Spiele von Legend Entertainment #3: Frederik Pohl’s Gateway-Reihe

Legend Entertainments kurze Lebensdauer lässt sich grob in drei Phasen einteilen. Mit den heutigen Titeln schließe ich Phase eins – die klassischen Textadventures – mit einer Mini-Serie ab.

Legend Entertainment hatte mit Steve Meretzky und Bob Bates zwei Infocom-Veteranen als Spiele-Lieferanten an Bord. Aber beide hatten noch andere Aufgaben: Bob war nebenbei Mit-CEO der Firma und Steve tanzte als Freiberufler auch auf anderen Hochzeiten. Also versuchte die Abenteuer-Schmiede, die Entwicklung breiter aufzustellen und in weitere Hände zu legen. Mike Verdu, der andere CEO von Legend, wollte diesen Schritt selbst wagen, nachdem er – wie im ersten Legend-Artikel nachzulesen ist – Bob Bates‘ Karriere mit angeschoben hatte. Allerdings hatte er noch nie ein Spiel entworfen und schreckte vor der kompletten Neu-Entwicklung einer Welt zurück.

Seine Lösung: Lizenzen. Als großer Science Fiction- und Frederik Pohl-Fan schlug er die Gateway-Romane vor und Bob Bates fragte bei Random House nach der Lizenz. Sagt zumindest Mike in diversen Interviews. Bob dagegen hält es für relativ unwahrscheinlich, dass er danach gefragt hat. Schließlich sei ja Mike der Firmen-Mensch gewesen, der sich mit so etwas auskennt. Wie dem auch sei: Verdu war völlig überrascht davon, wie problemlos die Lizensierung klappte. Eventuell lag es schlicht daran, dass die Fortsetzungen des Gateway-Erfolgs alle nicht mehr zum Vorgänger aufschließen konnten und die Reihe langsam dem Vergessen anheim fiel. Wie bei vielen anderen Serien auch scheint das Interesse der Leser im gleichen Maße abgenommen zu haben, in dem Pohl seine Welt ausschmückte und die Mysterien erklärte. Man denke an die Star Wars-Prequels samt der Midichlorianer.

Frederik Pohl’s Gateway

Das Spiel hat inhaltlich mit den Romanen nicht besonders viel zu tun, basiert aber natürlich auf Pohls‘ Welten-Entwurf und hier vor allem auf dem ersten Roman: In naher Zukunft hat die Menschheit zwar Teile unseres Sonnensystems besiedelt, aber die Erde ist heruntergewirtschaftet und übervölkert. Soziale Verwerfungen nagen an den Grundfesten der Zivilisation. Doch dann zeigt ein auf der Venus entdecktes Tunnelsystem: Wir sind nicht allein im All! In diesen Tunneln entdecken wir ein funktionsfähiges Raumschiff, das uns wiederum zu einer verborgenen Station zwischen Venus und Mars führt, die von den Menschen Gateway getauft wird. Denn dort stapeln sich weitere Raumschiffe der außerirdischen Rasse, die die Menschen „Heechee“ (in der deutschen Roman-Fassung „Hitschi“) nennen, mit denen sich riesige Entfernungen überbrücken lassen. Kleiner Schönheitsfehler: Die Menschen können die Schiffe nicht steuern – nur die Eingabe von Codes veranlasst die Maschinen, zu vorgegebenen Punkten im All aufzubrechen und von dort wieder zurück zum Gateway zu fliegen. Es ist also ein reines Glücksspiel, ob der Entdecker lebend, mit leeren Händen oder steinreich zurückkommt.

Der ursprüngliche Roman folgt dem Glückritter Robinette Broadhead, der nach einem Lotterie-Gewinn auf der Erde zum Gateway aufbricht, um dort einige dieser Missionen hinter sich zu bringen und endgültig ein reicher Mann zu werden. Das geht natürlich nicht alles glatt über die Bühne, aber der grobe Plan geht auf und im Folgeband finanziert Broadhead eine Forschungsreise zu einer riesigen Heetchee-Hinterlassenschaft, während der dritte Band die Menschen und die Heetchee aufeinander treffen lässt und die weiteren Fortsetzungen (die nicht auf deutsch erschienen sind) eine große Bedrohung herauf beschwören. Das klingt zwar alles nach großer Space Opera, aber stattdessen werden innere Konflikte und psychische Probleme Broadheads in den Mittelpunkt gerückt. Verständlich, dass die Spiele diesen ganzen Komplex weiträumig umfliegen und sich auf die phantastische Grundidee konzentrieren.

Science Fiction – Double Feature (Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum)

Boot Camp

Schneller als erwartet konnte Verdu jedenfalls in die Entwicklung seines ersten eigenen Spiels einsteigen. Bates und er kamen auf die Idee, Gateway als eine Art Ausbildungsstätte für Spiele-Entwickler zu nutzen. Mit Glen Dahlgren, bis dato Programmierer und Michael Lindner, Legend-Musiker seit Spellcasting 101, fanden sie zwei Interessierte, die wie Verdu mehr wollten. Sie lernten, wie sie mit der Legend-Engine zu arbeiten hatten. Dann teilte Verdu seine Story in drei Teile und unter der losen Oberaufsicht von Bob Bates durften alle drei Frischlinge ihre jeweiligen Spielabschnitte eigenverantwortlich gestalten, um sie später zusammenzusetzen. Allerdings scheinen alle drei von Anfang an wenig Führung gebraucht zu haben. Bob beschrieb mir das Procedere:

Es funktionierte so, dass ich mich mit jedem Designer zusammensetzte und seine Ideen durchging, aber sie waren selbst dafür verantwortlich, ihre Abschnitte zu schreiben. Ich half beim Puzzle-Design und war höchstwahrscheinlich für die endgültige Bearbeitung verantwortlich.

Die Figur, in die wir zu Beginn des Spiels schlüpfen, trägt keinen Namen. Allerdings gewinnt sie ebenso wie im Roman Robinette Broadhead in einer Lotterie und darf raus von der überfüllten Erde und rein ins Gateway. Sie hat ein paar Glücksritter-Flüge mit den automatisierten Raumschiffen gewonnen – muss aber natürlich erst einmal in alles eingewiesen werden. Unter anderem durch ein Buch mit dem Titel „Alles, was wir über die Heechee wissen“. 200 leere Seiten – Raumfahrer-Humor. Recht schnell erhalten wir aber im Austausch für dieses Buch unseren DataMan – einen kleinen Computer mit sehr sehr vielen Informationen – wie wir auch im Stations-Computer-System viel Zeit mit Lesen verbringen können. Neben allerlei Weltenbau-Hintergrund-Informationen finden wir hier wie dort natürlich auch Hinweise für einzelne Rätsel. Und dann geht es richtig los.

Die Station ist riesig

Ab ins All

Gateway lässt sich anfangs viel Zeit. Die Station ist groß und überraschend abwechslungsreich. Außerdem gibt es einen ganzen Schwung Gespräche, die geführt werden wollen. Und ein Flugtraining, das absolviert werden möchte. Und ein VR-Programm, dem wir auf den Zahn fühlen sollen. Überhaupt gibt es auf der Station einiges zu tun. Zum Beispiel müssen wir im Casino neben Roulette auch „Old Earth Trivia“ gegen Nubar gewinnen, um an sein Medaillon zu kommen. Das ist nicht unbedingt einfach, weil sich viele der Fragen auf die fiktive Erdgeschichte beziehen, die wir noch nicht erlebt haben – aber es gibt auch eine Rubrik mit „unserer“ Geschichte, bei der wir gute Chancen haben.

Doch Stück für Stück führt uns diese lange Einführung zum eigentlichen Ziel unseres Aufenthalts: Wir bekommen sechs Codes, mit denen wir unserem Schiff Ziele vorgeben können. Weltraum, wir kommen! Diese ersten Ausflüge ins All sind natürlich immer noch nicht der ganz große Schritt ins Glück für unsere Figur. Aber wir arbeiten uns weiter in der Hierarchie der Gateway-Station nach oben und können von richtig erfolgreichen Missionen träumen. Erfolgreich ist der nächste Ausflug denn auch, aber gleichzeitig erfahren wir dank eines dort gefundenen Computers, was damals mit den Heechee passiert ist – und vor allem, vor wem sie geflohen sind. Und damit stecken wir so richtig in der Weltraum-Tinte, denn mit den Assassinen gibt es eine schön fiese Alien-Rasse, die alle anderen intelligenten Wesen auslöschen möchte. Die Heechee haben zwar eine Art Tarnschild entwickelt, um unentdeckt zu bleiben, aber sie sind kurz vor Fertigstellung geflohen. So liegt es jetzt also an uns, auf vier verschiedenen Planeten das Ding ans Laufen zu bekommen. Mehr möchte ich in diesem Artikel gar nicht genauer auf die Story eingehen. Wer von euch ein Faible für hervorragend geschriebene Text-Adventures im Science Fiction-Setting hat, sollte das Spiel sowieso spielen.

Musikalisch bietet Gateway eine breite Palette. Natürlich herrschen die großen Töne vor, aber zum Beispiel in der Blue Hell Bar spielt sich ein funky Stück in eure Gehörgänge, das euch entweder sehr schnell auf die Nerven oder in die Beine geht. Grafisch ist das Spiel auch wieder sehr schön gelungen und bietet einiges an Abwechslung. Dafür, dass Gateway den Untertitel „The animated interstellar adventure“ trägt, ist etwas wenig Animation zu sehen, aber wie bei Legend üblich bewegt sich tatsächlich immer mal irgendetwas im Bild und lockert die Szenerie auf.

First Contact

Ein kleines Wunder

Wie oben vermerkt: Dieses Spiel wurde von drei Menschen geschaffen, die zuvor noch nie ein Spiel entworfen haben. Dass es so gut funktioniert und so viel Atmosphäre transportiert, ist ein Wunder für sich. Nachdem Verdu den groben Bogen vorgegeben hatte, konzentrierte er sich auf den Teil, der auf Gateway spielt. Michael Lindner übernahm die Glücksritter-Ausflüge auf fremde Welten. Das Finale samt der Bedrohung durch die Assassinen-Rasse wurde von Glen Dahlgren verantwortet.

Gateway markierte Legends Einstieg in die Welt der Lizenzspiele. Die kommenden Firmen-Jahre wurden bis auf wenige Ausnahmen von diesen Werken dominiert und (so viel möchte ich hier schon einmal vorgreifen) im Gegensatz zu vielen anderen Lizenzspielen haben sie fast alle ihre Qualitäten. Für heutige Neueinsteiger in den Legend-Kosmos bedeutet das allerdings vor allem Ärger: Die meisten Titel der Firma sind schlicht nicht digital zu erwerben. Klar, 1992 und in den Folgejahren stand die digitale Distribution bestenfalls in den Sternen, so dass Verträge so einen Klimbim nicht abgedeckt haben. Bleibt also auf legalem Wege nur der Griff zur alten Schachtel-Version, um dort einzutauchen.

Ein Blick ins Cockpit samt eines Heechee-Codes

Die Wertungen

Die Presse steuerte die fast schon üblichen Wertungen bei. So begründete Carsten Borgmeier seine 82% in der PC Joker 5/92 mit den Worten „… gute Englischkenntnisse sind nach wie vor unabdingbar, aber die kann man sich während der langen Monate aneignen, die einen diese 6MB-Space-Opera in ihren Bann schlagen dürfte!“ Die gleiche Wertung vergibt Volker Weitz in Power Play 8/92, moniert aber: „Dafür, dass der Packung das komplette ‚Hintbook‘ beiliegt, sollte man Bob Bates ins All schießen. Wer besitzt schon so viel Willensstärke, um in kritischen Momenten nicht mal kurz zu ‚linsen‘. Am besten gleich bei einer Vertrauensperson in sichere Verwahrung geben und nicht schwach werden.“

Frederik Pohl selbst steuerte neben der literarischen Vorlage auch das Vorwort für das Hintbook bei, in dem er sich erst einmal lang und breit über die gewonnenen Preise für sein Buch auslässt, bevor er im letzten Abschnitt auch das Spiel lobt. Er schließt mit den Worten

Ich denke, dass das Gateway-Spiel ein erstklassiges Beispiel für Science-Fiction in seiner buntesten und aufregendsten Form ist. Ich hoffe nur, dass dieses talentierte Team aus Designern, Künstlern und Programmierern bereits mit der Arbeit an einer Fortsetzung begonnen hat.
Laut Mike Verdu war Frederik Pohl nach der Lizenz-Vergabe überhaupt nicht an dem Spiel interessiert und die beiden haben sich weder getroffen noch einen wie auch immer gearteten Austausch gehabt. Das erklärt eventuell, warum die Stimmung des Spiels im Vergleich zum Roman eher positiv geprägt ist. Jedenfalls sollte Pohls‘ Hoffnung auf einen Nachfolger nicht enttäuscht werden – vor allem, da Legend Entertainment direkt eine Option auf zwei Spiele erwarb. Und da sich Gateway recht gut verkaufte, ging der Nachfolger bald darauf in Produktion. Auch Legends Hoffnung auf Designer-Nachwuchs trug Früchte. Alle drei Frischlinge arbeiteten später eigenverantwortlich als Designer an Titeln der Firma. Zwei davon durften direkt beim Nachfolger wieder ran.
 
Inhaltlich eher nüchtern: Die Beilagen (Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum)

Gateway II: Homeworld

1993 setzten Mike Verdu und Glen Dahlgren Frederic Pohl’s Gateway fort. Das ist auf dem Cover allerdings nur dezent angedeutet: Der Name des Welten-Erfinders ist verschwunden und „Gateway II“ steht nur klein und verschämt über dem eigentlichen Titel: Homeworld. Eventuell verrät der Titel schon ein bisschen zu viel, aber ich bin ja auch kein Marketing-Profi.

Weil es beim Vorgänger so gut geklappt hat, haben sich Michael Verdu und Glen R. Dahlgren die Geschichte wieder aufgeteilt. Die ersten beiden Abschnitte, „The Escape“ und „The Artifact“ stammen von Verdu, „Rescue“ und „Homeworld“ von Dahlgren. Der dritte Neu-Designer, Michael Lindner, arbeitete währenddessen an Companions of Xanth, über das ich in einem anderen Artikel ein paar Takte schreiben werde.

Praktisch: Hier ist das Hintbook schon dabei. (Foto: Oliver Knagge / Deutsches Videospielmuseum)



Ausgehend vom Einleitungstext im Handbuch scheinen die Autoren ihr Erfolgsgeheimnis auch gut erkannt zu haben:

Wir haben versucht, einen Kommentar von Glen Dahlgren und Mike Verdu zu bekommen, aber sie haben immer noch diesen glasigen Blick, der nur davon kommen kann, dass sie zu viele Nächte auf einen Computerbildschirm gestarrt haben – aufgeputscht von zu viel Cola und zu viel Essen mit zu wenigen Vitaminen. Sie antworteten mit etwas, von dem wir glauben, dass es Heechee-Phrasen sind, bevor sie rückwärts in ihre großen Stapel von Pizzaschachteln und Papieren fielen.
 
Also, während sich unsere geschätzten Autoren erholen: Im Namen von dem, was von der Firma übrig ist, hoffen wir aufrichtig, dass Sie dieses Spiel genießen. Basierend auf den allgemein begeisterten Reaktionen auf das erste Spiel, Frederik Pohl‘s Gateway, haben wir versucht, Ihnen mehr von dem zu geben, was Ihnen wirklich gefallen hat – Weltraumabenteuer, exotische neue Welten und atemberaubende Special Effects. Wir hoffen, dass es uns gelungen ist.
Einige der Aliens sehen nicht besonders fremdartig aus. Hm.

Fred vom Jupiter

Die Story setzt nach den Ereignissen von Frederik Pohl’s Gateway auf der Erde ein. Ein riesiges Raumschiff taucht in unserem Sonnensystem auf. Das Artefakt ist über sechs Kilometer lang und ignoriert alle Kommunikations-Versuche. Während der Rest der Menschheit langsam in Panik verfällt, genießt unser Held des Vorgänger-Spiels einfach nur seinen komfortablen Ruhestand auf der Erde. Allerdings wird er schnell in die Geschehnisse involviert, weil ihn die Gateway Corporation nicht in Ruhe lässt. Sie möchte nämlich mit einem Raumschiff zum Artefakt fliegen und dort Kontakt herstellen. Die ursprünglich vorgesehene Botschafterin wurde von der ziemlich umtriebigen und böswilligen Phönix-Sekte umgebracht – und nun sollen wir innerhalb von ein paar Stunden den Ersatz-Botschafter mit unseren Erlebnissen aus dem ersten Teil auf alle Eventualitäten vorbereiten. Das wird umso dringender, weil die Sekte sich wohl auch uns zur Brust nehmen will.

Das Spiel legt von Anfang ein ein hohes Tempo an den Tag. Streunen wir im Vorgänger erst noch gemütlich durch die Station und hören hauptsächlich anderen Leuten beim Reden zu, geht es hier fast direkt um unser Leben. Sind wir erst mal angekommen, tauchen schon die Terroristen auf und bringen alle um uns herum um. Die einzige Flucht-Chance bietet sich mit dem Raumschiff, dessen automatische Betankung und Start wir aktivieren müssen, bevor wir geschnappt werden. Legend schafft es hier wieder meisterlich, trotz des ja eigentlich behäbigen Textadventure-Genres, eine Dringlichkeit zu vermitteln, die auf den Spieler abfärbt. Stellt euch das ein wenig wie bei „Stirb langsam“ vor. Wir fliehen vor den Sekten-Soldaten und hören immer wieder durch das Funkgerät, das wir einem Toten abgenommen haben, wie sie uns auf den Fersen sind. Jetzt hör ich sie. Sie kommen. Sie kommen, dich zu holen. Doch sie werden dich nicht finden. Hoffentlich.

Nach einer abenteuerlichen Flucht landen wir auf dem Artefakt und kommen damit eventuell vom Regen in die Traufe. Wir finden eine verletzte Frau namens Diana Tolson. Da dies die Zukunft ist, können wir sie mit unseren modernen Mittelchen retten und sie kann uns von ihrem Schicksal berichten: Zusammen mit ihrem Partner Jack ist sie schon seit Monaten auf dem Schiff. Jack wurde bereits vor einiger Zeit von einer großen metallenen Spinne brutal getötet, weshalb Diana nun um so froher ist, nicht mehr alleine zu sein. Weitere Erkundungen führen zu weiteren beunruhigenden Erkenntnissen: Jack und einige andere Glücksritter wurden nicht nur getötet – nein, ihr Selbst lebt digital im Computer des Artefakts weiter. Mit diesen Abbildern können wir uns nun unterhalten – und im Gegensatz zu den früheren Legend-Spielen haben wir sogar die Auswahl unter verschiedenen Gesprächs-Optionen. Noch schöner: Wir haben es hier mit vielen verschiedenen digitalen Abbildern zu tun, die nicht unbedingt in unserer Sprache sprechen oder Lust haben, auf unsere Fragen zu antworten. Auch wenn viele dieser Gespräche nicht für das Spiel zielführend sind, schaffen sie doch eine beklemmende Atmosphäre. So viele tote Menschen, so viele Schicksale. Eine Frau namens Miki Akiro kann uns immerhin weiterhelfen: Das Artefakt-Schiff stammt von den Heechee und Miki hat ihre Zeit im Computer-RAM genutzt, um einen Sabotage- und Fluchtplan zu entwickeln. Nun liegt es an uns.

Die Dialoge sind teilweise ziemlich lang

Das riesige Schiff ist aber nicht nur von einem Computer und einer Roboter-Spinne bevölkert. Nein, hier sammeln die Heechee auch unterschiedliche Rassen ein und bieten ihnen in einer Art Zoo jeweils einen eigenen Lebensbereich. Das wirkt im fertigen Spiel ein wenig wie die einzelnen Flüge zu den Koordinaten und sorgt für Abwechslung in der Darstellung. Aber mit der Erkundung dieser „Welten“ und dem Kampf gegen die Artefakt-KI ist ja gerade mal die Hälfte des Spiels erreicht. Denn die Phönix-Sekte samt ihrer Menschheits-Vernichtungspläne hat natürlich nicht aufgegeben. Und was hat es mit dieser mysteriösen „Homeworld“ im Titel des Spiels auf sich? Fragen über Fragen, deren Antworten und der Weg dorthin sich auch heute noch lohnen. Das Spiel ist phantastisch geschrieben und bietet bei aller Abwechslung einen dicken leuchtenden roten Faden, der euch durch das Spiel zieht.

Die Presse

Volker Weitz war in seinem kurzen Test leicht enttäuscht von Gateway II: „Im Grunde bietet man uns einen langweiligen Neuaufguß der gleichen Storylinie. Wer also den ersten Teil von Gateway bereits kennt, muss nicht unbedingt wieder zum Händler rennen.“ Dennoch war ihm das Spiel noch 79% wert. Einen Wertungs-Ausreißer nach unten liefert mit 60% Petra Maueröder in der PC Games 11/93: „Die Puzzles sind zwar (im Nachhinein betrachtet) eigentlich immer recht logisch aufgebaut, aber ein Larry- oder Monkey Island-Spieler mit Schulenglisch-Kenntnissen wird bald mit fliegenden Fahnen zu seinen Lieblingen zurückkehren.“ Ich kann beide Wertungen nicht nachvollziehen, denn Homeworld macht alles besser als der ohnehin schon gelungene Vorgänger. Eventuell waren die Zeiten für Textadventures einfach abgelaufen und die Presse wollte schicke neue Spiele sehen.

Eine Zweitverwertung der Reihe in den Händler-Regalen gab es nur in der Sammlung The Lost Adventures of Legend. Hier sind alle Text-Adventures, die Legend mit der firmeneigenen Engine erstellt hat, versammelt. Extras dürft ihr keine erwarten, dafür sind auf der CD-ROM Windows-Versionen der Spiele enthalten. Dank des Lizenz-Problems sind die Gateway-Spiele offiziell digital nirgendwo zu beziehen und es sieht derzeit nicht so aus, als ob sich daran etwas ändern wird. Vom ersten Teil erschien 2017 ein Remake, das zwar die Originaltexte und -musik samt der (vergrößerten) Grafiken verwendet, aber leider auch eine neue Bedienoberfläche einführt, die per Point and Click funktioniert. Da ich stark vermute, dass diese Version keinerlei Rechte eingeholt hat, möchte ich keinen Link posten, aber mit den Wörtern Gateway und Remake kommt ihr der Sache schon nahe. Wobei ich das Original in seiner Text-Präsentation jederzeit vorziehen würde.

Kleines Zwischen-Fazit

Nach drei Ausgaben hat diese Reihe das Ende der ersten Legend-Phase erreicht – und ich bin rundum begeistert. Von Anfang an hat die Firma großartige Welten entworfen, in denen sich der Spieler verlieren konnte. Es gab Humor, es gab Klamauk, es gab Spannung und es gab Abenteuer. Was hier zwischen 1990 und 1994 entstanden ist, ist für mich bis heute unerreicht. Im Nachhinein ist es natürlich leicht gesagt, da ich natürlich nicht auf Verkaufszahlen schielen muss: Ich wünschte, es hätte noch ein paar Spiele mehr gegeben. Spellcasting 401 und ein TIMEQUEST-Nachfolger waren  mittendrin schon mal angedacht, aber es sollte einfach nicht sein.

Leider ist mir nicht bekannt, wie viel die Entwicklung der hauseigenen Engine gekostet hat. Bedenkt man aber, dass Bob Bates ursprünglich Infocom für zehn Spiele jeweils 100.000 Dollar Lizenzgebühren angeboten hat, ist es schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass die eigene Technik nach gerade einmal sieben Spielen in Rente geschickt wurde. Gateway war vermutlich für Jahrzehnte das letzte kommerziell in einer Box ausgelieferte Textadventure. Das Genre war mit diesem Spiel offiziell begraben, aber dank umtriebiger Hobby-Entwickler nie vergessen. Wie aber ging es mit Legend Entertainment weiter? Nun, mit dem oben schon erwähnten Companions of Xanth wurde bereits 1993 ein Vorgeschmack auf künftige Spiele ausgeliefert, aber davon und von einigen anderen Mischwesen wird im nächsten Artikel die Rede sein.

Die vollständige Artikel-Reihe:
 
 
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Dieser Artikel erschien zuerst am 07. April 2023 auf GamersGlobal)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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