Dieser Artikel ist Teil der DKSN-Halloween-Woche 2024.
Von Voltaire stammt der Satz „Das Bessere ist des Guten Feind“. Womit er selbstverständlich recht hat. Dennoch gilt: „Das Schlechte bleibt besser im Gedächtnis“. So hat der Film Plan 9 aus dem Weltraum in den letzten Jahrzehnten eine steile Karriere hingelegt. War er nach seinem Erscheinen im Jahre 1957 relativ in Vergessenheit geraten, zerrten ihn die Autoren des Buchs „The Golden Turkey Awards“ 1980 wieder zurück ins Rampenlicht.
Der Film und sein Regisseur Edward Wood wurden posthum zum jeweils schlechtesten Exemplar aller Zeiten gekürt. In Folge dieses Erfolgs scharte sich eine Anhängerschaft um den Film, in den 1990ern wurde ein Betriebssystem nach ihm benannt und 1992 veröffentlichte Gremlin Graphics ein Adventure gleichen Namens: Plan 9 from Outer Space.
Die Geschichte des Films spielt allerdings im Game nur eine untergeordnete Rolle. Statt die wirre Handlung des Streifens nachzuerzählen, wurde er dem Spiel direkt auf VHS beigelegt. Heutzutage ist der Film in verschiedensten Formaten auf dem Markt erhältlich. Auf Youtube finden sich sowohl die Originalversion in schwarz-weiß als auch eine nachkolorierte Fassung.
Die Story
Ed Wood musste 1957 seinen Hauptdarsteller Bela Lugosi ersetzen, der während der Dreharbeiten verstarb. Ersatzmann war der Chiropraktiker Tom Mason, der keinerlei Ähnlichkeit mit Lugosi aufweist und deshalb seine Szenen mit vor das Gesicht gezogenem Cape spielt. Diese verzweifelte Regisseur-Entscheidung macht das Spiel zum Aufhänger seiner Geschichte. Wie es auf der Packungsrückseite heißt:
Lugosis Ersatzmann ist nach 33 Jahren immer noch verbittert über Kritiken, die seinen einzigen Film als „den schlechtesten Film aller Zeiten“ bezeichneten. Obwohl er gesichtslos geblieben ist, will er dem Kultklassiker zu neuem Ruhm verhelfen, indem er mehr Filmmaterial von sich selbst verwendet und … es koloriert. Als Privatdetektiv des Studios durchsuchst du über 70 Drehorte, findest die 6 Filmrollen und siehst dir den Film Bild für Bild an, um sicherzustellen, dass der wahnhafte Schauspieler Bela nicht aus dem Film geschnitten hat. Mit Hilfe von digitalisiertem Filmmaterial wirst Du Dich durch jede Szene arbeiten und den Film in Zeitlupe, Standbild, Schnellvorlauf und Rücklauf untersuchen. Es liegt an Dir, die ursprüngliche Schrecklichkeit des Films zu bewahren.
Das der Auftraggeber im Spiel von verlorenen Spulen seines neuen Films spricht und das ja nicht so recht zu den alten Filmspulen passen kann? Details. Prägt euch dieses Gesicht aber schon mal gut ein. Denn es wird euch im Spiel ständig aufs Neue begegnen. Auffällig ist von Anfang an der schnodderige Tonfall, den einige Figuren an den Tag legen. Ist vielleicht nicht jeder Spielers Sache, doch dadurch passen die Schreibfehler in der deutschen Fassung besser zum Spiel.
Tote haben keine Taschen
Der Beginn des Spiels bietet nur wenige Schauplätze. Es geht zuerst darum, weitere Orte freizuschalten, indem wir die entsprechenden Adressen erfahren. Dies kann durch Gespräche oder durch gefundene Hinweise geschehen – und schon sitzen wir im Taxi und fahren zum Beispiel zu Bela Lugosis ehemaligem Haus oder zu Lugosis Grab. Der Schlingel hat sich nämlich samt Hausschlüssel beerdigen lassen. Ein Glück, dass der Sarg sowieso schon offen ist und der Bewohner gepfählt wurde.
Mit besagtem Schlüssel kommen wir in das Haus des verstorbenen Schauspielers. Der große Kasten bietet innen zwar nur wenige Räumlichkeiten, doch mit der dort zu findenden Kreditkarte ist schon mal die Finanznot des Protagonisten gelindert. Denn von nun an können wir frech alles mit der ge“liehenen“ Karte zahlen. Die Welt steht uns offen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die Jagd nach den Filmrollen führt uns quer über den Globus – schon allein, weil das Inventar begrenzt ist und wir Gegenstände deshalb zwischenlagern müssen.
Was die optische Abwechslung betrifft, ist also alles in Ordnung – die musikalische Untermalung ist allerdings höchst eintönig geraten. Egal, ob Kuba, Rio oder Sydney: Die immer gleichen morbiden Töne tropfen aus den Lautsprechern. Das passt, wenn ich durch Fledermaus-Höhlen krieche oder über einen Friedhof schleiche, doch wenn die immer gleiche Melodie auch noch am Strand erklingt, wird es anstrengend.
Von Ort zu Ort kommen wir per Flieger oder innerhalb einer Location per Taxi. Wobei Letzteres lustigerweise so ziemlich das einzige im Spiel ist, das kostenlos benutzt werden kann. Für alles andere haben wir ja die TrEx-Card des Verblichenen. Der Rest des Spiels steuert sich über das Verben-Menü im unteren rechten Bildschirm-Eck. Überhaupt sind die hübsch gestalteten Grafiken recht klein gehalten, während der durchaus schön gestaltete Rand ansonsten als schmuckloses Inventar und für die eingeblendeten Dialoge oder Rückmeldungen verwendet wird.
Besagte Verben führen uns fast schon zwangsläufig durch das Spiel. In den Bildern gibt es meist relativ wenige Hotspots, die schnell abgeklappert sind. Allerdings ist es auch möglich, sich mit einer falsch gewählten Dialog-Option ins Aus zu katapultieren. Wer wie ich den Südstaaten-Verkäufer falsch anspricht, kann sich den Kauf der verlockend präsentierten Sense abschminken. Da hilft kein Geld, keine TrEx-Karte und kein Rein-Raus in der Location: Von nun an werde ich ignoriert. Überhaupt scheinen die meisten Personen, mit denen wir interagieren können, einige Schwierigkeiten mit ihrer Psyche zu haben:
Filmrollen
Neben allerlei mehr oder weniger lustigen Gesprächen und einigen Rätseleien sind die gestohlenen Filmrollen natürlich die Karotte vor der Spielernase. Finden wir eine dieser Rollen, können wir sie an verschiedenen Orten anschauen und verpixelte Szenen aus dem originalen Film bewundern. Natürlich ist die Qualität im Vergleich zu der VHS-Cassette bescheiden, doch lustig ist das schon. Ebenfalls lustig ist – wie oben schon erwähnt – dass uns immer wieder die gleichen Personen in unterschiedlicher Verkleidung begegnen. Die männlichen Protagonisten sehen alle aus wie der Wrestler Tor Johnson, die Frauen stellen alle Abbilder von Vampira dar. Selbst die Taxifahrer haben einfach nur andere Hüte auf, wenn wir zum Beispiel in Australien ins Gefährt steigen. Alle Frauen haben die gleichen geschwungenen Augenbrauen und den stechenden Blick, während alle Männer gut genährt sind und gerne Glatze oder offensichtlich Toupet tragen.
Der Original-Regisseur Ed Wood selbst hat eine kleine Nebenrolle im Spiel. Als „seltsame weibliche Gestalt“ (die Beschreibung stammt aus dem Spiel, nicht von mir) treffen wir ihn ziemlich zu Beginn des Spiels in einer Bar. Das dürfte eine Anspielung auf seinen Film Glen or Glenda sein, der 1953 die Themen „Geschlechtsangleichende Operationen“ und „Transvestiten“ aufgriff. Wie auch Plan 9 from Outer Space gilt der Film als nicht besonders gelungen, doch hat Glen or Glenda mittlerweile ebenfalls eine kleine Fangemeinde um sich geschart. Die Hauptrolle spielte Ed Wood, der selbst gerne Frauenkleider trug, persönlich. Mehr als ein kleiner Cameo im Spiel ist seiner Figur allerdings nicht vergönnt. Doch immerhin gibt sie uns die erste Adresse für die Taxifahrten.
Ein wenig überraschend nimmt das Spiel im späteren Verlauf eine Kurve und nähert sich der Filmvorlage ein klein wenig an. Mehr werde ich nicht verraten. Allerdings scheinen die Bauarbeiter neben dem Filmstudio recht zu haben:
Humoriger Grusel
Zeit für ein Fazit. Das Adventure ist überraschend abwechslungsreich und humorig. Die Präsentation (bis auf die stimmungsvoll-eintönige Musikschleife) weiß zu gefallen und die Reise um die Welt ist zwar nicht besonders logisch, aber dennoch lustig. Die Rätsel verdienen diesen Namen in den wenigsten Fällen. Mit ein wenig Ausprobiererei ist eigentlich alles lösbar – von schlampiger Programmierung und damit verbundenen Sackgassen mal abgesehen. Allerdings sind im späteren Spielverlauf die Wege vergleichsweise lang. Wer wegen eines Gegenstands durch die halbe Welt jetten muss, wird Flughäfen und Taxis eine Weile lang nicht mehr sehen wollen. Der werte Leser, der mehr Ahnung von Horror- und Gruselfilmen als ich hat, wird vermutlich noch mehr Spaß als ich an Plan 9 from Outer Space haben. Ich jedenfalls habe den Ausflug in die Filmwelt nicht bereut.
Habe das Spiel eigentlich gemocht. Wann bekommt man schon mal kostenlos einen Film zum Spiel? Oder andersrum? Die Grafik fand ich ebenfalls gelungen. Alles wirkte einen seltsamen Charme auf mich aus. Leider bin ich beim Spiel nie bis zum Ende gekommen. Leider beim Film schon. 😉
Ich war damals sehr fasziniert von Plan 9, das ich auf dem Amiga gespielt hatte. Die beiliegende VHS-Kassette musste ich natürlich auch einmal sehen, das hatte dann aber auch gereicht. Bin mir aber nicht sicher, ob das wirklich der schlechteste Film war, den ich je gesehen habe.
Erstmal hatte ich nicht die leiseste Ahnung, daß es dieses Spiel gibt. Und so bisher siehts echt nach Spaß aus.
Ich hab den Ed Wood Film nie gesehen, dafür die Verfilmung mit Johnny Depp, die ich sehr sehr klasse fand. Die war auch sehr schön humorig. Hatte seinen Charme 😀
Genau wie dieser Artikel hier 🙂