Fünf CPC-Erinnerungen

Jawohl, ich hatte einen Schneider CPC. Und ich war glücklich damit! Die Kiste hatte alles, was ich mir damals vorstellen konnte. Und sie gehörte mir. Mir ganz alleine!

Sollte irgendwann jemand eine Biografie über mein Leben verfassen, wird er meine Kindheit vermutlich mit dem schon etwas abgeschmackten Satz von der „glücklichen Zeit“ zusammenfassen. Neben Dingen wie guter Luft, gutem Essen und guten Freunden gehörte dazu natürlich auch ein guter Heimcomputer. Schließlich reden wir hier von den Achtzigern. Im Gegensatz zu vielen Altersgenossen hatte ich einen CPC 664 zu Hause stehen. Hauptsächlich, weil mein Vater in einer Firma arbeitete, die Amstrad- beziehungsweise Schneider-Geräte als Teil der Büroausstattung anbot. Und so ein CPC wirkte auf meine Eltern einfach seriöser als diese Daddelkiste, mit der alle anderen spielten. Welcher Computer auf meinem Schreibtisch stand, war mir damals relativ egal. Hauptsache, ich konnte endlich in aller Ruhe Vokabeln lernen. Oder so. Und wenn ich das nach vielen, vielen Stunden erledigt hatte, blieb ab und zu am Ende des Tages noch ein ganz klein wenig Zeit, um in eines dieser neuartigen Spiele reinzuschauen. Nur ganz kurz.

Wem mache ich hier was vor? Eben: niemandem! Selbstverständlich habe ich viel zu viel Zeit in viel zu viele Spiele gesteckt. Bereue ich das heute? Nein, natürlich nicht! Ich habe viele gute Erinnerungen an diese Spiele – und mit fünf davon möchte ich euch heute an meiner Nostalgie teilhaben lassen.

Bomb Jack

Es gibt wenige Spiele, für die ich über Nacht den Rechner angelassen habe. Bomb Jack ist eines davon. Aber warum? Nun, weil es eine Arcade-Umsetzung ist und deshalb mit schlechten Reflexen oder Unachtsamkeit recht schnell vorbei sein konnte. Wenn ich als titelgebender Held über den Bildschirm hüpfte und Bomben einsammelte, konnte ein schlecht getimter Sprung schnell zu einem Game Over führen. Die Gegner waren schnell unterwegs und konnten im Gegensatz zu meiner Figur richtig fliegen. Da halfen nur die immer mal wieder auftauchenden Extras. Wenn ich ein über den Bildschirm flitzendes „P“ fing, verwandelten sich die Gegner für kurze Zeit in Smileys, die Jack einsammeln konnte. Aber natürlich kamen schon kurz danach neue Gegner. Ein „B“ sorgte immerhin für Bonuspunkte. Und mit einem „E“ bekam ich ein Extraleben. Sehr gut! Das war dann auch der Grund für den über Nacht laufenden Rechner: Im neunten Level gab es eine Stelle, bei der sich Jack hinter einer Ecke vor den Gegnern verstecken konnte, wenn er sie zuvor alle auf die andere Seite gelockt hatte. Die Wegfindung der Gegner ließ es nicht mehr zu, dass sie einen kleinen Umweg in Kauf nahmen. Und da Jack auf der untersten Ebene stand, auf der die Extraleben landeten, konnte er sie bequem über Nacht einsammeln. Ehrlich gesagt habe ich vergessen, ob sich das gelohnt hatte oder ob der Lebens-Counter recht früh dicht gemacht hatte. Aber was kam ich mir damals clever vor!
 
Mit dem Erreichen weiterer Level wurde das Spiel immer schneller und damit natürlich schwieriger. Für mich gab es also trotz der durchgefarmten Nächte immer ein natürliches Ende eines Durchgangs. Ein Schulfreund von mir schwor damals Stein und Bein, dass das Spiel irgendwann auch wieder langsamer wird. Damals habe ich ihm geglaubt. Aber mittlerweile beschleicht mich der Verdacht, dass er mich schlicht und einfach nach Strich und Faden belogen hat.
 
Mein Geheimversteck.

Kane

Western haben mich schon immer fasziniert. Was habe ich bei Bonanza mitgefiebert und den Vorspann der „Western von gestern“ geliebt! Und was habe ich Zeit in dieses Spiel hier gesteckt! Kane ist eigentlich eine Minispiel-Sammlung, die das aber geschickt in eine Geschichte einzubetten versucht: Es geht um einen Sheriff, der eine Bande Bösewichter aus dem Städtchen Kane werfen und dann noch einen Zug vor dessen Entgleisung stoppen soll. Hey! Ich habe nicht gesagt, dass es eine gute Geschichte ist… Das Spiel zerlegt dieses nobelpreisverdächtige Buch in vier leichter zu erfassende Teile. Und von diesen hat mir der erste Abschnitt immer am meisten Spaß gemacht: Meine Spielfigur lauert am unteren Bildschirmrand mit Pfeil und Bogen darauf, dass oben Vögel vorbeifliegen, die er abschießen kann. Je mehr Vögel er erwischt, desto mehr Leben hat er für die übrigen Level. Ich vermute hier eine zivilisationskritische oder sozialdarwinistische Idee, die sich mir bei einfachem Licht leider nicht erschließt. Aber Spaß gemacht hat die antike Ballerei trotzdem immer. Vor allem, weil ich mit etwas Glück zwei dicht übereinander fliegende Vögel mit einem einzigen Pfeil erwischen konnte. Wenn ich zu viele Vögel durchließ oder alle Pfeile daneben gesetzt hatte, war der Abschnitt vorbei.
 
Teil zwei und vier sind Reitpassagen, in denen der Sheriff entweder in die Stadt oder dem Zug hinterher reitet. Bei beiden Abschnitten muss sein armes Pferd ständig über Kakteen oder Hecken hüpfen, weil es im Wilden Westen zu wenig Platz zum Drumherumreiten gegeben hat. Besonders fies waren kurz hintereinander postierte Hindernisse, für die ich rechtzeitig abbremsen musste. In meiner Erinnerung waren das die Abschnitte, die ich eher mit Glück überstanden habe. Immerhin lief hier die Wilhelm Tell-Ouvertüre in Dauerschleife, die ich deshalb immer mehr mit dem Wilden Westen als mit der Schweiz in Verbindung bringe. Aber da bin ich immerhin in der Gesellschaft von Leonard Bernstein. Dazwischen gibt es natürlich noch Abschnitt Nummer Drei, in dem der Sheriff all die bösen Buben in dem Städtchen Kane über den Haufen schießt, die sich unvorsichtigerweise immer mal wieder hinter ihren Deckungen raustrauen. Ist er nicht schnell genug, wird er natürlich selber getroffen, aber besonders schwer war der Level nicht.
 
Kane war eines der ersten Spiele, die ich auf meinen frisch erworbenen Schneider CPC 464 vor zwei Jahren wieder geladen habe. Und obwohl die Grafik bei weitem nicht so hübsch war, wie ich sie in Erinnerung hatte, machte das Spiel immer noch richtig Spaß. Und das ist doch mehr, als ich über so manche alte Schätzchen sagen kann. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Kane von Mastertronic für einen kleinen Blauen unters Volk gebracht wurde.
 
Die weißen Pixel in der Bildmitte sind mein Pfeil.

Sid Meier’s Pirates!

Falsches System, aber hübsche Packung.

So ein durchschnittliches CPC-Spiel ist ja nicht besonders lang. Wenn ich nach Videos schaue, die mir meine damaligen Nemesis-Spiele zeigen, werde ich regelmäßig beschämt. Nur zehn Minuten, um durch Ghosts’n’Goblins zu kommen? Wahrscheinlich dauerte es länger, das Spiel von Datasette zu laden als es durchzuspielen! Aber es gab natürlich auch einige Ausnahmen, die aus dem kleinen Speicher und der krümeligen Auflösung großartige Welten schufen, die zur Entdeckung einluden. Mein ewiger Favorit in dieser Kategorie ist Sid Meier’s Pirates! aus dem Jahre 1987. Dass Meier ein bekannter Designer von Flugsimulationen war, habe ich erst viele, viele Jahre später gemerkt. Und dass er eine Perlenkette an meinen Lieblingsspielen entwerfen würde, konnte ich da auch noch nicht ahnen. Was ich aber bald wusste: Dieses Spiel hier war einfach unglaublich! Was habe ich Zeit darin versenkt, als Engländer die Karibik zu beherrschen. Wobei „versenken“ ein gutes Stichwort war. Hunderte von Schiffen fielen meiner Crew zum Opfer. Und was habe ich gejubelt, als ich eine spanische Kriegsgaleere mit einer Pinasse sturmreif geschossen hatte!

Dieses Spiel bot so unglaublich viele Möglichkeiten, erfolgreich zu sein. Ich installierte neue Gouverneure in eroberten Städten, bezirzte ihre Töchter und heuerte in ihren Kaschemmen neue Crewmitglieder an. Größere Verluste bei der Mannschaft fuhr ich irgendwann nur noch ein, wenn ich sie absichtlich vor der Aufteilung der Beute dezimierte. Ich habe meine Loyalität gewechselt wie andere Leute ihre Unterwäsche. Ständig neue Konstellationen von Bündnissen ließen in mir eine Wendehals-Mentalität entstehen, die heute ziemlich erschreckend ist. Waren die Holländer gerade noch meine besten Freunde, jagte ich sie jetzt im Auftrag der Spanier, bevor ich wieder die Seiten wechselte und als Engländer den Spaniern die Städte im Süden abjagte. Von den Schatzkarten reichte mir irgendwann das erste Teilstück, weil ich die Karte so oft abgefahren hatte, dass ich sie auswendig kannte. Und trotzdem wurde mir das Spiel nie langweilig. Es gab so viele Möglichkeiten, sich selbst das Leben schwer zu machen. Seien es dünn besiedelte Zeitalter oder sei es die dumme Idee, das Spiel komplett auf spanischer Seite zu bestreiten und sich damit der größten Einnahmequelle zu berauben. Alles ging. Nur das Segeln von Osten nach Westen blieb die Achillesferse des Spiels. Egal, wie gut ich rumgekreuzt bin.

Bruce Lee

Bis heute habe ich noch keinen Film mit Bruce Lee gesehen. Mein Bild von ihm ist geprägt von ein paar Postern, ein paar Videoschnipseln und vor allem von diesem Spiel aus dem Jahre 1984. Die Hintergrundgeschichte kannte ich damals nicht – aber sie ist auch nicht der Rede wert. Böser Zauberer, Festung des Bösen, tödliche Fallen, blablabla. Was dieses Spiel aber aus der Masse an unbeschrifteten 3-Zoll-Disketten heraushob, war der Flow des Ganzen. Als Pixel-Bruce hüpfen und kämpfen wir uns durch besagte Festung, die aus 17 einzelnen Bildschirmen besteht. Auf den Plattformen verteilt müssen wir Lampen einsammeln, die uns den Weg zum nächsten Bildschirm öffnen. Verhindern wollen das ein komplett schwarzer Ninja und ein grüner Sumo-Ringer, die uns gerne in die Mangel nehmen würden. Falls wir einen dieser Gegner besiegen, verschwindet er, taucht aber kurz darauf wieder auf und macht erneut Jagd auf uns. Die beiden stellen allerdings keinen Spieler vor größere Probleme. Für solche sorgen dann in späteren Bildschirmen Fallen, die ein gutes Timing erfordern. Das hat damals einige Übung erfordert, während es heute bei mir zu Überforderung führt, weil Bruce nicht ganz so schnell wie gewünscht auf einen Tastendruck reagiert.
 
Das Tollste an dem Spiel war für mich aber die Überraschung, als ich eines Tages eine Abkürzung entdeckte: Wenn ich Bruce im dritten Raum ganz rechts unten den Befehl zum Hinlegen gab, legte er sich durch das noch geschlossene Gitter durch und ich konnte mir die Lampen-Sammelei hier sparen! In diesem Moment wusste ich, wie sich Kolumbus und Galilei gefühlt haben mussten!
 
Der Mann mit der Todeskralle.

Samantha Fox Strip Poker

Mein Gott: ja! Ich war auch mal jung und die Gefühle tanzten Lambada, bevor der Lambada erfunden wurde. Und die nahezu fotorealistische Grafik der 8-Bit-Ära bot sich ja geradezu an, auch abseits des Quelle-Katalogs etwas Erotik ins Jugendzimmer zu schmuggeln. 1986 führte da kein Weg an dem  Seite-3-Mädchen vorbei: Samantha Fox. Nicht, dass ich gewusst hätte, was ein Seite-3-Mädchen war. Aber der Begriff kursierte quasi Hand in Hand mit der Diskette auf dem Schulhof und klang verheißungsvoll. Etwas weniger verheißungsvoll, weil eben Schneider-Sound, aber immer noch schmissig piepste mir dann auch schon Scott Joplins Entertainer entgegen. Dennoch war der Bildungsauftrag erfüllt und bis heute verbinde ich die Melodie mit diesem Spiel. Oder Wagners Walküren-Ritt mit dem Film „Mein Name ist Nobody“. Vermutlich lief bei meiner Erziehung etwas grundlegend falsch.
 
Das Spiel war mein erster Kontakt mit dem Pokerspiel. Und eine Anleitung oder gar Erklärung war mal wieder nicht mitgeliefert worden. Aber wir hatten ja nichts außer Zeit, sodass ich nach ein paar Runden so langsam kapierte, wie die grundlegenden Regeln funktionieren. Wobei die wichtigste Regel war, nie mit zu hohen Einsätzen ins Spiel zu starten, weil der CPU-Gegner dann gerne seine Karten auf die virtuelle Tischplatte fallen ließ. Und die zweite Regel war: Samantha betrog nach Strich und Faden. Meiner Meinung nach. Dominic Sander, der Tester der ASM, glaubte dagegen, dass das Spiel in Wirklichkeit meine Züge genau analysiert und schnell kapiert, wenn ich bluffe. Er habe deshalb laut seiner Aussage im Test 3 Stunden und 27 Minuten gebraucht, bevor er endlich das letzte Bild sehen konnte. Merke: Mit der richtigen Motivation kommen auch ASM-Tester mal über Bildschirmfotos der ersten fünf Minuten hinaus… Das erste Bild lässt übrigens Übles vermuten: Samantha ist da komplett vermummt mit Sonnenbrille, Hut und Mantel zu sehen. Ein Glück, dass ein Großteil dieser Ausrüstung schon auf dem nächsten Bild verschwunden ist und ich nicht jedes Kleidungsstück einzeln erspielen musste. Irgendwann habe ich mich nur noch auf mein Glück verlassen und ab dem ersten Pärchen den Pot hochgetrieben. Und manchmal hat das auch geklappt. Meistens nicht – aber das war besser, als sich auf meine Poker-Kenntnisse zu verlassen.

Und das war er auch schon, meine kurzer Ausflug in die 8-Bit-Ära. Natürlich gab es da noch viele andere Spiele, über die ich etwas hätte schreiben können. Zum Beispiel mein erstes selbst gekauftes und nicht auf dem Schulhof organisiertes Spiel. Oder die Wirtschaftssimulation mit den in meinen Augen schönsten Packungsbeilagen. Wer weiß: Vielleicht kommt mal ein zweiter Artikel zum Thema. Bis dahin würden mich aber eure Erinnerungen interessieren. Was waren die Zeitfresser eurer Jugend? Und ganz zum Schluss noch ein „Danke“ an Tim, der für mich seine Pirates-Packung fotografiert hat.
 
Wir hatten ja damals nichts!

(Dieser Artikel erschien zuerst am 01. Mai 2021 auf GamersGlobal)

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Über Jürgen

Geschichts- und Musik-Liebhaber mit einer Schwäche für viel zu lange Computerspiele. Der Werdegang CPC - Pause - PC und Konsolen sorgt dafür, dass ich noch so viele schöne alten Perlen entdecken darf.

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3 Comments on “Fünf CPC-Erinnerungen”

  1. Bomb Jack ist auf dem CPC wirklich hervorragend spielbar, es macht finde ich mehr Spass als der Automat! Es ist eines der besten CPC Spiele.

    Live and Let Die hätte ich noch erwähnt, eine Art Autorennen mit einem Boot. Exolon und Cybernoid 1 und 2 sind auch noch grossartig auf dem CPC.

    1. Live and Let Die hatte ich damals nicht. Hab es vor ein oder zwei Jahren mal im Rahmen des Off-Topic-Podcasts angeschaut, weil wir ja die Bondfilme besprochen hatten. Wahrscheinlich muss man bei dem Spiel damals dabei gewesen sein 🙂

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