielt und nur aufgeschrieben, was auf dem Monitor passierte.

Hatten Sie etwas mit dem Zusatzmaterial zu tun, das in den beiden Sierra-Büchern zu finden ist? Oder wurden die Interviews und Berichte extern hinzugefügt?

Nein, dieses Material konnte ich damals dank meiner guten Verbindungen zur Pressestelle von Sierra selbst erstellen.

Da sich Ihre Pseudonyme ja als Hommage an Künstler verstehen, habe ich versucht, mir Steve Whitton herzuleiten, bin aber daran gescheitert. Können Sie da Licht ins Dunkel bringen?

Nur zum Teil. Beim Vornamen Steve stand Stephen King Pate, den ich seinerzeit sehr bewunderte und der meine frühen Arbeiten stark beeinflusst hat. Woher ich das Whitton genommen habe, weiß ich dagegen ehrlicherweise gar nicht mehr. Aber ich bin sicher, es hatte irgendeinen konkreten Grund.

Die beiden Bücher sind ja vergleichsweise dünn. Können Sie mir sagen, wie lange Sie ungefähr an so einem Band schreiben? Und eventuell im Vergleich, wie lange Sie am ersten Sacred-Band gearbeitet haben?

Phantasmagoria und Larry sind jeweils in relativ schnittigen zwei, drei Wochen entstanden (inklusive diverser schlafloser Nächte, aber damals war ich ja auch noch jung …). Verglichen damit war der Sacred-Roman eine ziemlich schwere Geburt, einfach, weil ich zum Zeitpunkt der Entstehung literarisch schon um einiges weiter war und meine eigene Sacred-Geschichte erzählen wollte, statt die Story des Spiels wiederzukäuen. (Womit ich quasi das vorweggenommen habe, was inzwischen seit zwei Jahrzehnten Standard ist.) Alles in allem, würde ich sagen, habe ich ca. 3-4 Monate an dem Buch gearbeitet.

Die beiden Sacred-Romane erzählen eine eigenständige Geschichte innerhalb der Spielwelt. Hatten Sie eine Art Serienbibel, um größere Ungereimtheiten zu verhindern?

Nein, eine Spiele-Bibel gab es nicht. Aber ich kannte das Spiel in- und auswendig und habe damals schon mit dem Entwicklerstudio Ascaron an Scared 2 und der dazugehörigen Erweiterung gearbeitet. Von daher war ich mit der Materie bestens vertraut. Nicht zuletzt deshalb wussten die Entwickler, dass das Franchise bei mir in guten Händen ist, und ließen mich im Wesentlichen machen, was ich will.

Nach Ihren beiden Romanen gab es weitere Sacred-Bücher, die nicht auf Ihrer Geschichte aufbauen. War von Anfang an klar, dass Sie „nur“ die beiden Bücher liefern?

Eigentlich sind die beiden Bücher ein einziger dicker Roman, der jedoch vom Verlag aufgrund seiner Länge zweigeteilt wurde. Im Übrigen war generell nur dieser eine Roman geplant, jedenfalls von mir.

Unter der Pseudonym entstand auch ein Lösungsbuch zu Half Life im Sybex Verlag. Wie kam es dazu? Sie haben unter anderen Pseudonymen ja schon Sachbücher geschrieben, aber eine Komplettlösung zu erarbeiten, war vermutlich eine ganz eigene Erfahrung. Schön ist hier der Klappentext: “Er hatte von Anfang an Zugang zu den geheimen Tricks der Programmierer. Er spielt Half-Life von der ersten Beta an und kennt das Spiel wie kein anderer.” War das wirklich so?

Ja, das war tatsächlich so. Wie schon erwähnt: Ich hatte seinerzeit einen guten Draht zu Sierra, die Half-Life damals rausbrachten. Außerdem wurden damals noch Testversionen und Betas »nach außen« gegeben, was heute praktisch undenkbar ist. Man darf nicht vergessen: Wir sprechen hier von einer Zeit vor dem Internet, wie wir es heute kennen, als die Studios noch keine Angst vor Leaks hatten. Ich bekam praktisch alle neuen Spiele mehrere Monate vor Release nach Hause geschickt, darunter auch Half-Life, das ich damals sehr intensiv gespielt habe und absolut großartig fand (und nach wie vor finde). Und ja, eigenständig eine Komplettlösung zu erarbeiten, ist eine ziemlich aufwändige Angelegenheit. Half-Life war da mit seiner stringenten Struktur kein großes Problem. Strategiespiele dagegen waren eine ganz andere Nummer. Allerdings muss man anmerken, dass die Spiele damals nicht annähernd so komplex waren wie heute. Machen wir heute Lösungsbücher zu Titeln wie The Witcher oder Cyberpunk 2077, haben die problemlos 500 Seiten. Das war damals deutlich einfacher, jedenfalls für mich als Autor.

Gab es nach den vier Computerspiel-Romanen keine weiteren Angebote in diese Richtung mehr oder fühlten Sie sich dem Genre nicht so verbunden?

Doch, solche Angebote gab es durchaus, aber ich hatte mich als Autor weiterentwickelt und wollte lieber meine eigenen Geschichten erzählen als mich in den Welten anderer Kreativer zu bewegen.

Ich habe in einem Artikel des Westfalen-Blatts gelesen, dass Sie an einer Fantasy-Trilogie namens “Asche und Blut” arbeiten. Gibt es da schon einen Erscheinungstermin?

Diese Trilogie ist bei Blanvalet nach wie vor in Arbeit, jedoch so umfangreich, dass wir es inzwischen aufgegeben haben, über einen konkreten Releasetermin zu sprechen. Letztlich verhält es sich hier so wie in der Spieleentwicklung: »When it´s done.«

Wie gehen Sie mit Kritiken zu unter Pseudonym geschriebenen Büchern um? Treffen schlechte Besprechungen hier weniger als bei “eigenen” Büchern?

Ehrlicherweise habe ich es schon vor langer Zeit aufgegeben, Kritiken zu meinen Sachen zu lesen. Grundsätzlich würde mich zutreffende Kritik aber in beiden Fällen beschäftigen, denn nur, weil ich mich hinter einem Pseudonym »verstecke«, bedeutet ja nicht, dass ein Buch weniger Herzblut enthält als eins, auf dem mein richtiger Name steht. Zumal das mit Kritiken immer so eine Sache ist. Seinerzeit erschien zu irgendeinem der Spieleromane eine Besprechung, in der stand, dass das »englische Original« des Buchs ja viel besser wäre als die deutsche Version – es gab dieses »Original« aber überhaupt nicht. Wir hatten bloß im Impressum geschrieben, das Ganze sei eine Übersetzung aus dem Englischen, um den Roman noch weiter zu »amerikanisieren«.

That’s all Folks!

(Dieser Artikel erschien zuerst am 23. Juli 2023 auf GamersGlobal)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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