Das Adventure-Soft-Vermächtnis #4: Floyd – Es gibt noch Helden

Mittlerweile befinden wir uns im ausgehenden 20. Jahrhundert. Die goldene Adventure-Zeit geht dem Ende entgegen und bäumt sich noch ein letztes Mal auf. Und Pixel-Art ist nicht mehr State-of-the-Art.

Es ist 1995. Adventuresoft legt sich ein Leerzeichen zu und heißt ab sofort Adventure Soft. Noch wichtiger: Das Team hat mit Simon the Sorcerer 1&2 innerhalb von drei Jahren zwei Point-and-Click-Adventure-Hits gelandet und damit den Weg für die Erstellung eines weiteren Adventures freigemacht. Aus Angst vor einer Schreibblockade möchte Simon Woodroffe nach diesen drei Jahren nicht direkt wieder mit einer neuen Geschichte aus dem Leben des Quasi-Zauberers weitermachen. Es soll etwas Neues und Frisches her. In einem noch recht frischen Interview für das The Art of Point-and-Click Adventure Games-Buch erinnert er sich: 

“Ich wollte etwas Subtileres, etwas Dunkleres und etwas Reiferes machen. Also traf ich eine der wahrscheinlich schlechtesten Geschäftsentscheidungen, die wir je getroffen haben, nämlich Simon the Sorcerer 3 nicht zu machen.”

The Art of Point-and-Click Adventure Games

Das neue Spiel soll nicht mehr in einer Fantasy-Welt spielen, diesmal soll es Science-Fiction sein! Die Inspiration kommt zum einen von Büchern wie Per Anhalter durch die Galaxis, aber auch von SciFi-Serien. Neben den fast nur in Großbritannien bekannten Produktionen Red Dwarf und Blake’s 7 hat Simon Woodroffe beim Schreiben zum Beispiel auch weltbekannte Genre-Vertreter wie Doctor Who oder Star Trek im Hinterkopf. Außerdem steht recht schnell fest: Der Hauptcharakter soll ein sympathisches Alien sein. Das ist also die Geburtsstunde von Feeble, dem Helden des Spiels!

Der Name

Moment… Feeble? Steht da oben nicht Floyd?! Doch, ihr habt richtig gelesen, in der deutschen Version wird der Held einfach in Floyd umbenannt. Und wo wir schon einmal dabei sind: In Polen wird aus “Feeble” respektive “Floyd” dann einfach “Flojd”. Und in Frankreich “LeFlôyde”. (Möglichweise habe ich mir den französischen Namen aber auch nur ausgedacht.) Der Einfachheit halber bleiben wir in diesem Artikel aber beim deutschen Namen.

Der Originaltitel des Spiels lautet The Feeble Files, in Anspielung auf die TV-Serie The X-Files (oder, wie wir in Deutschland sagen: Akte X), die in den 1990er Jahren (also auch zum Zeitpunkt der Entwicklung) schwer angesagt ist und die auch gerne einmal Außerirdische thematisiert. Zudem bedeutet der Name des Protagonisten übersetzt so etwas wie “schwächlich”. Beim deutschen Titel gehen diese Feinheiten völlig verloren: Der Name Floyd – Es gibt noch Helden klingt deutlich weniger spannend und bietet kaum Anhaltspunkte, um was es in dem Spiel gehen soll.

Die Geschichte

Nachdem das Setting und der Held festgelegt wurden, wird noch eine spannende Geschichte benötigt. Schlussendlich kommt (grob zusammengefasst) folgendes dabei heraus: Floyd ist ein galaktischer Konzern-Angestellter, der für die Erstellung von Kornkreisen zuständig ist. Nach Beendigung eines Kornkreis-Jobs auf der Erde kollidiert er mit der Raumsonde Voyager 2 und landet nach einer unangenehmen Kettenreaktion schließlich mehr oder weniger “unschuldig” in einem Besserungslager auf einem Gefängnisschiff des Konzerns. Dort schließt er sich dem Untergrund an, mit dem Ziel, den offenbar bösen und diktatorischen Konzern OmniCorporation, für den er zuvor gearbeitet hat, zu stürzen. An der Spitze des Konzerns steht das alles sehende und alles kontrollierende OmniBrain. Ihr habt sicher bereits erkannt, dass sich so manches Motiv dieser Geschichte auch in den Überwachungs-Staat-Klassikern 1984 von George Orwell und Schöne neue Welt von Aldous Huxley wiederfindet.

Die Verabschiedung von der Pixel-Art

Während sich Simon Woodroffe auf die Geschichte und das Gamedesign von Floyd fokussiert, übernimmt sein Vater Mike Woodroffe die Aufgaben des Producers und Directors, unterstützt von Matt Gardom, der zuvor hauptsächlich als Playtester fungiert hat. Der erfahrene Entwickler Alan Bridgman ist auch diesmal wieder hauptveranwortlich für die technische Umsetzung und wieder einmal kommt die gute alte AGOS-Engine zum Einsatz.

Das Grafik- und Animationsteam rund um Paul Drummond ist auch wieder mit dabei und ist mittlerweile sogar personell auf das Doppelte angewachsen. Doch die Zeiten für handgezeichnete und digitalisierte Pixel-Art sind Mitte der 1990er Jahre auch im Hause Adventure Soft vorbei. Stattdessen wird hier der erste Schritt Richtung 3D gemacht, schließlich ist das gerade mächtig angesagt. So entstehen statt zeitlosen Pixelgrafiken vorgerenderte 3D-Hintergründe, in denen vorgerenderte Sprites ihr Unwesen treiben. Simon Woodroffe geht im oben erwähnten Interview noch weiter ins Detail:

“Wir wollten alle Figuren und Hintergründe auf Silicon Graphics-Computern produzieren und haben darin viel Geld investiert, ebenso wie für die Schulung unserer Mitarbeiter. Der Ansatz, den wir verfolgten, war derselbe, den Donkey Kong Country auf dem Super Nintendo verfolgte: gerenderte 3D-Figuren, die in flache 2D-Sprites umgewandelt wurden. Aber die Lernkurve, um tatsächlich wieder ein gewisses Produktionsvolumen zu erreichen, war immens.”

The Art of Point-and-Click Adventure Games

Ob euch der dabei entstandene Plastik-Look gefällt, dürft ihr gerne selbst entscheiden. Für manche Spieler stellt dieser Grafikstil einen Schritt nach vorne dar, andere wiederum sind von der neuen Optik geradezu abgestoßen. Die gerenderten Zwischensequenzen sind besonders schlecht gealtert und erinnern qualitativ an den “Klassiker” Blue (Da Ba Dee) von Eiffel 65, der ungefähr in das gleiche Zeitalter passt. 

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Über TheLastToKnow

Adventure-Fan aus dem Ruhrpott, groß (aber nicht erwachsen) geworden mit den SCUMM-Adventures in den 1990er Jahren. Spürt immer wieder kleine Indie-Perlen auf und zerrt sie ans Tageslicht.

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