So entstand Gabriel Knight

Sierra Entertainment war seit 1980 bekannt für Grafikadventures der unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen. Eine der interessantesten Reihen stelle ich euch hier vor. Auftritt: Der Schattenjäger!

Über alle Medienformen hinweg waren Fortsetzungen schon immer beliebt: Selbst Klassiker wie das Alte Testament haben teilweise Jahrhunderte später noch einen Nachschlag bekommen! Und was Film, Funk und Fernsehen recht ist, ist Computer- und Videospielen natürlich nur billig. Schon frühe Automaten wie Pac-Man bekamen eine Fortsetzung spendiert, aber bitte ohne viele Änderungen: Evolution statt Revolution! Klebt dem Pillentypen eine Schleife auf die Glatze und fertig! Was natürlich aus Herstellersicht vollkommen logisch ist: Potentielle Käufer könnten durch zu viele Änderungen vertrieben werden. Oder wie unser ehemaliger Innenminister gesagt hätte: “Ein Teil der Änderungen könnte Sie verunsichern.” Mehr vom Gleichen – nur in schöner. Das wollen die Leute. Und der Erfolg gibt den Firmen ja auch meistens recht. Nur selten haben Entwickler den Mut, den einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen und sich in die Büsche am Wegesrand zu schlagen. Aber einer äußerst kurzlebigen Serie war es nicht genug, einfach nur gut zu sein. Sie erfand ihre Erzählweise in jedem Spiel neu. Doch auch hier gilt: Ob das immer so schlau war?

Wer hat’s erfunden?

Jane Jensen begeisterte sich von Jugend an dafür, Geschichten zu schreiben. Aber recht schnell wurde ihr klar, dass sie mit dieser Tätigkeit nur einen Bruchteil ihrer anfallenden Rechnungen würde bezahlen können. Um dieser Künstlerexistenz zu entgehen, schrieb sie sich in Indiana zum Studium der Computer Science ein und ging nach ihrem Abschluss als Systemprogrammiererin zu Hewlett-Packard. Die Arbeit dort war nicht glamourös, machte ihr aber Spaß. Das Programmieren war für sie wie das Lösen logischer Puzzles und so hätte das hier auch schon die erste und letzte Station ihrer Karriere sein können. Doch 1987 machte sie einen folgenschweren Schritt und kaufte sich ihren ersten eigenen PC. Auf diesem Gerät lernte sie die große Welt der Computerspiele kennen – und eines der ersten Programme, das sie spielte, war King’s Quest 4 – The Perils of Rosella. Was sie auf dem Monitor sah, verband ihre Liebe für Geschichten mit ihrem Faible für Puzzles auf geradezu perfekte Weise. Genau das wollte auch sie machen.
 
Der Einstieg in die Spielebranche gelang ihr mit Police Quest 3 – The Kindred. Ursprünglich wurde sie für das Handbuch angeheuert, aber wegen diverser Verzögerungen fand sie sich bald darauf im Autoren-Team für das eigentliche Spiel wieder. Einige kleinere Schritte später – unter anderem steuerte sie Ideen für das erste EcoQuest bei – stieg sie neben Roberta Williams zur Co-Designerin beim sechsten Teil von King’s Quest namens Heir today, gone tomorrow auf. Ein Schritt, der bei Sierra gang und gäbe war: Junge, hungrige Mitarbeiter wurden in das jeweils aktuelle Flagschiff eingebunden und konnten sich auf diese Weise für größere Aufgaben empfehlen. Eine Chance, die Jensen ganz offensichtlich zu nutzen wusste. Ihr nächster Schritt war bereits die eigenverantwortliche Entwicklung eines Spiels und damit verbunden einer eigenen Marke: Gabriel Knight.
 
Ein ganz normaler Morgen: Gabriel trinkt erst einmal einen Kaffee, während Grace arbeitet. (Original)
King’s Quest war bekannt für seine bunten, fantasievollen Welten voller Fabelwesen und mittelalterlichem Kitsch. So sehr Jensen die Entwicklung des sechsten Teils wohl genossen hat, so wenig passte diese Ausrichtung zu ihren persönlichen Vorlieben: Unter anderem die Graphic Novels von Neil Gaiman waren damals prägende Einflüsse für sie. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich schon ihre ersten Ideen in Richtung des Übernatürlichen bewegten. Eine ihrer ausformulierteren Pläne drehte sich um Werwölfe in Deutschland, die von einer Art Inquisitor gejagt werden sollten. Aber dann entschied sie sich, erst einmal die Ursprungsgeschichte dieses Charakters zu entwickeln und zu erzählen. Im Gegensatz zu George Lucas ging sie also ganz einfach der Reihe nach vor und sprang nicht wild in der Weltgeschichte herum. Ihr Hauptcharakter sollte sich entwickeln und erst langsam begreifen, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gäbe, als seine Schulweisheit es sich träumen ließe.
 
Jensen ging daran, den Charakter auszuarbeiten. In einem Interview mit David L. Craddock erinnert sie sich an die Anfänge: Zunächst schwebte ihr ein Draufgänger und strahlender Held wie Indiana Jones vor. Aber schnell kam sie auf die Idee, einen Tunichtgut in den Mittelpunkt ihrer Erzählung zu stellen. Einen Schürzenjäger, dessen Macho-Gehabe und seine Selbstverliebtheit es auf den ersten und auch den zweiten Blick nicht leicht machen würden, sich mit ihm zu identifizieren. Auch ihre eigenen Erfahrungen als Schriftstellerin flossen in Gabriels Dasein als erfolgloser Autor ein. Sie erinnert sich daran, kurz vor diesem Spiel an einem abgelehnten Buch gearbeitet zu haben. Zusätzlich ausgestattet wurde Gabriel mit einer recht erfolglosen Buchhandlung, die im Laufe des Spiels eine Art Heimathafen für den Spieler wird.
 
Ort des Geschehens sollte New Orleans sein und so begann Jensen zu recherchieren. Das bedeutete Anfang der Neunziger Jahre: Sie rief bei einer dort ansässigen Buchhandlung an und ließ sich Bücher schicken. Während sie in diesem Bereich weiter in die Tiefe ging, wurde auch die Figur des Gabriel Knight immer mehr mit Hintergrund ausgestattet: Er wurde der jüngste Spross einer seit Jahrhunderten wirkenden Familie von “Schattenjägern“, deren Stammschloss in Deutschland liegt. Aber davon ahnt er am Anfang der Geschichte noch nichts, wenn er wie jeder durchschnittliche Buchhändler erst einmal völlig verpennt zur Kaffeemaschine schlurft. Ihn plagen seit Wochen Albträume. Genauer gesagt: Ein immer wiederkehrender Albtraum rund um die Hinrichtung einer Frau.
 
Am Jackson Square ist immer was los. (Original)

Und täglich grüßt das Murmeltier

Immer wiederkehrend ist ein gutes Stichwort und führt uns zur Struktur des Spiels: Viele Adventures aus den 80ern und 90ern krankten an der Möglichkeit, einen wirklich wichtigen Gegenstand am Anfang übersehen zu können und dann nach zig Spielstunden samt vielen, vielen Sackgassen und Toden festzustellen, dass der besagte wichtige Gegenstand in der Keksdose neben dem Familienportrait auf den Kaminsims im ersten Bild liegt. Und das ist drei Kontinente und 15 Spielstunden her. Dieses Problem umging Jane Jensen, indem sie die Geschichte an zehn aufeinanderfolgenden Tagen spielen ließ, die jeweils in sich abgeschlossen sind. Natürlich werden einige Gegenstände und Hinweise erst Tage später wichtig, aber innerhalb eines Abschnitts muss alles Wichtige gefunden, jedes Rätsel gelöst und jedes Gespräch geführt worden sein, die das Spiel vorgesehen hat. Der Vorteil liegt auf der Hand: Kein böses Erwachen kurz vor Spielende. Aber auch ein Nachteil wird irgendwann deutlich: Manchmal eiert Gabriel etwas planlos durch die Gegend, weil dem Spieler einfach nicht klar wird, was denn bitte jetzt noch zum Abschluss des Abschnitts fehlt. Mir persönlich kommt das mit den Tagen aber entgegen: Ich neige dazu, Kleinigkeiten zu übersehen – und mir ist klar, dass jeder gestandene Adventurespieler da draußen bei dieser Aussage “Shame! Shame! Shame!” gen Monitor ruft. Aber es ist eben leider so. Außerdem sorgt diese Struktur dafür, dass bereits bekannte Orte, wie der immer wieder aufgesuchte Park, mit neuen Überraschungen gefüllt werden können.

“What can you tell me about Voodoo?”

Zurück zum Inhalt: Nach dem ersten Kaffee erfährt der Spieler, dass Gabriel neben seiner erfolglosen Karriere als Buchhändler noch ein zweites Standbein hat: Er ist Autor, allerdings ein reichlich erfolgloser. Aber eine gerade stattfindende Mordserie, die mit Voodoo in Verbindung steht, soll ihn auf die Erfolgsspur führen. Dazu spannt er seine (unbezahlte) Assistentin Grace Nacimura für die Recherche ein. Grace fungiert als gutes Gewissen Gabriels und ist die einzige Person in seiner Umgebung, zu der er eine etwas tiefere Beziehung aufbaut. Vermutlich, weil sie ihn in einer Tour abblitzen lässt und seine Sprüche mit trockenem Humor kontert. Das macht Grace für mich ganz klar zur Sympathieträgerin in diesem Gespann. Ein weiterer wichtiger Charakter ist Detective Mosley. Er ist der leitende Ermittler bei den Voodoo-Morden und versorgt Gabriel mit Informationen, die nicht in der Zeitung stehen. Das alles im festen Glauben, dass die Hauptfigur in Gabriels Roman nach seinem Vorbild geformt sein wird. Aber natürlich hat ihn Knight hier belogen. Recht schnell taucht auch noch eine mysteriöse Schönheit namens Malia Gedde auf. Ihre Familie ist tief in der Geschichte der Stadt verwurzelt und scheint auch mit den Morden zu tun zu haben.

Weiter will ich in die Geschichte gar nicht eintauchen. Wer das Spiel bisher noch nicht gespielt hat und ein kleines Faible für Adventures nicht verleugnen kann, sollte es auf jeden Fall mal antesten. Mit welcher Version das meiner Meinung nach am besten funktioniert, erkläre ich am Ende des Artikels.

Selbst im Vergleich zu heutigen Spielen bietet Sins of the Fathers eine unglaubliche Fülle an Hintergrundinformationen. Sowohl über die Stadt als auch über Voodoo- Kulte kann man sehr viel lernen, wenn man denn Willens ist. Viele Dinge ergeben sich ganz natürlich im Laufe der Handlung, während andere bei etwas faden Vorträgen im Original Texttafel für Texttafel eingeblendet werden. Und in den vielen Gesprächen, die Gabriel während des Spiels führen kann, stellt er unter anderem immer wieder die Frage: “What can you tell me about Voodoo?” Und es gibt Vieles, was sich darüber zu erzählen lohnt. So gibt es ein herrliches Beispiel für die einmalige Mischung aus katholischer Tradition und Voodoo-Glauben, die in dieser Intensität wohl nur in New Orleans ausgelebt wird. Aber neben dieser realen Geschichte wird auch die Familientradition der Knights immer weiter ausgestaltet und führt uns im Laufe des Spiels auch nach Deutschland. Aufmerksame Leser erinnern sich hier an eine der ursprünglichen Ideen für dieses Spiel.

What can you tell me about Voodoo? (Remake)

Frank N. Furter und Luke Skywalker

Im Zeitalter der Gigabyte-Patches geht gerne mal verloren, dass Platz auf Disketten und Festplatten ein rares Gut war. Ebenfalls im Nebel der Geschichte vergessen: Selbst 1993, dem Erscheinungsjahr des ersten Gabriel Knight, waren CD-ROM-Laufwerke noch keine Selbstverständlichkeit. Also erschien das Spiel am 17. Dezember 1993 gleich in zwei unterschiedlichen Versionen: Der Käufer hatte die Wahl zwischen elf Disketten im handlichen 3,5-Zoll-Format oder einer CD-ROM-Fassung. Zweitere bot diverse Vorteile neben der offensichtlichen Probleme mit dieser Menge an Disketten: Einige der Zwischensequenzen wurden animiert und eine kurze, ziemlich unnötige Sequenz mit einem abfahrenden Motorrad wurde hinzugefügt. Der wichtigste Kaufgrund für diese Fassung war aber die Sprachausgabe, denn das komplette Spiel wurde vertont. Und im Gegensatz zu früheren Sierra-Versuchen, bei denen gerne Mitarbeiter des Hauses vor das Mikrofon gezerrt wurden, ging das Studio hier in die Vollen.

In dem Interview mit Craddock erinnert sich Jensen daran, dass die Besetzung der Hauptfigur eine langwierigere Aufgabe war, als zuerst angenommen. Jensen hörte sich einige Schauspieler an und fand einfach nicht die passende Stimme. Stuart Rosen, der das Vorsprechen organisierte, schlug ihr schließlich Tim Curry vor, der aber eine wichtige Eigenschaft Gabriels vermissen ließ: Er war und ist kein Amerikaner. Zum Glück für uns ließ sich Jensen dennoch auf einen Versuch ein und war überrascht, wie perfekt Stimme und Figur miteinander verschmolzen. Der Rest des Casts ist ebenfalls nicht zu verachten: Neben Mark Hamill und Leah Remini ist zum Beispiel auch noch Michael Dorn zu hören. Viele Sprecher sind in einem Promo-Video zu sehen, das Sierra damals veröffentlichte: “The Making of Gabriel Knight“. Alles in allem ist das Sprecher-Niveau herausragend – und stellt auch heute noch vieles in anderen Spielen Gebotene in den Schatten. Problematisch für heutige Ohren ist allerdings die Komprimierung, die trotz CD-ROM genutzt werden musste und für ein unangenehmes Rauschen sorgt. Dennoch: Bis in die Nebenfiguren hinein eine sehr gute Besetzung, die beim Hören sehr viel Spaß oder wahlweise auch Gänsehaut erzeugt. Einzig die trantütige Stimme aus dem Off mindert meinen Hörgenuss. Aber ich vermute, dass sie genau so klingen sollte, wie sie nun mal klingt.

Auch musikalisch kann das Spiel überzeugen. Der Komponist Robert Holmes stattete Gabriel Knight mit wunderbar düsteren Klängen aus, die zwar nicht unbedingt zum Mitpfeifen animieren, aber immerhin auch nach Stunden noch nicht nerven. Beispielhaft könnt ihr hier dem Main Theme lauschen. Einzige Ausnahme für mich: “When the Saints go marchin’ in”, das pausenlos in einem Parkabschnitt dudelt (hier in einer überarbeiteten Version für das Remake). Holmes blieb über die Jahre der Serie und der Designerin treu: Er veredelte jeden der Nachfolger samt des Remakes mit seiner Musik und heiratete Jane Jensen. In dem Buch “Gabriel Knight, Adventure Games, Hidden Objects” von Anastasia Salter erinnert sich Holmes, der neben seiner Komponistentätigkeit auch noch als Produzent des Spiels agierte, dass er und Jensen ihre Verbindung vor dem Team geheim halten wollten. Das ging wohl einige Wochen lang gut, bis sie eines Abends ins Kino gingen und dort auf das halbe Entwicklerteam trafen… In Dagger of Amon Ra übernahm er nach guter alter Sierra-Tradition auch mal eine Sprechrolle, blieb aber ansonsten bei seinen Leisten.

Noch während der Entwicklung des Spiels führte Sierra eine neue Version der SCI-Engine für ihre Adventures ein und sorgte mit diesem Schritt dafür, dass das Team sechs Monate lang auf Bug-Suche ging. Trotzdem schafften sie es, den Dezember-Termin 1993 zu halten – wenn auch unter Ächzen und Mühen. Jensen erinnert sich an eine bis dahin problemlose Entwicklung, die plötzlich in hektische Betriebsamkeit ausuferte.

Diesen Ärger am Entwicklungsende sieht man dem Endprodukt und auch seiner Verpackung glücklicherweise nicht an. Das düster gehaltene Cover macht mit seinem Motiv eines Gehängten direkt klar, dass es sich hier nicht um ein Spiel für Kinder handelt. Der Packung war auch ein schön gezeichneter Comic aus Jensens Feder beigelegt, der die Geschichte rund um Gabriels Albtraum erzählt. Gezeichnet wurde er von Terese Nielsen, die einige Jahre später zu Wizards of the Coast ging und am Design der Magic – The Gathering-Karten beteiligt war. Einzige Unart dieser ansonsten schön inszenierten Geschichte, die auch im Comic zum dritten Band wieder aufgegriffen wurde: Die Texte in jeder einzelnen Sprechblase wurden in Anführungszeichen gesetzt. Warum auch immer.

Gabriels Großmutter erzählt ihm einiges über seine Familie. Und sie ist die einzige Frau, auf die er hört. (Original)
Im Rahmen der Entwicklung wurden natürlich noch Kleinigkeiten geändert, von denen sich einige sogar als Dateien auf der CD finden lassen. So existiert ein früher Startbildschirm, auf dem das Spiel noch “Gabriel Knight – Shadowhunter” hieß. Falls der Name jemals konkret im Gespräch war, wurde er vermutlich fallen gelassen, weil er zu viel vorab verriet. Außerdem gibt es noch einige komplett ausgearbeitete Portraits von Gabriel und Grace. Gabriel wirkt um einiges älter und seine Frisur ist viel ordentlicher. Grace dagegen lächelt im Gegensatz zum ernsten Bild des fertigen Spiels ein wenig. Laut der Internet-Seite “Cutting Room Floor” gibt es noch einiges mehr an geschnittenem Material, das sie aber (bisher) leider nicht veröffentlicht haben. Unter anderem findet sich der Startbildschirm von King’s Quest 6 auf der Disc. Und im entsprechenden Eintrag auf der Internetseite ist die Rede von einem “unused script”.

Gepanschter Wein in neuen Schläuchen

21 Jahre nach der Veröffentlichung bekam Gabriel Knight ein Remake spendiert, das passenderweise den Untertitel “20th Anniversary Edition” trug. Aber die erreichte Volljährigkeit ist ja auch eine Neuauflage wert (hier der Kurztest auf GamersGlobal). Jensen hatte mittlerweile eine neue Firma namens Pinkerton Road gegründet und im Rahmen einer Kickstarter-Kampagne für zwei neue Adventures Geld gesammelt. Namentlich angekündigt war das im April 2014 erschienene Moebius – Empire Rising (im Test, Wertung: 6.5) und ein mysteriöses Spiel X, das sich dann als Neuauflage des ersten Gabriel-Knight-Teils entpuppte. Bereits im Oktober 2014 erblickte diese Version das Licht der Welt – und war leider gleichzeitig auch schon wieder das Ende des Studios, das zwar meines Wissens nach noch offiziell existiert, aber auf seiner Internet-Präsenz seit Jahren keine Neuigkeiten mehr veröffentlicht hat. Das Forum dort ist ebenfalls geschlossen. Das verpasst meinen vagen Hoffnungen auf eine richtige Fortsetzung der Serie einen Dämpfer, aber ganz gebe ich die Hoffnung noch nicht auf.

Für dieses Spiel hat sich das Studio jedenfalls ins Zeug gelegt: Die Grafiken wurden komplett neu geschaffen, die Musik von Original-Komponist Robert Holmes runderneuert und auch am Gameplay samt den Rätseln wurde gefeilt. Wie so häufig bei Neuauflagen führte das Remake zu Licht und Schatten. Einerseits sind die neuen Grafiken größtenteils gelungen, speziell die Hintergründe sind naturgemäß sehr viel detaillierter als im Original. Andererseits wurden einige Animationen oder gleich ganze Figuren gestrichen – vermutlich, um Geld zu sparen. Grace trug nun nicht mehr ihren langen Rock, stattdessen enge Jeans. Ob das nun einfacher zu animieren war oder schlicht Unbedachtheit der Grafiker: Ich mochte den alten Look, der für mich ihre Persönlichkeit mit definiert hatte.

Ebenfalls definierenden Charakter hatten die Sprecher. Da die alten Tonspuren wegen ihrer starken Kompression für eine Neuauflage nicht zu gebrauchen waren und die Originalsprecher für ihre Rollen zu alt waren, wurde alles neu aufgenommen. Prinzipiell beide Daumen hoch für die Mühe, die im Großen und Ganzen wirklich überzeugt. Leider bis auf den Hauptdarsteller. Jason Victor gibt zwar sein Bestes – aber das ist hier leider viel zu viel. Tanzt Tim Curry virtuos auf der Klinge und lässt uns trotz aller schlechten Eigenschaften mit Gabriel mitfühlen, so schlägt meine Begeisterung, wieder mit Gabriel durch New Orleans zu wandern, nach den ersten Sätzen von Jason Victor in blankes Entsetzen um. Er klingt ständig wie ein rolliger Kater. Da hilft mir die technisch natürlich überlegene Sprachausgabe leider herzlich wenig.

Was mich zum Fazit diesen kleinen Ausflugs führt: Welcher Version solltet ihr bei Gelegenheit mal einen Mausklick-Finger leihen? Ich bevorzuge dank der fantastischen Arbeit von Tim Curry ganz klar die alte CD-Fassung. Die Sprachausgabe ist im Vergleich zur Disketten-Version ein unglaublicher Atmosphäresprung. Und die Neuauflage? So schön sie auch aufpoliert wurde: Teilweise wirkt sie mir zu klinisch. Auch die in meinen Ohren nicht besonders gelungene neue Sprachausgabe schreckt mich zwar ab, Neueinsteiger mit einem Faible für erkennbare Details auf dem Bildschirm können aber beim Remake bedenkenlos zugreifen.

Zu erwähnen ist noch, dass Jane Jensen aus diesem Spiel einen Roman machte. Eine Praktik, die sie auch beim zweiten Teil fortsetzte. Ich besitze mittlerweile den ersten und freue mich schon darauf, ihn zu lesen. Etwas irritierend ist allerdings das Cover, da sowohl Elemente von Sins of the Fathers als auch des zweiten Spiels auftauchen. Den zweiten Roman werde ich mir wohl nicht leisten können, da er gebraucht ab 80 Euro aufwärts gehandelt wird. Leider schrieb Jensen nie einen Roman zu Teil drei und verarbeitete auch die Ideen zum vierten Teil nicht weiter.

The Beast Within

Der große Erfolg blieb Gabriel Knight verwehrt. Wohlwollenden Reviews standen solide, aber nicht überragende Verkäufe gegenüber. Aber es reichte, um eine Fortsetzung in Angriff zu nehmen. Und wie zu Beginn dieses Artikels schon geschrieben, schälte sich die Reihe aus ihrer alten Haut wie ein Werwolf bei Vollmond. Aus einem gepixelten Point-and-Click-Adventure wurde ein spielbarer Film. Oder der Versuch eines solchen. The Beast Within ist bisher mein persönlicher Lieblingsteil der Reihe. Und wenn ihr wollt, auch bei Gelegenheit Gegenstand eines weiteren Artikels. Teil drei liegt noch ungespielt auf meinem virtuellen Stapel und seit einiger Zeit auf endlich physisch in meinem Regal. Einem “neuen” Ausflug mit Gabriel steht also nichts im Wege.

Es lebe der Zentralfriedhof… (Remake)

(Dieser Beitrag erschien zuerst am 30. November 2019 auf GamersGlobal.de)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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