Schon Hermann Hesse schrieb „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ (Kultur-Referenz: check). Doch vor den strahlenden Anfang von Legend Entertainment setzte der Gott der Dramatik erst einmal ein Ende.
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The idea was that if you thought Infocom games were hard, just wait until you played a Challenge game! Little did we know that this was exactly when Infocom was deciding (correctly) that its games were too hard.
Kurz zuvor war das amerikanische Verteidigungs-Unternehmen American Systems Corporation bei Paragon eingestiegen. Das Ende des kalten Krieges sorgte in der Branche dafür, dass sie schnell neue Geschäftsfelder gesucht haben, bevor die Regierung die Mittel kürzen konnte. Mittel waren also vorhanden und so wurde GameWorks gegründet, doch dieser Name existierte schon und so wurde die neue Firma in Legend Entertainment umbenannt. Bobs Frau Peggy Oriani entwarf das Logo, das Firmenkapital wurde mit eigenen Ersparnissen und Geld von Freunden aufgestockt und los ging es.
Textadventures sind nicht tot, sie riechen nur komisch
Ende 1989, Anfang 1990 war der Markt für Textadventures… nun, tot. Oder wenigstens ein raues Pflaster. Praktisch jeder in der Branche, zum Beispiel auch Ken Williams, riet ihnen ab, solche Spiele noch zu veröffentlichen. Level 9 hatten gerade mit Scapegoat ihr letztes Textadventure auf den Markt gebracht. Magnetic Scrolls hatte kurz zuvor seinen Publisher verloren und finanzierte sein letztes Adventure Wonderland aus eigener Tasche – und das mit mäßigem Erfolg. Legend Entertainment musste auch gleichzeitig als Publisher auftreten, weil niemand solche Nischenprodukte mehr verlegen wollte. Mike Perdu überschlug anhand der letzten Infocom-Spiele, wie groß die Nische denn voraussichtlich sein könnte und kam auf realistische 30.000 bis 40.000 Exemplare pro Produkt. Es war also klar, dass die ersten Spiele einen möglichst großen Markt erreichen mussten, damit die Firma auf Dauer eine Chance hatte. Immerhin fand Legend mit Microprose einen Partner, der ihre Spiele als Affiliated Label mit in die Ladenlokale brachte.
Ein Problem gab es noch: Bob und seine Mitstreiter hatten die Infocom-Adventures mit deren hauseigenen Tools geschrieben. Legend Entertainment aber stand wieder ganz am Anfang. Da sie Angst hatten, dass Infocom ihnen “Parserklau” vorwerfen könnte, wurde die Engine-Entwicklung an eine externe Firma namens Key Systems ausgelagert, die keinerlei Verbindung zu Infocom oder Legend hatte. Bob kannte natürlich einige Infocom-Interna und obwohl die Legend-Engine von Grund auf neu in C programmiert wurde (und damit das Infocom-System der leichten Portierbarkeit dank Z-machine über Bord warf), sind Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen. Es handelt sich bei allem Drumherum schließlich immer noch um Textadventures mit einem Parser. Bob schrieb für Key Systems eine Anforderungsliste und steckte damit die Grundpfeiler des System fest. Ich schlage vor und beschließe gleichzeitig in Personalunion, dass ich die Besonderheiten der Engine bei der Vorstellung des ersten Spiels erläutern werde. Gut, das war eine lange Vorgeschichte. Springen wir jetzt endlich in den Legend-Spielekosmos.
Spellcasting 101 – Sorcerers get all the girls
Wie schon auf Seite eins dieses Artikels verraten, hatte Legend Entertainment direkt ein As im Ärmel: Mit Steve Meretzky lieferte einer der besten und lustigsten Infocom-Autoren 1990 das erste Spiel der neuen Firma ab. Wer zusammen mit Douglas Adams den Klassiker The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy aus der Taufe hebt und mit A Mind Forever Voyaging bewiesen hat, dass er auch komplexe Themen kann, sollte mit einer Zauberer-Uni nun wirklich keine Probleme haben. Noch dazu, nachdem er mit Leather Goddesses of Phobos schon eine Visitenkarte bezüglich anzüglichen Humors an der Gamer-Pforte abgegeben hatte. Allerdings gestaltete sich der Entwicklungsprozess anders als früher: Als Freiberufler arbeitete Steve von Zuhause aus. Das klingt in HomeOffice-Zeiten angenehmer, als es war. Er selbst erwähnte in diversen Interviews, wie abgeschnitten, sozial und emotional isoliert er sich vorkam. Das Handbuch verrät uns auch ein wenig über seine nicht zwangsläufig optimalen Arbeitsbedingungen:
Steve and his spousal unit, Betty, have a mostly adorable two-year old boy named Danny (often called Doctor Entropy) and a two-month old girl named Sasha who helped Daddy write the game by keeping him up most nights.
Der Spieler schlüpft in die pickelige Haut des jungen Ernie Eaglebeak. Zu Spielbeginn drückt ihm seine Mutter die Zulassung zur Zauber-Universität in die Hand. Ach, wenn sich Ernie doch nur unbeschwert darüber freuen könnte! Aber sein böser Stiefvater Joey Rottenwood hat ihn in sein Zimmer eingesperrt, seine große Liebe Lola Tigerbelly ist mehr an besagtem Stiefvater interessiert und jeder Mensch, den Ernie in den ersten Spielminuten trifft, scheint irgendeine peinliche Anekdote aus seiner Kindheit zu kennen. Zeit, ein neues Leben zu beginnen und ein echter Mann zu werden! Die Kombination Meretzky und pubertierender Zauberlehrling sorgt natürlich für einen Humor-Niveau-Limbo, der mit dem empfehlenswerter Naughty-Mode noch gesteigert werden kann. Im Laufe des Spiels trifft Ernie nämlich auf diverse Frauen – und je nach Wahl des Spielmodus (Naughty oder Nice) laufen die Begegnungen ab. Da beide Varianten hervorragend geschrieben und unterschiedlich bebildert sind, empfiehlt sich das berühmte “save early, save often”, um alle Texte genießen zu können. Und wenn ihr euch mit dem Szenario und dem Humor anfreunden könnt, gibt es hier einiges zu erleben. Denn die Flucht hin zur Uni ist erst der Beginn.
Nachdem sich Ernie ein wenig an der Uni eingelebt hat, ist es auch schon wieder vorbei mit der Ruhe. Denn neben allerlei Studenten-Verbindungen, Vorlesungen und geheimnisvollen Labyrinthen gibt es auf dem Gelände den Sorcerer’s Appliance, einen wahnsinnig wichtigen Gegenstand (der aber nie so richtig erklärt wird). Natürlich kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Und so findet Ernie eines Morgens den Campus verwüstet vor – und den Sorcerer’s Appliance gar nicht mehr. Der wurde nämlich gestohlen. Mit einem magischen Surfboard macht er sich auf, um auf verschiedenen Inseln danach zu suchen.
Unter anderem findet er sich auf dem Island of the Lost Souls wieder, das spielmechanisch leider recht öde und langatmig ist – mal abgesehen davon, dass der englische Wortschatz des Spielers hier extrem gefordert wird. Im Gegensatz dazu hat The Restaurant at the End of the Ocean ein sehr kurzes Gastspiel, das dafür meine Lieblings-Gags des ganzen Spiels enthält. Selbstverständlich trifft Ernie auf den anderen Inseln auch noch auf Götter, Frauen und den Oberbösewicht. Zwischendurch erweitert unser Held durch gefundene Zauberspruchboxen seine magischen Fertigkeiten, kann einer Runde “Malls ‘n’ Muggers”, der Zauberer-Variante von Dungeons ‘n’ Dragons, lauschen (“Your Health Inspector performs a scientific analysis and discovers that the croissant has been laced with cyanide!”) oder Vorlesungen besuchen. Letztere sind zwar recht lange Texte, aber sie strotzen vor Hinweisen auf spätere Hindernisse.
Spellcasting 101 bietet allerlei Rätsel – und einige davon sind zeitbasiert. Jede Aktion des Spielers verbraucht fünf Minuten im Spiel und so kann es vorkommen, dass Ernie zum Beispiel eine Falltür nicht öffnen kann weil im Raum darüber gerade eine Vorlesung stattfindet und deshalb alles voller voll besetzter Stühle steht. Ebenso ist es dadurch natürlich möglich, dass Ernie wichtige Dinge verpasst. Wenn er um 19.30 zum Abendessen verabredet ist und nicht rechtzeitig an Ort und Stelle ist, dann ist das eben so. Wie auch in den Nachfolgern und in vielen anderen Legend-Spielen führt das gerne dazu, dass das Spiel nicht mehr lösbar ist. Wie schon geschrieben: Save early, save often.
Was sagt die Presse?
Der Legend-Einstieg wurde in der Presse wohlwollend aufgenommen. So schrieb Eva Hoogh in der ASM 3/91: “Wer über die heftigen Anspielungen hinwegsehen kann, sollte des Zauberers habhaft werden”, natürlich wieder garniert mit einem Screenshot des allerersten Raums im Spiel. Und Anatol Locker fabuliert in der Power Play 3/91 zwar von drei (statt den korrekten zwei) Härtegraden bei den Texten, meint aber ansonsten “Spätestens nach dem ersten Kontakt mit Gretchen Snowbunny liegt auch der hartnäckigste Miesepeter vor Lachen unterm Tisch.” Ohne mich mit den Tester-Legenden auf eine Stufe stellen zu wollen, ziehe auch ich ein positives Fazit. Natürlich gibt es Kritikpunkte: Der Humor mag parodistisch oder überzeichnet gedacht sein, aber manchmal ist er einfach nur platt. Die Geschichte mit den Inseln sorgt natürlich für Abwechslung aber eben auch für eine zerfaserte Spielwelt, in der die einzelnen Ecken nicht viel miteinander zu tun haben. Aber alles in allem macht die Geschichte einfach Spaß.
Meretzky selbst wird im hervorragend geschriebenen Hintbook übrigens mit folgenden Worten zitiert:
Take the whole theme of Ernie’s struggle to get to Sorcerer U. This represents our society’s mindless, valueless, almost lemming-like quest for excellence in the technical sciences, but at the cost of a growing ignorance of literature, history, music, and other liberal arts. In other words, Man’s Inhumanity to Humanities.
Vielleicht haben also Heerscharen von Spielern das Spiel missverstanden? Diese Heldenreise ist ein stummer Schrei nach Liebe? Möglich. Da in weiteren Interviews allerdings auch Meretzkys Friseur, eine Reinigungskraft und ein Drogendealer zu Wort kommen, schließe ich das mal aus.
Im Legend-Maschinenraum
Die letzten Infocom-Adventures boten bereits Grafiken und die Möglichkeit, mit der Maus auf der Karte Orte auszuwählen. Es war klar, dass das neue System nicht mehr hinter diesen Standard zurückkehren würde. Meretzky und Legend gingen aber noch weiter und bauten ein flexibles System auf, das dem Spieler große Freiräume ließ: Wer möchte, kann das Spiel als reines Textadventure spielen und sämtliche anderen Elemente ausblenden. Oder aber er macht ein Textadventure mit eingeblendeten Grafiken aus dem Spiel. Diese Einstellung seht ihr im Screenshot unten auf der Seite. Die Kompassrose und ein paar Schaltflächen sind zwar immer noch eingeblendet, aber die in den Standardeinstellungen dargestellten Verben und Nomen sind verschwunden. Letztere könnt ihr euch mit der Maus zusammenklicken – oder weiterhin ganz normal selbst eure Eingaben machen und die Wortlisten nur als Inspirationsquelle nutzen. Auch über die einblendbare Karte könnt ihr euch bewegen, wobei das nur raumweise funktioniert. Ihr könnt also nicht zum Beispiel auf dem Schulcampus unten links am Dock stehen und mit einem Klick oben rechts in der Cafeteria landen. Der technische Unterbau unterstützt Sound, der im besten Falle nicht stört und Grafiken in CGA und EGA.
Mit angeblichen Verkäufen von um die 50.000 Exemplaren war Spellcasting 101 ein erfolgreicher Einstieg für Legend Entertainment. Und während Bob Bates an seinem Erstlingswerk für die neue Firma werkelte, durfte Steve Meretzky sich direkt an die neuen Abenteuer des Ernie Eaglebeak setzen.
Spellcasting 201 – The Sorcerer’s Appliance
Schon 1991 legte Meretzky nach. Das bedeutet auf technischer Seite erst einmal, dass alles beim Alten geblieben ist. Die Engine schnurrt und teilweise werden Bilder des ersten Teils wieder verwendet oder leicht bearbeitet und dann auch noch für einen Gag genutzt. Ist teilweise natürlich auch logisch, wenn das Spiel wieder auf dem Campus beginnt. Unser Held Ernie Eaglebeak hat dank seines Einsatzes in seinem ersten Abenteuer überlebt und steht nun an der Schwelle seiner größten Herausforderung: Er möchte in die Studentenverbindung Hu Delta Phart aufgenommen werden. Der Humor behält sein Niveau (lest euch den Namen der Verbindung noch einmal durch…) also ebenfalls bei – und auch der Naughty Mode ist wieder mit an Bord.
Schon in Spellcasting 101 müssen wir in einem Simulator eine Situation durch Zauberei lösen. Dieses Spiel hier geht noch einen Schritt weiter und beginnt mit einer Szenerie, die ganz an Goethes Zauberlehrling erinnert. Dazu noch Ducas’ Komposition und die bekannten Bananen, die das Wasser in den Zuber schleppen. Nun gut: Im Original waren es keine Bananen. Aber ein wenig kreative Eigenleistung können wir von Steve Meretzky ja auch erwarten. Jedenfalls scheint diese Sequenz so etwas wie der Kobayashi Maru der Zaubererwelt zu sein: Gewinnen kann Ernie sie nämlich nicht. Aber immerhin ist er danach um eine Erfahrung und einen Zauberspruch reicher.
Im zweiten Semester dreht sich alles um das im ersten Teil erwähnte Artefakt: The Sorcerer’s Appliance (Das Gerät der Zauberer). Rektor Otto Tickingclock möchte die wahren Kräfte des Artefakts erforschen und nach den Ereignissen des letzten Jahres soll Ernie mit von der Partie sein. Um die ganze Macht des Sorcerer’s Appliance zu entfesseln, braucht das Ding noch seine fünf Zusatzgeräte (und das Jahre vor den ersten Paragon-DLCs) – und dann ist da noch die Legende eines sechsten Geräts, das dem Besitzer gottgleiche Kräfte verleihen würde. Der große Kasten wird im Laufe des Spiels Mittelpunkt einiger Rätsel und Witze – wird aber auch immer komplizierter in der Bedienung. Dumm, dass Ernie parallel auch in die Studentenverbindung Hu Delta Phart möchte und deshalb im Auftrag des “Gatekeepers” Chris Cowpatty diverse Streiche machen soll. Allerdings hält Cowpatty nicht viel von Ernie und will ihn mit obskuren, unlösbaren Aufgaben aufhalten. Zum Beispiel besteht der erste Streich darin, der Statue auf dem Campus-Turm einen Bart anzukleben. Cowpatty und seine Kumpane wollen die Statue aber vorher mit Kokosöl einreiben, damit der Bart nicht halten kann. Erwachsen werden wir alle wohl erst später. Bei einer dieser Aktionen stirbt Tickingclock – und Ernies Stiefvater Joey Rottenwood wird neuer Rektor. Jetzt wird’s knifflig…
Führte uns der Vorgänger noch durch eine abwechslungsreiche Inselwelt, beschränkt sich Spellcasting 201 schwerpunktmäßig auf unsere Uni. Ein paar kleinere Ausflüge zum Beispiel zur nächsten Elitekader-Schmiede fast nebenan (Barmaid U) sorgen aber für Abwechslung. Außerdem sind in der Uni mehr Räume zu erkunden – zu klein ist dieses Spiel also bestimmt nicht.
Wie schon beim ersten Teil läuft im Hintergrund gnadenlos die Zeit ab. Jeder Zug verbraucht wieder fünf Minuten eurer Zeit und das Spiel kann deshalb in einer Sackgasse landen, wenn man ein Ereignis verpasst. Um Ernie und euch im Spiel zu unterstützen, liegen der Packung wieder einige schicke Unterlagen bei. Den Plan der Uni samt ihres Abwassersystems könnt ihr bestimmt gebrauchen. Und da ihr laut Uni-Registrierungs-Formular den Kurs “Beginning Moodhorn” bei Miles Catwhosingsatdawn belegen müsst, hilft das Notenheft zu diesem Kurs mit den Klassikern “Happiness Interlude” und “Sea of Sadness” (die auf dem Blatt verdächtig gleich aussehen) bestimmt weiter.
Meretzky, der Shakespeare der Computerspiele
In der Spielanleitung gibt uns Steve einen kleinen Einblick ins Familienleben. Es ist so schön, wenn die Kinder größer werden und anfangen, die Wohnung zu zerlegen. Wenn man der Anleitung glauben darf, waren Steves damalige Hobbies Bugs ausmerzen, Windeln wechseln und Zeit für eine aufgenommene Folge von Twin Peaks finden. Das offizielle Lösungsbuch zum Spiel ist wieder ein kleines Kunstwerk für sich. So wird direkt zu Anfang die Frage aufgeworfen, ob Meretzky-Spiele wirklich von Meretzky stammen. Einige Forscher wie zum Beispiel Lester Dislocatedelbow sind der festen Überzeugung, dass diese Meisterwerke einen anderen Ursprung haben müssen:
For years, a controversy has been brewing in the world of interactive fiction between those scholars who believe that Steve Meretzky wrote the adventure games which appear under his name, and a somewhat smaller school of historians who believe that they were actually penned by the Elizabethan playwright, William Shakespeare.
DISLOCATEDELBOW: I recently completed an extensive study of Meretzky’ s childhood years which revealed that there is NOTHING in his background to indicate he is capable of creating 1 something so intricate and subtle as a computer adventure game. As a construction management major in school, he showed none of the, er, for want of a more scholarly term, nerdiness that all adventure game authors demonstrate. Shakespeare, on the other hand, often wore pocket protector and, in one famous portrait from 1599, is shown with a shirttail hanging out.
Mit dieser schockierenden Enthüllung leite ich über zur nichtsahnenden Presse, die diesem unter falscher Flagge veröffentlichten Spiel wieder wohlwollend gegenübertrat. Eva Hoogh testete das Adventure in der ASM 1/92 mit 10 von 12 Punkten und fasste zusammen: “Ein rundes Paket für nächteweise Spaß, leicht getrübt durch die Übernahme vieler Grafiken des Vorgängers.” Und auch Boris Schneider zückte in der Power Play 12/91 ganze 82%: “Eigentlich wollte ich einem Textadventure kein Super-Gesicht mehr geben… Spellcasting 201 ist mal wieder ein rundum gelungenes Vorzeigewerk dieser Spielegruppe…. Das Programm ist etwas komplexer und noch etwas komischer als sein Vorgänger; allerdings hat man sich zum Thema Erotik nicht mehr viel einfallen lassen.”
Spellcasting 301 – Spring Break
Die inneren Technik-Werte ändern sich, aber die Erfolgsformel wird nicht angerührt. Das ist die Kurzfassung für Spellcasting 301, das Meretzky wieder nur ein Jahr später, also 1992, nachschob. Die Engine wurde für VGA aufgebohrt, so dass mehr Text gleichzeitig zu sehen ist. Die Grafik bietet dank höherer Auflösung und bis zu 256 Farben natürlich von allem (außer der Größe) ein bisschen mehr, hat aber im Laufe des Spiels seltsamerweise mit einigen Schwankungen zu kämpfen. Viele sehr gut gestaltete Bilder stehen neben etwas leer oder liebloser gestaltenen Darstellungen. Eventuell hat da der Zeitdruck mit reingespielt, denn Spellcasting 301 ist gefühlt ein größeres Spiel als der direkte Vorgänger.
Dieses Mal verschlägt es Ernie und seine Verbindungsbrüder an den schönen Strand von Fort Naughtytail. Spring Break! Zeit, die Roben zu lüften und dem stressigen Weltenretter-Kram zu entfliehen. Mit einem fliegenden Teppich machen sich die jungen Herren auf den Weg – allerdings verläuft der Flug nicht verlustfrei und so kommen sie praktisch ohne Gepäck geschweige denn viel Geld im Ferienressort an. Quasi Problem Nummer eins. Außerdem gerät die Gruppe mit der Studentenverbindung Getta Lotta Yu aneinander, die leider aus sehr durchtrainierten und motivierten Typen besteht. Problem Nummer zwei. Und obendrauf organisiert noch jemand einen Wettkampf, der diese Rivalität beenden soll: Wer alle Aufgaben erfüllt, wird King of the Beach, während sich die andere Gruppe auf Jahre hinaus nicht mehr dort blicken lassen darf. Da waren sie wieder, meine drei Probleme.
Die neue Auflösung sorgt neben mehr Text auch für eine leicht geänderte Optik bei den Schaltflächen und der Karte. Das sieht nun alles weniger verspielt und mehr wie ein Anwendungsprogramm aus. Wirkt ein wenig so, als ob sich Legend hier trotz DOS-Spiel an die Windows-Optik gehängt hat. Gleich geblieben sind dagegen wieder die zeitkritischen Rätsel, die für eine Ständig-wieder-anfangen-Garantie sorgen und der Naughty-Mode, den aber ja sowieso nie jemand aktiviert. Verstehe gar nicht, warum das immer wieder aufs Neue eingebaut wurde.
Der Eiserne Vorhang fällt
Selbstverständlich gehört das Hintbook auch bei diesem Spiel mit zum Humor-Gesamtpaket. Denn erst mit diesem dritten Spiel wurde deutlich, was Steve Meretzky hinter all den kleinen Gags versteckt hatte. Uns erfahrenen Adventure-Spielern hätte diese Doppelbödigkeit natürlich von Anfang an bewusst sein müssen, war doch schon sein alter Infocom-Titel Leather Goddesses of Phobos eine Metapher für die Ausbeutung albanischer Minen-Arbeiter. Und natürlich musste ein hochpolitischer Mensch wie Meretzky seinen Kommentar zum Zusammenbruch des Ostblocks abgeben:
The Spellcasting series has contained countless metaphors for Soviet turmoil, even if they only became transparent with the release of this third game in the series. Indeed, can anyone doubt that Joey Rottenwood, powerful and threatening and yet ultimately impotent, is a metaphor for the communist bureaucracy? Can the campus newspaper, with its twisted syntaxes, be anything but a simplified representation of the Soviet propaganda machine?
For further evidence, let us examine the very name of the main character: Eaglebeak! The eagle is the accepted symbol of American power, as the bear is the symbol of Soviet strength. With his use of Eaglebeak for the triumphant main character, Meretzky is clearly reveling in the triumph of the eagle (left untouched in “Eaglebeak”) over the bear (which is corrupted to “beak”).
Das Feuilleton folgte dieser Einschätzung von Professor Rettenmund G. Hotairballoon nahezu einstimmig. So drechselte Richard Eisenmenger in der Power Play 12/92 den Satz “Wer Textadventures mag, gerne ein paar nette Grafiken entdeckt und Spaß an witzigen englischen Texten hat, wird erstklassig mit Spring Break bedient.” und vergab 81% auf der nach oben geschlossenen Spielspaß-Wertung. Einzig Joachim Nettelbeck mischte seiner Lobeshymne etwas sauren Wein bei, als er im PC Joker 6/92 zusammenfasste: “… Ein bisschen haben die Späße um Mr. Eaglebeak im dritten Aufguß schon an Originalität eingebüsst. Story und Gags sind etwas alberner als bei den ersten Teilen der Serie. Bloß ist das nun wirklich kein ausreichender Grund, auf die Freuden des Strandlebens zu verzichten.” Trotz dieser kleinlichen Kritik ging er in seinen Wertungsweihen mit 83% sogar noch etwas höher als Herr Eisenmenger. Ein Mysterium. Eventuell hat er aber auch das Spiel in doppelter Geschwindigkeit rückwärts gespielt und ist seither vom Teufel besessen.
Teil 2: Bob Bates und die CIA
Teil 3: Frederik Pohl’s Gateway-Reihe
Teil 4: Companions of Xanth
Teil 5: Death Gate
Teil 6: Superhero League of Hoboken
Teil 7: Shannara
Teil 8: Mission Critical
Teil 9: Star Control 3
Teil 10: Callahan’s Crosstime Saloon
Teil 11: John Saul’s Blackstone Chronicles
Teil 12: The Wheel of Time
Teil 13: Unreal 2 und das Drumherum