Mindlock – The Apartment

Völlig unverhofft ist ein neues Adventure-Solo-Projekt aus deutschen Landen auf meinem Radar und kurz darauf auch auf meinem Bildschirm gelandet. Hier verrate ich euch, wie es mir gefallen hat.

Hinter Mindlock – The Apartment steckt der Entwickler Rouven Schumacher, der in den letzten beiden Jahren sein erstes kommerzielles Point-and-Click-Adventure (fast) im Alleingang erstellt hat. Die vielfältigen Erfahrungen in der Medienbranche, etwa in den Bereichen Film, Animation oder Sound-Design, die er zuvor gesammelt hatte, waren in der Ausgestaltung offenbar sehr hilfreich und zeigen sich auch deutlich im fertigen Spiel.

Ein surrealer Tag im Leben von Colin Walker

In Mindlock erlebt ihr einen Tag im Leben von Colin Walker, einem desillusionierten, jungen Support-Mitarbeiter einer Toaster-Vertriebsfirma. Dass er mit seinem Leben (und vor allem seinem Beruf inklusive cholerischem Chef) nicht zufrieden ist, wird schon früh deutlich gemacht – offensichtlich hat Colin einige Probleme aufzuarbeiten. Seine einzigen Freuden sind sein Hamster und seine Leidenschaft fürs Kochen.

Als er eines Morgens zur Arbeit gehen möchte (oder muss), stellt er fest, dass sich an der Stelle, an der vorher noch seine Wohnungstür war, nur noch eine Zimmerwand befindet. Colin ist in seinem Apartment eingesperrt und versucht verzweifelt, von dort zu entkommen. Dies ist aber nicht der Auftakt in ein Escape-Room-Spiel, sondern eher der Beginn eines surrealen Trips in das Seelenleben des Protagonisten, der sich fortan seinen Ängsten stellen muss. Dazu muss er tief in seiner Vergangenheit graben, seine Gegenwart reflektieren und einen Plan für die Zukunft fassen. Im Laufe der Zeit verändert sich seine Wohnung, so dass ihr immer wieder neue Orte begehen könnt, ohne das Apartment wirklich zu verlassen. Dabei trefft ihr auf unterschiedliche Charaktere, mit denen ihr euch auseinander setzen müsst.

Das Spiel schlägt eher düstere Klänge an, auch wenn hier und da ein humoriger Unterton zu finden ist. Ich hatte früh eine Vermutung, wohin sich die alptraumhafte Geschichte entwickeln wird. Diese hat sich schlussendlich auch bestätigt. Ich war kein großer Freund davon, aber das ist reine Geschmackssache. Euch sollte nur bewusst sein, dass ihr hier mit einigen unangenehmen Themen konfrontiert werdet.

Benutze Flammenwerfer mit Fangarmen

Das Adventure bedient sich der typischen Zwei-Klick-Maussteuerung, die sich schon lange im Genre als Standard durchgesetzt hat (eine Maustaste zum Benutzen, die andere Maustaste zum Ansehen). Die mittlerweile obligatorische Hotspot-Anzeige hat glücklicherweise auch seinen Weg ins Spiel gefunden. Das Inventar ist mit einem Mausklick auf eure Hose in der rechten unteren Ecke oder per Mausrad erreichbar, wobei mir das Einblenden der Gegenstände in der Release-Version einen Ticken zu lange dauerte. Die langsame Laufgeschwindigkeit fällt nicht stark ins Gewicht, da die Wege meistens recht kurz sind. Die Möglichkeit, per Doppelklick einen Raum zu verlassen, habe ich dennoch hier und da vermisst. Eine Hilfefunktion, wie sie immer öfter in Adventures zu finden ist, fehlt. An manchen Stellen gibt Colin aber von sich aus Tipps – etwa, wenn ihr etwa an einem Rätsel mehrfach gescheitert seid. Leider gibt es nur einen (automatischen) Spielstand, so dass ihr als Achievement-Jäger noch einen Durchgang starten müsst, falls ihr eines verpasst haben solltet.

Rätseltechnisch ist Mindlock ein zweischneidiges Schwert. Es hat zum einen Standardkost, wie Inventar-, Dialog- und Raumrätsel, was ich durchaus als positiv ansehe. Hinzu kommen frische Ideen, die dem Genre noch einige Aspekte hinzufügen können. So müsst ihr zum Beispiel manche Rätselketten in einer Art „Skizzen-Ansicht“ vorab planen, bevor Colin sie ausführt. Was mir allerdings nicht so gut gefallen hat, waren die Timing-Rätsel sowie manche „Minispiele“, wie etwa das Zusammensetzen einer Uhr aus „tausend“ Einzelteilen. Vor allem empfand ich es als nervig, dass ich bei einem Fehler in einem dieser „Spezial-Rätsel“ immer wieder von vorne beginnen musste.

Prächtige Präsentation

Die schön gezeichnete Grafik und die liebevoll von Hand erstellten Animationen sind ein echtes Highlight in diesem Genre. Der Stil erinnerte mich auf den ersten Blick an die Edna-Spiele von Daedalic, gefällt mir hier aber deutlich besser. Ich mag die saubere und aufgeräumte Art mit ihren vielen schönen Details. Als Kontrast gibt es immer mal wieder einfach gehaltene Comic-Grafik, die ein wenig an Kinderzeichnungen erinnert und das Spielerlebnis schön auflockert.

Die Animationen passen sehr gut in die Szenen und wirken sehr aufwendig produziert. Gefühlt gibt es für jede Aktion, die Colin ausführt, eine eigene Animation. Hinzu kommen die professionellen Sprecher, die keine Wünsche offen lassen. Und das sowohl in der deutschen Version als auch in der englischen Übersetzung. Die atmosphärische Sounduntermalung und die hier und da eingestreuten Musikstücke tragen ebenfalls zum positiven Gesamterlebnis bei. Auch ein Musikvideo, in dem sich Schumacher persönlich hinter das Mikrofon klemmt, hat es ins Spiel geschafft. Kein Wunder bei dem musikalischen Hintergrund des Entwicklers.

Für fast alles hat Colin einen passenden Kommentar bereit, auch wenn ich mich über ein vereinzeltes „Das klappt so nicht“ durchaus gefreut hätte. Von Bugs oder Abstürzen wurde ich verschont, so dass ich rein technisch absolut nichts an dem mit Visionaire Studio erstellten Werk auszusetzen habe.

Eine auf Controller optimierte Steuerung gibt es zum Release-Zeitpunkt noch nicht, könnte aber durchaus in einem späteren Update nachgereicht werden – es ist aber auch im jetzigen Zustand auf dem Steam Deck spielbar.

Fazit

Unverhofft kommt oft. Ich hatte bis zu meinem Test noch nichts von Mindlock – The Apartment gehört und wurde durchaus positiv überrascht. Insgesamt habe ich mich etwa fünf bis sechs Stunden in Colins Apartment aufgehalten, bis der Abspann über meinen Bildschirm flimmerte. Im Gegensatz zu Prim, das ich erst vor kurzem gespielt hatte, fand ich die Spielzeit in Relation zur erzählten Geschichte sogar schon etwas zu lang.

Das Adventure ist äußerst professionell produziert und spielt sich größtenteils auch sehr gut. Meine Kritikpunkte habe ich euch oben genannt, aber nur weil das Spiel in Teilen nicht meinen Geschmack getroffen hat, kann ich ihm das kaum ankreiden. Wenn ihr Lust habt, ein schön präsentiertes, klassisches Comic-Adventure mit tollen deutschen Sprechern und einer eher deprimierenden, surrealen Geschichte zu erleben, dann ist Mindlock euer Spiel.

Ihr findet Mindlock – The Apartment ab dem 26. November für 14,99 Euro auf Steam, wobei es wie üblich einen Einführungsrabatt geben wird. Die mobile Version für Android und iOS sollte ebenfalls nicht mehr lange auf sich warten lassen und spätestens zu Beginn des nächsten Jahres in den jeweiligen Stores zu finden sein. Der Release in einem DRM-freien Store wie GOG ist allerdings derzeit nicht geplant.

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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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5 Comments on “Mindlock – The Apartment”

  1. „wie GOG ist allerdings derzeit nicht geplant“
    Schade, die Idee den Geisteszustand in der Geographie des Spiels zu manifestieren find ich schon spannend.

    Danke für den Check, eventuell überlegt es sich der Entwickler ja nochmal anders.

  2. Danke Dir. Der Grafikstil der Vergangenheit gefällt mir einen Ticken besser als der der Gegenwart, obwohl beide richtig gut aussehen. Dass kein „Das klappt so nicht“ im Spiel enthalten ist, sorgt allerdings für Minuspunkte.

    1. Du ziehst also die „Kinderzeichnungen“ den „professionellen Zeichnungen“ vor?
      Und ja, jedes Adventure sollte zumindest ein „Das klappt so nicht“ haben. Vielleicht sollten wir in die Vergangenheit reisen und das in die Verfassung schreiben lassen.

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