Meine Spielerkarriere begann 1985 auf einem Schneider CPC. Und selbst die damaligen kurzen Melodiefetzen haben mich tief beeindruckt. Aber später kam noch so viel mehr…
Mit dem Wechsel auf den PC samt einer Soundkarte wurden die Stücke opulenter und länger, aber nicht zwangsläufig besser. Hier stelle ich einen bunten Strauß an Melodien vor. Aber keine Angst: Die ganz alten Stücke, die ich heute noch direkt mitpfeifen kann, habe ich aus Rücksicht auf eure Ohren weggelassen oder an den Schluss des Artikels verfrachtet. Dennoch sollte es hier genügend Abwechslung geben.
Gänsehaut. Sobald „Take me anywhere“ erklingt, habe ich Gänsehaut. Das liegt zum einen natürlich an der Story, an die mich die Musik erinnert: Nachdem ich mich zusammen mit Dr. Rosalene und Dr. Watts in die Erinnerungen von Johnny Wyles gegraben hatte und am Ende der recht kurzen, aber intensiven Story mehr als nur ein Stäubchen Rührung aus den Augenwinkeln wischen musste, war ich um eine unglaublich schöne Spielerfahrung reicher. Was für eine Reise!
Aber auch die Musik allein besteht den Nur-mal-Reinhören-Test mit Bravour. Einfach gehaltene (nicht einfache) Melodien, die keine überbordende Instrumentierung nötig haben. Das Klavier als zentraler Klangkörper lässt die Töne perlen und die Gedanken schweben. Die Musik kommt als leiser Gast angeschlichen – und bleibt als lebenslanger Freund. Klingt kitschig? Klar, passt aber hervorragend zur Musik. Komponist dieser kleinen Meisterwerke ist Kan Gao, der Ein-Mann-Entwickler der Firma Freebird Games. Vielleicht erklärt die Symbiose aus Schreiber, Entwickler und Komponist, dass die Musik so wunderbar zum Spiel passt. Zwar nicht musikalisch, aber von der Besetzung her fällt noch das Stück „Everything’s alright“ aus dem Rahmen, da hier die Stimme von Laura Shigihara für – ihr ahnt es – wohlige Schauer sorgt. Der für mich schönste musikalische Moment ist aber, wenn Sarah und Tommy, die beiden Kinder der Haushälterin, zum Klavier rennen und mit den Worten „…aber ich spiele die hohen Noten“ gleich „For River“ anstimmen. Na toll. Schon wieder Gänsehaut.
Lego City Undercover
Wer hätte das gedacht? Zwischen all den Lizenztiteln rund um Harry Potter, DC, Marvel und Star Wars hat sich doch glatt noch ein Spiel von TT Fusion über den Umweg der Wii U auf meine PS4 gemogelt. Angesiedelt in der Lego-City-Welt spielt es sich ein wenig wie GTA für Kinder. Klar können wir als Chase McCain wieder die halbe Stadt in Schutt und Legosteine zerlegen. Aber der Rest des Spiels bricht mit der sonst üblichen Lego-Spiel-Formel und wirft sich eben den Vice City-Mantel um. Nur ohne Gewalt, logisch.
Musikalisch schöpft das Spiel ein wenig den Rahm von den Polizeifilmen der Siebzigerjahre ab. Simon Withenshaw und Suddi Raval verbauen und verdrahten die Rhythmen der Blaxploitation-Filme wie zum Beispiel Shaft und sorgen für mitwippende Füße vor der Konsole. Mit ihrer Musik erzeugen sie zum Glück auch eine Illusion von Geschwindigkeit, sodass mir das Spiel plötzlich gar nicht mehr so langsam vorkommt, wie es in Wirklichkeit ist. Auch eine Leistung. Die meisten Stücke sind nicht besonders lang – umso abwechslungsreicher kommt der Soundtrack rüber. Meine Anspieltipps sind „Drill Thrill“ und „Fire Station“.
Red Dead Redemption
Ich liebe Western. Und kann mit den Spielen von Rockstar normalerweise nichts anfangen. Ich war anno dunnemal also keiner der Erstkäufer von Red Dead Redemption, sondern habe erst ungefähr ein Jahr nach all den anderen Outlaws damit angefangen, die Prärie im mexikanischen Grenzgebiet unsicher zu machen. Und da ich in meiner Spielerkarriere wahrscheinlich kein anderes Spiel häufiger gestartet habe, geht mir während dieser Sätze hier ständig das Titelthema durch den Kopf. Bill Elm und Woody Jackson holten die staubigen Wege, die verruchten Saloons und die Weite der Prärie direkt in mein Zockerzimmer. Mir wurden die langen Ritte zur nächsten Mission nie langweilig, weil immer etwas zu sehen und vor allem immer etwas zu hören war. Über 14 Stunden Musik komponierten die beiden, aus denen später 15 Stücke für die Platte zusammengestellt wurden.
Die Sahnehäubchen dieses Soundtracks sind für mich aber die vier Tracks, die von anderen Künstlern beigesteuert wurden: William Elliott Whitmores tiefe Stimme brummelt sich durch die klassische Ballade „Bury me not on the Lone Prairie“, Ashtar Command feuern die „Deadman’s Gun“ ab und seit ich „Far away“ von José González gehört habe, bin ich ein großer Fan seiner Musik.
Mit „Compass“ von Jamie Lidell verbinde ich allerdings auch das schlimmste Erlebnis innerhalb eines Spiels, das ich jemals hatte: Gegen Ende des übergreifenden Handlungsbogens, der mich die ganze Zeit bei der Stange gehalten hatte, durfte John Marston endlich nach Hause reiten. Ich hatte den Soundtrack bereits vorab als MP3-Download gekauft und kannte deshalb das Lied schon, das zu diesem Ritt eingespielt wurde. Herrlich! Gemächlich ließ ich mein Pferd durch den Wald wandern. Jamie barmte „And now I know the only compass that I need is the one that leads back to you.“ Und ich wusste genau, was er meint. Alles passte zusammen: Ich war mir sicher, am Ende meiner Reise angekommen zu sein und John hier endlich zu einem glücklichen Ende zu verhelfen. Aber dann gewannen die alten Reflexe wieder die Oberhand: Am Wegesrand wuchs eine Pflanze, die ich bestimmt noch brauchen konnte. Oder wenigstens für ein wenig Geld verkaufen. Also kurz mal abgestiegen. Jamie verstummte. Und es half auch nichts, wieder schnell aufs Pferd zu steigen. Jamie war eingeschnappt und der perfekte Moment hinüber. Und alles nur für eine Handvoll Cents.
Outlaws
Ich liebe Western. Oh, den Einstieg habe ich oben schon verbraten. Ich brauche etwas Neues, Frisches: Ich liebe Spaghetti-Western! Sogar noch mehr als die klassische US-Variante. Und natürlich verehre ich Ennio Morricone, der diese Filmgattung mit seine Ideen im Alleingang revolutioniert hat. Dass wir heute Western-Musik mit einer hart geschlagenen Gitarre, Pfiffen, unverständlichen Schreien und auch einfach nur Geräuschen verbinden, liegt nur an ihm. Dass sein unglaublich großes Werk nur deshalb so groß ist, weil er sich bei späteren Auftragsarbeiten gerne von sich selber hat inspirieren lassen: geschenkt! Wer sich den Titeltrack des Soundtracks zu „Zwei Companeros“ anhört, hat alle Ideen kompakt zusammengefasst. Und wenn der Maestro schon bei sich selber klaut, haben andere Komponisten natürlich auch keine Hemmungen, sich wie die Geier auf den wehrlosen Gringo in der Wüste zu stürzen.
Für eine Handvoll Dollar tat Clint Bajakian genau das, als er im Jahre 1997 Outlaws vertonte. Die Rachegeschichte des Ex-Marshalls James Anderson, der gegen eine Ansammlung von Klischee-Bösewichtern antritt, funktioniert für mich vor allem wegen der Musik auch heute noch hervorragend. Die veraltete 3D-Optik der Level, die schon damals nicht mehr up-to-date war, verhagelt mir heutzutage den Spielspaß. Aber die Musik läuft auch heute noch regelmäßig bei mir im Auto und steht gleichberechtigt neben den Morricone-Stücken in meiner Playlist. Und mit „I always enlighten. And then… I kill“ hat das Spiel noch dazu mein Lieblingszitat geliefert.
Assassin’s Creed Syndicate
Schon mit dem ersten Spiel der Reihe hatte Assassin’s Creed wunderbare Kompositionen zu bieten. Das Internet wimmelt nur so von Zusammenstellungen der bekannteren Melodien rund um Ezio Auditore, Edward Kenway oder Arno Dorian. Aber die für mich beste Musik wird dabei gerne unterschlagen. Und obwohl ich ihn hier in meiner Liste stehen habe, kann ich auch verstehen, warum das so ist.
Mit diesem Soundtrack hat Austin Wintory nämlich eine „richtige“ Spielmusik geschrieben: Sie funktioniert mit Abstand am Besten, wenn sie im Spiel erklingt. Ich habe mir zwar im Überschwang der Gefühle den Download des kompletten Albums gegönnt und höre auch sehr gerne immer mal wieder zwei oder drei Stücke, aber im Gegensatz zu den anderen Soundtracks hier kann ich mir die Musik nicht eine Stunde am Stück geben. Dafür bringt sie während des Spiels das viktorianische London perfekt auf den Punkt: Mit seiner kargen Instrumentierung rund um ein paar Streicher greift er die damaligen Vorlieben auf, reißt aber mit ein paar schrillen Tönen zwischendrin auch gerne die Vorhänge herunter, die die heruntergekommenen Wände und schimmeligen Ecken verdecken sollen.
Mafia
Die Geschichte von Tommi Angelo und seinem Weg nach oben in der Salieri-Familie hat mich damals mitgerissen. Der clevere Kunstgriff, dass Tommi seine Taten einem Polizisten beichtet, machte mir die Rolle als Mafiosi leichter. War ja schließlich alles schon passiert. Ich war unschuldig, Herr Kommissar! Und während sich die Geschichte immer mehr entfaltete, lernte ich viele alte Musikschätze kennen.
Der Mafia-Soundtrack besteht eigentlich aus zwei Teilen. Während Tommi in einem Auto durch Lost Heaven gondelt, dudeln Duke Ellington, Django Reinhardt, The Mills Brothers und viele andere Künstler aus dem Autoradio. Ganz wie aus GTA gewohnt, aber eben mit Musik passend zum Dreißigerjahre-Setting. In allen anderen Szenen oder auch im Intro kommen die Kompositionen von Vladimir Simunek zum Zuge, die das Bohemia Symphonic Orchestra mit 45 Musikern zelebriert. Chiptunes schön und gut, aber diese Musik auf einer guten Anlage während des Spiels zu hören: Das hat schon was. Wobei mir neben den Titeltrack mit der langen Kamerafahrt vor allem die Radiostücke im Gedächtnis geblieben sind. Wenn nicht gerade eine Verfolgung auf dem Programm stand, bin ich gerne gemütlich durch die Gegend gefahren, um noch ein wenig Musik zu hören.
Ich beziehe mich hier übrigens auf die alte Fassung von Mafia, die ich damals für den PC gekauft hatte. Leider erwischte die mittlerweile schon klassische Soundtrack-Problematik auch dieses Spiel: 2017 liefen diverse Lizenzierungen aus, weshalb Steam und GoG das Spiel nur noch mit dem eigens komponierten Soundtrack anbieten können. Die neue Definitive Edition habe ich leider noch nicht gespielt, sie hat es aber der Tracklist nach wenigstens versucht, das alte Feeling wieder einzufangen. Meinen Lieblingskünstler Django Reinhardt hat es hier allerdings ziemlich erwischt: Statt wie in der alten Fassung mit zwölf Songs ist er jetzt nur noch mit fünf Tracks vertreten.
Honorable Mentions
Bei den folgenden Honorable Mentions liste ich noch ein paar Spiele auf, deren Soundtracks entweder zu kurz für eine eigene Erwähnung sind, oder bei denen einzelne Stücke so herausragend sind, dass sie einfach in diese Liste gehören:
Barbarian
Samantha Fox Strip Poker
Kane
Und mit diesen kontroversen Titeln habe ich euch hoffentlich dazu gebracht, euch noch ein paar eigene Gedanken zum Thema zu machen. Vielleicht kommt ja bald von dir, ja: Dir ein Kommentar mit grandioser Musik, die uns alle bereichern würde.
(Dieser Beitrag erschien zuerst am 31. Januar 2012 auf GamersGlobal)
Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.
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One Comment on “Meine liebsten Spiele-Soundtracks”