Niemals! Niemals sollte man die Hoffnung aufgeben, dass sich in der Geschichte der Videospiele noch Perlen finden lassen. Don’t Stop Believin‘! Und wer weiß? Vielleicht gibt es ja sogar ein richtig gutes Spiel zu dieser alten Rockband Journey? Nun…
Journey Escape

Mit ihrem siebten Album „Escape“ startete die Band Journey 1981 einen kommerziellen Höhenflug – zumindest in den USA. So sehr sich heutzutage die Single Don’t stop believin‘ als Radio-Dauerbeschallung festgesetzt hat: Damals schaffte es der Song in Deutschland gerade mal auf Platz 76, das Album auch nur auf Rang 49. Der US-Erfolg und die dortige Popularität der Band reichte allerdings aus, um die Firma Data Age auf den Plan zu rufen. Diese veröffentlichte einige Titel für Atari – die Rockstars der Videospiel-Zunft – bevor sie ihre kurze Tätigkeit schon wieder einstellen musste. Andere Titel waren zum Beispiel Encounter at L5 oder Frankenstein’s Monster.
Journey Escape dürfte die bekannteste Produktion der Firma sein. Schon allein deshalb, weil der kommerzielle Erfolg nicht groß genug war, um Entwicklungs- und Lizenzkosten zu bezahlen. Im Laufe des Jahres 1983 war Data Age jedenfalls wieder Geschichte. Auf Youtube findet sich ein schöner Beitrag über die Firma, auch wenn das Videomaterial größtenteils aus Journey Escape besteht. Aber kommen wir mal zum Spiel:
Du bist mit JOURNEY auf Tour, einer der angesagtesten Rockgruppen der Welt. Ein spektakulärer Auftritt ist gerade zu Ende gegangen. Jetzt liegt es an dir, jedes JOURNEY-Bandmitglied rechtzeitig vor dem nächsten Konzert an Horden von liebestollen Groupies, hinterhältigen Fotografen und raffinierten Promotern vorbei in die Sicherheit des JOURNEY-Fluchtautos zu bringen. Deren mächtiger Manager und die treuen Roadies helfen dir, aber die Flucht liegt in deiner Verantwortung!
Journey Escape Handbuch

So weit die Einführung in die Handlung. Uns obliegt es, nacheinander jedes der fünf Bandmitglieder durch Horden von Groupies, böswilligen Promotern und Fotografen zu lenken, ohne zu viel Geld und Zeit zu verlieren. Erreicht die Figur ihren eigenen Manager, gibt es Bonusgeld – wie das Anfang der 1980er wohl noch üblich war, als man mit seiner Musik noch Geld verdient hat.

Das Ganze spielt sich dann wie viele andere Titel dieser Zeit: Die eigene Figur wuselt über den Bildschirm, der sich schnell mit Gegnern füllt. Außer ab und zu ein wenig Hilfe durch unseren treuen Roadie, der das Bandmitglied kurzzeitig unverwundbar macht, wäre schnell Essig mit der Flucht. Aber auch so ist das Spiel ein hartes Stück Arbeit. Was natürlich auch daran liegt, dass es nicht mehr zu tun ist als das gerade Beschriebene. Nur eben fünfmal, bis die ganze Band zu ihrem Skarabäus-förmigen Raumschiff entkommen ist. Dann gibt es einen Bonus – und das Spiel beginnt wieder von vorne.
Musikalisch begleitet wird das Spiel von einigen wenigen Takten des nun bereits zweimal erwähnten Songs im Startbildschirm. Die Level werden von Atari-eigenen Klängen begleitet.
Journey (Arcade)
Ein Jahr nach Data Age brachte Bally Midway ein weiteres Spiel rund um die Band in die Spielhallen der Welt. Und da so ein Automat technisch weiter war als ein Atari 2600, gibt es sogar Portraits der Bandmitglieder zu bestaunen! Die Köpfe. In schwarz/weiß.


So schmuck, wie die Herren im Spiel aussehen, ist es auch kein Wunder, dass Aliens ihnen die Instrumente gestohlen haben. Mit ihrem Skarabäen-Raumschiff besucht die Band nun fünf Planeten, um ihre Sachen wiederzubekommen und am Ende ein Konzert spielen zu können. Leiden für die Kunst. Auf jedem Planeten steuert der Spieler ein anderes Bandmitglied durch zwei Phasen: Instrument finden und dann zurück zum Raumschiff.
Im Gegensatz zu Journey Escape unterscheiden sich die fünf Level komplett. Zum Beispiel muss sich Sänger Steve Perry erst vom oberen Bildschirmrand durch sich bewegende Zeiger nach unten schlängeln. Hat er sein Objekt der Begierde – in seinem Fall ein Mikrophon – erreicht, kann er nun schießen. Und genau das macht er, indem er die Zeiger auf dem Weg nach oben aus dem Weg ballert. Oben links warten seine Bandmitglieder in ihrem Raumschiff bereits auf ihn. Erreicht er den Skarabäus, ist der Level beendet.

So geht es fröhlich weiter. Förderbänder, Jetpacks, Aufzüge. Für Abwechslung ist gesorgt, auch wenn jeder Level an bereits damals klassische Spiele wie Donkey Kong erinnert. Sind alle fünf Instrumente eingesammelt, wechselt das Spiel in einen abschließenden Level, bei dem die Band auf der Bühne den Song Seperate Ways performt, während der Spieler in Gestalt eines Roadies die Zugänge zur Bühne blockieren muss. Sonst überrennen Fans die Band, stehlen die Instrumente und der ganze Zirkus geht von vorne los.
Glee Forever (und andere Rhythmus-Spiele)
Singstar bereitete den Boden für Musikspiele aller Art, doch erst das Plastikgitarren-Rhythmus-Spiel Guitar Hero 3 schaffte es, Journey wieder spielbar zu machen. Zwar mit von Spielern erstellten Avataren auf der Bühne und nicht den originalen Musikern, aber immerhin. Auch Rock Band 2 konnte mit der Gruppe aufwarten, aber beide Spiele deckten nur die Songs Any Way You Want It und Don’t Stop Believin‘ (Nein! Doch! Oh!) ab. Auch der Singstar-Konkurrent Karaoke Revolution Glee schaffte es, den Titel, den die Fans am meisten mit der Fernsehserie verbinden, auf Disc zu pressen.
Als also der altgediente Designer Glen Dahlgren den Auftrag erhielt, zu dieser Show rund um eine Highschool-Gesangsgruppe ein Spiel für KLab America zu entwickeln, lagen ihm einige Steine im Weg. Dass es ein Rhythmus-basiertes Spiel für Mobiltelefone oder Tablets werden sollte, war wegen der beliebten japanischen Vorlage Love Live: School Idol Festival bereits klar. Doch wie schwierig es werden würde, die Lizenzen für jeden einzelnen Song im Spiel zu bekommen, war Dahlgren nicht bewusst.
Einige Songs waren ein harter Kampf. Wir mussten bei einigen Künstlern vorstellig werden, um sie davon zu überzeugen, dass wir ihre Songs verwenden dürfen. Journey waren die schwierigsten von allen. Sie wollten nichts mehr mit Videospielen zu tun haben. Offensichtlich hatten sie vor uns schlechte Erfahrungen gemacht. Nachdem wir sie monatelang auf verschiedenste Arten bearbeitet hatten, unterschrieben sie doch endlich; wir feierten und atmeten erleichtert auf. Können Sie sich Glee ohne „Don’t Stop Believing“ vorstellen?
Glen Dahlgren (GlenDahlgren.com)

Den Inhalt des Spiels seht ihr im Grunde schon auf diesem Bild zusammengefasst. Je höher der Schwierigkeitsgrad, desto flinker müssen die Finger über den Bildschirm huschen, um Punkte und Sterne einzuheimsen. Diese wiederum könnt ihr gegen Sammelkarten der einzelnen Glee-Mitglieder eintauschen, die wiederum mehr Punkte wert sein könnten. Je seltener die Karte (in diesem Falle häufig: je seltsamer das Kostüm, das die Figur auf der Karte trägt), desto besser ist der Multiplikator der Karte im Spiel.
Wer von euch nun Lust auf diesen Zeitvertreib hat und schon Richtung Tablet-Shop schielt: Das Zauberwort „Lizenzen“ dürfte euch schon einen Hinweis geben… Glen Dahlgren war von Anfang an klar, dass die Serie bereits vor Beginn der Spiele-Entwicklung im Sinkflug und abgesetzt war, doch die positiven Reaktionen der Community zeigten ihm, dass der Titel gut ankam. Allerdings waren die Lizenzen teuer – und wurden immer nur für ein Jahr vergeben. So kam es, dass Glee Forever bereits nach einem Jahr auf dem Markt der Stecker gezogen und die App aus den Stores genommen wurde.
Diese treuen Fans spielten bis zur letzten Minute, als KLab ein Jahr nach der Veröffentlichung den Stecker zog, gerade noch rechtzeitig, um die horrenden Lizenzgebühren für das nächste Jahr zu vermeiden. Wir erhielten sogar Petitionen, um das Spiel zurückzubringen. Ich war zwar traurig, etwas wegzunehmen, das den Fans so gut gefallen hat, aber ich war froh, dass das Spiel sie erreicht hat.
Glen Dahlgren (GlenDahlgren.com)
Nachdem die Rhythmus-Welle auf Rechnern und Konsolen abgeebbt ist und selbst Karaoke-Programme ein Nischen-Dasein fristen, ist Journey seit dieser kurzen Aufbäum-Phase wieder von den Bildschirmen verschwunden. Ob das nun ein Grund zum Jammern ist, müsst ihr nach diesem Artikel selbst entscheiden. Während ihr darüber grübelt, könnt ihr ja eine Platte der Band anmachen.
