Shaken but not stirred

Seit 1962 schafften es 27 Filme rund um den Geheimagenten James Bond auf die große Leinwand. Unzählige Romane, Comics, Merchandise und Spiele umspülten diese Welle, die mit dem bisher letzten Film – Keine Zeit zu Sterben – 2021 ein wenig an Schwung verloren hat. Doch während sich der Rest der Welt fragt, welcher Schauspieler als nächstes in den maßgeschneiderten Anzug schlüpfen darf, wollte ich in der Zeit zurückgehen und das allererste Bond-Spiel endlich mal selber spielen.

Liebesgrüße aus Maidenhead

Bisher war ich davon ausgegangen, dass James Bond 007 aus dem Hause Parker Brothers 1984 die erste Veröffentlichung war. Doch weit gefehlt: Bereits 1982 brachte die Firma Richard Shepherd Software den Geheimagenten im Spiel Shaken but not Stirred auf den Bildschirm des ZX Spectrum. Die Wahl des Systems und natürlich des britischen Helden lässt schon darauf schließen: Richard Shepherd Software war auf der britischen Insel beheimatet. Die recht kurzlebige Firma brachte zwischen 1982 und 1985 neun Spiele auf den Markt, von denen sechs Textadventures waren. Besonders groß war die Firma nicht: Alle Titel stammten von Namensgeber Richard Shepherd oder von Pete Cooke. Letzterer hat ein paar Jahre später Stunt Car Racer für den Spectrum und den CPC umgesetzt.

Shaken but not Stirred war der einzige Titel, der sich auf eine bekannte Figur stützte – wobei es ebenfalls 1982 den Titel Super Spy gab, dessen Packung und Geschichte stark an James Bond erinnern. Was vor allem daran liegen dürfte, dass Super Spy eine schnell nachgeschobene Neufassung des vermutlich nicht lizensierten Bond-Spiels ist. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass von Shaken but not Stirred nur ein schmuckloses Tape-Cover auffindbar ist, während Super Spy mit einer schicken Packung lockt. Inhaltlich sind die Unterschiede allerdings marginal. Während in Super Spy weder unser Vorgesetzter noch seine Sekretärin einen Namen haben, tauchen wir in Shaken but not Stirred tief in den Bond-Kosmos ein:

Miss Cashcoin? Warum sich Richard Shepherd gegen die gute alte Moneypenny entschieden hat, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Wer “M” und “Bond” sagt, kann auch “Moneypenny” sagen – doch Shepherd sah das anders. Bonds Gegner im Spiel ist Dr. Death, der typisch megalomanische Züge aufweist. Er droht damit, London mit einer nuklearen Rakete dem Erdboden gleich zu machen. Es sei denn, eine nicht näher genannte Summe landet auf seinem Konto. Bonds Mission: Die geheime Insel des Dr. Death ausfindig und den Fiesling unschädlich machen.

In London rüstet sich Bond bei Q mit Waffen aus. Leider kann er nur drei von fünf möglichen mitnehmen. Doch darf er jederzeit nach London zurück, um sowohl seine Gesundheit als auch die Munition wieder aufzufüllen. Gesundheit? Ja, ein reines Adventure ist Shaken but not Stirred nicht. Spätestens auf der Insel gerät Bond von einem Kampf in den nächsten, während der Rätsel-Anteil nicht existent ist.

Überhaupt musste ich mich von der Idee verabschieden, hier ein “richtiges” Adventure zu spielen. Denn Bond bereist zwar nach der Londoner Einweisung die Welt, doch ist es reichlich egal, ob er sich gerade in Paris oder in Moskau aufhält. Es gibt keine ortsspezifischen Aufgaben zu lösen oder gar Wahrzeichen zu erkunden. Stattdessen werden zufällige Ereignisse ausgelöst. Zum Beispiel reicht uns ein “mysteriöser Orientale” eine geheimnisvolle Botschaft, die aus einem einzigen Buchstaben besteht. Oder Bond wird auf offener Straße angegriffen und muss sich mit seinen Waffen wehren. Dann geht es weiter zur nächsten Stadt und dem nächsten Buchstaben. Am Ende dieses Abschnitts sollte Bond genügend Buchstaben gesammelt haben, um daraus den Städtenamen zu formen, in dessen Nähe die geheimnisvolle Insel liegt. Wobei: Ganz so einfach ist es nun doch nicht, weil die Buchstaben zum korrekten Stadtnamen “verschoben” sind. Quasi eine Cäsar-Verschlüsselung.

Ab hier ist 007 auf sich alleine gestellt. Ist er erst auf der Insel gelandet, kann er nicht in London Nachschub organisieren. Stattdessen läuft er in Textadventure-Manier über eine zufällig generierte Insel und wird ständig angegriffen. Sind seine Waffen aufgebraucht, kann er sich nur noch auf seine kräftigen Arme verlassen – und auf sein Glück, denn damit kann er Amphetamin-Tabletten finden, die seine Gesundheit wiederherstellen. Sollte Bond die vielen Angriffe überleben, findet er hoffentlich die geheime Basis von Dr. Death und kommt damit zum nächsten Teil des Spiels.

Der Hauch des Todes

Abschnitt Drei ist überraschenderweise ein 3D-Labyrinth von 10 auf 10 Feldern. Der Hardware geschuldet ist es natürlich graphisch sehr einfach gehalten, auf diesem System und in diesem Spiel hatte ich allerdings überhaupt nicht damit gerechnet. Bonds Ziel ist es, den Ausgang zu finden. Immerhin gibt es eine aufrufbare Karte, die sich allerdings bei jeder Einblendung sehr langsam aufbaut. Vorteil daran: Da die Karte nur eine begrenzte Zeit aufgerufen werden kann, kann sich der Spieler schon während des Aufbaus orientieren. Besondere Herausforderung dieses Abschnitts ist ein Bösewicht, der sich ebenfalls im Labyrinth herumtreibt und der nicht besiegbar ist. Hier hilft nur ausweichen – sonst erwischt uns PAWS! Ich würde hier gerne von einem Schreibfehler ausgehen, doch der Name taucht sowohl auf dem Oberteil des Schufts als auch im Beschreibungstext auf. Warum Shepherd hier die Cashcoin-Variante gewählt hat und nicht einfach JAWS geschrieben hat, verstehe ich nicht. Eventuell ahnte der Autor schon, dass es Lizenz-Probleme geben würde und er wollte dann nicht die Grafik ändern müssen.

Der entscheidende Showdown findet wieder ohne Grafiken statt. Bond steht im Kontrollraum und muss nur noch den Sprengkörper entschärfen. Statt der klassischen roten und blauen Drähte muss Bond einen vierstelligen Code eingeben. Da dieser Zahlenkombination nirgendwo im Spiel zu finden ist, muss er sie erraten. Zum Glück hat Dr. Death eine spielerische Ader und lässt den Geheimagenten eine Partie Mastermind spielen:

Sollte Bond auch diese Hürde meistern, ist das Spiel geschafft. Ein kurzer, schmuckloser Text erscheint:

Congratulations, 007. As well as completing this adventure game you have saved the WORLD yet again.

Dr. Death, however, lives to fight another day. Now you can rush home for your Vodka Martini, shaken but not stirred.

Da Dr. Death entkommt und weitere Untaten dräuen, war er vielleicht als eines der vielen Gesichter des Ernst Stavro Blofeld gedacht. Andere Schurken überlebten für gewöhnlich den Einsatz von James Bond nicht.

Stirb an einem anderen Tag

Ist Shaken but not Stirred denn nun ein gutes Spiel? Oder wenigstens ein gutes Lizenzspiel? Nein. Die verschiedenen Schauplätze des ersten Abschnitts sind noch nicht einmal Fassade, der Insel-Part ist nur nervig gestaltet und wofür das Labyrinth gut sein soll weiß ich bis heute nicht. Mastermind mochte ich noch nie, weshalb auch die Schluss-Sequenz bei mir nichts rettet. Bleibt also die Suche nach einem besseren Bond-Spiel. Schwer kann das nicht sein. James Bond will return.

Avatar-Foto

Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

Alle Beiträge anzeigen von Jürgen

2 Comments on “Shaken but not stirred”

    1. Och, da ginge noch einiges mit den Romanen. Sie haben ja spätestens nach Goldfinger damit angefangen, sich extrem von der Vorlage zu lösen. Nur die Titel sind verbrannt – bis auf zwei Kurzgeschichten-Namen, glaube ich. Aber „Die Hildebrand-Rarität“ und „007 in New York“ sind jetzt so Knaller-Titel.
      Ich hätte ja wirklich gerne eine relativ originalgetreue Verfilmung von Moonraker. Muss allerdings auch in den 50-60ern spielen, weil es sonst nicht funktioniert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert