Das neue Studio Wamill Games möchte mit seinem Erstlingswerk eine neue Detektivspiel-Serie begründen. Wir werfen einen Blick auf das erste Abenteuer von Detective Sammy Jukes.
Titel: | Sammy Jukes: Twin Lakes |
Erscheinungsdatum: | 19.09.2024 |
Plattformen: | Windows |
Entwickler / Herausgeber: | Wamill / Wamill |
Homepage: | https://wamill.com/ |
Willkommen in Twin Lakes
Ein Ermittler sucht in einer Kleinstadt nach einer Person und deckt dabei mehr Dinge auf, als ihm lieb ist. Kommt euch bekannt vor? Nicht verwunderlich, denn dies entspricht in etwa der Prämisse der TV-Serie Twin Peaks, in der FBI-Agent Dale Cooper im verschlafenen Nest Twin Peaks nach dem Mörder von Laura Palmer sucht. In Sammy Jukes: Twin Lakes sucht der namensgebende Detective im namensgebenden Örtchen nach der vermissten Tammy Taylor, einer Aktivistin von “No More Oil”. Die Mitglieder dieser Gruppe protestieren gegen den Bau einer Öl-Pipeline, was einigen Personen offenbar gegen den Strich geht. Sammy Jukes soll nun also herausfinden, was mit Tammy Taylor passiert ist und wo sie sich derzeit befindet.
Ein Haufen schräger Vögel
Wie ihr vermutlich bereits erraten habt, übernehmt ihr die Rolle von Sammy Jukes und ermittelt in Twin Lakes aus der Ich-Perspektive. (Die Spiegel in dem Ort sind offenbar alle beschlagen oder defekt, so dass ihr euch selbst im ganzen Spiel nicht zu Gesicht bekommen werdet). Dabei begegnet ihr allerlei seltsamen Gestalten. Das fängt schon beim Sheriff an, den ihr zu Beginn ein wenig ausfragen könnt, und der vor Inkompetenz nur so strotzt. Sein naiver Deputy ist da kaum besser. Mit der Zeit werdet ihr feststellen, dass so gut wie jeder Einwohner, sagen wir mal, mindestens absonderlich ist. Spätestens in den Gesprächen wird klar, dass dies Methode hat, denn alles wirkt hier äußerst “cheesy”, wie in einem Groschenroman. Twin Lakes nimmt sich also offenbar nicht ernst, obwohl es eine ernste Geschichte erzählt. Denn je länger ihr ermittelt, desto mehr unangenehme Dinge bringt ihr an den Tag.
Gut und schlecht
Spielerisch ist Twin Lakes ein zweischneidiges Schwert. Grundsätzlich macht es Spaß, durch den Ort zu ziehen, die Einwohner auszuquetschen, sich Durchsuchungsbefehle zu besorgen und die Häuser nach Beweisen zu durchwühlen. Auch kleinere Rätsel haben es ins Spiel geschafft, die aber weitestgehend trivial zu lösen sind (in der Art “Benutze Feuerlöscher mit Feuer”.) Die Geschichte ist spannend genug, um wissen zu wollen, wie es weitergeht und die schräge Atmosphäre kommt sympathisch rüber. Der Humor ist ebenso schräg, besonders in den hier und da angebrachten Plakaten und vielen Dialogen.
Aber: Im jetzigen Zustand des Spiels sind die Ermittlungstätigkeiten, nun ja, mühsam. Sehr mühsam. Das fängt bei der Übersichtskarte an: Darauf werden symbolisch die Personen dargestellt, die ihr bisher gefunden habt. Viele andere Orte und Häuser sind aber nicht beschriftet, so dass ihr euch selbst merken oder aufschreiben müsst, was sich wo befindet. Ich habe gegen Ende komplett den Überblick verloren, mir die Karte ausgedruckt und handschriftlich darauf Notizen gemacht. Noch schlimmer fand ich aber das Suchen nach Gegenständen. Ein Beispiel: Ich muss eine Autobatterie in ein Gerät einsetzen. Aber woher nehmen? Also klappere ich alle Garagen ab, den Automechaniker, sogar die Tankstelle. Und bin frustiert, dass ich noch nicht einmal die Bewohner nach dieser Batterie fragen kann. Das Ende vom Lied war: Die Batterie liegt südlichsten Ende der Karte an einem Ort, der, sagen wir mal, nicht unbedingt der logischste Ablageort für eine Batterie ist. Und es gibt noch mehr dieser Beispiele, die ich euch an dieser Stelle ersparen möchte.
Das oben erwähnte “im jetzigen Zustand” bezieht sich auf das Versprechen der Entwickler, derzeit an Komfortverbesserungen zu arbeiten. Wir bleiben gespannt.
Wuff wuff!
Dennoch mag ich das Spiel auf eine gewisse Weise. Vielleicht auch wegen der eingebauten Hilfefunktion in Form eines Schäferhundes, der euch auf Wunsch auf Schritt und Tritt begleitet, und den ihr befragen könnt, wenn ihr einmal nicht weiter wisst. Ab und zu bellt er euch an und will euch wohl etwas mitteilen. (Vielleicht, dass “Timmy in den Brunnen gefallen” ist?) In meinem Fall erwiesen sich die Hinweise des vierbeinigen Kumpels leider nicht als besonders hilfreich, aber böse konnte ihm deswegen nicht sein. Ich habe meinen Frust schließlich beim Entwickler abgelassen, der mir versichert hat, dass dieses Hilfesystem aufgrund meines Feedbacks nun stark verbessert werden soll. Es würde dem Spiel auf jeden Fall gut tun!
Technisch ist Twin Lakes offenbar auch nicht besonders optimiert, auf dem Steam Deck und auf älteren PCs ist derzeit ruckelig bis unspielbar. Es nutzt die Unreal Engine 5, sieht daher erst einmal ganz gut aus, krankt aber an vielen leeren bzw. trivialen Schauplätzen sowie wenig lebhaften Figuren. Dafür sind die Sprecher im Großen und Ganzen wirklich sehr passend und ließen mich hier und da schmunzeln. Wenn ich beispielsweise in das Büro des Sheriffs hineinplatze, höre ich das “I wasn’t sleeping!” immer wieder gerne.
Fazit
Ich könnte mich über viele Dinge in Twin Lakes ärgern. Ich weiß zum Beispiel gar nicht, wie viele uninteressante Räume ohne Interaktionsmöglichkeiten ich während meiner zehn Spielstunden besucht habe. Gefühlt die Hälfte der Zeit habe ich damit verbracht, nach Gegenständen zu suchen und durch den Ort zu laufen. Die Schnellreisepunkte an den Straßenschildern haben mir leider auch kaum Wege eingespart, nur die Markierung eines Orts, die auf der Karte ein Linie zum Ziel anzeigt, habe ich häufig genutzt. Und die Möglichkeit, möglichst schnell zu laufen. Natürlich, ich habe ja keine Zeit zu verlieren, wer weiß schon, was mit Tammy passieren könnte, wenn ich zu lange rumtrödele?
Im Endeffekt ist es wie bei Deadly Premonition, das sich auch trotz der vielen Unzulänglichkeiten eine Fanbase erarbeitet hat. Ich fand Sammy Jukes: Twin Lakes jedenfalls durchaus faszinierend. Sollten die Entwickler tatsächlich die Frustmomente aus dem Spiel rauspatchen können, würde ich mich noch mehr auf die kommenden Abenteuer von Sammy Jukes freuen. Wenn ihr dem neuen Detective und vor allem den sympathischen Entwicklern eine Chance geben möchtet, dann bringt ein paar Englischkenntnisse, ein wenig Geduld und einen halbwegs aktuellen PC mit. Ein Blick in die Demo-Version kann auf jeden Fall nicht schaden!
Und was sagt Jürgen dazu?
Meine Güte, was für eine Umgebung. Nichts an Twin Lakes wirkt einladend, wenn ich als Privatdetektiv meine ersten Erkundungen einhole. Regen, leere Straßen und ebensolche Gesichter. Solche Jobs bekommt man nur, wenn einen der eigene Chef nicht leiden kann. Doch meine Berufs-Schnüffelnase sagt mir: In diesem Kaff stimmt etwas nicht. Und ich würde wirklich gerne herausfinden, was es ist.
Dies allerdings nicht im aktuellen Zustand des Spiels. Kleines Team hin, kleines Budget her: Die Ruckelei, sobald ich mich bewege, samt diverser Darstellungsfehler vermiesen den Spaß doch beträchtlich. Dem in der Grundidee vergleichbaren Inspector Schmidt – A Bavarian Tale konnte ich ähnliche technische Anlaufschwierigkeiten besser verzeihen, weil das kleine bayerische Dorf im 17. Jahrhundert einladender wirkte als Twin Lakes mit seiner leeren Umgebung und den gleichförmigen Häusern.
Ich komme aber gerne auf einen zweiten Besuch dorthin zurück, wenn die technischen Nickeligkeiten behoben sind. Allerdings wird die Darstellung der Einwohner auch dann noch sehr statisch sein. Der Hersteller selbst spricht davon, dass die Charaktere “lebendiger denn je” wirken würden. Nun, das kann ich nicht unterschreiben. Die Bewegungen wirken ungelenk – und vor allem stehen die Menschen nur an ihrem zugewiesenen Platz und warten darauf, dass ich auf “Interaktion” drücke. Dann springt das Spiel in eine Dialog-Optik, um die Person danach übergangslos wieder in ihre Warte-Pose zu zwängen. Dass in Bädern zwar Spiegel aufgehängt wurden, diese aber milchig bleiben und kein Spiegelbild zeigen, vervollständigt das Bild.
Dass ich nur durch Gespräche einen Durchsuchungsbefehl bekommen kann (und dafür keine Beweise, Indizien oder ähnlichen Kleinkram vorlegen muss) kann ich in der Spiellogik akzeptieren – und die größtenteils gelungene Sprachausgabe macht neugierig, was hinter bisher verschlossenen Türen zu finden sein könnte. Nach bisher zwei Stunden der immer gleichen Dialog-Interaktionen überwiegt auch noch die Neugier. Eventuell gehe ich für den Einstieg auch schlicht zu gründlich vor, weil ich den ganzen Ort abklappere – belohnt wird diese Neugier nicht.
Also: Patcht dieses Spiel noch ein wenig (gerne auch ein wenig mehr) und dann schaue ich nochmal rein.
Vielen Dank für den ausführlichen Test – das Spielprinzip gefällt mir super, aber da werde ich wohl noch ein, zwei Patches abwarten. Danke auch für das Feedback an den Entwickler – ein brauchbares Hilfesystem wäre natürlich genial!