Noch ein paar Lieblings-Soundtracks

Videospielmusik ist wie Filmmusik: Sie wird gerne vergessen, wenn mal wieder die neuesten Spiele gelobt werden, weil die Grafik ja ach so bombastisch ist. Sie fällt oft erst auf, wenn sie plötzlich fehlt. Und wenn eine Szene vom genau richtigen Stück untermalt wird, dann vergisst man das nie.

Schon vor ein paar Jahren habe ich einige meiner liebsten Soundtracks in einem kurzen Artikel versammelt, aber natürlich gibt es noch so viel mehr zu entdecken. Sei es, weil ich über andere Artikel an tolle Musik erinnert wurde, sei es wegen Neuentdeckungen. Vielleicht ist auch für euch die ein oder andere Überraschung dabei.

Pepper’s Adventures in Time

Sierra On-Line hat im Laufe der langen Adventure-Geschichte einige bekannte Melodien in ihren Soundtracks abgeliefert. Das Thema von Leisure Suit Larry, das Al Lowe in dieser Form niemals veröffentlicht hätte, wäre ihm die Langlebigkeit der Serie vorher bewusst gewesen. Girl in the tower aus King’s Quest VI – ein romantisch-kitschiges Lied, das ehrlich gesagt nicht so recht an mich geht. Aber Sierra war damals so stolz darauf, dass sie das Lied an diverse Radio-Stationen sendeten. Die Flyer-in-der-Box-Kampagne, mit der Spieler sich den Song bei den jeweiligen Stationen wünschen sollten, war allerdings ein Reinfall. Das Thema aus Space Quest, der ganze Soundtrack von Gabriel Knight: Sins of the Fathers. Hach!

Und dann gibt es da noch die kleinen Blüten, die abseits der Wege am Waldrand stehen und deshalb gerne übersehen werden. Pepper’s Adventures in Time hat einen solchen Soundtrack. Das Lern-Adventure mit Zeitreise-Elementen erschien 1993 in der Sierra Discovery Series und war hierzulande kein großer Erfolg – vielleicht, weil es keine deutsche Version gab. Vermutlich lag es auch am Thema: Die amerikanische Unabhängigkeit treibt den hiesigen Käufer ja auch bei Day of the Tentacle nicht in die Geschäfte. Aber auch ohne Spielkenntnisse ist der Soundtrack ein Genuss! Neil Grandstaff hat viele kleine Melodien geschaffen, die wunderbar ins Ohr gehen und gleichzeitig (soweit es die Soundchips zulassen) die Atmosphäre rund um 1776 aufleben lassen.

Der Soundtrack war bis vor kurzem nirgendwo erhältlich. Doch dank der unermüdlichen Arbeit von Andrew Harrington samt seines Labels Xeen Music könnt ihr die Musik nun über Bandcamp erwerben oder über die bekannten Streaming-Dienste hören. Als Anspieltipps eignen sich “General Lee stuffed the Glutton” oder auch “Uncle Fred in the Attic”.

A Pirate’s Life for me!

Assassin’s Creed Black Flag

Der Titel ist eigentlich geschummelt. Denn so gut ich die Musik der Assassin’s Creed-Reihe insgesamt finde, so wenig geht es mir bei Black Flag um die orchestralen Stücke. Aber der Reihe nach: Als Fan der AC-Spiele hatte ich mir auf den neuesten Ableger Black Flag geholt. Das gute alte Assassinen-Setting gemischt mit Piraten? Das konnte ja nur gut werden! Nun, sagen wir so: Das Spiel hat Höhen und Tiefen – und ganz weit unten im Wellental ist ausgerechnet meine Spielfigur, Edward Kenway. Dieser Möchtegern-Groß wandelt als Egoist erster Kajüte durchs Leben und ignoriert die Bedürfnisse aller anderen Menschen im Spiel. Wäre da nicht die wunderbare Spielwelt hätte ich den Titel wahrscheinlich schnell zu den Akten gelegt. Aber dann hätte ich eine der größten akustischen Neuerungen des Spiels verpasst: Die Shanties. Ja, ich weiß: Die waren auch schon in AC Rogue drin, aber dieses Spiel habe ich erst Jahre später nachgekauft. Also: Für mich war das ein neues Feature.

Black Flag und Rogue führten die Assassin’s Creed-Reihe erstmals im großen Stile auf das weite Meer. Damit einhergehend gab es natürlich neue Möglichkeiten der Spielzeitstreckung, weil wir unseren Kahn immer weiter aufrüsten können und müssen. Aber vor allem sorgt die Schifffahrt bei mir für gute Laune: Meine Crew stimmt regelmäßig ein neues Liedchen an. Randy Dandy Oh. Leave her Johnny. Running down to Cuba. Herrlich! Einziger Wermutstropfen: Ich muss die Lieder erst freischalten. Dazu sammelt Edward Notenblätter ein, die meist an recht unzugänglichen Stellen in der Spielwelt schweben und davonfliegen, wenn er sich ihnen nähert. Dann heißt es schnell sein – oder an der ursprünglichen Stelle zu warten, bis das Blatt wieder auftaucht. Wer sich wundert: The Wellerman ist nicht im Spiel – und das ist absolut korrekt, weil das Lied erst um 1860/70 herum entstanden ist, Black Flag aber zwischen 1713 und 1722 spielt. Mal davon abgesehen, dass das Stück erst Jahre nach dem Spiel plötzlich bekannt geworden ist. Aber die 34 Stücke, die es ins Spiel geschafft haben, sollten erst einmal reichen. Die Crew wird übrigens von gerade einmal vier Sängern dargestellt, die mehrere Takes übereinander geschichtet haben. Ein Anspieltipp verbietet sich, weil ich einfach jedes einzelne Lied mag.

Bubble Bobble

Jaaaa, ich weiß. “Soundtrack?” ruft ihr – und ihr ruft es zurecht. Denn das Thema des Plattformers Bubble Bobble ist gerade mal um die 40 bis 50 Sekunden lang, bevor es in einer endlosen Schleife wieder und wieder abgespielt wird. Ich konnte aber im Selbstversuch vor ein paar Monaten wieder einmal feststellen, dass diese wenigen Töne eine ganz besondere Eigenschaft haben: Sie nerven selbst nach Stunden nicht! Während wir im Idealfall zu zweit mit unseren beiden Drachen Obst aufsammeln und Gegnern ausweichen, kann es zwar mal zu Flüchen oder hämischen Kommentaren kommen – aber alle paar Minuten fängt wieder einer vor dem Bildschirm an, mitzusummen. Dii-dii-dii-dim-di-di-dim…

Civilization IV

Civ-Spiele sind darauf ausgelegt, lange gespielt zu werden. Wer aus kleinen Anfängen ein großes Reich errichten möchte, ist sehr lange an den Monitor gefesselt. Schon allein wegen der berühmten „Nur noch ein Zug“-Problematik, die jeder Civilization-Spieler kennt. Falls ihr nicht dazugehört, kann euch diese Kurz-Dokumentation davor bewahren, jemals abhängig zu werden. Alle anderen Leser sind sowieso verloren und wissen genau, wie gut Musik sein muss, um über hunderte von Spielzeit-Stunden nicht zu nerven.

Die Stücke sind den einzelnen Epochen zugeordnet, durch die unsere Zivilisation auf dem Weg durch die Jahrhunderte geht. Und natürlich gibt es musikalische Themen, die den jeweiligen Herrschern zugeordnet sind. Dominieren in der Frühzeit noch Trommeln und Flöten, werden später auch klassische und barocke Werke eingespielt. Wer möchte, kann sich Allegris „Miserere“ über zehn Minuten lang anhören. Und ich als Freund der Musik von Johann Sebastian Bach kann mich auch nicht beklagen. Die Neuzeit wird hauptsächlich von John Adams untermalt, was auch immer eine gute Wahl ist. Bei den Anführern ist mir nicht so ganz klar, nach welchem Prinzip die Musik zugeordnet ist. So ist Cäsars Musik martialischer als die von Bismarck, der musikalisch geradezu als Schöngeist daherkommt. Roosevelt dagegen wird richtig Klischee-amerikanisch untermalt. Herrlich!

Heutzutage ist Civ IV vor allem für den in Swahili geschriebenen Titelsong Baba Yetu bekannt. Geschrieben wurde er von Christopher Tin – und er gewann 2011 als erster Song, der für ein Computerspiel komponiert wurde, einen Grammy in der Kategorie „Bestes Instrumentalarrangement mit Gesangsbegleitung“. Das ist natürlich ein wunderbarer Erfolg und sei dem Stück auch gegönnt, aber es überlagert in der kollektiven Erinnerung die wundervolle Zusammenstellung klassischer Stücke und neu komponierter Musik, die Civilization IV für mich so perfekt untermalt.

Diablo / Diablo 2

Die Musik der ersten beiden Diablo-Teile hat sich fest in meine Hirnwindungen gebrannt. Und das, obwohl ich keine der Melodien nachpfeifen könnte. Denn hier hört nicht mein Hirn mit oder mein Herz. Das hier geht direkt in die Magengrube. Wenn die 12-saitige Gitarre das Tristram-Thema anstimmt, die arabisch angehauchte Percussion die Wüste mit Leben erfüllt oder der chinesische Windgong durch “Toru” schallt: Auch nach so vielen Jahren ist Gänsehaut garantiert. Was Matt Uelmen hier so meisterlich schafft: Seine Musik legt einen Teppich unter das Spiel – verkommt aber nie zu reiner Hintergrund-Beschallung. Es sind immer Melodien, nie einfach nur langgezogene tiefe Töne, die vor sich hin wabern.

Wer sich ein wenig mehr mit der Musik Von Diablo 2 beschäftigen möchte, findet auf PureDiablo.com die Liner Notes, die Matt Uelmen zur Veröffentlichung des Spiels bei dem jeweiligen Track der Woche eingestellt hatte. Darunter finden sich auch einige Outtake-Stücke, die ebenfalls auf PureDiablo als Download verfügbar sind. Mir gefällt vor allem die Beschreibung des Stücks „Mephisto“ sehr gut:

I originally began this one thinking that it would be the tune for the showdown with Mephisto underneath Kurast, but realized midway through that I actually had the town music for Act IV. Almost everything in my more electronic bag-of-tricks makes an appearance here, with the starring role definitely going to the nasty old monophonic Korg micropreset. I had promised myself throughout the writing of these tunes that I would get some sweeping electronic stuff into the game once the player left behind the silly mortal realm.

The real reason the name stuck is because of a melody directly lifted from Franz Liszt’s Mephisto Waltz, a piano piece which one day I will be able to actually play. Though I liked the way the town in Act IV looked, I was a bit dissapointed that we did not do something colder, and more mechanical- looking, for Hell. Of course, I am one of those sick individuals that likes to destroy genres more than anything else. Lasers in hell… HELL NEEDS LASERS!!

Und schon ist die Artikel-Zeit wieder vorbei. Es war mir ein Vergnügen, mich durch viele Stunden Musik zu hören. Denn diese Artikel entstehen immer auf die gleiche Art und Weise: „Ach, ich hör zur Auffrischung nur kurz nochmal rein“. Stunden später ist meine ursprüngliche Soundtrack-Idee von drei anderen Spielen aus dem Rennen gekegelt worden und wieder ein paar Stunden später… Nun, ihr versteht das System. Was bleibt, ist gute Musik. Oder um es mit Deckard Cain zu sagen “Stay awhile and listen”.

 

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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11 Comments on “Noch ein paar Lieblings-Soundtracks”

  1. Als jemand, der auch mal beim Spielen die Musik abschaltet, habe ich den Artikel natürlich kritisch gelesen. Deine Verehrung für Pepper erschließt sich mir immer noch nicht, aber zumindest erweckt der Soundtrack alte Erinnerungen an typische PC-Klänge von damals(TM). Die Musik von Bubble Bobble hingegen ist tatsächlich ikonisch und verbessert das Spielerlebniss deutlich. Auch Diablo kann ich noch nachvollziehen, da die Atmosphäre dadurch stark geprägt wird. Zu AC kann ich nichts sagen, außer dass mir von keinem Teil irgendein Musikstück hängengeblieben ist. Und für Civ gilt natürlich: Schnellstens das Gedudel im Spiel abstellen und in Ruhe oder mit eigener Musik die Schritte zur Weltherrschaft einleiten. Nur noch eine Runde!

  2. Musik schalte ich in Spielen meistens gleich aus, weil mich die Loops nach dem dritten Mal nerven. Komischerweise sind viele meiner CDs von Spielesoundtracks.
    Danke für deine Empfehlungen, die ich mir auf jeden Fall reinziehen werde. 🙂

      1. It’s not you, it’s me. 😉
        Es gibt ganz fantastische Spielemusik, keine Frage. Wie geschrieben, ich habe viele CDs damit, aber der Kampfmusiken bei JRPGs z.B. kann ich schnell überdrüssig werden. Oder Puzzle-Games. Uiuiui.

  3. Das Groß der Videospiel-Musik klingt lausig.

    Schwache Kompositionen entlarven sich gerne, wenn sie orchestral neu interpretiert und dabei der ihnen eigenen Klangcharakteristik der Hardware – Teil ihres Zaubers – beraubt werden. Vieles was in Videospiel-Musik-Listen zu finden ist, ist hochgradig grauenvoll und demonstriert musikalischen Analphabetismus – woher soll’s auch kommen, wenn die Leute sonst auch keine ‚echte‘ gute Musik hören bzw. selbst machen.

    Ein Soundtrack mit drei guten Liedern ist schon ziemlich gelungen. Fand man was Gutes, kann man’s teils auch in anderen Spielen verwenden.

    Cheesy Japanese: Tragedy Flame, All or Nothing, Depression / Raiden II (YM2151, OKIM6295)

  4. Wertete ich die Musik des Artikels, könnte ich die Nennung von Bubble Bobble positiv hervorheben und Ausgesuchtes von Ulmen wie Tristram – seine Musik wirkte primär in den Spielen, nicht außerhalb davon. Filmmusik, Instrumental, teilt oft ein ähnliches Schicksal: ohne Film klingt sie leer(er), ist nichts, was man sonst hört. Ausnahmen …

    Muzak: What’s the Worst That Could Happen? / Trent Reznor & Atticus Ross

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