Spiele von Legend Entertainment #7: Shannara

Sierra-Designer treffen auf Legend Entertainment. A match made in heaven? Nun, wir werden sehen…

Legend Entertainment war von Anfang an ein relativ kleines Studio. Zu Beginn gab es mit Bob Bates und Steve Meretzky gerade einmal zwei erfahrene Designer, die das Portfolio bestückten. Mit Frederik Pohl’s Gateway füllten Michael Verdu, Glen Dahlgren und Michael Lindner per Sprung ins kalte Wasser ebenfalls  diese Rolle aus und wurden im Laufe der nächsten Jahre zu Säulen der Legend-Entwicklung. Bis auf wenige Ausnahmen prägten diese fünf Persönlichkeiten die Produktpalette des Unternehmens bis zum vorletzten Spiel 2003.

Die erste dieser Ausnahmen erschien 1995 und war (Überraschung!) die Adventure-Umsetzung einer Fantasy-Reihe. Bates war mit seinem Edutainment-Programm Quandaries für die amerikanische Regierung beschäftigt, Meretzky hatte nach Jahren der HomeOffice-Arbeit wieder Lust auf ein eigenes richtiges Studio und der Rest der Designer-Crew war bereits mit unterschiedlichen Projekten beschäftigt. Ein Glück für Legend, dass zu diesem Zeitpunkt ein langjähriges Designer-Ehepaar nach 17 Spielen, an denen sie bei Sierra Online in den unterschiedlichsten Positionen mitgewirkt hatten, in schwierige Fahrwasser geriet. Auftritt Lori Ann Cole und Corey Cole.

Working in a Cole-mine

Die beiden hatten ihren Einstand als Spiele-Designer mit Quest for Glory – So you want to be a hero, einem Adventure mit starken Rollenspiel-Elementen. Neben einigen Fortsetzungen dieses Titels waren die Coles auch federführend an Mixed-up Fairy Tales oder an Castle of Dr. Brain beteiligt. Außerdem “durfte” Lori ihre Stimme in King’s Quest 5 – Absense makes the Heart go yonder! Königin Isabella leihen. Sie waren also ein fester Bestandteil der Sierra-Erfolgsgeschichte. 1992 schloss Ken Williams dann mit dem Entwickler-Paar einen Vertrag über drei Spiele ab. In einem Video-Interview mit Matt Barton erzählten die Coles, dass Quest for Glory 4 – Shadows of Darkness, dessen Entwicklung teilweise sehr gehetzt ablief, der erste Titel dieser Vereinbarung war. 

Als nun Quest for Glory 5 in die Design-Phase eintrat, sollte das Budget im Vergleich zum Vorgänger um 20 Prozent gekürzt werden. Das lag nicht speziell an diesem Spiel: Sierras neuer Finanzchef Michael Brochu setzte zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich die Schere an und machte laut Corey Cole keine Ausnahmen. Nun waren ihre Produktionen im Vergleich schon immer recht günstig. Corey schätzt, dass sie ungefähr 30 Prozent billiger waren als andere Sierra-Spiele – und Quest for Glory 4 machte mit seinen 750.000 Dollar Produktionskosten da keine Ausnahme. Einen gleichwertigen Nachfolger für gerade einmal 600.000 Dollar konnten sie sich aber nicht vorstellen. Ken Williams kippte also den Drei-Spiele-Vertrag – und die Coles standen auf der Straße.

Einige Jahre zuvor hatten sie auf der GDC Bob Bates kennen gelernt. Und da sie von Anfang an auf einer Wellenlänge zu senden schienen, war ein Spiel für Legend Entertainment eine logische Wahl. Umgekehrt dürfte Legend sehr froh gewesen sein, erfahrene Designer gefunden zu haben, die ihre Reihen verstärkten. Bob bat die Coles also, ihm zehn Ideen für das nächste Projekt zu geben – die er dann durch die Bank höflich ablehnte, weil Legend bereits ein Team suchte, das die Umsetzung der Fantasy-Buchreihe Shannara stemmen könnte. Kurz zuvor hatte sich Random House, der größte amerikanische Verlag, bei Legend eingekauft und bestärkte die Spieleschmiede, weiter an Buch-Umsetzungen zu arbeiten. Die Coles waren übrigens nicht besonders überrascht, dass ihre Ideen abgelehnt wurden. Dieses Procedere ist ihrer Aussage nach in der Branche gang und gäbe.

Wie begeistert Corey und Lori Ann von der Buch-Vorlage waren, ließen sie The Digital Antiquarian wissen:

Sowohl Lori als auch ich hatten Das Schwert von Shannara (den ersten Band der Reihe) im College gelesen, und wir waren nicht beeindruckt. Wir hielten es für eine offensichtliche Herr der Ringe-Kopie… Wir entschieden uns jedoch, offen zu bleiben und das Buch noch einmal zu lesen. Meine revidierte Meinung war, dass das erste Drittel des Buches eine offensichtliche Kopie war, aber danach betrat das Buch Neuland und wurde zu einem eigenständigen Werk. Vermutlich dachte Brooks als angehender Schriftsteller, dass der beste Weg, ein so erfolgreiches Buch wie “Der Herr der Ringe” zu erschaffen, darin bestand, mehr oder weniger dasselbe Buch erneut zu schreiben. Aber im Laufe der Zeit entwickelte er seine eigene Autorenstimme und wurde ein viel stärkerer Schriftsteller.

Die Lücke im Lebenslauf

Das Spiel setzt sich in die Lücke zwischen den ersten beiden Romanen der Reihe namens “Das Schwert von Shannara” und “Die Elfensteine von Shannara”. Die Hauptfigur im zweiten Roman ist der Enkel des Helden des ersten Bands – und die dadurch entstandene Generationen-Lücke lässt sich doch hervorragend füllen, ohne mit zu vielen Geschehnissen der Romane zu kollidieren. Die Coles studierten die beiden Bände intensiv, entwickelten ihre Geschichte und ließen sich diese von Terry Brooks absegnen. Terry selbst erinnert sich nicht daran. Er sagte im Interview mit Lightspeed Magazine:

Die Sache ist die, dass ich mich früher ausschließlich auf Bücher konzentrierte, weil ich ein großer Buchliebhaber bin. Also widmete ich mich dem Buchmaterial und bei allem anderen sagte ich einfach zu meinem Agenten oder meinem Lektor: “Mach, was du denkst. Du kümmerst dich darum. Erzähl mir nichts davon”, und dann entschieden sie. Das zeigt dir wahrscheinlich, wie naiv ich bin, aber es war mir einfach egal, und ich interessiere mich immer noch nicht für viel außerhalb der Bücher…

Aber wer auch immer die Story des Spiels freigegeben hat: Die Coles hatten von Hause aus eine weitere Schwierigkeit, wie sie im Interview mit Adventuregameclassic erzählten:

Terrys Serie war sehr ernst und so mussten wir auf unsere üblichen Wortspiele und humorvollen Charaktere verzichten. Bei der Entwicklung der Rätsel haben wir direkt mit Bob Bates zusammengearbeitet, der selbst eine beeindruckende Liste an Adventures designt hat. Dadurch fühlt sich das Spiel ganz anders an als die Glory-Serie.

Das Cover ist jedenfalls auffällig (Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum)

FAR away

Die Coles stellten ein eigenes externes Team zusammen, in dem sich einige andere ehemalige Sierra-Angestellte sammelten. Sie nannten es FAR Productions (benannt nach ihrem Haus “Flying Aardvark Ranch”) und legten los. Ihnen zur Seite standen noch einige andere ehemalige Sierra-Angestellte rund um Entwickler Bob Heitman, dessen Ludographie 1983 mit Troll’s Tale begann und der Sierra nach Conquests of the Longbow – The Legend of Robin Hood verlassen hatte. Heitman hatte nach einem kurzen Zwischenspiel mit der Firma Tsunami Media ein neues Unternehmen namens Triton Interactive gegründet, mit dem er nun an Shannara arbeiten wollte. Doch ganz rund lief die Entwicklung nicht. Ein Grund dafür dürfte in der räumlichen Entfernung zu finden sein. Die Coles und Triton Interactive waren an der Westküste beheimatet, Legend Entertainment lag auf der anderen Seite des Kontinents in Virginia. Eine richtige Zusammenarbeit war damit natürlich schwierig. Bob Bates sagte der PC Joker 1995:

… sie leben ja in Kalifornien und damit am anderen Ende des Kontinents. Auf jeden Fall gehen sie mit viel Liebe zum Detail ans Gamedesign heran, und was sie bisher geliefert haben, gefällt mir sehr.

Dennoch gab es einige Abstimmungsprobleme. Bates und Legend Entertainment kamen von den Textadventures, die Coles aus der Grafikadventure-Entwicklung. Bates liebte es, den Spieler für etwas abseitigere Eingaben und Versuche mit einem interessanten Text zu belohnen, Lori Ann Cole hielt dies für Zeitverschwendung, die die Spieler sogar eher von den wirklich wichtiges Dingen ablenken würde. In dem Artikel über das Spiel, der auf The Digital Antiquarian veröffentlicht wurde, lässt sich das Drama in mehreren Akten sehr gut nachvollziehen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kommunikations-Schwierigkeiten und Zeitdruck eine ungute Gemenge-Lage bildeten. Dass daraus ein Spiel entstand, mit dem vermutlich keiner der Beteiligten richtig glücklich ist, das aber trotzdem Spaß macht und in einigen Bereichen hervorragend ist, ist wohl ein Wunder.

Shella wird unser erstes Gruppen-Mitglied

Das Schwert von Shannara Teil 2

Das Spiel beginnt mit einem vergleichsweise langen Render-Intro, das für heutige Augen ziemlich veraltet aussieht. Besonders viel kann ein Spieler ohne Kenntnis der Vorlage daraus auch nicht erfahren: Ein böser Geist wird beschworen, ein Schwert namens Shannara wird zerstört und eine Person ist ganz offensichtlich ein Gestaltwandler. Der Boden für ein großes Abenteuer ist bereitet – und ich habe trotzdem keine Ahnung, was unseren Helden erwartet.

Dieser Held, Jak Ohmsford, sitzt nach einem Streit mit seinem Vater am Ufer eines Bachs und brütet vor sich hin. Plötzlich greift ihn ein Monster an, gegen das er keine Chance hätte. Doch glücklicherweise kommt ihm ein mysteriöser Fremder namens Allanon zu Hilfe, ein alter Weggefährte seines Vaters Sheas (der Hauptfigur der ersten Romane). Er warnt uns, dass unser Heimatort Shady Vale bald von Monstern überrannt werden wird. Er selbst möchte unseren Vater warnen, während er Jak nach Osten in das Königreich Leah schickt, um den dortigen Herrscher zu alarmieren. Laut Allanon wird sich der Angriff nach Shady Vale dorthin verlagern und die Verteidungsanlagen müssen bereit sein. Der Geist des ehemaligen Druiden und jetzigen Dämonenlords Brona manifestiert sich wieder und niemand ist mehr sicher. Vor allem nicht unser Vater, der ihn damals besiegt hatte.

In diesem kurzen Abschnitt lernen wir bereits verschiedene Spielmechaniken kennen. Zum einen ist Shannara ein weiteres klassisches Legend-Adventure mit Grafiken, Inventar und Kompass-Rose. Dort findet die Story statt, dort lösen wir Rätsel, dort können wir die Dialoge genießen.

Kämpfen oder Weglaufen?

Der Kampfbildschirm

Da wir uns in einem Spiel der Coles befinden, gibt es auch (ähnlich wie bei Superhero League of Hoboken) einen eigenständigen Kampfbildschirm. Sind schon bei dem Superhelden-Spiel die beiden Teile des Spiels fast vollständig unabhängig voneinander, so treibt das Shannara auf die Spitze: Nicht nur ist der Kampfbildschirm völlig unabhängig, auch der Grafikstil wechselt. Erstrahlt das Abenteuer-Spiel in zeitlosen Pixeln, so sind die Kampf-Gegner in gerendertem 3D dargestellt. Diese Entscheidung kann ich aus heutiger Sicht nicht nachvollziehen. Damals war es wahrscheinlich der Versuch, den technischen Anschluss nicht zu verlieren. Aber das bedeutet leider, dass die Kampf-Optik heutzutage wirklich nicht mehr gut aussieht. Zum Einen ist das Fenster recht klein (kann natürlich bei dieser Grafik auch eine Gnade sein), zum anderen sehen die Gegner hier auch völlig anders aus als in der “Haupt”-Grafik. Zum Beispiel ist der Herr rechts im Kampf-Bild auch in einem der anderen Bilder dieses Artikels zu sehen. Ihr könnt ja raten, wer das sein soll.

Überhaupt dürfte Shannara das einzige Spiel sein, das in seinem Handbuch zwar lang und breit alle Finessen des Kampfs erklärt, dann aber empfiehlt, genau diesen Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen. Die dortige Begründung, dass die  Kämpfe sehr schwer sind, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Denn leider machen sie auch schlicht keinen Spaß. Die grundsätzlichen Aktionen Angriff, Rückzug und Verteidigung werden noch ergänzt durch die Möglichkeit, euren Teammitgliedern Anweisungen zu geben. Ich habe aber außer “Greift den schwächsten Gegner an” keine sinnvolle Verwendung dafür gefunden. Corey Cole selbst begründet den Schwierigkeitsgrad der Kämpfe und damit verbunden den Ausweich-Zickzack-Kurs auf der Karte im Interview mit The Digital Antiquarian übrigens so:

Die feindlichen Streitkräfte sind riesig und unsere hoffentlich realistischen Charaktere sind keine Superhelden. Ihr Ziel ist es, die Karte zu durchqueren und dabei so wenig wie möglich zu kämpfen. Kämpfen sie, ist das riskant und zehrt an den Kräften der Gruppe. Denk an die Hobbits gegen die Ringgeister auf der Wetterspitze: Sie hatten keine Chance. In dieser Situation sind Jak und Shella gegen die Streitkräfte von Brona. Der “Sieg” besteht darin, mit ihrem Leben davonzukommen.

Um noch eine weitere Ebene ins Spiel zu bringen, reist Jak zwischen den einzelnen Orten auf einer Landkarte, über die ihn der Spieler bewegt. Besonders viel gibt es dort aber nicht zu entdecken – außer Monster und damit Kämpfe, die wir aber ja vermeiden sollen. Immerhin entdecken wir die Gegner bereits frühzeitig und können sie umgehen. Genau das machen Jak und seine Gefährten auch mit Gebirgen oder Flüssen, bis sie am Ziel ihrer Reise ankommen. Klingt aufregend? Dann habe ich das falsch beschrieben. Die Karte sieht weder sehr ansprechend aus noch bietet sie spannende Entscheidungsmöglichkeiten. Es wirkt so, als sei sie nur im Spiel, um ein weiteres Feature bewerben zu können.

Auf Schusters Rappen Richtung Abenteuer

Nach Osten – stets nach Osten

Nach seinem ersten Kampf bewegt sich Jak also auf dieser Karte Richtung Osten. Dort trifft er auf Shella, die Tochter von Menion Leah. Jak kennt sie noch von früher, allerdings ist aus dem Mädchen mittlerweile eine Frau geworden. Sie steckt buchstäblich in der Klemme, da sie unter einem Baum eingeklemmt ist. Ein bisschen Adventure-Logik später ist sie frei und rettet uns im Gegenzug direkt, indem sie hübsch animiert (wenn auch mit wenigen Bild-Phasen) hinter uns ein Monster erschießt. Sie verspricht, uns sicher zu ihrem Vater zu bringen. Mit ihren Scout-Fähigkeiten sei das kein Problem. Warum sie dann unter einem Baum begraben lag, fragen wir sie lieber nicht. Auf der Landkarte ist sie aber tatsächlich nützlich, weil sie Monster entdeckt, die wir dann umgehen können.

Über besagte Landkarte kommen Jak und Shella zum ersten größeren Adventure-Gebiet, der Stadt Leah. Die Wache, die wir dort treffen, hat schlechte Nachrichten für uns: Shellas Vater ist schwer erkrankt. Schnell stellen wir fest, dass der gute Mann vergiftet wurde. Ein Glück, dass es vor Ort einen kräuterkundigen Mann gibt, der das Gegenmittel brauen kann. Ein Pech, dass nicht alle Zutaten vorhanden sind. Mit ein wenig Rätselei haben wir aber bald alles zusammen und retten Shellas Vater das Leben. Jak, Shella und (wie aus dem Nichts) Allanon versammeln sich um sein Bett, Jak wird von Allanon weiter geschickt, Shella geht gegen den Willen ihres Vaters mit und am Ende dieses Abschnitts stellen wir noch den Giftmischer, der sich als der Gestaltwandler aus dem Vorspann entpuppt – was natürlich in einen dieser grauenhaften Kämpfe mündet.

Stärken und Schwächen

Nach diesem Prinzip arbeitet dann der Rest des Spiels: Über die Landkarte erreicht unsere Truppe den nächsten Schauplatz, dort tummeln sich auf wenigen Bildschirmen eine Vielzahl an Rätseln und Gesprächen, eine Person in jedem Abschnitt entpuppt sich als der Gestaltwandler, Allanon taucht auf und gibt uns den nächsten Reisepunkt vor und ab geht es wieder auf die Landkarte. Da wir ja immer Anweisungen bekommen, wohin wir uns als nächstes wenden sollen (und die Karte bis auf die Story-Punkte auch keine Überraschungen bietet), sind diese Wege zu nichts gut. Klar könnte sich unsere Gruppe auch in Kämpfe gegen Monster stürzen, aber da dies keinerlei spielerischen Nutzen und im schlimmsten Fall den Tod eines Party-Mitglieds zur Folge hat, umgehen wir die einzige Abwechslung auf der Karte weiträumig. Dieses Spielelement ist einfach nicht zu Ende gedacht.

Ganz im Gegensatz zur Geschichte. Denn die Figuren wachsen einem im Laufe der Zeit ans Herz. Wir treffen auch andere Völker wie Zwerge und Trolle, bekämpfen Rassismus und durchkreuzen hoffentlich Bronas Pläne. Nicht ohne gewisse Schwierigkeiten und schwerwiegende Entscheidungen, die uns in einer schönen Sequenz kurz vor Ende noch einmal genüsslich aufs Brot geschmiert werden. Da es sich bei Shannara aber um ein ziemlich geradliniges Spiel ohne verzweigte Handlungsbäume handelt, blieb Jak beziehungsweise uns normalerweise auch nichts anderes übrig, als so zu handeln. Am besten sieht der Spieler das Abenteuer also als spielbares Buch, bei dem er die Hindernisse aus dem Weg räumen muss. Freiheiten wie bei Planescape Torment gibt es hier leider nicht – aber die erwartet normalerweise auch kein Adventure-Spieler. Und spätestens an einer dramatischen Stelle, die ich auf gar keinen Fall vorab verraten möchte, hat jeder Spieler einen Kloß im Hals. Die Wahl zwischen Pest und Cholera dürfte hier niemandem leicht gefallen sein.

Geist auf Wein – das lass sein

Animationen

Shannara erschien wie auch die letzten Legend-Spiele in einer Disketten-Fassung und später auf CD-Rom. Die auffälligste Änderung ist natürlich die hervorragend gelungene Sprachausgabe, aber auch in den einzelnen Bildern gab es nun ein paar Animationen und zusätzliche Render-Sequenzen, die teilweise aber unglaublich statisch sind.

Das Cover-Motiv für das Spiel zauberte Boris Vallejo auf die Box. Der Mann ist auch heute noch aktiv und auf seiner Seite könnt ihr euch einen wunderbaren Überblick über sein Schaffen verschaffen. Wer möchte, kann sich dort auch handsignierte Drucke einzelner Bilder kaufen – zum Beispiel gibt es ein wunderbar kitschiges Bild von Buffy und Angel zu bestaunen. Oder Her Happiness, das eine fast nackte Frau auf einem Tiger mit Schmetterlingsflügeln zeigt. Oder oder oder… Bekannt sind auch seine Filmplakate zu Titeln wie Wir sind die Grisworlds und seine Star Wars-Varianten.

In der Packung enthalten war der erste Band der Shannara-Reihe. Einerseits bekommt der Spieler auf diese Weise sehr viel Vorgeschichte präsentiert, andererseits dürfte Random House mit den angefütterten Fans ein paar Buch-Verkäufe generiert haben. Immerhin soll Shannara 100.000 Exemplare verkauft haben – für Legend-Verhältnisse geradezu ein Hit.

Kasse Drei Storno bitte! – Die gelungene deutsche Version (okay, mit Schreibfehler)

Man spricht deutsch

Shannara ist nicht nur wegen der Coles ein einmaliger Eintrag in den Legend-Katalog. Es ist auch neben John Saul’s Blackstone Chronicles das einzige Adventure, das eine deutsche Version spendiert bekommen hat. Warum dies nicht bereits bei den ja ebenfalls bekannten Fantasy-Romanen der Death Gate-Reihe geschah? Gute Frage. Sowohl diese Bücher als auch Anthonys Xanth-Romane sollten ähnlich bekannt gewesen sein, um eine Übersetzung zu rechtfertigen. Wie dem auch sei: Nur Shannara gibt es auch auf deutsch.

Wenn man Bob Bates’ Äußerung aus einem Interview in der PC Joker 7/8 1995 wörtlich nimmt, waren eventuell auch weitere Spiele für diese Behandlung angedacht:

Grundsätzlich bleiben wir bei der durchdachten Maussteuerung nebst SVGA-Grafik und Sprachausgabe, auch wenn natürlich immer weiter am Spielkomfort gefeilt wird. So sollen demnächst für den deutschen Markt perfekt übersetzte Versionen erscheinen, wobei wir gerade hier wissen, was wir unserem guten Ruf schuldig sind – wer aus der Tradition von Parser-Adventures kommt, wird sich auch in anderen Sprachen nur mit korrekten Satzstrukturen zufriedengeben!

(Foto: Christian Beuster)

Ich kann ihm da nur recht geben und zu der wirklich gelungenen Übersetzung gratulieren. Ob allerdings “Schady Vale” eine gute Übersetzung für “Shady Vale” ist, überlasse ich dem Urteil jedes einzelnen Spielers. Und dass der Legend-typische “Undo”-Knopf nun mit “Storno” betitelt ist, ist zumindest Gewöhnungssache. Aber nicht nur die Texte wurden übersetzt. Nein, auch die Sprachausgabe wurde neu aufgenommen und mit erstklassigen Sprechern besetzt. Wie stolz Legend Entertainment (oder zumindest der deutsche Vertrieb) auf diese Version war, seht ihr auf dem Werbeplakat rechts. In dieser überladenen Anzeige, die ausgerechnet die 3D-Sequenzen und die Animationen lobt, werden auch die Synchronstimmen von Sean Connery (Gerd Günther Hoffmann) und Robert Redford (Rolf Schult) herausgehoben. Ja, das sind die bekanntesten Stimmen in der Vertonung – aber auch die anderen Damen und Herren machen einen richtig guten Job.

Warum die Anzeige allerdings mit den läppischen 80 Prozent-Pünktchen der PC Player wirbt, bleibt ihr Geheimnis. Dort hat ein gewisser Jörg Langer neben lobenden Worten auch einige Kritikpunkte ausgemacht: “Stellenweise nervt jedoch das mehrmalige Umschalten zwischen Gesprächs- und Spielbildschirm, oft kann man dem Programm beim Grafikaufbau zusehen… Die meisten Rollenspiel-Elemente sind im Übrigen eher Blendwerk – auf der Karte darf man nicht wirklich frei herumlaufen, das nächste Ziel ist immer vorgegeben.” Aber er schließt mit den Worten “Wenn Sie schon den Vorgänger Death Gate mochten, oder sich allgemein für anspruchsvolle Fantasy-Kost interessieren, können Sie deshalb beruhigt das Goldsäckel zücken.”

Einen Vergleich über die Jahrtausende hinweg erlaubt der doppelte Mick Schnelle. In der PC Joker 2/96 vergab er 85% und begründete diese so: “Shannara ist Computer – Literatur im besten Sinne und damit nicht nur für Kenner der Romanvorlagen ein unbedingt empfehlenswertes Fantasy – Abenteuer”. Überhaupt ist sein einziger Kritikpunkt im Test die nicht immer perfekte Verbenliste.

Einen Blick zurück warf Mick dann im Jahrbuch 2016 der Retro Gamer. Im Rahmen eines Klassiker-Checks bereiste er erneut die vier Reiche und war im Großen und Ganzen immer noch begeistert. Allerdings schreibt er auch: “Die Coles hatten zwar bei der Verschmelzung von Rollenspiel und Adventure (inklusive Party und Kampfsystem) weitestgehend versagt, dafür aber ein Spiel geschaffen, das bis heute im nach wie vor so sträflich vernachlässigten Storydesign Maßstäbe setzte.” Und ganz wichtig: “[Shannara ist] das einzige Spiel überhaupt, das uns zu einem kleinen Tränchen verführte, als… nein, kein Spoiler. Aber unbedingt spielenswert.”

Da kann ich Shella nur recht geben.

Noch mehr Bücher

In dem oben erwähnten Joker-Interview wurde Bob Bates auch nach weiteren Plänen befragt – und neben zwei hier zwar angekündigten, aber nie entwickelten Fortsetzungen bekannter Marken wirft er schon einmal einen Blick hinaus auf spätere Jahre – und damit auf weitere Artikel dieser Reihe:

Bevor wir uns an ein zweites Spiel zu Anthony Piers’ Saga oder dem Todestor von Weis und Hickman machen, wird “Shannara” von Terry Brooks versoftet. Seine Fantasy- Bestseller erscheinen ja in den USA bei Random House, und da dieser weltgrösste Buchverlag an meiner Company beteiligt ist, kann der Nachschub an guten Romanvorlagen als gesichert gelten. “Wheel of Time” von Robert Jordon ist z.B. für eine Versoftung ebenso im Gespräch wie Spider Robinsons “Callahan’s Crosstime Saloon”.

Doch das sind Geschichten für einen anderen Tag. Erst einmal bedanke ich mich für die geschätzte Aufmerksamkeit und hoffe auf ein baldiges Wiederlesen.

Wobei… Einen hab ich noch. Weil Zirkelschlüsse in Artikeln ja beliebt sein sollen:

Budget ist natürlich nicht gleich Budget. Als kleiner Treppenwitz der Geschichte darf dennoch gelten, dass laut der Seite The Digital Antiquarian die angedachten Kosten von Shannara bei 362.000 Dollar lagen und die letztlichen Kosten bei 528.000 Dollar. Zwar lassen sich die Animationen und Schauplätze der Quest for Glory-Reihe nicht einfach mit der Sprachausgabe und den Render-Filmchen von Shannara aufrechnen, aber trotzdem bemerkenswert, wie viel günstiger das Legend-Spiel im Vergleich zu den Sierra-üblichen Budgets war. Ob ein Quest for Glory 5 also hier schon für die genehmigten 600.000 Dollar möglich gewesen wäre? Wir werden es nie erfahren.

Die vollständige Artikel-Reihe:
 
 
Die vier Lande. Wir starten in Shady Vale und kommen dann ganz schön rum.

(Dieser Artikel erschien zuerst am 28. Mai 2023 auf GamersGlobal)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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