
Dieser Artikel ist Teil der DKSN-Halloween-Woche 2024.
Das Abenteuer von Prim, der Tochter des personifizierten Todes, wird von vielen Adventure-Fans schon sehnsüchtig erwartet. Wir verraten euch, ob sich das Warten gelohnt hat.

Titel: | Prim |
Erscheinungsdatum: | 24.10.2024 |
Plattformen: | Windows, MacOS, Linux |
Entwickler / Herausgeber: | Common Colors / Application Systems Heidelberg |
Homepage: | https://www.prim-game.com/ |
Von der Idee zum fertigen Spiel in sechs Jahren
Die Entstehungsgeschichte des Point-and-Click-Adventures Prim beginnt im Jahr 2018, als Jonas Fisch die Idee hatte, ein Spiel über die Tochter des Todes im Stil der animierten Filme von Tim Burton zu machen. Anfang 2021 folgte die Kickstarter-Kampagne, die respektable 69.000 Euro erzielte. Ein Jahr später konnte sich das Adventure über eine staatliche Förderung von 175.000 Euro freuen. Und jetzt, pünktlich zur Halloween-Zeit und unterstützt vom Publisher Application Systems Heidelberg, erscheint endlich das fertige Spiel, welches zugleich die erste kommerzielle Veröffentlichung für das Studio Common Colors darstellt.
Die Inspirationen für Prim sind teils recht offensichtlich: Neben Tim Burton standen auch andere große Vorbilder wie Terry Pratchett in Bezug auf Story oder The Curse of Monkey Island und A Vampyre Story in Bezug auf Grafik und Stimmung Pate. Gemischt mit einer Interpretation von Elementen der griechischen Mythologie, wunderschön gezeichneter und hochauflösender Schwarz-Weiß-Comic-Grafik, fabelhaften Synchronsprechern und einem beeindruckenden Soundtrack sollte dieses Rezept doch ein äußerst wohlschmeckendes Adventure-Süppchen ergeben, oder?

Todes-Tochter wider Willen
Eigentlich ist Prim ein ganz normales Mädchen. Sie lebt bei ihrer alleinerziehenden Mutter, ohne zu wissen, wer ihr Vater ist. Mit ihrem besten Freund Tristan geht sie durch dick und dünn. Als ihre Mutter stirbt, wird sie sogar von Tristans Familie aufgenommen.
Zu Beginn des Spiels durchstöbert Prim den Dachboden ihres alten Hauses und stößt dabei auf die heißgeliebte Kamera ihrer Mutter. Doch was sie auf den Fotos sieht, kann sie kaum glauben: Offenbar hatte ihre Mutter eine innige Beziehung zum personifizierten Tod! Kaum von diesem Schock erholt, steht er auch schon leibhaftig vor ihr, stellt sich als ihr Vater vor und nimmt sie mit in sein Reich.

Das gefällt der Todes-Tochter wider Willen gar nicht, vor allem weil sie nun von ihrem besten Freund getrennt leben muss. Daher versucht sie mit allen Mitteln, wieder nach Hause zu kommen. Da sie allerdings bei jedem ihrer Fluchtversuche geschnappt wird, handelt sie sich dadurch nur Hausarrest ein. An ihrem 16. Geburtstag erfährt sie von ihrem Vater, dass sie besondere Kräfte geerbt hat und bekommt eine Mini-Sense geschenkt. Davon ist sie ebenfalls nicht begeistert. Das Geschenk ihrer Tante gefällt ihr da schon besser: Das kleine spinnenartige Tier wird ab sofort ihr treuer Begleiter und Helfer. Tristan versucht unterdessen vergeblich, die spurlos verschwundene Prim wiederzufinden. Doch soviel sei verraten: Es soll noch mindestens ein Wiedersehen geben!
Das Totenreich wird von allerlei schrägen Kreaturen bevölkert, darunter Zombiber, skelettierte Umwelt-Aktivisten, gerupfte Phönixe oder dreiköpfige Schmusehunde. Und ihr dürft euch über spaßige Gespräche mit weiteren Figuren aus der griechischen Mythologie freuen.

Moderner Klassiker
Auf den Screenshots sieht Prim schon gut aus, aber erst in Bewegung breitet sich der Zauber richtig aus. Gepaart mit einem filmhaften Soundtrack und wunderbaren deutschen Synchronsprechern ergibt das ein beeindruckendes Gesamtbild. Der Schwarz-Weiß-Stil hat mich auf den ersten Blick zwar nicht abgeholt, das war aber schon nach wenigen Minuten Spielzeit komplett verpufft. Eine englische Vertonung ist auch dabei und bietet ebenfalls starke Sprecher, wobei mir die Stimme von Prim hier etwas zu prägnant ist (ja, ein Luxusproblem).
In Bezug auf die Steuerung macht Prim ebenfalls keine Kompromisse: Ihr könnt es wie ein klassisches Point-and-Click-Adventure mit der Maus spielen oder auf ein Gamepad (bzw. das Steam Deck) zurückgreifen. Das Spiel strotzt zudem vor liebevollen Details, was sich zum Beispiel an der Hotspot-Anzeige zeigt. Diese besteht aus Glühwürmchen, die ihr zuvor eingesammelt habt und die auf Knopfdruck an die anklickbaren Stellen fliegen und diese erleuchten. Wenn ihr mit einem Controller spielt, lassen sich die Hotspots nacheinander durchschalten. Auch sonst werdet ihr mit vielen etablierten Adventure-Komfort-Funktionen verwöhnt, wie etwa das Einblenden des Inventars mit dem Mausrad, dem Doppelklick zum schnelleren Laufen oder das unverzügliche Reisen per Übersichtskarte.

Moment, Minispiele?
Beim Rätseldesign orientiert sich Prim an den Klassikern des Genres, bringt aber auch neue Ideen ein. Hier ist viel Mühe reingeflossen und die durchdachten Rätselketten greifen gut ineinander. Solltet ihr trotzdem einmal nicht weiter wissen, eilen die oben erwähnten Glühwürmchen zu Hilfe und geben euch mehrstufige Tipps oder auf Wunsch auch die Lösung zu einem Rätsel – damit ist die Frustgefahr eliminiert.

Das integrierte Kartenspiel „Sargball“ (auf englisch „Casketball“) wird manche Spieler vermutlich etwas abschrecken. Wenn ihr wirklich möchtet, könnt ihr es zwar umgehen – im Grunde genommen ist es aber auch nur eine Variante von Quartett: Die Sargball-Karten liegen überall verstreut herum, sind aber nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Da ich mit der oben erwähnten „Hotspot-Durchschalt-Funktion“ auf dem Steam Deck gespielt habe, hatte ich damit zwar keine Probleme – wenn ihr allerdings „nur“ mit der Maus spielt, müsst ihr euch (derzeit noch) auf genaues Absuchen der Spielhintergründe einstellen. Und nein, in diesem Fall hilft auch nicht die Hotspot-Anzeige. Sobald ihr acht Karten gefunden habt, könnt ihr ein Deck zusammenstellen und damit gegen die Figuren im Spiel antreten. Dann wählt ihr eine der vier Eigenschaftswerte, die sich auf den Karten befinden, aus und hofft, dass euer Gegner eine Karte mit einem entsprechend schlechteren Wert zieht. Gelingt euch das ein paar Mal, dann gewinnt ihr das Spiel und erhaltet eine neue Karte als Belohnung, die ihr auf Wunsch in euer Deck aufnehmen könnt. Sobald dieses stark genug ist, tretet ihr gegen den Endgegner an.
Weitere Minispiele beinhalten etwa die Identifizierung von Pflanzen mittels eines entsprechenden Buchs und den Zusammenbau eines schweren Geräts mit Hilfe einer Möbelhaus-typischen Anleitung. Aber ich kann Entwarnung geben: Ihr müsst keine Schiebepuzzle lösen oder irgendwelche Kisten aus dem Weg räumen.

Fazit
Ich hatte es ehrlich gesagt nicht erwartet, aber Prim ist für mich bisher das Adventure des Jahres, trotz starker Konkurrenz. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Macher das Genre lieben und diese Liebe auch in Prim gesteckt haben. Das Spiel macht aus meiner Sicht fast alles richtig. Sehr schön fand ich beispielsweise auch, kurzzeitig einmal in die Rolle von Tristan und in die von Prims Spinnen-Freund schlüpfen zu können.
Sogar die Minispiele waren aus meiner Sicht angenehm, daher kann ich die fehlende Option, diese überspringen zu können, gut verschmerzen. Mein einziger Kritikpunkt wäre daher die relativ kurze Spielzeit von etwa sechs Stunden. Wenn ihr euch etwas Zeit und die Finger von der Hilfefunktion lasst, dann vielleicht auch acht Stunden. Ich hätte jedenfalls gerne noch viel mehr Zeit mit Prim verbracht! Die Übersichtskarte der Unterwelt hatte mir offenbar mehr freischaltbare Ort suggeriert, als es dann schlussendlich waren. Aber dieser Kritikpunkt ist dann wohl doch eher ein Ritterschlag.
Wenn ihr in diesem Jahr nur ein einziges Point-and-Click-Adventure spielen möchtet, dann sollte es Prim sein! Es ist ab sofort auf Steam, GOG und itch.io für mehr als faire 19,99 Euro erhältlich. Solltet ihr euch trotz meiner Lobeshymnen noch unsicher sein, steht auch eine Demoversion zur Verfügung.
Schöner Bericht, wobei ich eine Spielzeit von 6 stunden eher Positiv sehe, das ist natürlich sehr subjektiv aber alles über 10-15 Stunden ist für mich meistens nur künstliches strecken oder allgemein mir einfach einen Tick zu lange. Nur nicht überspring bare Minispiele hm, damit muss man wohl leben
Ja, ich verstehe was du meinst. Ich mag knackige Spiele auch lieber. Dass ich mit Prim mehr Zeit verbracht hätte, ist daher eher als Kompliment gemeint.
Sehr starker Start ins Halloween-Special. Bis auf Minispiele (naja, vllt ganz nett) klingt das sehr gut. Vor allem, dass auch die Rätsel mehrstufig und gut sind (danke für die Spoilerfreiheit). Ist denn OV Englisch oder Deutsch? Habe jetzt richtig Bock drauf, nur keine Zeit. Wenn ich die mal habe (hahaha), schlage ich zu. Da helfen die (gut) 6 Stunden Spielzeit sehr, für mich ein Bonus.
Aber krass, dass da für doch recht wenig Geld so lange entwickelt wurde. Das hätte vermutlich nicht jeder durchgezogen. Spricht für das Projekt.
Ich hatte einen Kommentar gelesen, in dem Jonas Fisch beide Versionen als OV ansieht. Aber es ist ein deutsches Spiel mit tollen deutschen Texten, warum als nicht auf deutsch spielen? 🙂
Schöner Artikel zu nem Spiel, welches ich nie angerührt habe.
Der Zeichenstil ist schön, daher werde ich mir mal das genauer anschauen 😀