Mario, Peach und Bowser sind längst vergessen. Nur noch Legenden, um kleine Toads zu beeindrucken. Doch eines fernen Tages fällt ein Fluch auf das Pilzkönigreich…
Die 2000er Jahre waren eine Zeit, da war es Nintendo egal, was die Fans machten. Da wurde noch nicht jedes ambitionierte Fanprojekt mit Abmahnungen bedacht. In dieser Zeit gründete Thunder Dragon alias Luke Tarlowe Mario Fan Games Galaxy. Ein Treffpunkt für kreative und ambitionierte Spieleentwickler, um Projekte zu realisieren, die es von Nintendo so sicher nicht gegeben hätte. Die Seite gibt es immer noch, aber nennenswerte Spiele wurden dort seit Jahren nicht mehr veröffentlicht. Niemand hat mehr Lust, jahrelang an einem Spiel zu arbeiten, nur um es wenige Tage nach der Veröffentlichung wegen Nintendos Anwälten wieder vom Netz nehmen zu müssen. Die alten Spiele sind aber immer noch online. So auch die drei Spiele, die Thunder Dragon selbst programmierte: Toad Strikes Back (2007), Psycho Waluigi (2011) sowie das dritte und letzte Spiel aus dem Jahr 2015…
Toadette Strikes
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Wer die bisherigen Artikel der Fangame-Reihe verfolgt hat, wird bemerkt haben, dass sehr viele Spieleentwickler das Ziel verfolgen, das Gameplay der Originalspiele so gut wie möglich einzufangen. Zwar hier und da mit neuen Ideen – aber wirklich frei dreht heute kaum noch jemand. In den 2000er Jahren war das noch anders. Damals wurden häufiger Konzepte ausprobiert, die bei normalen Spielestudios nie entstanden wären. Toadette Strikes steht ganz in der Tradition dieser Fangame-Kultur.
Die Prämisse ist schnell erklärt: Die Geschichte spielt in einem zukünftigen Pilzkönigreich. Die Abenteuer von Mario, Luigi und Peach sind nur Legenden, wie Robin Hood in unserer Welt. Die Toads leben ein friedliches Leben, bis eines Tages ein Fluch das Dorf der Toads heimsucht. Viele Toads wachen einfach nicht mehr auf! Keine Frage: Die Koopas müssen dahinter stecken. Also macht sich unsere kleine Heldin Toadette auf, um den Tag zu retten. Mit dabei hat sie einen Hammer für den Nahkampf und eine Feuerblume für den Fernkampf. Auch ein Exemplar der süßen und kämpferischen Yoshi-Dinosaurier schließt sich Toadettes Heldenreise an.
Das Gameplay liest sich auf dem Papier sehr überladen, funktioniert aber im Spiel erstaunlich gut, da die einzelnen Elemente gut ineinandergreifen. So kann man natürlich auf bestimmte Gegner wie die Gumbas springen, um sie zu besiegen. Andere Gegner, wie die Shy Guys, können aufgehoben und auf andere Gegner geworfen werden – genauso wie in Super Mario Bros. 2. Außerdem gibt es oft Wurzeln im Boden, die unsere Heldin herausziehen kann. Manchmal verbergen sich darunter Gegenstände, oft können die Wurzeln aber auch als Wurfgeschosse verwendet werden. Mit einer zusätzlichen Taste kann jederzeit zwischen den beiden Sekundärwaffen Hammer und Feuerblume gewechselt werden. Mit der Feuerblume könnt ihr, wie in anderen Mario-Spielen auch, viele Gegner besiegen. Mit dem Hammer kann man zusätzlich verschiedene Blöcke zerstören und auf diese Weise vielleicht Zugänge zu geheimen Räumen finden. Und Yoshi? Mit dem Dino kann man auf Stacheln laufen und etwas höher springen. Und auch er kann mit seiner Zunge die Wurzeln aus dem Boden holen.
Toadette verfügt über eine bestimmte Anzahl an Trefferpunkten, die während des Spiels mit gut versteckten Sternpilzen erhöht werden können. Für 100 Münzen gibt es ein Extraleben und die Sternmedaillen sind Sammelobjekte für Komplettionisten. Trefferpunkte können nach Feindkontakt mit Kirschen aufgefüllt werden. Und wer Riesenmünzen findet, kann am Spielautomaten Extraleben gewinnen.
Die Struktur des Spiels erschließt sich erst nach einiger Zeit. So gibt es eine große Hub-Welt, die vor allem für das Storytelling und die Dialoge genutzt wird. Von hier aus gelangt ihr zu den eigentlichen Levels. Diese sind wiederum recht linear aufgebaut. Kleiner Tipp: In der Hub-Welt gibt es viele Geheimnisse und sogar geheime Extra-Welten. Wenn ihr in den Levels Schlüssel gefunden habt, könnt ihr diese Geheimnisse erkunden. Es lohnt sich immer, den vorgegebenen Weg zu verlassen und ein wenig mit der Spielmechanik zu experimentieren.
Viel mehr möchte ich ich auch gar nicht schreiben, denn das würde zu viel spoilern. Das Spiel funktioniert am besten, wenn ihr die Spielwelt ohne viel Vorwissen auf eigene Faust erkundet und die vielen kleinen Zitate und Anspielungen auf die Mario-Serie entdeckt. Vielleicht noch ein Wort zum Schwierigkeitsgrad: Dieser liegt im Wesentlichen auf dem Niveau aktueller Nintendo-Spiele. Also eher leicht, vor allem am Anfang. Es gibt keine extrem schweren Level und die Lernkurve ist meiner Ansicht nach gut gelungen. Das heißt aber nicht, dass es keine Herausforderungen gibt. Vor allem wenn es darum geht, alle Sammelobjekte oder die Zugänge zu den Bonuslevels oder Switch-Palaces zu finden, zieht das Niveau spürbar an.
Grafisch wurden die verschiedenen Assets schön zusammengesetzt. Hier konnte der Entwickler natürlich auf die riesige Ressourcensammlung seiner Community zurückgreifen. Auch ein Unterschied zu heute, wo ambitionierte Fangame-Entwickler kaum noch auf öffentliche Assets zurückgreifen, sondern vieles selbst erstellen.
Noch ein Wort zur Controller-Unterstützung: Es gibt sie, aber sie ist nicht für moderne Xbox-Controller ausgelegt. Außerdem kann man die Belegung nicht ändern. Am besten spielt ihr mit externer Software wie Joy2Key oder Xpadder.
Fazit: Wer mal eine andere Interpretation des Pilzkönigreichs sehen möchte, in der viele Mechaniken der Mario-Spiele wild, am Ende jedoch passend durcheinander gewürfelt werden, sollte sich Toadette Strikes ansehen. Besonders im Leveldesign steckt viel Polishing – und auch die Präsentation kann sich sehen lassen. Wem das Spiel gefällt, der sollte sich zudem die anderen beiden Spiele von Thunder Dragon ansehen, vor allem Psycho Waluigi (welches ich im Rahmen dieser Reihe nicht extra vorstellen werde)!