Eine Reihe von Ritualmorden erschüttert die amerikanische Stadt Kassidy. Dahinter soll ein mysteriöser Wahrsager, der „Soothsayer“ stecken. Ratet mal, wer ihm das Handwerk legen soll…

Titel: | Kathy Rain 2: Soothsayer |
Erscheinungsdatum: | 20.05.2025 |
Plattformen: | Windows, MacOS, Linux |
Entwickler / Herausgeber: | Clifftop Games / Raw Fury |
Homepage: | https://www.clifftopgames.com/ |
Der schwedische Entwickler Joel Staaf Hästö konnte schon auf eine jahrelange Karriere als Gameplay-Programmierer für Titel wie Brothers: A Tale of Two Sons zurückblicken, als er 2015 beschloss, sich von da an dem Point-and-Click-Adventure-Genre zu widmen. Mit seinem Studio Clifftop Games veröffentlichte er zunächst zwei Spiele, die mit dem Adventure Game Studio erstellt wurden: Kathy Rain (2016) und Whispers of a Machine (2019). Später folgte der Umstieg auf Unity und einhergehend Kathy Rain: Director’s Cut (2021). Und genau dieses Adventure erhält nun mit Kathy Rain 2: Soothsayer seinen verdienten Nachfolger.
Detektivbüro Rain

Die Geschichte setzt drei Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils ein. Kathy ist mittlerweile keine Journalistik-Studentin mehr, sondern hat ihr eigenes Detektivbüro in der amerikanischen Stadt Kassidy eröffnet. Ihre ehemalige Zimmergenossin Eileen hatte sie in den Anfängen dabei noch unterstützt, doch mittlerweile läuft es im Detektivbüro Rain nicht mehr so gut. Eileen arbeitet nun als Journalistin, während sich bei Kathy aus Mangel an lukrativen Aufträgen die unbezahlten Rechnungen stapeln.
Da klingt das Angebot, mit dem Kathys alter Mentor Lucas urplötzlich in ihrem Büro steht, doch gleich doppelt so verlockend: Ein Serienkiller geht in Kassidy um, und wenn die beiden es schaffen, ihn zu fassen, können sie sich eine dicke Belohnung dafür einstreichen. Die Detektivin ist zwar zunächst nicht so begeistert, für diesen Fall ihr Leben zu riskieren, doch aus Mangel an Alternativen lässt sie sich doch überzeugen – allerdings nicht als Teamplayer, sondern lieber auf eigene Faust. So beginnt das Abenteuer und die Suche nach dem Soothsayer – und natürlich wird Kathy im Laufe der Handlung wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Ein Auge fürs Detail

Wer wie ich gerne einmal die Handlung von Spielen vergisst, die er seit Jahren nicht mehr gespielt hat, darf sich über eine optionale kurze Zusammenfassung freuen, die das Gedächtnis wieder auffrischen soll. Vorher dürft ihr in den Optionen gerne auch die deutsche Übersetzung aus der Feder der beiden Spieleveteranen Heinrich Lenhardt und Roland Austinat einschalten, die die hervorragende englische Synchronisation wunderbar begleitet. Ebenfalls schön ist die Wahl, ob ihr Dialoge automatisch laufen lassen möchtet oder sie lieber wegklickt, sowie eine abschaltbare Aufgabenliste, wenn ihr euch gerne selbst Notizen auf Papier macht.

Zu Beginn erwartet euch ein kurzes Intro: Es ist Mai 1998. Kathy schnarcht in Großaufnahme auf ihrer Couch im Büro, als es an der Tür klopft. Davor steht Lucas, ein Privatdetektiv alter Schule, der Kathy das oben erwähnte Angebot unterbreitet, nachdem sie ihn verkatert in ihr Detektivbüro hineingelassen hat. Kathy hat sich in den drei Jahren seit Teil 1 leicht verändert und ihre schwarzen Haare mit roten Spitzen nun gegen eine türkis gefärbte Frisur getauscht. Auch ihre Gesichtszüge wirken etwas rauer, was darauf hindeutet, dass sie in letzter Zeit einiges mitgemacht hat.
Dann lernt ihr euer wichtigstes Werkzeug kennen: den Notizblock, auf dem ihr Hinweise und Spuren festhaltet sowie Kontaktdaten notiert. Falls ihr die Aufgabenliste in den Optionen nicht deaktiviert habt, taucht diese ebenfalls hier auf. Kurze Zeit später dürft ihr erstmals eingreifen und das Detektivbüro samt Schlafzimmer untersuchen. Dies geschieht mit einer einfachen Ein-Klick-Steuerung, was allerdings ganz und gar nicht heißt, dass das Spiel zu einfach ist. (Die Unterstützer des BOML-Podcasts werden sich sicherlich wie ich über den Mauszeiger freuen, der sich beim Mouseover eines Hotspots „gold“ färbt.)
Der Detailreichtum, der von aktuellen Adventures in letzter Zeit gerne einmal vernachlässigt wurde, ist in den ersten Locations beachtenswert. Ihr könnt so viele Hotspots entdecken und euch dazu Kathys launige Kommentare anhören, dass es eine wahre Freude ist. Mit der Hotspotanzeige entgeht euch dabei auch garantiert kein wichtiger Gegenstand. (Und natürlich dürft ihr auch die Katze streicheln – falls sie nicht gerade irgendwo schläft und daher nicht angefasst werden will.) In späteren Locations nimmt die Anzahl an Hotspots dann wieder deutlich ab, was dem Spielfluss aber sehr zuträglich ist.
Ran an die Detektivarbeit

Sobald ihr euch etwas orientiert habt, fangt ihr auch schon mit eurer Detektivarbeit an. Um dem Wahrsager auf die Spur zu kommen, müsst ihr zunächst einmal recherchieren, wer die bisherigen Opfer waren. Eure erste Anlaufstelle ist die Bibliothek, die euch auch Zugang zum Zeitungsarchiv verschafft. Habt ihr die passenden Artikel gefunden, stehen bereits die ersten Namen auf eurer Liste. Nun beginnen die Befragungen der Personen an den bisher freigeschalteten Orten. Diese Unterhaltungen erinnern auf positive Art an den Sierra-Klassiker Gabriel Knight – Sins of the Fathers. Dabei seht ihr Charakterportraits von euch und euren Gesprächspartnern und könnt die einzelnen Themen eures Notizbuchs abklappern. Aber nicht nur das: Ihr könnt die Personen auch zu Gegenständen aus eurem Inventar und sogar zu Dingen an dem Ort, an dem ihr euch gerade befindet, befragen. Dies führt zu immer weiteren Spuren und auch zu weiteren Schauplätzen, die ihr nach und nach besuchen werdet. In einem Zeitraum von sechs Tagen, in dem ihr sowohl tagsüber als auch abends diverse Aufgaben zu erledigen habt, hält euch Kathy immer auf dem Laufenden, sobald ihr eure Etappenziele erreicht.

Die Geschichte ist durchaus düster, immerhin geht es hier um einen Killer, der seine Opfer rituell ermordet hat. Und auch Kathy hat mit ihren Dämonen zu kämpfen. Die allgemeine Stimmung ließe sich als finsterer Detektiv-Thriller beschreiben, der von Kathys großer Klappe und den entsprechend flapsigen Sprüchen aufgelockert wird. Dazu gesellen sich manche Horror-Elemente sowie eine große Portion Mystery, die wie schon im ersten Teil der Reihe den letzten Abschnitt des Spiels dominiert.
Neben der Detektivarbeit gibt es auch viele klassische Point-and-Click-Adventure-Rätsel, die sehr durchdacht und abwechslungsreich gestaltet sind. Mein persönliches Highlight war das „Hacken“ eines Computers, aber die Puzzles haben mir auch generell viel Spaß gemacht. Bei einigen Rätseln müsst ihr auf eure Detektiv-Ausrüstung zurückgreifen – so ein Elektroschocker oder ein paar Dietriche zum Schlösserknacken können schon praktisch sein. Wenn ihr nicht mehr weiterwisst, hilft in den meisten Fällen das Durcharbeiten eurer Notizen oder Aufgaben, manchmal auch die Sichtung von Inventar-Gegenständen wie Zeitungsartikeln. Dabei werdet ihr den einen oder anderen Hinweis finden – auf ein „echtes“ In-Game-Hilfesystem wurde hingegen verzichtet. Ich habe es allerdings auch nicht vermisst.
Ist das schön!

Den Elefanten im Raum habe ich mir bis zum Schluss aufgespart: Die umwerfende Präsentation! Mit ihrer Mischung aus klassischer Pixel-Art und modernem Schnick-Schnack wie dynamischen Licht- und Schatten-Effekten oder Oberflächenspiegelungen steckt die Grafik die gesamte Adventure-Konkurrenz der letzten Zeit locker in die Tasche. Sogar die Nahaufnahmen und Zwischensequenzen, die ja häufig in Indie-Adventures etwas unbeholfen wirken, fügen sich nahtlos in das beeindruckende Gesamtbild ein.
Hier stimmt einfach alles, von der perfekt lesbaren Schriftart über die tollen Portraits der Charaktere mit unterschiedlichsten Gesichtsausdrücken bis hin zu den grandiosen Pixelfiguren, die über die stimmungsvollen Hintergründe huschen. Jeder Pixel scheint genau da hinzugehören, wo er sich befindet. Eine Meisterleistung.
Der Soundtrack wummert aus den Boxen, als würdet ihr gerade einen Thriller à la Sieben schauen, was auch thematisch gut passt. Die bereits erwähnte englische Synchronisation steht dem Ganzen in nichts nach und mit Arielle Siegel, die ihr vielleicht auch schon in anderen Adventures wie Shardlight, Whispers of a Machine oder Unavowed gehört habt, kehrt glücklicherweise auch die Originalstimme von Kathy wieder zurück.
Fazit

Von der ersten Sekunde an hat mich Kathy Rain 2: Soothsayer in seinen Bann gezogen, insgesamt hat mich die Jung-Detektivin etwa 8 bis 9 Stunden unterhalten. Ich liebe Detektivspiele sowie die Thriller-Atmosphäre, die sich über das gesamt Spiel legt. Das Gameplay mit seinem Mix aus Ermittlungen und klassischen Adventure-Rätseln war genau mein Ding.
Für mich ist Kathy Rain 2 ein absoluter Hit, der seinen Vorgänger deutlich übertrifft. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass Personen, die auf übernatürliche Dinge in Detektivgeschichten gerne verzichten würden und auch schon das Ende vom ersten Teil nicht mochten, den letzten Abschnitt nicht ganz so gut finden werden, wie ich ihn fand.
Ich könnte noch stundenlang weiterschwärmen: Aufgrund der traumhaften Grafik saß ich oft einfach staunend vor dem Bildschirm und habe beeindruckt die Details der kunstvoll gesetzten Pixel bestaunt. All diese Dinge lassen für mich nur ein Fazit zu: Bis jetzt ist Kathy Rain 2 für mich das Highlight des Jahres. Ich würde mich sehr über ein drittes Abenteuer mit Kathy freuen und hätte es kaum für möglich gehalten, dass sogar meine bisherigen Favoriten des Jahres namens Old Skies und Rosewater auf die Plätze verwiesen werden. Schon jetzt ist 2025 ein grandioses Jahr für Adventure-Fans!
Ihr findet Kathy Rain 2: Soothsayer mit deutschen Texten und englischer Sprachausgabe auf Steam und GOG zum Preis von knapp unter 20 Euro, zu Beginn auch mit 10 Prozent Rabatt. Auf Steam wird Kathy Rain 2 zudem auch in diversen Bundles angeboten, unter anderem zusammen mit seinem Vorgänger.
Wow – das klingt ja wunderbar! Freu‘ mich schon sehr aufs Spiel – nicht zuletzt, da ich ebenfalls Detektivspiele liebe. Die Rätsel scheinen ebenfalls den „sweet spot“ zwischen fordernd und lösbar zu treffen, wie ich Deinem Bericht entnehme. Und der Umstieg auf Unity hat sich grafisch auch gelohnt. Sehr cool!
Wie spätere Adventure-Fan-Generationen wohl mal auf diese Jahre zurückblicken werden? „Ach ja, das zweite Goldene Zeitalter. Danach ging es nur noch bergab!“
Ich bin auf jeden Fall sehr froh über die Qualität und Quantität der derzeitigen Adventures. 🙂
Das liest sich grandios. Und sieht dabei noch gut aus.
Mich interessiert das Spiel (wie schon seit Vorgänger) eher in seiner Funktion als Mystery-Thriller, da mir Krimi-Adventures inzwischen bloß noch zum Halse heraushängen. Da ich „Kathy Rain“ nicht so sehr als Detektivspiel, aber zweifelsfrei positiv in Erinnerung behalten habe, sehe ich darin jetzt kein Problem. Ich werde es demnächst nochmal auf der Switch spielen, denn das Gedächtnis muss komplett aufgefrischt werden. Es scheint ja ohnehin noch zu dauern, bis „Soothsayer“ auf der Switch angekommen sein wird. 🙂
Übrigens fühlt sich der Titel für mich stets wie der Name einer Heavy-Metal-Band an. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sich eins ständig dazu geneigt fühlt, „SoothsLayer“ zu lesen. 😀 Mir war der englische Begriff auch so gar nicht geläufig.
Ansonsten sehe ich jetzt nichts allzu Besonderes an diesem Adventure-Jahr. Wir hatten auch im letzten Jahr schon sehr gute und tolle Titel. Und manche Titel, die hier momentan gehyped werden, interessieren mich einfach nicht sonderlich. Zumindest „Elroy“ würde ich noch ganz gerne für die Switch sehen.
Letztes Jahr war u. a. mit Prim, An English Haunting, The Crimson Diamond und The Phantom Fellows schon richtig stark. Für mich ist dieses Jahr mit Kathy Rain 2, Old Skies, Rosewater und Lost Records aber jetzt schon genauso stark oder noch stärker – und wir haben nicht einmal die Jahreshälfte erreicht. Habe auch noch ein paar Hochkaräter auf dem Zettel, demnächst z. B. The Drifter.
Ich freue mich sehr über diesen Zustand. 🙂
(Elroy ist aus meiner Sicht sicher nicht schlecht, aber auch kein großes Highlight).
Da hab ich einfach einen komplett anderen Geschmack als du, „Lost Records“ einmal ausgenommen. 😀 Das letzte Jahr hatte tolle Titel zu bieten, aber für mich sind das eher Spiele wie „3 Minutes to Midnight“, „Dustborn“ (nicht selbst gespielt) oder „Harold Halibut“ (auch nur als Let’s Play angesehen, aber: Ganz großartig!!!). Das neue „Life is Strange“ habe ich noch nicht gespielt.
Ja, wir haben da wirklich einen unterschiedlichen Geschmack, aber das ist ja das Tolle: Es ist für jeden etwas dabei. 🙂
Dafür deckt sich mein Geschmack fast komplett mit Deinem… Elroy sehe ich exakt genauso, ist Ok…
Ich fand ja den Vorgänger zwar überdurchschnittlich aber jetzt nicht unbedingt überragend. Und ich fand dieses Abdriften ins Metaphysische etwas „too much“.
Nichtsdestotrotz ein gelungenes Adventure (mit einem für meine Ohren miesen Soundtrack).
Teil 2 legt eine echte Schippe drauf! Von Anfang an toll designt. Vielleicht mag der eine oder andere die Recherche-Puzzles etwas doof finden, ich fand sie aber gelungen.
Die Grafik ist wunderschön, die Sprecher sind toll, und auch der Soundtrack ist viel, viel besser. 🙂
Dazu kommt, dass die Rätsel echt nett designt sind (wenn auch zum Großteil eher etwas auf der leichten Seite – was aber ja nicht unbedingt schlecht sein muss).
Und auch die Charaktere und Story fand ich echt gelungen.
Volle Empfehlung auch von mir!