Fangame-Corner #11: Contra – Spirit of War Redux (Contra)

Ein russischer Fangame-Entwickler hat sich Konamis Contra-Reihe angenommen. Warum dieses Spiel nicht zu den ganz großen Highlights der Szene gehört, lest ihr im folgenden Artikel.

Start-Bildschirm von Spirit of War Redux.

Ach ja, Contra – oder unter den Namen wir europäischen Kinder das Spiel damals kannten: Probotector… Ein stetiger Quell frustrierender Samstagnachmittage in meiner Kindheit. Ich kam in dem Spiel nie besonders weit, lieh es mir aber trotzdem immer mal wieder aus der Videothek aus. Zu groß war die Faszination, welche die schießwütigen Roboter auf mich ausübten. Erst viel später sollten wir Europäer lernen, dass in der japanischen Version nicht etwa Roboter die Alien-Invasion aufhalten, sondern muskelgestählte Soldaten, wie aus 80er-Jahre-Actionfilmen entsprungen. Um jedoch nicht mit dem Jugendschutz in Europa zu kollidieren, änderten die Entwickler die menschlichen Figuren kurzerhand in Roboter um. Zahlreiche Spiele sollten während der 90er Jahre folgen, bis die Reihe während der 2000er allmählich einschlief. Von dem ganz famosen Contra 4 für den Nintendo DS mal abgesehen.

Wäre also mal Zeit für ein Fangame aus dem Contra-Universum, oder? Das entsprechende Spiel liefert uns der russische Einzelentwickler Digital Warrior

Contra – Spirit of War Redux

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Der Entwickler arbeitet schon seit vielen Jahren an Spirit of War. Die erste Version ohne Redux im Namen erschien bereits 2015, mit weniger Umfang und zahlreichen Fehlern behaftet. Die vorliegende Redux-Version wurde 2021 veröffentlicht. Entwickelt wurde das Spiel mit der Game Maker Engine von YoYo Games. Diese Engine ist bereits in den späten 2000ern für zahlreiche Fanspiele beliebt gewesen. Aber auch kommerzielle Spiele wie Katana Zero oder Brok The Investigator wurden in der Vergangenheit mit der Engine entwickelt.

Wie seine Vorbilder ist Spirit of War ein klassisches Run and Gun. Das heißt, man läuft mit seiner Spielfigur von links nach rechts, weicht gegnerischen Geschossen aus und schießt seinerseits auf alles, was sich bewegt. Während des Spiels fliegen immer wieder Kapseln durch die Level. Schießt man sie ab, setzen sie zahlreiche Power-Ups wie verschiedene Waffen, Feuerkraft-Upgrades oder Smartbombs frei. Selten auch Extraleben. Zudem habt ihr zwei Waffen-Slots, die ihr jederzeit per Tastendruck wechseln könnt. Sterbt ihr, verliert ihr lediglich die Waffe des aktiven Slots.

Spirit of War Redux orientiert sich stark an den Contra-Spielen der späten 80er und frühen 90er Jahre.

Bevor ihr das eigentliche Spiel startet, lohnt ein Blick in die Optionen. Hier könnt ihr den Schwierigkeitsgrad einstellen, mit wie vielen Leben ihr das Spiel starten wollt (ein, drei oder fünf) und ob ihr mit einer Lebensenergieleiste (vergleichbar mit der japanischen Version des Mega Drive Spiels Contra – Hard Corps) oder im klassischen Insta-Death-Modus spielen wollt, bei dem ihr bei der kleinsten Feindberührung sofort sterbt. Das Leveldesign ist durch die vielen Gegner für das Spiel mit der Lebensenergie optimiert. In bester Contra-Tradition ist das Niveau, trotz Lebensenergie, sehr hart. Es ist notwendig die Levels auswendig zu lernen, bis ihr die ersten Erfolge feiert. Zum Glück gibt es auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad unbegrenzt Continues.

Neben den Sidescrolling-Levels wird das Spiel durch Top-Down-Levels aufgelockert. Hier gilt es, in einem Labyrinth eine bestimmte Anzahl von Waffentürmen zu zerstören. Außerdem gibt es ein Shoot’em Up-Level und in den letzteren der insgesamt 12 Levels sind auch die Jump’n’Run-Fähigkeiten gefragt. Eine automatische Speicherfunktion gibt es übrigens nicht. Dafür die guten alten Passwörter. Wenn schon retro, dann richtig!

Shoot’em Up- und Top-Down-Passagen sorgen für Abwechslung.

Das alles klingt nicht nur auf dem Papier sehr gut, sondern ist auch kompetent umgesetzt, aber leider gibt es auch Kritikpunkte: Die Levelstrukturen sind mir teilweise einfach zu uninspiriert und generisch. Mir fehlen eigenständige Ideen, um aus der funktionierenden Gameplay-Basis ein echtes Action-Spektakel zu machen. Hier und da gibt es einige sehr schöne Szenen, zum Beispiel wenn man sich an fliegenden Raketen entlanghangelt. Diese Szenen sind mir jedoch zu selten. Sehr häufig besteht die Aufgabe einfach nur darin sämtliche Gegner, die aus allen Ecken in den Bildschirm laufen, abzuschießen, ohne dass die Levels nennenswerte Highlights bieten.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die grafische Gestaltung. Die Assets wurden ausschließlich von den alten Spielen übernommen. Das war zwar in der Fangame-Szene der 2000er Jahre üblich. Aber in Zeiten, in denen viele Fangame-Entwickler ihre eigenen Grafiken pixeln, fällt mir das negativ auf. Obwohl ich weiß, dass diese Kritik ein wenig unfair ist: Nicht jeder ist gut darin, eigene Grafiken zu pixeln. Da bleibt nichts anderes übrig, als die Grafiken aus den Spielen zu übernehmen. Die gleiche Kritik gilt übrigens auch für die Musik, die ebenfalls aus den Spielen übernommen wurde.

Einige Platform-Passagen sind recht knifflig.

Außerdem bietet das Spiel keine Controller-Unterstützung. Laut Aussage des Entwicklers liegt das daran, dass er kein Geld für einen Controller hat und daher die Implementierung eines solchen Features nicht testen kann. Hier helfen nur Tools von Drittanbietern wie JoyToKey oder Xpadder. Apropos Steuerung: Im Spiel gibt es die Möglichkeit, die Waffen um 45 Grad schräg nach oben zu richten. Allerdings nur in Bewegung – es gibt keine Funktion, um im Stehen auf diese Weise zu zielen.

Fazit: Das liest sich alles negativer als es gemeint ist. Was der Entwickler wollte, nämlich ein kurzweiliges Ballerspiel im Contra-Universum zu realisieren, ist durchaus gelungen. Im Vergleich zu anderen Fangames, die mit kreativem Leveldesign, mehr Polishing sowie eigenen Grafiken und Musikstücken aufwarten können, fällt Spirit of War Redux jedoch ein ganzes Stück ab. Es ist für sich genommen kein schlechtes Spiel, zeigt aber im Kontext gut, wie hochwertig die ambitionierte Fangame-Szene geworden ist.

Bis ihr zu diesem freundlichen Gesellen gelangt, werdet ihr viele, viele Tode sterben…
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Über Nischenliebhaber

Ostdeutsches Videothekenkind der 90er Jahre. Liebt Spiele- und Retrokultur ebenso wie subkulturelle Musik aus aller Herren Länder und lange Spaziergänge durch dunkle Wälder des Erzgebirges.

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