Nachgeholt: Mass Effect Legendary Edition

Ich brauchte mal eine kleine Pause vom üblichen Schreiben für DKSN. Einfach mal ein paar Batterien auftanken und einfach nur spielen, ohne einen Artikel im Kopf zu haben. Und normalerweise war das auch mein Anspruch, als ich die Mass Effect Legendary Edition – also die Neuveröffentlichung der „Shepard-Trilogie“ – nachgeholt hatte. Aber ein paar interessante Gedanken spuken mir dann doch in meinem Kopf herum, sodass ich zumindest einen „Nachgeholt“-Artikel verfassen möchte. Vielleicht etwas weniger polarisierend als mein „Nachgeholt“ zu Monkey Island.

Ich habe es, denke ich, schon das eine oder andere Mal gesagt, dass ich ein großer Fan von Space Operas bin: Babylon 5, Farscape, The Orville, Star Trek (der Kanon bis einschließlich Enterprise, alles andere danach existiert nicht), For All Mankind, Space: 1999, Battlestar Galactica – um nur die bekannten Serien zu nennen, die ich in meinem Leben mehrfach geschaut habe und bis heute liebe. Im Spielebereich gelten bis heute die ersten drei Mass Effect-Spiele als die Titel, die bisher im Medium am nächsten an das Space-Opera-Genre herangekommen sind. Und auch wenn die Spiele massive Gameplay-Probleme haben, kann ich nun nachvollziehen, woher diese Liebe und der Kultstatus für diese Trilogie stammen. Aber alles der Reihe nach.

Natürlich habe ich den weiblichen Shepard gespielt

2007 erschien der erste Teil der Trilogie, und was sie bis heute einzigartig macht, ist die Tatsache, dass man zwei unterschiedliche Charaktere wählen kann: einen männlichen Commander Shepard und eine weibliche Version. Beide haben natürlich eigene Synchronstimmen, unterschiedliche Animationen, und auch die Spielwelt reagiert hier und da unterschiedlich, je nachdem, ob man die männliche oder die weibliche Version spielt. Für das Jahr 2007 durchaus bemerkenswert. Ich habe mich für meinen Durchgang für die weibliche Shepard entschieden. Sie ist für mich einfach sympathischer als die männliche Figur, die wie ein Abziehbild vieler männlicher Spielehelden jener Zeit wirkt.

Die Geschichte der Trilogie lässt sich folgendermaßen grob zusammenfassen: Im 22. Jahrhundert leben in der Milchstraße verschiedene Spezies zusammen – sie führen Kriege miteinander, es gibt Verbündete, andere Spezies bevorzugen es, nicht an den politischen Scharmützeln teilzunehmen. Es gehört zum Spielspaß dazu, die Geschichten über Kultur und Geschichte der Asari, der Kroganer oder auch der Turianer erzählt zu bekommen – vielfach in optionalen Dialogen mit der eigenen Crew oder in Texten, die überall verstreut sind. Wirtschaftlicher und politischer Mittelpunkt ist die Citadel, eine riesige Raumstation, die von den längst ausgestorbenen Proteanern erbaut wurde. Dort gibt es den Citadel-Rat, in den die Menschen als jüngste politische Kraft zunächst versuchen, Mitglied zu werden.

Als Commander Shepard am Anfang die Möglichkeit bekommt, die erste menschliche Spectre – eine Abteilung für Agenten – zu werden, besteht der erste Teil der Reihe vor allem darin, den abtrünnigen Spectre Saren durch die Galaxie zu verfolgen. Dieser wurde durch die Reaper indoktriniert – eine alte Maschinenrasse, die vor Jahrtausenden bereits die Proteaner und weitere Spezies ausgelöscht hat und nun dasselbe mit den jetzigen Spezies vorhat. Während der erste Teil vor allem der Vorstellung des Universums dient, werden die Geschichten im zweiten Teil intensiver, bis sich im dritten Teil alles um den Krieg gegen die Reaper und Cerberus, eine ursprünglich radikale, alienfeindliche Gruppierung, dreht.

Es ist nicht das Gameplay, weswegen ich Mass Effect gespielt habe

Sehr viel mehr möchte ich auf die Grundstory gar nicht eingehen, da diese das Highlight der Trilogie ist und der einzige Grund, diese Spiele überhaupt zu spielen. Es würde an dieser Stelle aber auch den Rahmen sprengen, auf die vielen kleinen und größeren Geschichten einzugehen.

Das Gameplay ist in allen drei Spielen bestenfalls unteres Mittelfeld. Alle drei eint, dass es sogenannte Deckungsshooter sind. Die Aufgabe besteht häufig also darin, sich hinter Barrikaden und Wänden zu verstecken und gegen die Gegner der jeweiligen Mission zu schießen. Und das alles in mal mehr und mal weniger viel zu langen Schlauchlevels. Insbesondere der zweite Teil übertreibt es meiner Ansicht nach mit viel zu langen Levels. Zum Glück gibt es in der Legendary Edition verschiedene Schwierigkeitsstufen, sodass ihr die Spiele auch spielen könnt, wenn ihr nicht sonderlich gut in Shootern seid. Zudem wählt ihr für jede Mission zwei weitere Gruppenmitglieder aus, die euch tatsächlich gut unterstützen.

Während es im ersten Teil noch ein größeres Rollenspielsystem gibt, wurde dieses in den zwei weiteren Teilen stark eingedampft. Dafür gibt es im zweiten Teil öde Hacking-Minispiele oder noch öderes Ressourcensammeln. Im dritten Teil hat man dann – zum Glück – auch darauf verzichtet.

Was die Spiele so besonders macht, sind eben die zahlreichen Sequenzen während und zwischen den Levels, die vielen Gespräche mit eurer Crew und die zahlreichen großen und kleinen Entscheidungen, welche über alle drei Spiele Bestand haben (sofern ihr einen Teil abschließt und den Spielstand in das nächste Spiel importiert). So ist es beispielsweise möglich, im ersten Teil zentrale Figuren zu töten, die dann natürlich in den nächsten Teilen nicht mehr vorkommen. Wenn man sie dagegen am Leben lässt, verändert sich die Geschichte in den nachfolgenden Spielen teils fundamental. Auch gibt es ein Moralsystem – wobei die Werte für gute und schlechte Optionen voneinander getrennt sind. Es verhagelt also nicht den jeweils anderen Wert, wenn man sich mal für eine böse Aktion entscheidet, obwohl man eigentlich eine gute und gerechte Führungsfigur spielt.

Und so entwickelt ihr über die drei Spiele quasi euren eigenen Shepard, mit eigenen Entscheidungen und Ansichten, die über die drei Spiele weitergesponnen werden. Was dazu führt, dass sich die unterschiedlichen Spielverläufe zum Teil erheblich ändern können. Klar, die Hauptgeschichte bleibt gleich, aber wer zum Beispiel im dritten Teil eurer Crew angehört, entscheidet sich teils durch eure Entscheidungen in den ersten beiden Spielen. Dieses Geflecht aus Entscheidungen und daraus entstehenden Folgen habe ich so in noch keinem anderen Spiel gesehen – und anders als beispielsweise in den damaligen Spielen von Telltale sind die Entscheidungen häufig bedeutend und kein Smoke and Mirror.

Schade ist eben nur, dass das eigentliche Ende der Trilogie so gut wie nicht reflektiert, welche Entscheidungen getroffen wurden – eine Entscheidung der Spieldesigner, weswegen es damals einen riesigen Shitstorm gab. Zwar haben die Entwickler versucht, da noch etwas nachzubessern, aber so richtig hinbekommen haben sie es leider nicht. Mir fehlen da beispielsweise abschließende Sequenzen zu einzelnen Figuren, die mir vorher stundenlang ans Herz gewachsen sind.

Fazit

Letztes Jahr wurde bekannt, dass Amazon an einer Serienadaption von Mass Effect arbeitet und wenn sich eine Spielereihe dafür anbietet, dann wohl diese. Die Figuren sind gut geschrieben, die kleinen und größeren Geschichten richtig gut und auch das gesamte World Building gehört wohl immer noch zu den besten Leistungen des Mediums Computerspiel. Die Spiele selbst fand ich in ihrem Gameplay jedoch bestenfalls belanglos. Ständig auf die gleichen Gegner durch lange Schlauchlevels zu schießen, war dann doch irgendwann öde und ich habe mich über jede Sequenz, über jedes Gespräch auf der Normandy oder in der Citadel gefreut.

Ich glaube die Legendary Edition irgendwann mal für 5 Euro in einem Sale mitgenommen zu haben und das ist dann auch ein fairer Preis für insgesamt 80 Stunden, wenn ihr sämtliche Sidequests mitmacht. Würde mir das Gameplay gefallen, würde ich auch eine höhere Preisempfehlung aussprechen. Aber am Ende bestand meine Erfahrung häufig daraus, zu häufig gelangweilt irgendwelche Shooterpassagen zu spielen und mich auf die nachfolgenden Sequenzen und Dialoge zu freuen.

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Über Nischenliebhaber

Ostdeutsches Videothekenkind der 90er Jahre. Liebt Spiele- und Retrokultur ebenso wie subkulturelle Musik aus aller Herren Länder und lange Spaziergänge durch dunkle Wälder des Erzgebirges.

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4 Comments on “Nachgeholt: Mass Effect Legendary Edition”

  1. Ach ja, Shepard Commander… Was habe ich viel Lebenszeit in die drei Spiele investiert, mein Shepard war männlich, und ich hab mich irgendwie nach 2 Spielen selbst in ihm gesehen, so individuell konnte man handeln. Eine einzigartige Spieltrilogie, bis auf das Ende, das war echt völlig daneben für mich, was hab ich damals über die 3 „Farb-Enden“ geärgert…
    Die Spiele sollte jeder, der ein bisschen auf gutes Sci-Fi steht, spielen, im Zweifel kann man das Spiel auch so leicht machen, das die Kämpfe fast nicht zu verlieren sind, und man kann die Story genießen.
    So etwas bitte in der Welt von Babylon 5 und ich bin glücklich….

  2. Ich hab mir die ME:LE neulich auch für 5 Euro in einem Sale geholt, obwohl ich alle drei Spiele bereits besitze und vor vielen Jahren 1x durchgespielt habe. Als kleines „Extra“ für die Entwickler, quasi wie ein Trinkgeld. Obwohl ich kein Fan von Deckungsshootern bin, war das Spielerlebnis für mich aber so überragend, dass die Mass Effect Reihe zu den ganz, ganz wenigen Spielen gehören soll, die ich irgendwann noch ein 2. Mal spielen möchte.

    Die Welt ist einfach großartig, das Design der Schiffe, Stationen, Aliens grandios. Die Charaktere haben mich gefesselt – es gab sogar Stellen im Spiel, wo ich zu Tränen gerührt war, das haben auch erst sehr wenige Spiele geschafft. Das Ende von Teil 3 war nicht das Highlight der Trilogie, aber für mich auch kein so krasser Downer wie für manches Schneeflöckchen – jedenfalls versaut mir die letzte halbe Stunde doch nicht 150 Stunden wunderbaren Spielspaß!

    Und was ich unbedingt noch erwähnen muss: Die Musik! Nicht nur der exorbitant-geniale Titeltrack, sondern die gesamte Sounduntermalung. Das ist ein Erlebnis in Rheingoldkultur! Sag ich als jemand, der normalerweise Musik noch vor dem ersten Spielstart auf 50% und nicht selten nach der ersten Stunde auf 0% dreht. Der Soundtrack höre ich auch heute noch gerne. Lustigerweise tauchen Songs von ME auch immer wieder in Fernsehserien auf (Game of Thrones, The 100 uvm), anscheinend lizenziert EA die Musik fleissig 🙂

  3. Auf meiner Playstation 3 liegt die Trilogie immer noch nahezu ungespielt. Und ich glaube, dass ich sie auch in einem digitalen PC-Regal habe. So gerne ich die Geschichte erleben möchte, bin ich kein Deckungsshooter-Fan und bleibe wohl ohne eigenen Shepard.

  4. Sehr schöner Artikel. Ich muss endlich mal Teil 3 spielen. 1 und 2 habe ich durchgesuchtet. Lange her. Das Gameplay fand ich damals schon mies. Den eigenen Shepard bauen und ausleben aber richtig cool. Das Ressourcensammeln in Teil 1 mit dem Flummi fand ich noch viel schlimmer als das Scannen in Teil 2 😀 Sehr gut gefiel mir in Teil 2 das Renegade System, wo man relativ zügig eine von zwei Entscheidungen treffen muss. Gut erinnere ich mich daran, auf der Station, wo die eine mal gefangen war, überfallen worden zu sein, dann kamen welche der ehemaligen Wärter und haben rumgelabert und gedroht und wollten die Frau wiederhaben, die konnte ich dann per Aktion abknallen. Auch ein super Gefühl war es, als ich die Option bekam, dieser supernervigen Reporterin eine zu batschen 😉

    Gibt es eigentlich noch 3D-Spiele (Third Person) mit so einem Entscheidungssystem oder einem sehr individuellen, voll vertonten Helden? Mir fällt keines ein.

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