Der Artikel „Spiele-Check: Distant Worlds 2: Komplexe 4X-Weltraumstrategie“ erschien zuerst am 6. April 2022 auf www.gamersglobal.de als User-Inhalt unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0 DE DEED. Für den Re-Release während der 25th Anniversary of Slitherine Themenwoche auf DKSN wurde er etwas aktualisiert und erweitert.

| Titel: | Distant Worlds 2 |
| Erscheinungsdatum: | 10.03.2022 |
| Plattformen: | Windows |
| Entwickler / Herausgeber: | CodeForce / Slitherine |
| Homepage: | https://www.slitherine.com/game/ distant-worlds-2 |
Mit Distant Worlds 2 ging die ambitionierte Weltraum-4X-Reihe des neuseeländischen Entwicklers CodeForce in die nächste Runde. Zunächst fühlte ich mich vom Umfang erschlagen, merkte aber schnell, dass es in Wahrheit sehr zugänglich ist. Warum das so ist, weshalb Stellaris ein komplett anderes Spiel ist, und warum mir Distant Worlds 2 in bislang gut 20 Stunden viel Spaß gemacht hat, zu denen mittlerweile einige weitere Stunden gekommen sind, verrate ich euch in diesem Test.

Sanfte Komplexität
Zum Spielstart entschied ich mich für die Menschen, eine von acht Rassen mit unterschiedlichen Boni und Mali, und beließ die zahlreichen Optionen auf den Standardeinstellungen. Ich starte ganz bescheiden als Zivilisationsrest einer in der Vergangenheit bereits das All bereisenden Zivilisation auf einem Planeten. Dutzende Ressourcen, viele Menübildschirme und ein riesiger Forschungsbaum wirkten trotzdem erschlagend. Aber: Die KI erledigt fast alles für mich! Ihr habt für alle Bereiche Automatisierungsmöglichkeiten, vom Kolonisieren, Flottenbau, Planetenmanagement bis zur Kriegsführung. Bei wichtigen Dingen ist schon voreingestellt, dass die (gute!) KI mir nur einen Vorschlag macht, etwa ob ich Geschenke zur Beziehungsverbesserung verteile, Schiffe bauen oder einen Planeten kolonisieren möchte. Das macht den Einstieg überraschend leicht. Außerdem werden alle Panels im Spiel erklärt, es gibt umfangreiche Tooltips und eine Galactopedia. Das Handbuch ist im Launcher verlinkt.
Während das Spiel also erstmal fast schon automatisch abläuft, lerne ich immer mehr über die Spielmechaniken und übernehme Stück für Stück mehr Kontrolle, etwa um meine Hauptflotte im Angriffskrieg selbst zu steuern. Einen so sanften Einstieg in ein derart komplexes Spiel hatte ich noch nie.
Als Herrscher eines aufstrebenden Imperiums habt ihr klassische Aufgaben: (Un-)bewohnte Planeten besiedeln oder übernehmen, Krieg führen, Ressourcen abbauen, Planeten aufrüsten, Raumstationen bauen, (optional) Schiffe designen und geschickt Diplomatie führen.

Privatwirtschaft, Forschung, Interface
Eine Besonderheit von Distant Worlds 2 ist der private Sektor. Der sorgt automatisch für Fracht- und Minenschiffe sowie Space-Taxis (für Touristen und Migration). Die werden in euren Werften in Auftrag gegeben, was euch richtig Geld in die Kassen spült. Selbst wenn euer Cashflow negativ ist, die Aufträge sorgen für die dringend benötigten Credits. Mit denen baut ihr weitere Minenstationen und Spaceports, die dann von der Privatwirtschaft bedient werden. Ein tolles und funktionierendes Konzept! Wenn ihr in der Forschung Durchbrüche erzielt, profitieren auch die Privatschiffe. Der Forschungsbaum ist sehr umfangreich und je nach Einstellungen zufallsbasiert oder nicht komplett einsehbar. Sehr hilfreich für die Forschung ist die Spionage, die mir bei einigen Durchbrüchen geholfen hat.
Insgesamt sehr angetan war ich vom Interface. Ressourcen, von denen ihr nicht genug produziert, sind rot umrandet. Was ihr auf der Karte seht, passt sich dynamisch dem an, was ihr im Menü ausgewählt habt. Seid ihr etwa im Flottenmenü, werden die Flotten hervorgehoben. Ihr könnt auch einstellen, ob ihr dauerhaft zum Beispiel alle zivilen Schiffe sehen wollt.
Im späten Midgame hatte ich Performance-Probleme, die nach einem Neustart meines Systems etwas abnahmen. Wirklich besser wurde es, als ich mir nicht mehr die tausenden zivilen Schiffe dauerhaft anzeigen ließ. Apropos Technik: Abstürze hatte ich immerhin zwei und die KI agiert insgesamt gut. Versucht aber leider auch, bei einem belagerten Planeten noch Schiffe zu bauen. Angetan hat es mir die Zoom-Funktion. Mit dem Mausrad könnt ihr von der größtmöglichen Fernansicht nahtlos bis auf einzelne Asteroiden ranzoomen. Am unteren Bildschirmrand werden auch dabei immer alle interessanten Auswahlmöglichkeiten, etwa Planeten und Schiffe, angezeigt.
Für etwas Abwechslung sorgen kleine Events. So trefft ihr immer mal auf Weltraummonster, könnt Raumstationen reaktivieren, findet einen Schiffsfriedhof oder eine Seuche bricht aus. Verschiedene Charaktere gibt es auch noch. Neben den Spionen etwa auch Generäle und Admiräle, die sogar gefangengenommen werden können.

Entwicklung und Ausblick
Seit Release hat sich naturgemäß viel getan. Unter anderem wurde die Performance verbessert. Und mit der hatte ich ja bei voller Anzeige ab dem Midgame auch etwas Probleme. Allerdings auch auf meinem in die Jahre gekommenen Desktop-PC. Abstürze waren bei meinen späteren Partien kein Thema mehr. Die Zahl der kleineren Updates war vor allem in der Post-Release-Phase groß, danach schwenkte der Fokus auf die großen Updates, sogenannte Major Updates, die auch Namen bekamen, über. Die Entwicklung wird dabei vorbildlich transparent durch zum Beispiel Devblogs auf Steam begleitet. Neben den schon angesprochenen Performance-Verbesserungen gibt es natürlich auch immer wieder Fixes und Balancing-Anpassungen.
Aber auch spielmechanische Anpassungen hielten Einzug, zum Beispiel beim Flottenmanagement, bei Diplomatie und Reputation und UI-Verbesserungen. Auch Steam-Workshop-.Support wurde hinzugefügt, einschließlich eines in-game-Mod-Managers (nicht nur für Steam Workshop Mods). Zu den guten, neuen QoL-Features gehört, dass Flotten-Vorlagen jetzt automatisch geupgraded werden, wenn beispielsweise neue Schiffe verfügbar werden. Und auch wenn Distant Worlds 2 auch, vor allem bei riesigen Reichen, ein gewisses Maß an Automation sinnvoll erscheinen lässt, wurde mit dem „Control Update“ die Spieler-Agency erhöht. Ihr könnt nämlich nun beispielsweise Missionen in die Warteschlage packen und so einfacher eure Flotten und Schiffe manuell steuern.
Die Updates über die letzten drei Jahre sind viel zu mannigfaltig, um sie alle aufzuzählen. Zumal ich sie auch gar nicht im Detail einschätzen kann, da ich nicht jeden Evolutionssprung mitgemacht habe. Die Quintessenz ist, dass Distant Worlds 2, auch basierend auf Community-Feedback, in allen Bereichen deutlich nach vorne gebracht wurde. Und ich hatte ja schon mit der Release-Version viel Spaß! Am grundlegenden Charme und Suchtpotential wurde, wie ich erst kürzlich feststellen durfte, nicht gerüttelt. Gut so. Ein Fokus der Entwickler ist also klar die Verbesserung und Optimierung des Spiels. In den Updates wurden und werden auch künftig bereits vorhandene Rassen deutlich attraktiver und spielenswerter gestaltet, das sind die sogenannten „Base Faction Refreshes“. Mit den Teekan und Haakonish stehen zwei noch dieses Jahr an, die Refrehs werden dann nächstes Jahr fortgesetzt und abgeschlossen.

Neben diesen ganzen Updates sind auch DLC erschienen. Factions – Ikkuro & Dhyut fügt dem Spiel die entsporechenden Fraktionen hinzu. Die Ikkuro sind eher friedlich-harmonisch unterwegs, die Dhayut sind Intriganten. Factions – Quameno and Gizureans bringt eine einsiedlerische, auf Forschung fokussierte Fraktion und die sich rasant verbreitenden und Ressourcen konsumierenden Gizureans. Der neueste DLC Factions – Atuuk & Wekkarus, den ich auch in meinem unten eingebundenen Video anspiele, bringt eine süße, etwas unterentwickelte Fraktion, die aber stets neue Ziele verfolgt und eine uralte, geheime Fraktion mit einem geheimnisvollen Ursprung. Alle Fraktionen bringen ihre Besonderheiten mit, darunter eine eigene Story-Line. Es handelt sich, soweit ich weiß, um Fraktionen, die es schon im ersten Teil gab. Die Factions-DLC liegen auf Steam bei 9,75 Euro. Den vorletzten DLC Return of the Shakturi gibt es auf Steam für 19,50 Euro. Er ist die erste Feature-Epansion und bringt eine Engame-Krise nebst Story und neue Feature wie Genetic Engeneering, Außenposten oder die Startmöglichkeit ohne Planet, dafür mit Kolonieschiff und kleiner Flotte. Die DLC möchte ich in späteren Artikeln behandeln. Habt ihr einen Wunsch, welche Factions-DLC ich als erstes beleuchten soll?
Empfehlen möchte ich euch an dieser Stelle den Podcast von eXplorminate, der Producer und Co-Designer Erik Rutins vom Entwicklerteam sowie den DW2-Experten DasTactic, den ihr vielleicht von SlitherineTV kennt, zu Gast hat.
Die Roadmap für dieses Jahr sieht noch ein zwei Major Updates: Im Anniversary-Update am 7. August wird es auch einen passenden Frachter geben; dann folgt noch ein Faction Refresh. Schließlich kommt im Winter, vor oder nach Neujahr, die Piratenerweiterung namens Shadows Rising vor, in der ihr sogar selbst die Totenkopfflagge hissen könnt. Schaut euch unbedingt den direkt hier verlinkten Ausschnitt zu Distant Worlds 2 aus der Opening Ceremony an, der euch auch einen sehr guten Einblick in das Spiel und seine Geschichte gibt. Im Frühjahr folgt der resfresh einer weiteren Fraktion, gefolgt von einem DLC.
Fazit
Distant Worlds 2 ist ein faszinierendes, umfangreiches und sehr komplexes Spiel. Während Stellaris viele Geschichten erzählt, Events bietet und klar in verschiedene Phasen einteilbar ist, ist Distant Worlds 2 eine riesige Sandbox. Auch fordert Stellaris mehr Mikromanagement, was mich angesichts der Komplexität beider Spiele überrascht hat. Bei den vielen Automationsmöglichkeiten von Distant Worlds 2 habe ich mich aber gefragt: Soll ich etwas spielen, wenn es doch praktisch automatisch läuft?
Die Antwort für mich selbst lautet aber „ja“! Denn als Mensch habt ihr doch noch mehr Möglichkeiten, besonders für höhere Schwierigkeitsgrade. Und da hilft mir jetzt natürlich besonders das Control-Update. Bestimmte Aspekte wie die Treibstoffversorgung waren auch so herausfordernd genug. Durch die relative Langsamkeit der Schiffe ist eine gute Planung und Vorbereitung von Kriegen sehr wichtig. Einsätze mit schnellen Schiffen hinter feindlichen Linien werden belohnt. Aber auch als Vollprofi würde ich so manche Policy der KI anvertrauen oder weniger wichtige Flotten automatisiert agieren lassen. Denn besonders clever ist die künstliche Intelligenz nicht immer, wobei ich hier die Verbesserungen durch Patches noch nicht final einschätzen kann. Der clevere Einbezug der KI ist ein wichtiges Spielelement. Distant Worlds 2 ist in einem sehr guten Zustand, so dass sich der Einstieg lohnt. Die Factions-DLC sind dabei rein optional und ihr müsst für eure ersten Schritte auch nicht zwingend Return of the Shakturi anschaffen.
- 4X-Weltraumstrategie
- Für Einsteiger bis Profis
- Einzelspieler
- 48,99 Euro auf Steam, 44,99 Euro bei Slitherine
- In einem Satz: Faszinierende und komplexe 4X-Weltraumstrategie-Sandbox mit guten Automatisierungsoptionen und konstanter Weiterentwicklung.

Nach diesem Einblick in und Überblick über DW2 folgt im Rahmen der Themenwoche noch ein Artikel mit Gewinnspiel. Das wird natürlich nicht der letzte Slitherine-Titel sein, es gibt sehr zeitnah eine tolle Überraschung 🙂
Sieht von den Bildern ein wenig aus wie Stellaris, vielleicht werd ich mir das auch irgendwann mal zulegen.
Der Titel war mir schon 2022 zu casual… 😉