Der neue Entwickler Fallen Leaf legt mit Fort Solis seine Visitenkarte vor und entführt uns ins Jahr 2080 auf den Mars. Dort treffen wir auf Jack und Jessica. Die beiden sind Techniker und gerade dabei, Außen-Reparaturen auszuführen, als ein Notruf der kleinen Station Fort Solis reinkommt. Während Jessica vor Ort den Rest erledigt und sturmsicher macht, geht Jack dem Notruf nach. Ob das eine gute Idee ist und ob ihr die Visitenkarte von Fallen Leaf an den Kühlschrank hängen oder sie lieber zerreißen solltet, klärt dieser Artikel.

Life on Mars?
Fort Solis teilt sich in vier Kapitel auf. Im ersten Abschnitt erreicht Jack die abgelegene Station und stellt fest, dass ein Lockdown viele Zugänge automatisch verriegelt hat. Er muss also erst einmal einen Weg hinein finden und stellt im Inneren schnell fest, dass nicht nur irgendein technischer Fehler die Ursache des Notrufs gewesen sein kann. Denn Jack ist allein. Von der kleinen Besatzung der Station fehlt jedes Lebenszeichen, aber nicht jede Spur. Denn der Protagonist findet bei seiner Erkundungstour jede Menge Computer und Aufzeichnungsgeräte, die ganz klassisch Story-Schnipsel per Mail-Verkehr, Audio- oder Video-Mitschnitt liefern. Auf einigen Computern kann er auch bisher geschlossene Bereiche entriegeln, was ihm sonst nur mit Levelkarten der Kategorie 1-5 gelingt. Auf diese Weise erweitert sich die Spielwelt Stück für Stück – allerdings kommt es nur sehr selten vor, dass wir dann einen größeren Weg zurück gehen müssen. Das Spiel führt uns bis auf kleinere Ausnahmen ohne Umwege sehr gut durch die Station und die Story.
Wie bei vergleichbaren Spielen typisch, liefert Fort Solis keine Rätsel im klassischen Adventure-Sinne. Jeder Raum bietet einige Hotspots, die wir mit unserem Helden wider Willen abklappern und damit eine Aktion auslösen. Sei es ein Zwiegespräch per Funk mit Jessica, eine gefundene Batterie, um manche Türen zu öffnen oder weitere Hinweise auf die Hintergrund-Geschichte. Alle Informationen und Zugangscodes überspielt Jack in sein am Unterarm befestigtes Pad. Dort ist auch eine Karte der Station abrufbar, die bei der Orientierung hilft und zeigt, welche Türen nicht zugänglich sind. Spannung sollen die Quicktime-Events erzeugen, die immer wieder eingestreut und fair getimt sind. Ich habe an einigen Stellen zu spät reagiert und trotzdem ging die Story problemlos weiter. Und auch Hacking-Mini-Spiele, die auf QTEs beruhen, können wir nicht versemmeln. Geduldig blendet das Spiel die gewünschte Taste immer wieder ein, bis wir zufällig mal rechtzeitig drücken. Selten kommt es vor, dass ein Schalter ganz offensichtlich betätigt werden möchte, ich das aber erst nach abgearbeiteten Hotspots tun darf.

Die Mars-Chroniken
Die Spielmechanik ist also nicht der Grund, dieses Spiel zu spielen. Dann muss es die Story reißen. Und die gibt sich alle Mühe, sehr lange mysteriös zu bleiben. In den vier Kapiteln entfaltet sich viel Stimmung, aber nur sehr langsam auch die Geschichte. Ehrlich gesagt bin ich selbst nach Abschluss des Spiels nicht sicher, ob ich wirklich alles verstanden habe. Hat mich aber nicht gestört, weil ich mich die ganze Zeit gut unterhalten gefühlt habe. Liegt auch daran, dass „die ganze Zeit“ ungefähr vier Stunden waren – und in diesen vier Stunden nach der guten Hälfte auch noch der Protagonist wechselt. Und dann flimmert der Abspann schon über den Bildschirm. Böte das Spiel eine etwas höhere Laufgeschwindigkeit an, würde das noch schneller gehen, aber unsere Protagonisten bewegen sich nur im Ausnahmefall, nämlich während einiger Cutscenes, schneller als unbedingt nötig.
Was das Spiel an Länge nicht hat, versprüht es rechts und links bei der Atmosphäre: Die Grafik ist hervorragend gelungen und zeigt vor allem bei Schattenspielereien, was die Unreal 5 Engine so kann. Natürlich ist der Mars oder das Innere einer Station nicht besonders abwechslungsreich, aber das stört bei der vorgelegten Geschichte überhaupt nicht. Die Musik bietet immer genau die richtige bedrohliche Stimmung, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Dort können die hervorragenden (englischen) Stimmen umso mehr wirken. Und wenn uns dann tatsächlich mal jemand begegnet, ist auch das sehr gut gemacht. Die Frotzeleien per Funk zwischen Jack und Jessica, die aufgezeichneten Stimmen der Stationsmitglieder: alles wunderbar glaubwürdig. Dass an den Wänden der Station viele Poster fiktiver Filme hängen, über die sich die Protagonisten austauschen, trägt ebenfalls zur Atmosphäre und sogar zur Geschichte bei: Ob aus den Stations-Bewohnern etwa Zombies geworden sind? Wie in dem Film, den wir gestern gesehen haben? Was meinst Du, Jack?

Fazit
Fort Solis bietet in wenigen Stunden eine mitreißende Geschichte, die bedrohliche Stimmung aufbaut, aber (fast) ohne Jumpscares auskommt. Es lebt von der Spannung, eine anscheinend verlassene Umgebung zu untersuchen und Schlüsse daraus zu ziehen. Die Quicktime-Events sind relativ selten, so dass sich die Interaktion mit dem Spiel hauptsächlich auf wenige Hotspots und die Taste „E“ (am PC) beschränkt. Mir hat das gereicht, weil mich die Story und die Umgebung gepackt hatten. Wer mehr von einem Spiel erwartet, hält besser Abstand und bleibt auf der Erde.
Bei der von mir getesteten PC-Fassung gab sich der Lüfter alle Mühe, die während der Handlung tobenden Mars-Stürme angemessen lautmalerisch umzusetzen, sonstige technischen Probleme gab es aber keine.
- Story-Adventure
- Einzelspieler
- Für Einsteiger
- In einem Satz: Wer gerne nachts mit der Taschenlampe über den Friedhof läuft, ist hier richtig.
Dieser Artikel erschien zuerst am 12. Oktober 2023 auf GamersGlobal.