Rosewater

Das Western-Abenteuer Rosewater ist wohl eins der am meist erwarteten Indie-Abenteuer der letzten Jahre. Insgesamt hat die Entwicklung sechs Jahre gedauert – und die Wartezeit ist nun endlich vorbei.

Wenn euer Herz auch nur ein wenig für Point-and-Click-Adventures der letzten Jahre schlägt, dann seid ihr vermutlich bereits über die Spiele von Grundislav Games gestolpert. Vielleicht ist euch Ben Jordan ein Begriff (falls nicht, schaut mal hier und hier vorbei) oder auch A Golden Wake sowie Shardlight. Zuletzt hatte uns Entwickler Francisco Gonzalez in die Welt von Lamplight City entführt, und in dieser spielt auch sein neuestes Werk Rosewater, dessen Geschichte er gemeinsam mit Jess Haskins entwickelt hat. Der deutsche Publisher Application Systems Heidelberg unterstützt ihn ebenfalls wieder einmal nach Kräften und kümmerte sich unter anderem um die deutsche Übersetzung der Texte.

Harley Leger, rasende Rosewater-Reporterin

Mit der Ankunft von Harley Leger im Wild-West-Städtchen Rosewater beginnt auch das gleichnamige Spiel. Über ihre Vergangenheit redet sie nicht viel, stattdessen hofft sie auf einen Neuanfang als freiberufliche Schriftstellerin. Doch zunächst muss sie sich ihre Sporen als Reporterin für die lokale Zeitung verdienen. Ihr erster Auftrag ist es, ein Interview mit dem Showman „Gentleman Jake“ zu führen, der an diesem Tag einen Auftritt im Ort hat. Nach einigen Verwicklungen liefert sie den passenden Artikel bei ihrer Verlegerin ab und wird im Anschluss sogleich von Jake rekrutiert, um ihm bei der Suche nach dem Vermögen eines verschollenen Wissenschaftlers zu helfen. Harley wittert eine gute Geschichte, klärt es mit ihrer Zeitung und willigt ein.

Nach einigen Nachforschungen und kleineren Abenteuern geht es für die mittlerweile auf sechs Personen angewachsene Glücksritter-Truppe auf die Straße in Richtung der Großstadt El Presidio. Die Reise besteht aus unterschiedlichen Begegnungen, die alle ihre eigene kleine Geschichte erzählen. Im Laufe der Geschichte erfahrt ihr, dass es sich bei dem verschollenen Wissenschaftler um den Erfinder der „Ätherizität“ handelt – ein weiteres Mysterium, das es zu lösen gilt und das weitere interessierte Parteien auf den Plan gerufen hat. Alle Stränge laufen schließlich in El Presidio zusammen, wo ein großes Finale auf euch wartet.

Solltet ihr den Vorgänger Lamplight City gespielt haben, könnt ihr möglicherweise die eine oder andere Verbindung zu Rosewater bemerken. Im Laufe des Spiels erfahrt ihr zum Beispiel, in welcher Beziehung Harley Leger zu einem Charakter aus Lamplight City steht.

Wo sind all die Pixel hin, wo sind sie geblieben?

Wie alle Grundislav-Games-Veröffentlichungen wurde auch Rosewater mit dem Adventure Game Studio entwickelt. Eher ungewöhnlich ist, dass die Grafiken diesmal in einer für Indie-Adventures ungewohnt hohen Auflösung erstellt wurden. Und diese sind wirklich äußerst gelungen, von Pixel-Grafik kann man da schon fast nicht mehr sprechen. Den Aufwand, der hier hineingeflossen ist, merkt man nicht nur an den wunderschönen Hintergründen, sondern vor allem auch an den Figuren und deren Animationen. Francisco Gonzalez hat hier wieder einmal zum Rotoskopie-Verfahren gegriffen (also reale Personen gefilmt und dann nachgezeichnet) mit der Intention, die Bewegungen besonders natürlich wirken zu lassen. Und das tun sie auch die meiste Zeit, wobei manche Szenen ein wenig gestelzt wirken. So sah die etwa Kneipenschlägerei zu Beginn des Spiels ein wenig ungelenk aus, was aber durchaus zu verschmerzen ist, wenn man bedenkt, dass hier keine professionellen Darsteller am Werk waren.

Ganz im Gegensatz zu den äußerst professionellen englischen Sprechern, die hier eine hervorragende Arbeit gemacht haben, sowie zum tollen Soundtrack, der wunderbar zum Wild-West-Setting passt. Die Songs, die einer unserer Weggefährten auf der Reise mit seiner Gitarre zum Besten gibt, sind ebenfalls lobend hervorzuheben.

Für viele deutschsprachige Spieler dürfte es eine gute Nachricht sein, dass dem Spiel auch eine deutsche Übersetzung gegönnt wurde. Ihr könnt euch aussuchen, ob ihr die Texte auf deutsch oder englisch lesen und ob ihr dabei die englischen Stimmen hören möchtet – wobei es viel zu Schade wäre, diese abzuschalten.

Wie man in den Wald ruft, so schallt raus.

Die Maussteuerung lässt kaum Wünsche offen und unterstützt euch auf eurer gefährlichen Reise. Mit dem kontextsensitiven Mauszeiger führt ihr eure Aktionen aus. Sollte es bei einem Hotspot mehrere Aktionsmöglichkeiten geben, etwa „Ansehen“ und „Benutzen“, erscheinen diese in einem Auswahlmenü direkt am Mauszeiger. Mit der rechten Maustaste öffnet ihr das meist übersichtliche Inventar (das es ja in Lamplight City in dieser Form nicht mehr gab). Die mittlere Maustaste (oder die Taste „H“) dient als Hotspot-Anzeige. Der Doppelklick bugsiert euch hier nicht nur direkt zum nächsten Ausgang, sondern sogar zu den einzelnen Hotspots, was äußerst angenehm ist. Manche Sequenzen und Animationen, wie etwa beim Betreten von Räumen, sind allerdings nicht überspringbar.

Wie in vielen Adventures solltet ihr in den Gesprächen mit den Charakteren gut aufpassen. Meist ist die nächste Aufgabe dann klar definiert – falls nicht, findet ihr wahrscheinlich in eurem Tagebuch oder anderen Schriftstücken passende Hinweise. Rosewater ist zwar kein Detektivspiel in dem Sinne, hat aber durchaus Elemente aus diesem Genre.

Das Rätseldesign ist vielfältig und flexibel, meist gibt es verschiedene Herangehensweisen für ein und dasselbe Problem. Beispielsweise könnt ihr einfach mal eure Fäuste fliegen lassen. Oder ihr versucht, euch aus bestimmten Situationen raus zu quatschen. Oder ihr bittet eure Gefährten, die ihre eigenen speziellen Fähigkeiten haben, um Hilfe. Oder ihr gebt etwas von eurem Geld aus. Natürlich könnt ihr auch Geld dazuverdienen, je nachdem wie clever ihr euch anstellt. Aber nicht nur darüber führt das Spiel Buch, auch die Art und Weise, wie ihr euch den Mitreisenden über verhaltet, wird im Hintergrund überwacht. So entscheidet sich unter anderem, welche Mini-Episoden euch auf eurer langen Reise begegnen. Viele Situationen werdet ihr also in einem einzigen Durchgang gar nicht sehen können, was für so eine Art von Spiel äußert beachtlich ist.

Am Rande sei erwähnt, dass das eine oder andere Mini-Spiel in Rosewater gelandet ist. Viele lassen sich aber auch umgehen, falls ihr kein Freund von solchen Auflockerungen seid.

Fazit

Rosewater ist für mich das mit Abstand beste Adventure von Grundislav Games. Die Geschichte ist spannend und witzig erzählt, auch wenn manche Charakterentwicklungen vielleicht manchmal etwas unvermittelt kommen können. Das mag an der Art und Weise liegen, wie Rosewater im Hintergrund die Geschichte zusammensetzt. Ich fand es besonders beeindruckend, dass besonders die Mini-Episoden der Reise, die das Spiel fast wie die Staffel einer Western-Serie wirken lassen, teils zufällig und teils aufgrund eurer Entscheidungen zusammengestellt werden. Hier fühlte ich mich an die alten Star Trek-Adventures erinnert, in denen ja auch kleinere Episoden zu einem Gesamtspiel zusammengefügt wurden. In dem Zusammenhang ist übrigens auch schön, dass es ein New Game+ gibt, in dem ihr die Zufallsereignisse selbst auswählen könnt. Auch an Barrierefreiheits-Optionen und einen Audiokommentar wurde gedacht.

Ihr habt es schon selbst bemerkt: Rosewater ist ein echtes Highlight. Auch wenn es nicht perfekt ist, solltet ihr es euch als Adventure-Fan nicht entgehen lassen. Ihr findet es ab heute auf Steam, GOG und itch.io zum Preis von knapp unter 20 Euro.

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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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7 Comments on “Rosewater”

  1. Danke für den schnellen und ausführlichen Bericht, das liest sich ja noch besser, als ich erwartet habe. Sobald ich meine Nebenhöhlenentzündung und meinen Hexenschuss los bin, wird das direkt durchgespielt.

  2. Dicken Dank für den Text auch von mir sowie gute Genesung an meinen Vorschreiber! Lamplight City fand ich schon ganz cool, aber das klingt nach einem absoluten no brainer. Ich freu‘ mich drauf, nach The Beekeeper’s Picnic das zweite Must-Have binnen 24 Stunden! 🙂

  3. Das die Rätsel abwechslungsreich sind und man unterschiedlich lösen kann klingt nett, aber wie SCHWER sie sind habe ich nicht so 100%tig ersehen können, gibt es harte Kopfnüsse oder ist es eher ein gemütliches nebenher-knobeln?

    1. Ich fand die Rätsel nicht schwer und auch nicht trivial. Für mich war es also genau richtig. Allerdings habe ich ja erwähnt, dass man an manchen Stellen gut aufpassen oder nachlesen muss, um zu wissen, wie es weitergeht. Da gab es so 2, 3 Situationen, wo ich nicht ganz aufmerksam war und mir durch Gespräche oder Dokumente noch einmal erschließen musste, was zu tun ist.

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