In diesem Artikel interessieren wir uns für Indie-Indys, erleben amüsante Affeninsel-Amateur-Abenteuer, haben ein Meeting mit Mr. McKracken und reisen schließlich ins realitätsbeugende Ronville.
Der Titel hat es bereits verraten: Im dritten und letzten Teil der Fan-Adventures-Serie stelle ich euch ambitionierte Amateur-Projekte vor, die auf einer LucasArts-Marke basieren. In den ersten beiden Teilen Fan-Adventures: Sierra und Fan-Adventures: Klassiker & Crossover war schon so manche Software-Perle dabei. Schaffen es auch die LucasArts-Liebhaber, ihren großen Vorbildern gerecht zu werden? Wenn ihr euch an die entsprechenden AGS-Remakes erinnert, wisst ihr bereits, dass es bis auf ein paar Ausnahmen noch nicht viele solcher Vorhaben bis zur Veröffentlichung geschafft haben. Ob das auch hier der Fall ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.
Indiana Jones
Wir beginnen mit einem gewissen Dr. Henry Walton Jones jr., auch bekannt als Indiana Jones oder kurz „Indy“, womit direkt einer der flachen Einstiegsgags aus dem Teaser geklärt wäre. Seinen ersten Auftritt hatte er im Film Jäger des verlorenen Schatzes, der 1981 nach einer Idee von George Lucas in die Kinos kam. Zum dritten Teil der Filmreihe Indiana Jones und der letzte Kreuzzug aus dem Jahr 1989 erschien im selben Jahr unter dem Namen Indiana Jones and the Last Crusade – The Graphic Adventure das erste Point-and-Click-Adventure aus dem Hause Lucasfilm Games, in dem ihr Indy als Hauptfigur auf der Suche nach dem Heiligen Gral steuern durftet. Mit Indiana Jones and the Fate of Atlantis folgte 1992 ein weiteres Adventure, das seinen Vorgänger auf viele Arten sogar noch übertreffen sollte. Fate of Atlantis (FoA) wurde von vielen Fans so verehrt, dass sie sich nichts sehnlicher wünschten, als eine weitere Fortsetzung in Point-and-Click-Manier. Leider wurden diese Hoffnungen nie erfüllt, sodass über die Jahre hinweg einige Indy-Abenteuer-Anhänger eigene Hobby-Projekte rund um den peitschenschwingenden Archäologen starteten.
Da wäre zum Beispiel mit The Fountain of Youth von Screen 7 ein Titel, in den die Fans seit dem Beginn der Arbeiten zu Beginn des neuen Jahrtausends große Erwartungen gesetzt haben und der in der über 20-jährigen Historie viele Höhen und Tiefen miterlebt hat. Damals trug das Spiel noch den Titel Indiana Jones and The Fountain of Youth, dies änderte sich allerdings mit der Neuausrichtung im Jahr 2019, um einem potentiellen Rechtsstreit mit dem Lizenzinhaber Disney aus dem Weg zu gehen. Aufgrund der extrem langen Entwicklungszeit, die sogar die 14 Jahre lange Warterei auf Duke Nukem Forever (zum Test) in den Schatten stellt, wurde das Projekt mehrfach für tot erklärt. Doch es gibt immer wieder Lebenszeichen, sei es in Form von Screenshots, Demo-Versionen (2003, 2006 und 2011) oder den Mini-Ablegern Indiana Jones and the Temple of Spheres (zum Download) und Indiana Jones and the Passage of Saints (zum Download). Laut der Facebook-Seite wird immer noch an dem Spiel gearbeitet, zuletzt musste man aber den Weggang von wichtigen Teammitgliedern kompensieren.
Einen ähnlichen Verlauf hat das Projekt Raiders of the Seven Cities of Gold von Binary Legends genommen. Es startete im Jahr 2009, veröffentlichte 2010 eine Demoversion (zum Download) und brachte 2020 mit Indiana Jones and the Relic of the Viking (zum Download) ein Kurzabenteuer heraus. Und wie bei Fountain of Youth gab es auch hier zwischenzeitlich eine Umbenennung, nachdem das Spiel lange Zeit unter dem Namen Indiana Jones and the Seven Cities of Gold bekannt war. Die Entwickler halten euch ebenfalls bei Facebook auf dem Laufenden, der letzte Eintrag stammt aus dem Juni 2021.
Einen erfrischend neuen Ansatz verfolgt Reddit-Userin n_a_sally mit ihrem vor kurzem angekündigten Sophia Hapgood and the Goddess of Atlantis. Wie der Titel bereits verrät, schlüpft ihr diesmal in die Rolle von Sophia Hapgood und erlebt die Geschichte von FoA aus der weiblichen Perspektive. Es handelt sich um das erste eigene Adventure-Projekt von n_a_sally, die als Ziel angibt, „ein spannendes Abenteuer mit Sophia in der Hauptrolle zu erschaffen, das sich nicht zu weit von der ursprünglichen Geschichte entfernt und dem berühmten LucasArts-Look-and-Feel gerecht wird.“ Ich konnte das erste Kapitel bereits anspielen und wurde 45 Minuten lang bestens unterhalten. Die Grafiken und Sounds stammen zum Großteil aus FoA, wurden aber äußerst liebevoll zusammengestellt und angepasst. Das fertige Spiel soll aus fünf Kapiteln bestehen, von denen zwei zeitlich vor den Geschehnissen von FoA spielen. Die Entwicklerin verriet mir außerdem, dass sie das Spiel komplett alleine erschafft und für das erste Kapitel ungefähr vier Wochen Vollzeitarbeit gebraucht hat. Es ist ihr meiner Meinung nach im ersten Kapitel bereits sehr gut gelungen, das Look-and-Feel des Vorbilds einzufangen.
Mit Indiana Jones and the Gold of Genghis Khan (zum Download) kann ich euch abschließend ein zwar kleines, aber immerhin fertiggestelltes Indy-Abenteuer aus dem Jahr 2014 präsentieren. Das Spiel von AGS-User Gabarts setzt direkt nach den Geschehnissen von Indiana Jones und der letzte Kreuzzug ein und handelt von der Suche nach dem Schatz von Ulaanbaatar. Es orientiert sich grafisch an Indy 3 und sollte euch für gut 30 Minuten unterhalten können.
Kurioses und Wissenswertes
Ironischerweise arbeitete LucasArts insgeheim an dem so von den Fans herbeigesehnten Fate-of-Atlantis-Nachfolger, das Projekt Indiana Jones and the Iron Phoenix wurde aber aus unterschiedlichen Gründen eingestellt. Die nachfolgenden Spiele legten den Fokus größtenteils auf Action, ein offizielles Point-and-Click-Adventure von LucasArts wird es wohl nicht mehr geben.
Weitere ambitionierte Indy-Projekte, die wohl ebenfalls nie das Licht der Welt erblicken werden, waren Indiana Jones and the Fate of Atlantis 2 von AmberfishArts (Funkstille seit 2013), Indiana Jones and the Secret of Pandora (Einstellung nach internen Problemen im Jahr 2010), Indiana Jones and the Shade of Odysseus (keine Rückmeldung seit 2010) sowie Indiana Jones and the Raiders of the Lost Ark von Lucasfan Games (mit der Schließung der Webseite im Jahr 2005 begraben). Das gleiche Schicksal hat auch Indiana Jones and the Crown of Solomon (kein Lebenszeichen seit 2006) ereilt, immerhin gibt es aber eine spielbare Demoversion (zum Download).
Ebenso darf man berechtigte Zweifel haben, dass es das Remake-Projekt Indiana Jones and the Fate of Atlantis Special Edition jemals zur Veröffentlichung bringt, vor allem da schon die Disney-Anwälte in den Startlöchern stehen. Die Indie-Entwickler möchten Dr. Jones in vorgerenderten 3D-Kulissen sein altes Atlantis-Abenteuer neu erleben lassen, haben dabei aber aus meiner Sicht leider auch den Charme des Pixel-Originals aus den Augen verloren.
Eher in die Kategorie „Joke-Games“ fallen die Titel Indiana Jones – Coming of Age (zum Download), Indiana Jones and the Secret Chamber of Schloss Brunwald (zum Download) und Indy Bones – The Book of Gods (zum Download), die zwischen 2008 und 2010 innerhalb der AGS-Community veröffentlicht wurden. Erwartet hier bitte keine grafischen und spielerischen Wunderwerke.
Monkey Island
Die ersten Monkey Island-Teile werden für immer zu meinen Lieblingsspielen gehören und damit bin ich gewiss nicht allein. Sowohl The Secret of Monkey Island und Monkey Island 2 – LeChuck’s Revenge aus der Feder von Ron Gilbert als auch The Curse of Monkey Island von Jonathan Ackley und Larry Ahern gelten als Genre-Highlights. Die augenzwinkernden Abenteuer von Möchtegern-Pirat Guybrush Threepwood dienten in der Folge häufig als Vorlage für ambitionierte Amateur-Abenteuer, von denen sogar schon einige veröffentlicht wurden.
Ein interessantes Beispiel ist The Tale of Lonkey Island (zum Download) aus dem Jahr 2016 von AGS-User Cmdr, der 2005 in der Adventure-Treff-Community seine ersten Gehversuche mit dem AdventureGameStudio unter dem Namen MonkeyIsland-Klon (zum Forumsbeitrag) präsentierte. Aus der Idee entstand mit den Jahren eine Parodie auf den LucasArts-Klassiker mit der Spielzeitlänge eines Vollpreistitels. Die Grafiken sind zum Großteil aus den Vorbildern entnommen und gespiegelt worden. So steuert ihr also in diesem Spiegeluniversum den jungen Grisush Thriftweed, der auf der karibischen Insel Miele Island Feuerwehrmann werden will und sich dabei mit dem Zombiepiraten ElChoco herumschlagen muss…
Ebenfalls von einem Adventure-Treff-Community-Mitglied stammt LeChuck Stories (zum Download) aus dem Jahr 2006. Mister L hat hier aus den Grafiken von LeChucks Festung aus Monkey Island 2 – LeChuck’s Revenge mithilfe von AGS ein gelungenes kleines Abenteuer zusammengeschustert, in dem ihr euch als Zombie-Pirat LeChuck mit alltäglichen Problemen in seinem Zuhause herumschlagen dürft. Aus dem gleichen Jahr stammt auch Monkey Island – Carnival of the Damned (zum Download) von AGS-User Dualnames, der euch darin seine Version der Geschichte zwischen dem zweiten und dritten Spiel der Hauptreihe erzählt. Wer noch weiter in der Fangame-Historie zurückgehen möchte, kann sich Night of the Hermit (zum Download) von AGS-User Roy Lazarovich aus dem Jahr 2001 anschauen. Hier spielt ihr den Einsiedler aus Monkey Island, Herman Toothrot, mit der Mission, euer rechtmäßiges Erbe als Herrenhausbesitzer anzutreten.
Frisch erschienen ist hingegen The Fan Game – The Secret of Monkey Island Recoded, eine Neuerzählung des ersten Monkey-Island-Teils. Am 1. Oktober veröffentlichte Daniele Spadoni (siehe auch Fan-Adventures #2: Klassiker & Crossover) sein Quasi-Remake, bei dem er sowohl alte Grafiken wiederverwendet als auch neue hinzugefügt hat. Die Geschichte orientiert sich grundsätzlich am Original (drei Prüfungen bestehen, Gouverneurin Marley retten, LeChuck besiegen), die Rätsel sind aber größtenteils neu oder abgeändert worden. Die Steuerung ist eine seltsame Mischung aus einem Sierra-artigen Interface und einem LucasArts-artigen Inventar am unteren Bildschirmrand. Leider gibt es ein paar ärgerliche Kleinigkeiten wie selbst ablaufende Gespräche anstelle von Multiple-Choice-Dialogen und wenige Rückmeldungen bei Aktionen. Aber davon einmal abgesehen muss man den Hut vor Herrn Spadoni ziehen, denn seine Leidenschaft für das Genre ist unbestreitbar. Ihr findet den englischsprachigen Download kostenlos auf seiner DeviantArt-Seite.
Kurioses und Wissenswertes
AGS-User monkey_05_06 brachte 2009 als Reaktion auf die I Wonder What Happens in Tales of Monkey Island-Videos von Marius „Majus“ Winter (zum Interview) ein Spiel namens IWWHIIWWHITOMIROTPG – The Game! (zum Download) heraus, was ausgeschrieben wohl einer der längsten Titel der Videospielgeschichte sein dürfte: I Wonder What Happens In I Wonder What Happens In Tales of Monkey Island Rise of The Pirate God – The Game!
So manche Affeninsel-Amateur-Anstrengung war bisher leider vergebens. So schaffte es zum Beispiel das deutsche Indie-Projekt Sherman Bragbone – A Cupful of Trouble leider nie bis zu Veröffentlichung. Dabei war das 2003 als Sherman Toothrot (zur alten Webseite via archive.org) gestartete Projekt mit seinen schön gezeichneten Kulissen sehr vielversprechend. Ähnliches gilt für The Carnival of Monkey Island, hier gab es das letzte Lebenszeichen im Jahr 2015 auf Facebook. Und das ist wirklich nur die Spitze des Eisbergs von gescheiterten Monkey-Island-Fan-Projekten.
Einen ähnlichen Ansatz wie The Tale of Lonkey Island verfolgte auch Lebostein mit seinem Spiel Der Herr der Löffel, mit dem er 2003 begann. Auch er verwendete zunächst Grafiken aus kommerziellen Spielen, programmierte aber seine Engine selbst. Später entschied er sich auch dazu, die Grafiken selbst zu erstellen. 2008 gab es noch kurz die Meldung, dass er seine eigene Engine aufgegeben hat, danach schien das Projekt zumindest auf Eis gelegt worden zu sein.