Nobody Wants To Die

Überzeugt das frisch erschienene Science-Fiction-Film-Noir-Detektivspiel nur mit schicker Optik oder auch mit einer ausgeklügelten Geschichte?

Bis vor kurzem lief Nobody Wants To Die aus dem Hause Critical Hit Games noch vollständig unter meinem Radar. Doch dies ist nun vorbei: Ich habe mir das Debüt des polnischen Studios für euch auf der Playstation 5 angesehen und werde euch in dieser Spiele-Besprechung verraten, was euch hier erwartet.

Ein Menschheitstraum wird zur Dystopie

Im Jahr 2329 ist die Menschheit der Unsterblichkeit ein großes Stück näher gekommen. Das Bewusstsein einer Person wird in Gedächtnisdatenbanken gesichert und kann beim Ableben des Besitzers in eine neue „Hülle“ transferiert werden. Doch die Hüllen bleiben Eigentum des Staates, der für die Nutzung hohe Gebühren berechnet. Eine dieser Hüllen wird von euch gesteuert. Darin steckt das Bewusstsein des ehemaligen Baseball-Profis und jetzigem New Yorker Detective James Karra, der nach einem „Vorfall“ in Verbindung mit einem Zugunglück derzeit eine Zwangspause auferlegt bekommen hat.

Als euch euer Vorgesetzter kontaktiert, um euch mit einer einfachen Mission in den Dienst zurückzuholen, seid ihr zunächst hoch erfreut. Dass er euch allerdings eine „Aufpasserin“ zur Seite stellt, löst bei euch keine Begeisterungsstürme aus. Sie stellt sich als Sara vor und begleitet euch fortan „virtuell“ als eure Stimme im Ohr. Durch eure Bodycam kann sie sehen und hören, was ihr seht und hört, und soll euch bei eurer Mission unterstützen sowie verhindern, dass ihr etwas Dummes tut.

Doch die vermeintliche Routine-Mission entpuppt sich als Beginn einer Morduntersuchung, die euch auf die Spur eines Serienkillers führt und zudem auf eine großangelegte Verschwörung aufmerksam macht. Dummerweise möchte euer Chief von der ganzen Sache nichts wissen, so dass ihr (zusammen mit Sara) unerwarteterweise auf euch allein gestellt seid.

Gut geklaut ist halb gewonnen

Die Prämisse kommt euch vielleicht bekannt vor, denn hier haben sich Macher großzügig beim Buch Das Unsterblichkeitsprogramm von Richard Morgan bzw. der Serien-Adaption Altered Carbon bedient. Das Spiel erfindet dafür den Stoff „Ichorit“, mit dem der Transfer des Bewusstseins ermöglicht wird. Dargestellt wird das Ichorit als ein Gewächs aus bläulich leuchtenden Linien.

Als zusätzlichen Dreh mischen Critical Hit Games die dystopische Zukunft mit einem Film-Noir-Setting und verweben die beiden Szenarien zu etwas Neuem. So sehen die schwebenden Autos hier nicht etwa wie futuristische Vehikel aus, sie erinnern eher an fliegende Oldtimer.

Der Protagonist könnte direkt aus einer Ahnenlinie von bekannten Film-Noir-Detectives wie Philip Marlowe stammen, mit dem Unterschied, dass er im Spiel bereits 120 Jahre alt ist. Seine innerliche Zerrissenheit wird noch von „Synchronisationsproblemen“ mit seiner qualitativ minderwertigen Hülle verstärkt, die sich durch Halluzinationen, Schwindelanfälle und ähnlichem äußern. Zu allem Überfluss trauert er auch noch stark seiner toten Frau hinterher, die er immer wieder vor seinem geistigen Auge sieht. Da passt auch ins Bild, dass er seine Hülle entgegen den Anweisungen des Staates, dem sie offiziell noch gehört, mit Zigaretten und exzessivem Alkoholkonsum malträtiert.

Optisch und in der Behandlung von philosophischen Themen erinnert das Werk auch stark an Blade Runner. Doch mich stören all diese Anleihen nicht, diese Mischung wirkt auf mich immer noch unverbraucht genug, um interessant zu bleiben.

Inspektor Gadget muss sich entscheiden

Auf den ersten Blick stehen euch eine Menge Hilfsmittel für eure Ermittlungen zur Verfügung. Das interessanteste Gadget, das Detective Karra bei sich trägt, dürfte wohl der „Rekonstruktor“ sein, mit dem ihr den Tathergang untersuchen und dabei die Zeit vor- und zurücklaufen lassen könnt. Dabei werdet ihr weitere Spuren entdecken, die ihr etwa mit einem Röntgengerät oder einer UV-Lampe näher untersuchen könnt. Nachdem ihr alle Hinweise an einem Ort gesammelt habt, werdet ihr diese (zunächst in eurer Wohnung, später auch woanders) zusammentragen und (ähnlich wie in den Sherlock Holmes-Spielen von Frogware Games) versuchen, Schlüsse aus ihnen zu ziehen.

Auf den zweiten Blick entpuppt sich dies alles allerdings als wenig herausfordernd. Fehler könnt ihr keine machen, hier legt das Spiel also ganz klar den Fokus auf die Atmosphäre und die Geschichte. Damit will ich nicht sagen, dass dies keinen Spaß machen kann – ihr solltet nur wissen, worauf ihr euch hier einlasst.

Außerdem führt ihr Gespräche, meistens mit Sara, in denen ihr mit dem Steuerkreuz zwischen verschiedenen Antwortmöglichkeiten wählen. An bestimmten Stellen müsst ihr auch Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Geschichte und eins der Enden haben kann. Leider verfügt das Spiel nur über einen Spielstand und keine Kapitelwahl, so dass ihr es mehrfach spielen müsstet, um alle Enden sehen zu können (falls ihr keine Kopie des Spielstands anlegt).

Eine Augenweide und ein Ohrenschmaus

Das Spiel verwendet die Unreal Engine 5 und sieht damit verdammt gut aus, sowohl in den Außenaufnahmen als auch in den Gebäuden. Auf der Playstation 5 lief das Spiel nahezu ruckelfrei, nur einige wenige Male konnte ich leichte Ruckler feststellen. Die wunderbare Film-Noir-Saxophon-Musik-Untermalung steigert diesen guten Eindruck noch weiter. Die Stimmung, die das Spiel damit erzeugt, zieht euch tief in das dystopische New York hinein, mit all seinen Lichtern in der Dunkelheit und seinen heruntergekommenen Zukunftstechnologien.

Hinzu kommen noch tadellose englische Sprecher, allen voran die von Karra und Sara, denen ich im gesamten Spiel immer gerne zugehört habe – was auch an den toll geschriebenen Dialogen lag. Sollte euch die englische Vertonung nicht ausreichen, könnt ihr noch deutsche Texte hinzuschalten.

Auch die Ego-Perspektive trägt dazu bei, dass ihr euch schnell in die Rolle von Detective Karra einfühlen könnt. Die Gamepad-Steuerung geht leicht von der Hand, viele Funktionen werden allerdings auch nicht benötigt. Wie in Story-Adventures aus der Ego-Perspektive üblich, könnt ihr gefundene Gegenstände in die Hand nehmen, aus sämtlichen Perspektiven ansehen und manchmal auch mit ihnen interagieren. Ob ihr bestimmte Gegenstände mitnehmt oder nicht, kann ebenfalls einen Einfluss auf die Geschichte haben.

Fazit

Nach sechs Spielstunden hatte ich das gute Ende erreicht und war damit auch vollkommen zufrieden. Ob ich das Spiel jetzt noch einmal anfasse, weiß ich noch nicht. Ich bereue allerdings keine Sekunde, die ich mit Nobody Wants To Die verbracht habe. Spielerisch wurde ich zwar nicht herausgefordert – das Erlebnis, das mir diese interaktive Erzählung geboten hat, hat mich dennoch so gefesselt, dass ich das gesamte Spiel in einem Rutsch durchgespielt habe.

Lasst euch Nobody Wants To Die nicht entgehen, wenn ihr eine gute Detektivgeschichte in dem beschriebenen Setting erleben möchtet, und wenn ihr kein Problem damit habt, dass das Gameplay euch nicht fordern wird. Lasst euch darauf ein und ihr werdet sechs spannende Stunden im New York des Jahres 2329 erleben können!

Nobody Wants To Die ist für Windows, Playstation 5 und Xbox Series X|S erschienen und kostet im Normalpreis faire 24,99 Euro. Weitere Eindrücke findet ihr in der folgenden kleinen Galerie sowie im passenden Launch Trailer.

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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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3 Comments on “Nobody Wants To Die”

  1. Detektivspiele sind eigentlich nicht so meins, aber das klingt fast nach einen Walking-Simulator und das Setting ist natürlich sehr stimmig. Ich setze es mal auf die Wishlist. Danke für den Test!

  2. Das Spiel ist absolute Klasse, ich wollte es erst nicht kaufen, aber dann habe ich mir ein paar Videos angesehen, ja es ist äußerst linear, und man hat nicht so wirklich viel zu tun, die knapp 5,5 Stunden, die ich gebraucht habe, waren aber genau richtig. Das Spiel war spannend und unterhaltsam von der ersten bis zur letzten Minute. Die Dystopie ist perfekt eingefangen und es atmet „Blade Runner“ aus allen Pixeln.
    Ich kann das auch allen nur empfehlen.

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