Inspector Schmidt – A Bavarian Tale

Mit einem selten bespielten Setting sucht das Erstlingswerk der Active Fungus Studios unsere Aufmerksamkeit: Irgendwo im Nirgendwo der bayerischen Provinz des Jahres 1866 kommt ein Münchner… Nein, nicht in den Himmel. Sondern mitten in einen brodelnden Kessel Landleben. Und wir natürlich mit ihm. Dabei erleben wir in Inspector Schmidt – A Bavarian Tale aber alles andere als idyllische Dorfromantik von anno dazumal.

Resi, zwoa Bier!

Valentin Schmidt ist von Beruf Physikatsberichtersteller und wird aus der Großstadt aufs Land geschickt, um Zahlen abzugleichen. Nein, nicht weggehen, lieber Leser! Klingt nach keinem besonders aufregenden Auftrag, ich weiß. Aber bei seiner Ankunft im beschaulich scheinenden Wolpertshofen, warten direkt einige Probleme auf ihn: Eine Räuberbande rund um Johann Pascolini treibt in den umliegenden Wäldern ihr Unwesen und am Vorabend artete ein Wirtshaus-Streit so aus, dass es einen Toten zu beklagen gibt. Zwei Gruppen stehen sich im Dorf gegenüber: Lehrer Loibl möchte am liebsten eine Revolution ausrufen, Pfarrer Beyerle den Status Quo bewahren. Und der Bürgermeister möchte einfach nur Ruhe im Ort. Valentin wird von allen Seiten bedrängt, sich der Untersuchung des Todesfalls anzunehmen. Was bleibt ihm da schon anderes übrig?

Die Aufgaben, die Valentin aufgebürdet werden, sind vielfältig. Neben dem Mord kann er sich auch mit Abtreibungen, Kegel-Schulden, Kriegs-Traumata und Verdauungsstörungen beschäftigen. Zwar ist nur ungefähr ein Viertel der Figuren im Dorf ansprechbar, aber da kommt schon einiges zusammen an Dorfpersonal. Die Nebenstränge sorgen für Abwechslung, manchen Lacher und Erfahrungspunkte, die Valentin dringend nötig hat. Denn da es sich bei A Bavarian Tale um ein Adventure mit Rollenspiel-Elementen handelt, sollte sich unser Protagonist in sieben Kategorien wie zum Beispiel „Bauchgefühl“ oder „Physis“ verbessern, wenn er das Rätsel um den verstorbenen Lenz wirklich lösen will.

Im Laufe der Gespräche oder bei Untersuchungen der Umgebung müssen wir immer wieder Proben durchführen. Dargestellt wird das durch 20-seitige Würfel, die wir durch Tastendruck „würfeln“. Kisten zum Beispiel knacken wir mit „Geschick“. Ist der erwürfelte Wert kleiner als der geforderte, können wir ihn ausgleichen – wenn unser Wert denn hoch genug ist. Eine zweite Chance gibt es in vielen Situationen nicht. Valentin findet dann eben einen Hinweis nicht oder ein Zeuge verweigert die Aussage. Scheitern gehört hier zum Konzept, da wir gar nicht die Chance haben, einen in allen Bereichen hochgezüchteten Charakter zu entwickeln.

Wuist du wandern?

Das Dorf samt Umgebung ist zwar ein relativ kleines Gebiet, durch Valentins langsame Gangart können sich die Wege zu den Höfen am Ortsrand oder auch vereinzelten Hütten im Wald ziehen. Wurde ein Ort erstmals erreicht, schafft das Wanderwege-Schnellreisesystem da jedoch oft Abhilfe. Die Umgebung ist technisch nicht beeindruckend, aber hübsch gestaltet und lädt zum Entdecken ein, wenn auch einige Texturen sehr spät nachgeladen werden. Höfe und Häuser sehen schön wohnlich aus, wobei viele Fenster einfach nur erleuchtete Flächen sind. Dass an allen Ecken und Enden Kisten stehen, die Valentin plündern kann, mag zu einem guten Rollenspiel gehören, aber dass das keinen der Dorfbewohner aufschreckt, stört meine Immersion schon.

An einigen Stellen kann Valentin in eine Art Detektivmodus wechseln. Die Umgebung wandelt sich in ein schwarz-weißes Gitternetz und wir können mit der Maus alles absuchen – aber unser wackerer Beamter geht in diesem Modus keinen Schritt. Spannende Stellen leuchten grün auf. Markieren wir sie mit der linken Maustaste, werden sie auch in der normalen Spielgrafik sichtbar. Dieser Modus knabbert allerdings an Valentins Konzentration, die wir nur durch den Genuss einer Brezel wieder auffüllen können. Bayern eben.

So redn mia do ebn

Das Setting setzt im wahrsten Sinne auch den Ton bei der Sprachausgabe. Wer den bayerischen Zungenschlag nicht mag, sollte Abstand halten. Schwammerln, Karteln, Kini… Zwar nimmt das alles nicht überhand und wird auch mal erklärt, aber bis auf einen Dorfbewohner, der extrem bemüht hochdeutsch spricht oder die witzigste Nebenfigur des Spiels spricht hier niemand Hochdeutsch. Und das ist auch gut so. Denn für mich machen die Sprache und die eingestreuten historischen Hintergründe den großen Reiz des Spiels aus. Außerdem werden alle Texte hochdeutsch auf den Bildschirm gezaubert, so dass auch Nordlichter eine Chance haben. Die Sprecherriege speist sich aus dem Fundus der kleineren bayerischen Theaterbühnen und macht durch die Bank gute bis sehr gute Arbeit. Valentin selbst bleibt aber leider stumm. Die Musik ist unaufdringlich und erinnert an manchen Stellen an eine Kreuzung aus Derrick und Blasmusik. Nur während der Kampfpassagen ist sie deplatziert lustig. Das Kampfsystem wirkt mit seinen wenigen Möglichkeiten unausgegoren und lässt in einigen Situationen wegen Kamera-Problemen keinen Spaß aufkommen. Ein Glück, dass sich Kämpfe normalerweise vermeiden lassen.

Technisch gibt sich das Spiel leider so einige Blößen. So geht die Kollisionsabfrage an einigen Stellen sehr frei mit Raum und Zeit um. Mal bleibt Valentin ohne ersichtlichen Grund einen Meter vom Bach entfernt stehen, an anderen Stellen kann er ins Wasser. Treppen scheinen auch nur dann zu funktionieren, wenn das Programm es will. Die Dörfler bleiben gerne an Ecken hängen oder stellen sich mal aufeinander. Dass Valentin, wenn er mal wieder betrunken ins Wasser gefallen ist, problemlos unter der Oberfläche atmen kann, ist auch eher Fehler als Feature – vor allem, wenn es Gewässer gibt, an denen er nicht wieder ans Ufer kommt. Die Engine scheint auch nicht besonders optimiert zu sein, denn der Lüfter meines PCs gab während des Tests kaum Ruhe. Zu Beginn fror das Spiel auch mal ein, doch im späteren Verlauf kam das meinem Spielspaß nicht mehr in die Quere.

Fazit

Die technischen Probleme mindern erstaunlicherweise meinen Spaß am Spiel kaum. Ich möchte herausfinden, was hinter der Fassade des Pfarrers steckt. Was den Schorsch umtreibt. Und natürlich, wer den Lenz ermordet hat. Und wenn Valentins Leber so lange durchhält – schließlich sind wir in Bayern – wird er das Rätsel mit meiner Hilfe auch lösen.

(Dieser Artikel erschien zuerst am 1. Februar 2023 auf GamersGlobal.de)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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