Endlich erwachsen! Eigene Wohnung! Fernseher! Waschmaschine! Dumm nur, dass das alles Geld kostet. Dann suchen wir uns mal einen Job.
Es gibt ja den Spruch: Das Leben ist ein mieses Spiel, aber seine Grafik ist geil. Und obwohl wir eigentlich spielen, um aus dem Arbeitsalltag auszubrechen, gibt es schon seit frühen Computerspieltagen zarte Versuche einer Lebenssimulation. Was habe ich bei den Little Computer People dem kleinen Kerl auf dem Bildschirm dabei zugeschaut, wie er in einem Sessel rumlümmelt oder seinen Hund streichelt. Anstatt selber in einem Sessel rumzulümmeln oder einen Hund zu streicheln. Das Prinzip wurde im Laufe der Jahre natürlich immer weiter aufgepumpt und heute können die Sims all die tollen Dinge erreichen, für die ich nicht clever oder schön genug bin.
Ein ähnliches Prinzip gibt es natürlich auch im Brettspielbereich. Bekanntester Vertreter ist hier wahrscheinlich heute noch Das Spiel des Lebens von Hasbro, in dem das Spielziel natürlich der ganz persönliche Innere Frieden, die Erfüllung im künstlerischen Ausdruck und im Miteinander mit Anderen ist… Quatsch! Natürlich ging es am Schluss nur um Kohle, Mäuse, Geld! Trotzdem – vielleicht weil es mit seinem Glücks-Faktor für alle gleich unfair war – machte es immer mal wieder Spaß. Und hier und heute, in diesem Artikel, soll es um ein Spiel gehen, das die beiden Welten der Computer- und Brettspiele friedlich vereinte: Jones in the Fast Lane.
Mein Haus, mein Auto, meine Yacht!
Grundsätzlich sieht das Spiel wie eine mit Multimedia-Schnickschnack aufgepeppte Umsetzung eines klassischen Brettspiels aus. Aber es war tatsächlich von Anfang an für den Computer entworfen worden. Obwohl das Spiel hauptsächlich eine hausinterne Produktion von Sierra war, kauften sie die Idee von außerhalb ein: Kelly Walker und drei Mitglieder der Familie Whaley – namentlich Christopher, Meredith und Robert entwarfen ein textbasiertes Spiel namens Keeping up with the Joneses. Das ist eine Redewendung, deren Ursprung wie so häufig nicht geklärt werden kann. In diversen Zeitungen wurde ab 1913 ein Comicstrip dieses Namens von Arthur Momand gezeichnet und einige Leute gehen davon aus, dass der Name sich deshalb festgesetzt hat, aber sicher ist das nicht. Eine richtige deutsche Entsprechung gibt es übrigens auch nicht. Es bedeutet so viel wie „Dem Nachbarn nicht nachstehen zu wollen“ oder eben wie damals in der Werbung „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht!“. Die Grundidee unterscheidet sich nicht wesentlich vom Spiel des Lebens, ist aber ein wenig ausdifferenzierter, weil es vier verschiedene Ziele gibt, auf die der Spieler hinarbeiten kann. Aber dazu komme ich gleich noch. Chronologisch wichtig für die Geschichte ist, dass dieser Prototyp an Sierra verkauft wurde. Zwei der Whaleys gingen ans College und da schien der Verkauf eine gute Idee zu sein. Das Spiel lag kurz darauf auf dem Schreibtisch von Warren Schwader, dem Lead Programmer von Jones in the Fast Lane. Falls euch dieser Name nichts sagt: John Romero nannte ihn in einem Interview mit Inside Games 2001 „one of the great early game designers“.
Von Parker zu Spielen
Entsprechend waren die Verkäufe seiner frühen Spiele eher mäßig. Schrader erinnert sich an einige hundert Exemplare, sein fertig gestelltes Cribbage-Spiel brachte es auf ungefähr zweitausend Stück. Was für unsere Geschichte aber der entscheidende Teil ist: Ken Williams sah die Spiele und war angemessen beeindruckt. Die Spiele waren teilweise in Assembler geschrieben – Ende der 70er, Anfang der 80er für Heimentwickler keine Selbstverständlichkeit. Schrader wurde also in die noch kleine und wilde Sierra-Familie aufgenommen, passte aber nicht so ganz zum Rest des Teams:
EGA? VGA? eGAl?
Verlaufen können wir uns nicht
Das zugrundeliegende Spielfeld ist eine Art Rundkurs durch eine Stadt. Das Spielbrett zeigt euch neben verschiedenen Läden noch eine Universität und ein Arbeitsamt. Letzteres sollte eure erste Anlaufstelle sein, da ohne Moos auch in diesem Spiel nicht los ist. Keines der vier Spielziele Reichtum, Glück, Bildung und Karriere ist ohne entsprechende Mittel erreichbar, weshalb ihr auf jeden Fall einen Job braucht. Die Optik unterscheidet sich hier natürlich auch wieder zwischen der EGA- und der VGA-Fassung, aber dieses Spiel funktioniert in beiden Versionen blendend. Alles ist auf einem einzigen Bildschirm dargestellt und comichaft vereinfacht. Jedes einzelne Gebäude ist klar identifizierbar und sieht einfach knuffig aus. Einzig größerer Unterschied ist wie schon bei den Spielfiguren, dass die „Bewohner“ dieser Häuser entweder digitalisierte oder gezeichnete Abbilder sind. Und natürlich müsst ihr bei der EGA-Fassung, die es nur auf Floppy-Disc gab, auch auf die Sprachausgabe verzichten. Bis auf ein kleineres Atmosphäre-Plus ist diese aber auch komplett verzichtbar – bei einigen der Figuren nerven mich die Sprüche auch nach einer Weile. Es hat also wie alles im Leben Vor- und Nachteile.
Ihr könnt am Spielanfang selber per Schieberegler einstellen, welches Ziel euch wie wichtig für den Sieg ist. Ausgewogene Work-Life-Balance ist also ebenso drin wie Wall-Street-Wolf. Innerhalb eines Spielzuges könnt ihr eure Figur frei durch die Stadt bewegen, wobei alles, was ihr tut, den Timer am unteren Bildrand weiterrücken lässt. Essen, arbeiten, einkaufen. Alles dauert seine Zeit und ihr habt davon natürlich nur begrenzt zur Verfügung. Euer Zug symbolisiert eine Arbeitswoche im Spiel. Ist diese vorbei, ist der nächste Spieler an der Reihe und das Hamsterrad des Arbeitslebens dreht sich von Neuem. Fieserweise wird euch zum Beginn des nächsten Zuges dann noch Geld für euer Wochenende-Vergnügen abgezogen, das ihr nicht beeinflussen könnt und gerne mal eine schöne Stange Geld kostet. Oder aber ihr habt finanziell gesehen Glück gehabt und folgende Meldung erhalten: „You did absolutely nothing this weekend.“ Zwei Dinge sind also in jeder Runde essentiell: Arbeiten und Essen. Erfreulicherweise könnt ihr das im lokalen Monolith Burger direkt beides erledigen. Einen viel besseren Job als Patties-Wender werdet ihr anfangs wahrscheinlich sowieso nicht bekommen. Wie viel ihr arbeitet, dürft ihr lustigerweise selber entscheiden, indem ihr auf die entsprechende Schaltfläche drückt. Großartiges System, das sich hoffentlich bald hier bei uns durchsetzt…Möchten sie Pommes zu ihren Pommes?
Das Essen ist ein wenig… nun ja… seltsam konzeptioniert. Es ist nämlich meiner Meinung nach völlig egal, ob ihr euch mit den Pommes das billigste Essen reinschaufelt oder euch eine Wochenration Astro Chicken reinschiebt. Einziger Unterschied ist, dass euer Konto unterschiedlich stark blutet. Schade. Hier wären ein oder zwei Ideen ganz nett gewesen. Weitere regelmäßige Ausgaben warten auch schon auf euch: Alle vier Wochen müsst ihr Miete zahlen, alle acht Wochen legt euch das Spiel eine neue Garderobe nahe. Und solltet ihr bei den Klamotten sparen wollen, läuft euer Avatar irgendwann nur noch mit einem Fass bekleidet durch die Gegend (auch bekannt als die Mummsche Stiefel-Theorie). Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Mehr Reichtum sorgt im späteren Spielverlauf für mehr Ruhe. Also ist ein gut bezahlter Job auf Dauer essentiell. Diese Jobs sind aber nur mit Bildung zu erreichen – und das führt uns alte Lateiner stante pede in die Hi Tech University, in der wir Kurse belegen dürfen. Diese Kurse müssen wir zehnmal besuchen, also zehnmal Zeit dafür opfern, um sie erfolgreich abzuschließen. Und dann bekommen wir eventuell einen besseren Job angeboten. Auch das ist aber wieder vom Zufall abhängig. Wenn im Arbeitsamt gerade nichts angeboten ist, dann ist das eben so
Ein Spaziergang über das Brett
Ein paar Örtlichkeiten habe ich hier ja schon mal angerissen. Gehen wir mal das ganze Spielbrett entlang und schauen, was es außerhalb eurer Luxusbehausung zu entdecken gibt. Beim Pfandleiher könnt ihr bei absoluter Geldnot Dinge in Zahlung geben. Löst ihr sie nicht innerhalb von zwei Runden wieder aus, können andere Spieler hier zuschlagen. Weil hier nur von Spielern eingestellte Titel gehandelt werden, lohnt sich der Blick in den Laden aber eher selten und ist ein verlorener Zug. Arbeit gibt es hier auch keine, also schnell zum Z-Markt. Hier gibt es jede Woche neue Schnäppchen zu erstehen, die aber nicht so lange halten wie ihre Pendants in den jeweiligen Spezial-Läden. Wie im echten Leben eben auch: Kaufste Kik, kaufste oft. Je nach Bildung könnt ihr hier als Kassenkraft, Assistenz-Manager oder Manager eure Brötchen verdienen.
Der Monolith Burger-Laden ist natürlich genau wie die dort erhältlichen Astro Chicken eine Reminiszenz an die Space-Quest-Reihe – ist aber ansonsten ein ganz normaler Fast-Food-Laden. Bedenkt man, dass die dort aufgerufenen Preise wie zum Beispiel 68 Dollar für Pommes gleich für eine ganze Woche gelten, sind sie gar nicht mehr soooo schlimm. Was auch immer ihr dort esst: ein Einkauf reicht für sieben Tage. Hm. Lecker. Kalte Pommes am Freitag… Zur Auswahl stehen hier Koch, Kassenkraft und die beiden Manager-Jobs. Ganz praktisch in diesem Zusammenhang ist, dass Essen keine Zeiteinheit wegnimmt. Wer also im Monolith Burger arbeitet, spart sich den Laufweg, um Fast Food in sich reinzuschaufeln.
In QT Clothing deckt ihr euch mit Klamotten ein. Für einige Jobs benötigt ihr die hier erhältlichen Business-Sachen, die allerdings auch entsprechend bepreist sind. Kleidung, die ihr bei QT kauft, hält länger als die Z-Markt-Sachen, sind aber dafür auch teurer. Gemeinerweise halten sie nicht viiiiel länger – in der Regel nur einen Zug mehr – sind aber trotzdem doppelt so teuer. Aber im Z-Markt gibt es eben nicht immer dann neue Sachen, wenn ihr sie gerade benötigt. Euch bleibt also nur, im Billig-Laden euer Glück zu versuchen oder direkt in den sauren teureren Apfel zu beißen und im Zweifel Zeit gespart zu haben. Momos graue Herren hätten bei diesem Spiel echt ihre Freude… Neben einem Verkäufer-Dasein gibt es natürlich auch hier wieder die Manager-Laufbahn.
Socket City versorgt euch mit Elektronik und Haushalts-Gegenständen wie einem Kühlschrank. Wenn ihr euch diese Dinge denn leisten könnt, weil hier schon reichlich Geld fließen muss. Auch hier gilt wieder: Z-Markt-Schnäppchen sind billiger, aber auch entschieden schneller kaputt. Ein Fernseher macht euch glücklicher, der Kühlschrank kann mit Essen gefüllt werden und erspart euch damit später die notorische Burger-Runde, ist dafür aber eben auch richtig teuer. Neben Manager und Verkäufer werden hier auch gute Handwerker für den Reparaturservice gesucht.
An der Hi-Tech-University lernen wir nicht für die Lehrer sondern für besser bezahlte Jobs. Wie vorhin schon beschrieben, kostet euch das Studium echt wenig Geld, aber dafür einiges an Zeit, weil jeder Kurs 10 Zeiteinheiten frisst. Und weil einige Kurse auf anderen Kursen aufbauen, gehen da einige Wochen ins Land, bis man zum Beispiel den Enigeneering-Abschluss in der Tasche hat. Arbeiten darf der Spieler hier entweder als Hausmeister oder mit der entsprechenden Bildung als Lehrer oder Professor. Verwaltet werden all die schönen Arbeitsplätze im Arbeitsamt – in dem man lustigerweise nicht arbeiten kann. Der erste Schritt zu einer erfolgreichen Karriere im Spiel sollte also hierhin führen. Falls ihr euch für einen Job bewerbt, für den ihr nicht qualifiziert seid, bekommt ihr natürlich trotzdem Zeit abgezogen – aber auch Hinweise, wie ihr euch für den Job qualifiziert und was euch noch fehlt.
Die Industrie im Spiel wird von DER FABRIK symbolisiert. DIE FABRIK ist so groß und krakenhaft, dass sie keinen anderen Namen als DIE FABRIK braucht. Das Ding ist riesig, weshalb hier auch die meisten Arbeitsplätze zu finden sind. Der Spieler, der auf der Karriereleiter ganz nach oben will, kann sich hier den bestbezahlten Job des ganzen Spiels sichern: den General Manager. Aber der Weg dahin ist lang und steinig – und wer weiß, ob nicht ein anderer Spieler mit kleineren Zielen dann eher ans Ziel kommt. In der Bank ist euer Geld vor Dieben sicher. Falls ihr mehr von eurem Geld erwartet als einen Sparstrumpf unter dem Bett, könnt ihr euch hier mit Spekulationen austoben und fette Gewinne oder Verluste einfahren. Und natürlich könnt ihr hier auch arbeiten – zum Beispiel als Investment Banker. Ab und zu wird die Bank von Wild Willy überfallen, der euch dann alles Geld abnimmt, das ihr bei euch tragt. Aber an die Kohle, die ihr eingelagert habt, kommt er lustigerweise nicht ran.
Number Next auf dem Brett ist der Black’s Market. Dort gibt es für gerade mal einen lausigen Dollar die Zeitung, die eventuell sinnvolle Hinweise für den Spielverlauf bereithält. Zum Beispiel, ob die Wirtschaft demnächst in den Keller geht. Kann aber auch sein, dass der Dollar für die Katz war. Wie auch das Geld, das ihr in Lotterielose anlegen könnt. Wobei ein Gewinn per Los natürlich eine feine Sache ist. Die wichtigste Ware hier ist aber das Essen, das ihr en gros kaufen könnt. Kühlschrank vorausgesetzt, könnt ihr auf diese Weise billiger und zeitsparender essen. Wer keinen geeigneten Aufbewahrungsort hat, riskiert eine saftige Rechnung vom Onkel Doktor, weil das Essen dann vergammelt und AuaauaBauchweh macht. Wer schon immer Metzger werden wollte, hat im Black’s Market alle Möglichkeiten dazu – neben den diversen anderen Jobs, die es auch in den anderen Läden gibt.
Bleibt als Ort des Bösen noch das Rent Office, in dem ihr regelmäßig eure Miete zu zahlen habt. Wer das vergisst oder glaubt, er könne das aussitzen, bekommt sein Gehalt gepfändet bzw. eingezogen, bis er die Miete gezahlt hat. Arbeiten darf man dort natürlich auch. Aber will das jemand mit ein wenig Empathie? Eben. Bleiben nur noch zwei Orte auf der Karte: Das Low Cost Apartment und das Le Security Apartment. In beiden könnt ihr einfach nur entspannen und Zeit verbringen, was euren Happiness-Pegel nach oben bringt, Je mehr Kram ihr in eure Wohnung stopft, desto glücklicher werdet ihr nach Spiellogik. Nachteil am Low-Cost-Wohnen: Wild Willy kommt euch gerne besuchen, wenn ihr viele teure Sachen eingekauft habt und räubert euch aus. Das kann euch in der Hochpreis-Bude nicht passieren, aber dafür löhnt ich eben auch mehr. Wobei die Mietpreise wie auch alle anderen Bepreisungen während des Spiels heftig schwanken können und ihr deshalb regelmäßig schauen solltet, ob sich nicht doch ein Umstieg lohnt, weil das Low Cost Apartment plötzlich gar nicht mehr so viel billiger ist. Und damit sind wir am Ende der Brett-Besichtigungstour angelangt.
Alle wollen nur mein Geld
Die Wirtschaft scheint auch komplett zufällige Preise innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu würfeln. Ich hatte jedenfalls nicht den Eindruck, dass meine Aktionen hier irgendeine Auswirkung gehabt hätten. Warren Schwader selbst gibt auch zu, dass einige Konzepte nicht so ganz durchdacht und feinjustiert wurden. Als Beispiel führt er an, dass diese Arztrechnung ja zum Beispiel auch durch ein Krankenhaus hätte vermieden werden können, wenn sie denn eines eingebaut hätten. Sierra hat laut seinen Aussagen das Original-Design mehr oder weniger komplett übernommen und sich auf die Multimedia-Aspekte konzentriert. Zum Beispiel floss viel Entwickler-Zeit in die Lippensychronisität der Figuren. Das Team hielt es für sinnlos, per Rotoscope-Verfahren Figuren einzufügen und dann nicht auch noch auf so etwas zu achten. Wenn schon, dann richtig. Die CD-ROM-Version sollte einen Mehrwert zur Floppy-Fassung bieten. Wobei das eigentliche Spiel auf der Disc gerade mal 35 MB groß ist.
Bewertung und die Wertungen
(Dieser Artikel erschien zuerst am 18. Februar 2023 auf GamersGlobal)