Früher war mehr Lametta. Was schon Opa Hoppenstedt wusste, lehrt mich auch meine eigene Erfahrung. Abgesehen von meinen Schwiegereltern kannte ich in den letzten zehn Jahren niemanden mehr, der das Engelshaar noch von den Weihnachtsbaum-Ästen hat baumeln lassen. Was hingegen in jeder winterlichen Dekoration zu finden ist, sind bis heute Christbaumkugeln. In unserem Haushalt sind sie in einem abgedunkelten Rotton gehalten, während die cremefarbenen Exemplare im Keller lagern. Allen gemein ist natürlich, dass sie wunderbar rund und (wenn sie nicht auf den Boden fallen) fest sind.
In diesem Artikel möchte ich euch drei verschiedene Weihnachtstitel vorstellen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Aber wie leite ich bloß von Christbaumkugeln zum ersten Thema über? Hmmm.
Maria Whittaker
1988 legte die Firma Anco interessierten Spielern mit Maria’s Xmas Box ein Strip-Poker-Programm unter den Weihnachtsbaum. Die im Mittelpunkt stehende Dame, Maria Whittaker, war in Großbritannien in den 1980er Jahren ein sehr bekanntes Seite-3-Girl und in Computerspielkreisen bereits durch ihre Cover-Arbeit für Barbarian und Barbarian II aus dem Hause Palace Software bekannt. Nach dem Erfolg ihrer Konkurrentin Samantha Fox mit deren eigenen Poker-Spielchen lag es also nahe, die bereits mehrfach verwendete Poker-Engine mit einigen neuen Bildern zu bestücken und schnelles Geld zu machen.
Das Prinzip ist bekannt: Der Spieler und Maria bekommen jeweils fünf Karten. Abwechselnd können sie aufgeben, bieten oder sie wollen die Karten des jeweils anderen sehen. Außerdem gibt es einmal die Möglichkeit, unliebsame Karten abzuwerfen und auf ein besseres Blatt zu hoffen. Verliert eine der beiden Parteien ihre 100 Dollar Startgeld, so kann sie gegen ein Kleidungsstück weitere 100 Dollar bekommen. So weit, so normal. Maria’s Xmas Box bietet zwei Schwierigkeitsgrade, bei denen ich nicht recht weiß, worin sie sich unterscheiden. Eventuell blufft Maria im schwierigeren Modus etwas häufiger, denn meistens spielt sie verblüffend ehrlich. Wenn sie anfängt, hohe Einsätze auf die Tischmitte zu schieben, hätte ich in den meisten Fällen mein Blatt abwerfen sollen.
Während die Bilder in der Amiga-Version noch erträglich aufgelöst sind, bieten die 8-Bit-Fassungen in dieser Beziehung wenig Anlass zur Freude. Aber da ja niemand auf die Grafiken geschaut und sich auf stattdessen voll auf sein Blatt konzentriert hat, dürfte das kaum jemandem aufgefallen sein. Nach einer äußerst kurzen musikalischen Laufbahn mit einer einzigen Single arbeitet Whittaker heutzutage laut Wikipedia als Ernährungsberaterin.
Sierra On-Line
Es mag den ein oder anderen Leser überraschen, doch Sierra On-Line war eine gewinnorientierte Firma, die bestrebt war, zu den Weihnachtsfesten immer genügend neue Spiele in den Händler-Regalen zu haben. 1986 ging Sierra noch einen Schritt weiter und erstellte ein kleines Programm mit winterlichen Szenen. Gedacht war sie als nette Geste für Mitarbeiter und Freunde des Hauses – aber natürlich auch als Werbung. Denn Händler konnten das Programm samt netter Grafik und Musik in Dauerschleife ablaufen lassen und sogar einen eigenen Text für die Kundschaft einfügen.
Das Video wurde in Sierras AGI-Engine geschrieben und unterstützt die Grafikstandards CGA und EGA. Musikalisch untermalt werden die verschiedenen Szenen von neun – zugegebenermaßen piepsigen Melodien. Zwei Jahre später setzte Sierra die Christmas-Card-Demo auf der SCI0-Engine neu auf und änderte bei der Gelegenheit einige Dinge. Wer also unbedingt eine nett animierte Werbe-Einblendung für Space Quest 1: The Sarian Encounter sehen möchte, sollte obiges Video starten. Alle anderen klicken auf das Video unterhalb dieses Abschnitts.
In dieser Version aus dem Jahre 1988 hat vor allem die Musik einen großen Sprung nach vorne gemacht, denn die Demo unterstützt den Roland MT-32. Wobei ausgerechnet eine meiner Lieblings-Sequenzen mit einem lebendigen Schneemann musikalisch im Vergleich zur Pieps-Version meiner Meinung nach verliert. Frosty the Snowman klingt hier eher müde-verschnupft. Grafisch wurden alle Szenen überarbeitet und teilweise verändert, die ruhige „God rest ye merry gentlemen“-Szene am Ende finde ich wunderschön.
Zwei Jahre später folgte die dritte Weihnachts-Grußkarte, die einen humorvolleren Ansatz verfolgt. Unter dem Namen „The seasoned professional“ tritt der Computergegner des Spiels Jones in the Fast Lane auf. In verschiedenen Verkleidungen betritt er immer wieder aufs Neue eine Theaterbühne, um der Sierra-Belegschaft und den Freunden des Hauses Frohe Weihnachten zu wünschen. Allerdings hat er große Schwierigkeiten, das richtige Kostüm auszusuchen. Mit jedem neuen Versuch wird der namenlose Regisseur vor der Bühne wütender und brüllt Jones per Sprechblase von der Bühne.
Der Clip ist hübsch animiert und lustig gemacht, wobei ich persönlich die weihnachtlicheren Karten aus den Vorjahren vorziehe. Als kleines Schmankerl hat Sierra diese Weihnachtskarte wie auch die Spiele dieses Jahres 1990 sowohl in EGA als auch in VGA veröffentlicht.
Die letzte Computer-Weihnachtskarte erschien wieder zwei Jahre später, also 1992. Nach der Comic-Variante mit Jones besann sich Sierra wieder auf schön gepixelte winterliche Szenen, die mit Weihnachtsmelodien unterlegt wurden. Musik ist auch genügend vorhanden, bei der Anzahl der Szenen wurde nur leider gespart. Nach gerade einmal drei schönen Bildern beginnt der Reigen von vorne – nur mit einer anderen Melodie. Dafür werden neben Sierra On-Line selbst die Neuerwerbungen Dynamix, Bright Star und das Sierra Network beworben.
Charlie Brown
Der Peanuts-Comic-Strip rund um Charlie Brown und seine Freunde ist seit Jahrzehnten Kulturgut. Snoopy als Roter Baron, Woodstock auf der Suche nach seiner Mutter oder Lucies psychiatrischen Behandlungen sind aus den sozialen Medien nicht wegzudenken. Waren die Comics bereits schon beliebt, schob 1965 die erste animierte Show die Popularität noch einmal kräftig nach vorne: A Charlie Brown Christmas. Das Vince Guaraldi Trio schuf dafür viele der heute noch bekannten Jazz-Melodien wie Linus and Lucie. Der Balanceakt zwischen Melancholie und Humor ist schon in diesem ersten animierten Auftritt hervorragend getroffen – auch dank der Weigerung von Charles M. Schulz, dem Schöpfer der Peanuts, die Geschichten mit Lacher-Spuren unterlegen zu lassen.
Die Firma Zen Studios hat für ihr Flipper-Spiel Pinball FX neben sehr sehr vielen anderen Tischen 2023 auch einen schön gestalteten Flipper zu diesem Weihnachts-Special veröffentlicht. Im Vergleich zu einigen anderen Veröffentlichungen der Reihe ist der Tisch spartanisch ausgestattet. Alles, was der Spieler an Rampen und Lichtern erwartet, ist vorhanden, doch der letzte Pfiff, der den Titel von anderen Tischen abhebt, fehlt. Die Musik stammt aus dem Film und ist entsprechend fein, allerdings wird sie genretypisch ständig von anderen Geräuschen überlagert oder wegen eines ausgelösten Ereignisses abgebrochen.
Das war mein kleiner Ausflug in die weite Welt der Weihnachtsspiele. Gibt es Favoriten mit winterlicher Thematik, die bei euch regelmäßig ins Laufwerk geschoben werden? Oder seid ihr froh, wenn die Adventszeit auf Plätzchen und Glühwein reduziert bleibt?
XMas-Lemmings war toll. Habe ich sehr gerne gespielt.
Guter Hinweis. *aufdielisteschreib*
Wieder schöner Artikel mit schönen Zeitkapseln jener Zeit 😀
Mein Favorit bleibt aber „Maria’s Xmas Box“ :’D
Euch wünsch euch was 🙂
Ich wühle mich gerade wegen der Legend-Sachen durch alte Ausgaben der Computer Gaming World. Da taucht ständig Werbung für ein Spiel auf, das ganz in dein Beuteschema fallen könnte. Eventuell mache ich einen Artikel draus.
Ja, Lemmings und Jazz Ja j Rabbit sind mir sofort eingefallen. Nächstes Weihnachten kommt bald. Die Sierra grüße gab es nie als Box, sondern nur als lose Diskette?
Die Sierra-Sachen waren nie für den Verkauf bestimmt. Sagen wir: Ich habe nie eine Verpackung gesehen.