Point-and-Click-Adventures haben ihre Fans nicht nur zu Remakes motiviert, sondern auch zu kuriosen bis teils wirklich hochwertigen eigenen Spielen. Fangen wir mit Sierra-inspirierten Titeln an.
Auch wenn manche Spieler die Faszination nicht nachvollziehen können oder möchten, hat sich die Adventure-Game-Nische doch trotz mehrfachen Todsprechungen auch bis heute noch erstaunlich lebendig gezeigt, und dies ist nicht zuletzt zum Teil ein Verdienst der Fans. Mit diesem Artikel startet die “Fan-Adventures”-Reihe, in der ich euch einige ausgewählte Produktionen vorstellen möchte. Im ersten Teil beschränke ich mich auf Titel, die auf Sierra-Spielen basieren.
Vorab möchte ich noch kurz auf den Begriff “Fan-Adventure” eingehen. Aus meiner Sicht ist er nicht eindeutig definiert, denn gerade im deutschsprachigen Raum sind damit häufig auch Titel gemeint, die von Fans erstellt, aber nicht von kommerziellen Spielen inspiriert wurden. Ich verwende den Begriff hier aber ausschließlich für nicht-kommerzielle Hobby-Projekte, die sich einen Adventure-Klassiker zum Vorbild genommen haben und darauf basierend eine eigenständige Geschichte erzählen.
Quest for Glory
Die Quest for Glory-Reihe, die bereits im “AGS-Remakes #2: Sierra“-Artikel aufgrund der gelungenen Fan-Neuinterpretation des zweiten Teils Erwähnung fand, hat auch so manches Fan-Adventure inspiriert. Ganz besonders hervorheben möchte ich Heroine’s Quest – The Herald of Ragnarok aus dem Jahr 2013, das den Geist des Rollenspiel-Adventure-Hybrid-Vorbilds in jedem Pixel widerspiegelt. Der Titel spielt dabei sicherlich nicht unabsichtlich auf den ursprünglichen Namen von Quest for Glory an (Hero’s Quest – So You Want To Be A Hero). Die Geschichte handelt daher auch nicht, wie man zunächst vielleicht annehmen mag, von der Suche nach berauschenden Opiaten, sondern begleitetet die namensgebende Heldin durch die reiche Welt der nordischen Mythologie mit dem Ziel, den Eisriesen Egther davon abzuhalten, die gesamte Welt ins Eis-Chaos zu stürzen. Wie bei den Quest-for-Glory-Spielen könnt ihr zu Beginn eine Charakterklasse wählen (hier: Kriegerin, Zauberin oder Schurkin), was direkten Einfluss auf die Herangehensweise bei den Rätseln und Kämpfen hat, und eure eigene Heldin dann rollenspieltypisch verbessern.
Entwickelt wurde das Spiel vom Indie-Studio Crystal Shard, das vom niederländischen Adventure Game Studio (AGS)-User Pieter “Radiant” Simoons gegründet wurde und aus Teammitgliedern besteht, die über mehrere Kontinente hinweg verteilt sind. Auf der Homepage des Spiels findet ihre mehrere kostenlose Download-Quellen des Spiels in englischer Sprache, zum Beispiel auf itch.io oder auf Steam.
Vom gleichen Entwickler stammt auch das Fan-Adventure Quest for Yrolg, in dem ihr die Seiten wechselt und als Kobold-Handlanger im Dienst des Nekromanten Yrolg steht. Eure Aufgabe ist es, die Vertreter der Heldenklassen, die ihr bei Quest for Glory steuern konntet, mit Hilfe von Fallen zum Ableben zu bewegen. Das Spiel wurde 2008 zunächst kostenlos veröffentlicht, mittlerweile könnt ihr es aber leider nur noch über die Bezugsquellen auf der Homepage in einem Adventure-Bundle erwerben.
Weiterhin kostenfrei hingegen ist das Fanprojekt Betrayed Alliance von Ryan Slattery, der sich von der ursprünglichen EGA-Version von Quest for Glory inspirieren ließ und bisher den ersten Teil seiner geplanten Trilogie veröffentlicht hat. Derzeit ist der zweite in Entwicklung und soll mit Hilfe einer für November geplanten Kickstarter-Kampagne unter anderem eine professionelle Musikuntermalung bekommen. “Book One”, das ursprünglich aus dem Jahr 2013 stammt aber bis 2020 noch verfeinert wurde, findet ihr in englischer Sprache zum kostenlosen Download auf der Homepage des Spiels.
Kurioses und Wissenswertes
Als Beispiel für “kontroverse” Fan-Adventures, die eher einen Parodie-Charakter haben, erwähne ich hiermit Quest for Glory 4½ – So You Thought You were a Hero ,die Quest for Orgy-Reihe und Hero of Infamous Kingdoms, nur um dann schnell wieder den Mantel des Schweigens darüber zu legen. Nicht weniger kurios sind die Fan-Mods Quest for Glory 4 3D für den 1995 erschienenen 3D-Shooter Hexen und Quest for Glory 1 – Redux für das klassische Rollenspiel Neverwinter Nights aus dem Jahr 2002. Auch das kommerzielle Fan-Projekt Phoenix Tales mutet mit seinen abgefilmten Darstellern doch eher ungewöhnlich an. Und das sind nur einige ausgewählte Beispiele.
Für deutlich erwähnenswerter halte ich die von Quest for Glory inspirierten kommerziellen Spiele Mage’s Initiation – Reign of the Elements und Quest for Infamy, die beide von ehemaligen Amateur-Programmierern aus der Adventure-Game-Studio-Ecke stammen und ebenfalls Rollenspiel/Adventure-Hybriden sind. Und nicht zuletzt hat auch das Ehepaar Cole, das für Sierra die Original-Serie erschuf, im Geiste von Quest for Glory eine Nachfolge-Spielereihe unter dem Namen Hero-U veröffentlicht.
King’s Quest
Die King’s Quest-Reihe wurde nicht nur mit einigen AGS-Remakes bedacht, sondern war auch Vorlage für diverse Fan-Projekte. Eins der aufwändigsten ist sicherlich das Episoden-Adventure The Silver Lining, an dem die Indie-Entwickler von Phoenix Online bereits seit 2010 arbeiten. Ursprünglich hieß das Projekt
King’s Quest 9 – Every Cloak Has A Silver Lining, musste aber aus rechtlichen Gründen mehrfach umbenannt werden. Mittlerweile gehören die Rechte an dem Spiel Activision, die The Silver Lining aufgrund des Vorhabens, ein Reboot der Ursprungs-Serie herauszubringen, ursprünglich unterbinden wollten.
In den bisher vier erschienenen Episoden von The Silver Lining steuert ihr König Graham und Königin Valanice auf der Mission, ihre Kinder Alexander und Rosella zu retten, zwar durch eine 3D-Umgebung, das Gameplay orientiert sich aber eher an früheren Teilen aus der Point-and-Click-Ära und nicht am achten Teil, der durch seine Rollenspiel-Elemente und hässliche 3D-Grafik aus der Reihe fiel und einer der unbeliebtesten Beiträge der Serie ist. Auf der Homepage des Spiels findet ihr den kostenlosen Download der zwischen 2010 und 2011 veröffentlichten Episoden, inklusive englischer Sprachausgabe und Texten. Die fünfte und letzte Episode lässt leider bereits seit zehn Jahren auf sich warten, befindet sich aber wohl noch immer in der Entwicklung (wenn man dem letzten News-Beitrag von 2019 glauben möchte).
Die Phoenix Online Studios waren aber in der Zwischenzeit alles andere als untätig, so haben sie etwa Ende 2012 zusammen mit Jane Jensen, der Schöpferin von Gabriel Knight, den Episoden-Krimi Cognition – An Erica Reed Thriller herausgebracht, außerdem waren sie als Publisher für einige Indie-Adventures wie etwa den beiden Low-Res-Horror-Titeln der The Last Door-Reihe tätig. Kleine Randnotiz: Eine 2D-Interpretation von The Silver Lining eines anderen Fan-Teams wurde 2010 unter dem Namen King’s Quest 9 – The Silver Lining VGA als Demo veröffentlicht, aber nie zu Ende geführt.
Kurioses und Wissenswertes
Für diesen Bereich gibt es wieder einige Beträge aus dem eher parodistischen Bereich. Als (schlechte?) Beispiele dürfen diesmal King’s Quest 2 ¼ – Breast Intentions, Royal Quest 1 – Retrieving Lost Shit, King’s Quest for Orgy und ein Video zu King’s Quest 4 – Topless Edition – The Breasts of Rosella (mit Dank an GG-User Jürgen für den Hinweis) herhalten (und es gibt noch einige mehr).
Ebenfalls erwähnenswert: Das mittlerweile kommerzielle Adventure A Tale of Two Kingdoms vom bereits oben genannten Indie-Studio Crystal Shard begann als Fan-Adventure zu King’s Quest, wurde aber während der Entwicklung zu einem eigenständigen Spiel umgedichtet. Auf der Homepage findet ihr Links zu diversen Shops, bei denen ihr das Spiel erwerben könnt.
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