Ende der 1990er sind die Geldreserven von Adventure Soft aufgebraucht, nicht zuletzt wegen des kommerziellen Misserfolgs von Floyd. Der Verlust ihrer finanziellen Unabhängigkeit hat ungeahnte Folgen.
Die Entscheidung, anstelle eines dritten Simon the Sorcerer-Spiels erst einmal Floyd – Es gibt noch Helden zu produzieren, hat Simon Woodroffe wohl nicht nur einmal bereut, schließlich bezeichnet er sie im Interview für das The Art of Point-and-Click Adventure Games-Buch als “eine der wahrscheinlich schlechtesten Geschäftsentscheidungen, die wir je getroffen haben”.
Nach Floyd möchte Adventure Soft wieder auf das sichere Pferd setzen und beginnt im Sommer 1998 mit den ersten Arbeiten an Simon the Sorcerer 3. Der Plan ist, ein schönes 2D-Comic-Adventure im Stil von The Curse of Monkey Island zu produzieren. Das Design steht und die Grafiker beginnen, Hintergründe und Charaktere zu zeichnen. Die Ausarbeitung der Geschichte und der Rätsel ist weit fortgeschritten, und das Team möchte nun endlich in die richtige Produktion gehen. Doch dies gestaltet sich schwieriger als gedacht. Simon Woodroffe ist auch Jahre später darüber nicht glücklich:
Die Publisher sagten uns, dass 2D tot sei und dass wir keine Chance auf eine Finanzierung hätten, wenn wir nicht in 3D arbeiten würden. Wir haben eine 2D-Version von Simon 3 bei Dutzenden von Unternehmen eingereicht und immer wieder die gleiche Rückmeldung erhalten, also entschieden wir uns gegen unseren Instinkt dafür, nur um zu überleben. Wir brauchten wieder einen externen Geldgeber, also war es entweder das oder es hätte überhaupt kein Simon 3 gegeben.
In einem zeitgenössischen Interview aus dem Jahr 2000 (also noch vor der Veröffentlichung von Simon 3D) äußerst sich Co-Designer Andrew Brazier folgendermaßen:
Ich war ziemlich enttäuscht, zumal Simon und ich das gesamte Design für die 2D-Version fertiggestellt und mit dem Schreiben des Drehbuchs begonnen hatten. Wenn ich an die vielen Stunden denke, die wir mit dem Ausdenken von Rätseln verbracht haben, ist es wirklich eine Schande, das Ganze metaphorisch in den Papierkorb wandern zu sehen. Im Nachhinein betrachtet war es aber wahrscheinlich das Beste für uns, da wir nun den Übergang zu 3D geschafft haben, was bedeutet, dass wir mehr Chancen haben, zukünftige Spiele zu veröffentlichen.
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Die Enttäuschung, Simon 3 (2D) nicht weiterentwickeln zu können, ist beim gesamten Team riesengroß. Die Umstellung auf 3D hat weitreichende Auswirkungen auf Adventure Soft.
Die Geburt von Headfirst Productions
Die Entwicklung von 3D-Spielen markiert für Adventure Soft einen ähnlichen Meilenstein wie zuvor die Umstellung von Horror- auf Comedy-Adventures. Konsequenterweise bekommt das Entwickler-Studio auch einen neuen Namen verpasst und heißt ab sofort Headfirst Productions. Der Name Adventure Soft bleibt dennoch erhalten und wird für den Publishing-Zweig des Unternehmens weiter verwendet.
Auch personell gibt es einige Veränderungen. Chris Gray stößt zum Team dazu und wird sowohl Produzent als auch Chef-Programmierer für Simon 3D. Mike Woodroffe bleibt dem Unternehmen als Geschäftsführer erhalten, zieht sich aber sonst aus dem Tagesgeschäft der Entwicklung zurück. Der frühere Lead Artist Paul Drummond ist nicht mehr dabei, ebenso wie sein Kollege Kevin Preston, der noch in den ersten beiden Simon-Spielen für die tollen Animationen verantwortlich gewesen ist. Die übrig gebliebenen Mitarbeiter müssen sich nun in die neu angeschaffte Engine NetImmerse 3D einarbeiten. Und Simon Woodroffe muss es zusammen mit Andrew Brazier schaffen, den typischen Simon-Humor in die dritte Dimension zu bringen.
Die kuriosen Ableger von Simon
Bevor es mit der Geschichte von Simon 3D weitergeht, müssen wir noch einen kurzen Blick auf die seltsamen Spiele werfen, die 1998 unter der Simon-Lizenz entstehen. Die Vermutung liegt nahe, dass Adventure Soft hier mit dem Namen noch ein wenig Geld herausholen möchte, oder zumindest bis zum Release von Simon 3D den Franchise-Namen im Gespräch halten will. Sowohl Simon the Sorcerer’s Pinball als auch Simon the Sorcerer’s Puzzle Pack sind eilig zusammengeschusterte Mini-Games, die so gut wie nichts mit der gleichnamigen Adventure-Serie zu tun haben und entweder von der Presse (zurecht) ignoriert oder mit schlechten bis mittleren Rezension bedacht werden.
Ein Blick auf die Cover der beiden Spiele oder auf die gerenderten Bildchen innerhalb von Pinball legt die Vermutung nahe, dass hier noch ein wenig mit den alten Workstations für die vorberechneten 3D-Grafiken gespielt wurde, die extra für Floyd angeschafft wurden. Es gibt auch das Gerücht, dass hier Grafiken vom geplanten Simon 3 (2D) verwendet wurden, allerdings widerspricht das der Aussage von Simon Woodroffe, dass ursprünglich ein gezeichnetes Comic-Adventure geplant war. So, und nun könnt ihr diese beiden Spiele auch schon wieder vergessen.