Comic-Optik, Piraten, ein Schatz und Taktik-Kämpfe. Viele interessante Zutaten, die einen schmackhaften Eintopf oder eine grässliche Pampe ergeben können. Mal sehen, welchen Geschmack Flint: Treasure of Oblivion nach einigen Stunden entwickeln wird.

Titel: | Flint: Treasure of Oblivion |
Erscheinungsdatum: | 14.11.2024 |
Plattformen: | Windows, PS5, XBox Series X|S, Switch |
Entwickler / Herausgeber: | Savage Level / Microids |
Homepage: | https://www.microids.com/flint-treasure-of-oblivion-en/ |

Das Spiel ist aus, Captain Flint!
Die Hintergrundgeschichte ist nicht vorhanden bis klassisch: Wir (in der Gestalt des Piratenkapitäns James Flint) werden samt unserem treuesten Gefolgsmanns Billy Bones zu Beginn des Spiels gefangen genommen und in den Kerker geworfen, um dort zu verrotten. Doch ein Flint gibt nicht auf! Erst recht nicht, wenn ihm ein älterer Gefangener von einem Schatz erzählt und seine Geschichte noch mit einem hübschen Klunker unterstreicht. Wir müssen hier raus! Wir brauchen eine Besatzung! Und wir benötigen ein Schiff!
Freunde klassischer Abenteuer-Literatur haben die beiden Namen Captain J. Flint und Billy Bones selbstverständlich bereits dem Roman Die Schatzinsel von Robert Lewis Stevenson zugeordnet. Dieses Spiel hier versucht, eine ganz ähnliche Atmosphäre aufzubauen und ist in Teilen bei mir sehr erfolgreich damit. Die Art und Weise, wie die Story vorangetrieben wird, ist meiner Meinung nach nämlich sehr geglückt. Der Spieler bewegt die Figuren durch eine gelungene 3D-Umgebung, um kleinere Aufträge zu erledigen oder schlicht, um von A nach B zu kommen. Nebenfiguren steuern mit (leider unvertonten) Sprechblasen kleinere Atmosphäre-Brocken bei. Wichtige Gegenstände oder Figuren werden hervorgehoben, sobald wir Flint nahe genug an ihnen vorbei führen. An den passenden Stellen werden Comic-Panels eingeblendet, die den Großteil der Geschichte transportieren und manchmal auch Entscheidungen des Spielers verlangen.

Angriff!
Die Flucht aus dem Kerker gelingt. Wenn auch nicht im ersten Anlauf, denn die Taktik-Kämpfe gingen mir nicht leicht von der Hand. Eine bestochene Wache verschafft den beiden Piraten zwar eine Möglichkeit abzuhauen, doch der Freiheit stehen noch einige Wachen entgegen. Das Spiel schaltet in solchen Fällen in den Kampfbildschirm und einen Rundentaktik-Modus. Auf Hexagon-Feldern kann der Spieler erst in aller Ruhe seine eigenen Truppen befehligen, bevor dann der Gegner teils radikal Rache verübt. Leider versäumt es Flint: Treasure of Oblivion, diese Mechaniken innerhalb der Geschichte einzuführen. Stattdessen verweist das Spiel bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit den lapidaren Sätzen „Lies bitte die Anweisungen sorgfältig. So kannst du alle Funktionen optimal nutzen und alles macht gleich viel mehr Spaß“ auf die integrierten Hilfs-Bildschirme. Alleine zum Kampf sind es derer sechs. Natürlich: Zu Zeiten von 300-seitigen Handbüchern wäre ich froh um solch eine komfortable Anleitung gewesen. Dieses Jahr bin ich allerdings schlicht nicht mehr bereit, mir immer wieder aufs Neue die Bildschirm-Hinweise aufzurufen, weil ich schon wieder vergessen habe, was dieses oder jenes Symbol bedeutet.

Zusätzlich ist die Optik zwar gelungen, im Kampf aber unübersichtlich. Auch wenn das Spielfeld in 90-Grad-Schritten gedreht werden kann, klicke ich immer wieder auf das falsche Feld. Positiv zu vermerken sind die Möglichkeit, höheres Terrain wie zum Beispiel Kisten zu nutzen und Fässer auf Gegner zu rollen. Darüber freue ich mich jedes Mal unverhältnismäßig diebisch. Es mag also gut sein, dass die Kämpfe bei Rundentaktikern auf fruchtbaren Boden fallen, doch mir sind sie zu kleinteilig. Ausrüstung, zusätzliche Karten für mehr Aktionspunkte oder um ein schlechtes Würfelergebnis zu korrigieren, Waffen unterschiedlicher Reichweite und so weiter und so fort. Alles schick. Wenn ich aber im späteren Verlauf mit fünfzehn Piraten ein anderes Schiff übernehmen möchte, ist mir das zu viel Arbeit und dauert zu lange. Schon allein deshalb, weil zwei gezielte gegnerische Schüsse dafür sorgen können, dass einer meiner wichtigeren Charaktere stirbt und der ganze Kampf-Fortschritt damit für die Katz ist.
Gegen komplexe Kämpfe spricht im Grunde nichts. Dass das Team von Savage Level allerdings einige Entscheidungen noch einmal hätte überdenken können, liegt nahe. Greift zum Beispiel eine meiner Figuren den Gegner an, werden je nach Waffe einer oder mehrerer Würfel eingeblendet, auf die ich noch einmal klicken muss. Nach diesem Wurf wird ein zweiter Würfel eingeblendet, mit dem der jeweilige Effekt erwürfelt wird. Natürlich erst, nachdem man erneut geklickt hat. Wie gesagt: Fünfzehn Piraten! Klick. Klick. Klick. Erfahrung gewinnt die Crew nur, indem erbeutete Schätze verteilt werden. Wie viele Gegner jemand besiegt hat, interessiert hier niemanden.
Dreck am Stecken

Bleiben für Taktik-Nieten wie mich also die Geschichte und die Erkundung der Spielwelt. Denn wenn gerade kein Kampf droht, können Flint und Bones sich frei bewegen. Zu Beginn ist der Weg natürlich eingeschränkt: Kerker und Flucht und so. Später dann streifen die beiden aber durch eine wunderbar gestaltete Stadt, um eine Crew anzuheuern. Diese Erkundung belohnt das Spiel auch durch die erwähnten Karten, die ebenso wie Ausrüstung in Kisten gefunden werden kann.
Klingt die erste Begeisterung über die schön dargestellte, wenn auch heruntergekommene Welt ab, bleiben langwierige Wege. Gerade die Suche nach der Crew läuft darauf hinaus, dass der Spieler die komplette Karte möglichst genau abgrast. Fehlt nur noch ein Crew-Mitglied, kann sich das schon ein wenig ziehen – auch, weil die Karte nur grobe Hinweise gibt. Verständlich. Piraten brauchen kein Navi. Aber Geduld. Wer die mitbringt, wird immer wieder durch die nächste schicke Comic-Sequenz belohnt. Schwerpunkt des Spiels ist aber ganz klar der Kampf-Modus.

Komm, wir finden einen Schatz
Wie viel Spaß der jeweilige Spieler bei Flint: Treasure of Oblivion findet, hängt also ganz von seinen persönlichen Vorlieben ab. Die Bierdeckel-Story wird von den Comics nur kaschiert, die zu erkundenden Wege bieten wenige Belohnungen abseits der wichtigen Spielkarten. Die Kämpfe sind unnötig kompliziert und dauern bis zu 15 Minuten. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich nach einem verlorenen Scharmützel das Spiel entnervt beendet habe. Nur, um es eine halbe Stunde später dann doch noch mal zu versuchen – und für gewöhnlich wieder zu scheitern. Das Spiel verlangt Zeit und die Hingabe, sich in das System richtig reinzufuchsen. An Beidem mangelt es mir, weshalb ich meine Szenario-Lust lieber beim guten alten Pirates! auslebe.

Und was sagt TheLastToKnow dazu?

Mein größter Kritikpunkt an Flint: Treasure of Oblivion ist die schlechte Vermittlung der (Kampf-)Regeln. Ein richtiges Tutorial und eine gut integrierte Hilfe würde Flint auf ein ganz anderes Niveau hieven. Da mich aber das Szenario mit der Piraten-Stimmung sowie die hübsche Präsentation neugierig gemacht haben, habe ich die Einarbeitungs-Hürde genommen und danach viel Spaß mit dem Spiel gehabt. Im Gegensatz zu Jürgen, der Flint auf dem PC gespielt hat, durfte ich die PS5-Version mit dem Controller testen. Grundsätzlich hat das auch gut funktioniert, aber sowohl mit der Maus als auch mit dem Controller bleibt die Kampfsteuerung leider unnötig umständlich, etwa beim Wechseln zwischen den Charakteren oder beim ständigen Hin- und Herschalten zwischen Bewegung und Aktion. Dennoch fand ich die Kämpfe generell interessant. Da ich sowohl rundenbasierte Schlachten als auch kartenbasierte Spiele mag hat die Mischung für mich hier gut funktioniert – natürlich erst nachdem ich mich einmal durch das Regelwerk gebissen hatte. Das Party-System mit den nachrückenden Piraten, die verstorbene Crew-Mitglieder ersetzen, fand ich allerdings etwas seltsam und hat mir keinen Mehrwert geboten. Er wäre mir lieber gewesen, wenn im Kampf ausgeschaltete Figuren einfach hinterher wiederbelebt worden wären und ich nur mit temporären Bestrafungen wie Verletzungen hätte leben müssen. Außerhalb der Kämpfe fand ich die Übersichtskarte doch arg unkomfortabel, aber auch daran konnte ich mich mit der Zeit gewöhnen. Unter dem Strich ist das hier eins der Spiele, die zwar einige Dinge hätten besser machen können, mir aber trotzdem viel Spaß bereitet haben. Daher solltet ihr Flint auf jeden Fall eine Chance geben, wenn ihr Rundentaktik und Piraten-Flair mögt!
Vielen Dank für eure Einschätzung! Jetzt brauche ich nur noch Zeit. Die Schatzinsel habe ich mir oft vorlesen lassen und dann, sobald es ging, oft selber gelesen. Kommt mal auf die Wunschliste.
Schau mal, ob du noch an den wunderbaren Roman „Long John Silver“ von Björn Larsson kommst. Das Ding ist aus Silvers‘ Sicht geschrieben und erzählt sein Leben vor und nach der „Schatzinsel“. Ich fand es toll, als ich es damals gelesen habe.
Vielen Dank für den Tipp! Da frage ich direkt mal meinen Papa.
Gibt es als Taschenbuch und eBook bei Amazon.
@Jürgen: Danke für den Tip, ist direkt auf die Merkliste gelandet. Zu den anderen 70 Büchern… *seufz*
Gerne doch. Ich bin bei solchen „Ergänzungen“ immer skeptisch, aber da hatte ich meinen Spaß.
Vielen Dank 🙂 Nur wenn wir es haben, kaufe ich es ja nicht. Und dann wäre die Stadtbibliothek zunächst erste Wahl. Die haben es als Hörbuch. Ich glaube, das hole ich mir 🙂 Bin da morgen eh.
So, Hörbuch ist geliehen 🙂
Puh, intuitiv würde ich sagen: Nix für mich. Es gibt aber eine Demo auf Steam, die schaue ich mir mal an. Zuweilen mag ich doch ein Spiel, wenn ich es dann mal selbst gespielt habe, auch wenn mich der Test nicht so überzeugt hat.